Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
- Ralf Harder
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Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Am gestrigen Samstag (22. Februar 2025) sind offiziell die Karl-May-Haus Informationen Nr. 40 und 41 in Hohenstein-Ernstthal erschienen. Ein Satz im Editorial der Nr. 40, S. 3, ließ mich aufhorchen:
»Zuerst hat Hainer Plaul noch einmal das altbekannte Chemnitzer Uhrendelikt untersucht – und kommt zu neuen Schlüssen (S. 12 ff.).«
Ich machte mich sogleich an die Lektüre, erfreut, dass der bekannte May-Forscher Dr. Hainer Plaul noch einen weiteren Beitrag verfasst hat. Immerhin wird er im übernächsten Jahr 2027 hoffentlich seinen 90. Geburtstag feiern können.
Meine Freude wich der Enttäuschung. Plauls »neue Schlüsse« in seinem neuen Artikel »Wegen Diebstahls hier in Haft« Über Karl Mays erste Verurteilung und seinen Aufenthalt im Gerichtsgefängnis Chemnitz 1862 resultieren auf einen veralteten Forschungsstand. Bevor ich hier jetzt konstruktive Kritik übe, weise ich auf Plauls großartige Arbeiten hin, die hiervon keinesfalls berührt werden, z. B.: ›Redakteur auf Zeit. Über Karl Mays Aufenthalt und Tätigkeit von Mai 1874 bis Dezember 1877.‹ (1977), ›Der Sohn des Webers. Über Karl Mays erste Kindheitsjahre 1842–1848.‹ (1979), ›Mein Leben und Streben‹ (umfangreicher Kommentarteil, 1975), ›Illustrierte Karl-May-Bibliographie‹ (1989).
Was soll laut Editorial der Nr. 40 für die Forschung neu sein? Plaul teilt u.a. mit:
»Der letzte Schultag [für Karl May als Lehrer] vor den Weihnachtsferien war der 23. Dezember 1861, […].« (S. 15) – Damit korrigiert sich Plaul selbst, der ursprünglich in anderen Veröffentlichungen vom 24. Dezember ausging. In der Fußnote 15 (S. 22) gibt er eine entsprechende Erläuterung.
Hainer Plaul erwähnt nicht, dass das korrekte Datum längst von mir in Zusammenarbeit mit Hartmut Bauer im Magazin ›Der Beobachter an der Elbe‹, Nr. 17/2011, anhand einer primären Quelle genannt worden ist. Der Forschungsbeitrag ›Die Taschenuhr-Affäre – Diebstahl oder Intrige? Eine Rekonstruktion der Ereignisse zur Weihnachtszeit 1861‹ kann ihm nicht entgangen sein, denn in der folgenden Ausgabe des ›Beobachters Nr. 18‹ nimmt er Bezug auf einen anderen Beitrag der Nr. 17, womit Hainer Plaul das Heft kannte. Ich schreibe hier bewusst ›kannte‹, weil ich vermute, dass er nach fast 14 Jahren den Taschenuhr-Beitrag beim Verfassen seiner aktuellen Veröffentlichung nicht mehr im Blickfeld hatte. Desgleichen gilt für den Artikel ›Kein übles Lehrgeschick. Der Fabrikschullehrer May – Lektionsbuch und Schulrevisionsbericht‹ von Hans-Dieter Steinmetz und Andreas Barth, erschienen in der Karl-May-Haus Information Nr. 10/1997, worauf ich noch zurückkomme.
In ›Die Taschenuhr-Affäre – Diebstahl oder Intrige?‹ werden einige Irrtümer Hainer Plaus in dessen Beitrag ›Die Sache mit der Uhr‹ (Karl-May-Haus-Information, Nummer 19/2005) korrigiert. Insbesondere handelt es sich um die Wegstrecke, die Karl May als Lehrer zwischen den beiden Fabrikschulen zurücklegen musste. Hainer Plaul hat Mays Fußweg betreffend eine völlig falsche Zeitvorstellung, 2005 und jetzt aktuell wieder geäußert, obwohl zweifelsfrei widerlegt. Ein Blick in ›Kein übles Lehrgeschick. …‹ wäre für ihn darüber hinaus erkenntnisreich gewesen:
»Dem Schullehrer selbst oblag ›die Verpflichtung, die Reinigung der Schulstube zu besorgen.‹«
Karl May war zeitlich deutlich mehr in Anspruch genommen, als Hainer Plaul vermutet. Damit gewinnen Mays Schilderungen zum sogenannten Uhrendelikt in ›Mein Leben und Streben‹ an Glaubwürdigkeit. Indem Plaul aber wichtige Forschungsbeiträge nicht berücksichtigt, schlussfolgert er falsch. Er behauptet, May habe sich die Taschenuhr gar nicht geliehen, sondern gestohlen, um sie zeitnah zu veräußern. Um seine These zu stützen, äußert er über Karl May: »Nach seiner Festnahme in Hohenstein und vor dem Abtransport nach Chemnitz muss [sic!] es zwischen dem informierten Vater [Heinrich August May] und seinem Sohn zu einer Unterredung gekommen sein (25. Dezember 1861), in der er dem Vater, der natürlich nach einer Erklärung verlangte, jene Version darlegte, die er später auch in der Selbstbiografie gebrauchte.« (S. 12) – Heinrich August May hätte dann, so Plaul, aufgrund der Unterredung mit seinem Sohn eine entsprechende Verteidigung schriftlich formuliert.
An dieser Stelle sei die Frage erlaubt: Wie realitätsfremd argumentiert Hainer Plaul?
Eine Unterredung ›muss‹ zwischen Vater und Sohn stattgefunden haben? Garantiert nicht in diesem Zeitraum, denn damals wie heute werden Unterredungen wegen möglicher Verdunkelungsgefahr verhindert! Wohl auch aus diesem Grund kam May in Untersuchungshaft.
Insgesamt ist Plauls Argumentation an einigen Stellen brüchig. Mehrmals bezieht er sich auf seinen älteren Beitrag ›Die Sache mit der Uhr‹, widerspricht sich herbei jedoch selbst. Ursprünglich geht er irrtümlich davon aus, dass Mays letzter Schultag der 24. Dezember war, May direkt einen Tag später verhaftet worden sei, um rechtzeitig die Uhr sicherzustellen. Jetzt schreibt Plaul zwar korrekt, May hätte Chemnitz am 23. Dezember verlassen. Warum aber soll er dann erst am 25. Dezember, nicht bereits am 24. Dezember, wie May übrigens auch mitteilt, verhaftet worden sein? Argumente und Inhalte, 2005 und jetzt von Plaul geäußert, passen nicht zusammen.
Im Übrigen vermisse ich bei Hainer Plaul, der wie ich kein Jurist ist, Stellungnahmen namhafter Juristen, die nach aktuellem Forschungsstand Mays Verhalten kommentieren und beurteilen. Mays Zeitgenosse Erich Wulffen, der mit einer vorgefassten Meinung urteilte, kann nicht der alleinige Maßstab sein.
In unserem Forschungsbeitrag ›Die Taschenuhr-Affäre – Diebstahl oder Intrige?‹ haben Hartmut Bauer und ich namhafte Juristen, wie Claus Roxin und Jürgen Seul, zu Wort kommen lassen:
https://www.reisen-zu-karl-may.de/forsc ... index.html
Dieser Forschungsbeitrag ist aufgrund aufwendiger Recherchen weiterhin aktuell. Hainer Plauls gegenwärtiger Artikel »Wegen Diebstahls hier in Haft« ist bereits mit der Veröffentlichung überholt, weil er weitgehend auf dem Forschungsstand von 2005 fußt, die Erkenntnisse aus ›Die Taschenuhr-Affäre – Diebstahl oder Intrige?‹ überhaupt nicht berücksichtigt, den Beitrag, als wäre er gar nicht vorhanden, nicht einmal erwähnt.
»Zuerst hat Hainer Plaul noch einmal das altbekannte Chemnitzer Uhrendelikt untersucht – und kommt zu neuen Schlüssen (S. 12 ff.).«
Ich machte mich sogleich an die Lektüre, erfreut, dass der bekannte May-Forscher Dr. Hainer Plaul noch einen weiteren Beitrag verfasst hat. Immerhin wird er im übernächsten Jahr 2027 hoffentlich seinen 90. Geburtstag feiern können.
Meine Freude wich der Enttäuschung. Plauls »neue Schlüsse« in seinem neuen Artikel »Wegen Diebstahls hier in Haft« Über Karl Mays erste Verurteilung und seinen Aufenthalt im Gerichtsgefängnis Chemnitz 1862 resultieren auf einen veralteten Forschungsstand. Bevor ich hier jetzt konstruktive Kritik übe, weise ich auf Plauls großartige Arbeiten hin, die hiervon keinesfalls berührt werden, z. B.: ›Redakteur auf Zeit. Über Karl Mays Aufenthalt und Tätigkeit von Mai 1874 bis Dezember 1877.‹ (1977), ›Der Sohn des Webers. Über Karl Mays erste Kindheitsjahre 1842–1848.‹ (1979), ›Mein Leben und Streben‹ (umfangreicher Kommentarteil, 1975), ›Illustrierte Karl-May-Bibliographie‹ (1989).
Was soll laut Editorial der Nr. 40 für die Forschung neu sein? Plaul teilt u.a. mit:
»Der letzte Schultag [für Karl May als Lehrer] vor den Weihnachtsferien war der 23. Dezember 1861, […].« (S. 15) – Damit korrigiert sich Plaul selbst, der ursprünglich in anderen Veröffentlichungen vom 24. Dezember ausging. In der Fußnote 15 (S. 22) gibt er eine entsprechende Erläuterung.
Hainer Plaul erwähnt nicht, dass das korrekte Datum längst von mir in Zusammenarbeit mit Hartmut Bauer im Magazin ›Der Beobachter an der Elbe‹, Nr. 17/2011, anhand einer primären Quelle genannt worden ist. Der Forschungsbeitrag ›Die Taschenuhr-Affäre – Diebstahl oder Intrige? Eine Rekonstruktion der Ereignisse zur Weihnachtszeit 1861‹ kann ihm nicht entgangen sein, denn in der folgenden Ausgabe des ›Beobachters Nr. 18‹ nimmt er Bezug auf einen anderen Beitrag der Nr. 17, womit Hainer Plaul das Heft kannte. Ich schreibe hier bewusst ›kannte‹, weil ich vermute, dass er nach fast 14 Jahren den Taschenuhr-Beitrag beim Verfassen seiner aktuellen Veröffentlichung nicht mehr im Blickfeld hatte. Desgleichen gilt für den Artikel ›Kein übles Lehrgeschick. Der Fabrikschullehrer May – Lektionsbuch und Schulrevisionsbericht‹ von Hans-Dieter Steinmetz und Andreas Barth, erschienen in der Karl-May-Haus Information Nr. 10/1997, worauf ich noch zurückkomme.
In ›Die Taschenuhr-Affäre – Diebstahl oder Intrige?‹ werden einige Irrtümer Hainer Plaus in dessen Beitrag ›Die Sache mit der Uhr‹ (Karl-May-Haus-Information, Nummer 19/2005) korrigiert. Insbesondere handelt es sich um die Wegstrecke, die Karl May als Lehrer zwischen den beiden Fabrikschulen zurücklegen musste. Hainer Plaul hat Mays Fußweg betreffend eine völlig falsche Zeitvorstellung, 2005 und jetzt aktuell wieder geäußert, obwohl zweifelsfrei widerlegt. Ein Blick in ›Kein übles Lehrgeschick. …‹ wäre für ihn darüber hinaus erkenntnisreich gewesen:
»Dem Schullehrer selbst oblag ›die Verpflichtung, die Reinigung der Schulstube zu besorgen.‹«
Karl May war zeitlich deutlich mehr in Anspruch genommen, als Hainer Plaul vermutet. Damit gewinnen Mays Schilderungen zum sogenannten Uhrendelikt in ›Mein Leben und Streben‹ an Glaubwürdigkeit. Indem Plaul aber wichtige Forschungsbeiträge nicht berücksichtigt, schlussfolgert er falsch. Er behauptet, May habe sich die Taschenuhr gar nicht geliehen, sondern gestohlen, um sie zeitnah zu veräußern. Um seine These zu stützen, äußert er über Karl May: »Nach seiner Festnahme in Hohenstein und vor dem Abtransport nach Chemnitz muss [sic!] es zwischen dem informierten Vater [Heinrich August May] und seinem Sohn zu einer Unterredung gekommen sein (25. Dezember 1861), in der er dem Vater, der natürlich nach einer Erklärung verlangte, jene Version darlegte, die er später auch in der Selbstbiografie gebrauchte.« (S. 12) – Heinrich August May hätte dann, so Plaul, aufgrund der Unterredung mit seinem Sohn eine entsprechende Verteidigung schriftlich formuliert.
An dieser Stelle sei die Frage erlaubt: Wie realitätsfremd argumentiert Hainer Plaul?
Eine Unterredung ›muss‹ zwischen Vater und Sohn stattgefunden haben? Garantiert nicht in diesem Zeitraum, denn damals wie heute werden Unterredungen wegen möglicher Verdunkelungsgefahr verhindert! Wohl auch aus diesem Grund kam May in Untersuchungshaft.
Insgesamt ist Plauls Argumentation an einigen Stellen brüchig. Mehrmals bezieht er sich auf seinen älteren Beitrag ›Die Sache mit der Uhr‹, widerspricht sich herbei jedoch selbst. Ursprünglich geht er irrtümlich davon aus, dass Mays letzter Schultag der 24. Dezember war, May direkt einen Tag später verhaftet worden sei, um rechtzeitig die Uhr sicherzustellen. Jetzt schreibt Plaul zwar korrekt, May hätte Chemnitz am 23. Dezember verlassen. Warum aber soll er dann erst am 25. Dezember, nicht bereits am 24. Dezember, wie May übrigens auch mitteilt, verhaftet worden sein? Argumente und Inhalte, 2005 und jetzt von Plaul geäußert, passen nicht zusammen.
Im Übrigen vermisse ich bei Hainer Plaul, der wie ich kein Jurist ist, Stellungnahmen namhafter Juristen, die nach aktuellem Forschungsstand Mays Verhalten kommentieren und beurteilen. Mays Zeitgenosse Erich Wulffen, der mit einer vorgefassten Meinung urteilte, kann nicht der alleinige Maßstab sein.
In unserem Forschungsbeitrag ›Die Taschenuhr-Affäre – Diebstahl oder Intrige?‹ haben Hartmut Bauer und ich namhafte Juristen, wie Claus Roxin und Jürgen Seul, zu Wort kommen lassen:
https://www.reisen-zu-karl-may.de/forsc ... index.html
Dieser Forschungsbeitrag ist aufgrund aufwendiger Recherchen weiterhin aktuell. Hainer Plauls gegenwärtiger Artikel »Wegen Diebstahls hier in Haft« ist bereits mit der Veröffentlichung überholt, weil er weitgehend auf dem Forschungsstand von 2005 fußt, die Erkenntnisse aus ›Die Taschenuhr-Affäre – Diebstahl oder Intrige?‹ überhaupt nicht berücksichtigt, den Beitrag, als wäre er gar nicht vorhanden, nicht einmal erwähnt.
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Re: Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Daß der verdienstvolle May-Forscher Hainer Plaul Ihre gleichermaßen verdienstvollen Recherchen nicht erwähnt hat, ist bedauerlich, aber sicher keine Absicht, zumal der Aufsatz auch sonst eher spärlich mit Belegen versehen ist. Da er die Ergebnisse Ihrer Recherchen zur Frage des letzten Schultags vor Weihnachten ja übernommen hat, dürfte von einem veralteten Forschungsstand nicht die Rede sein können.
Auf zwei Einwände Ihrerseits sei noch eingegangen:
Die Frage, wie lange Mays Fußweg zum Bahnhof war und wie viel Zeit ihm dafür zur Verfügung stand, erscheint mir ohne Relevanz für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit zu sein. Selbst wenn dem Lehrer die Reinigung der Schulräume auferlegt gewesen sein sollte, so ist damit ja nicht gesagt, daß er das jeden Tag tun mußte. Eher dürfte das Gegenteil naheliegen, denn wenn May am 23.12.1861 die Schulräume reinigen hätte müssen, hätte er dies die Leser seiner Autobiographie doch sicher wissen lassen, würde sie seinen Wunsch, vor der Fahrt in die Ferien nicht erneut die Wohnung aufzusuchen, doch noch glaubhafter erscheinen lassen.
Daß Heinrich May von seinem Sohn über die gegen diesen erhobenen Vorwürfe informiert wurde, halte ich auch für nicht wahrscheinlich und davon, daß dies so gewesen sein "muss" kann schon gar nicht die Rede sein (ohnehin enthält der neue Beitrag von Plaul zu viele unbegründete und angesichts der dürftigen Quellenlage unbegründbare Unterstellungen), allerdings sollte man diese Möglichkeit nicht vorschnell ausschließen. Daß May sich in Unter-suchungshaft befand bzw. zunächst einmal nur in polizeilichem Gewahrsam aufgrund vorläufiger Festnahme, hinderte ein Zusammentreffen nicht. Verdunkelungsgefahr als Haftgrund (vgl. Art.151 II KSächsStPO) dürfte eher nicht einschlägig gewesen sein, sofern es sich so verhielt, daß Scheunpflug der einzige war, der als Zeuge in Betracht kam. Es bestand kein Grund, May den Besuch durch Verwandte zu verwehren. Wie das allerdings in der damaligen polizeilichen und richterlichen Praxis gehandhabt wurde, wissen wir nicht. Im übrigen sollte man auch eine schriftliche Information des Vaters durch den Sohn in Erwägung ziehen, Untersuchungsgefangenen war die briefliche Korrespondenz gestattet (vgl. Art.155 I 1 KSächsStPO).
Sie vermissen bei Plaul Stellungnahmen namhafter Juristen, die nach aktuellem Forschungsstand Mays Verhalten kommentieren und beurteilen. In diesem Zusammenhang sei der Hinweis darauf gestattet, daß am 12.4.2025 in Nürnberg ein Jurist, wenn auch kein namhafter, zur causa Taschenuhr referieren wird:
https://www.karl-may-franken.de
Es ergeht herzliche Einladung.
Wolfgang Wiesheier
Auf zwei Einwände Ihrerseits sei noch eingegangen:
Die Frage, wie lange Mays Fußweg zum Bahnhof war und wie viel Zeit ihm dafür zur Verfügung stand, erscheint mir ohne Relevanz für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit zu sein. Selbst wenn dem Lehrer die Reinigung der Schulräume auferlegt gewesen sein sollte, so ist damit ja nicht gesagt, daß er das jeden Tag tun mußte. Eher dürfte das Gegenteil naheliegen, denn wenn May am 23.12.1861 die Schulräume reinigen hätte müssen, hätte er dies die Leser seiner Autobiographie doch sicher wissen lassen, würde sie seinen Wunsch, vor der Fahrt in die Ferien nicht erneut die Wohnung aufzusuchen, doch noch glaubhafter erscheinen lassen.
Daß Heinrich May von seinem Sohn über die gegen diesen erhobenen Vorwürfe informiert wurde, halte ich auch für nicht wahrscheinlich und davon, daß dies so gewesen sein "muss" kann schon gar nicht die Rede sein (ohnehin enthält der neue Beitrag von Plaul zu viele unbegründete und angesichts der dürftigen Quellenlage unbegründbare Unterstellungen), allerdings sollte man diese Möglichkeit nicht vorschnell ausschließen. Daß May sich in Unter-suchungshaft befand bzw. zunächst einmal nur in polizeilichem Gewahrsam aufgrund vorläufiger Festnahme, hinderte ein Zusammentreffen nicht. Verdunkelungsgefahr als Haftgrund (vgl. Art.151 II KSächsStPO) dürfte eher nicht einschlägig gewesen sein, sofern es sich so verhielt, daß Scheunpflug der einzige war, der als Zeuge in Betracht kam. Es bestand kein Grund, May den Besuch durch Verwandte zu verwehren. Wie das allerdings in der damaligen polizeilichen und richterlichen Praxis gehandhabt wurde, wissen wir nicht. Im übrigen sollte man auch eine schriftliche Information des Vaters durch den Sohn in Erwägung ziehen, Untersuchungsgefangenen war die briefliche Korrespondenz gestattet (vgl. Art.155 I 1 KSächsStPO).
Sie vermissen bei Plaul Stellungnahmen namhafter Juristen, die nach aktuellem Forschungsstand Mays Verhalten kommentieren und beurteilen. In diesem Zusammenhang sei der Hinweis darauf gestattet, daß am 12.4.2025 in Nürnberg ein Jurist, wenn auch kein namhafter, zur causa Taschenuhr referieren wird:
https://www.karl-may-franken.de
Es ergeht herzliche Einladung.
Wolfgang Wiesheier
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Re: Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Sie schrieben:
Und eine solche ›Reinigung‹ war an einem Wintertag gewiss zeitraubender, wenn der Schneematsch von den Schuhen der Schüler taute. Neben der gewissenhaften gründlichen Säuberung – es war schließlich der letzte Schultag vor den Ferien – dürfte May noch mit beruflichen Schreibarbeiten beschäftigt gewesen sein. Sehr wahrscheinlich musste er sich ferner um den Ofen, der den Klassenraum beheizte, kümmern. Überdies gebot es die Höflichkeit, sich mit angemessenen Weihnachtsgrüßen von Führungspersönlichkeiten der Fabrik zu verabschieden. Er durfte auf keinen Fall unangenehm auffallen. Erst wenige Tage zuvor war May vom Diakon Eduard Otto Pfützner, der als Lokalschulinspektor für die Altchemnitzer Fabrikschulen zuständig war, denunziert worden. Er fand am 10. Dezember in der Fabrikschule Solbrig »weder Lehrer, noch Schüler« im Klassenraum vor. Die Angelegenheit klärte sich schließlich auf, weil May sich in der anderen Fabrikschule aufzuhalten hatte.
https://www.reisen-zu-karl-may.de/forsc ... index.html
Der Fußweg, den Hainer Plaul vom Zeitaufwand als nicht bedeutsam einstuft, spielt sehr wohl eine Rolle. Man schaue sich einmal die Wegstrecke an! Ein Blick in die Bildbiografie ›Karl May und seine Zeit‹ von Plaul/Klußmeier mit der Lagekarte der Fabrikschulen (Seite 71) ist aufschlussreich, besser noch, man läuft die Strecke ab, wie Hartmut Bauer und ich es getan haben.
Wer läuft schon, wenn er verreisen will, bei Wind und Wetter über anderthalb Stunden, ca. 7,6 Kilometer, zwischen zwei Schulen hin und her, um eine geliehene Taschenuhr zurückzubringen? Für die Beurteilung von Mays Glaubwürdigkeit (er wollte nicht den letzten Zug nach Hohenstein verpassen) ist dies nach meiner Auffassung sehr wohl von Relevanz.
Vor der Veröffentlichung des Beitrags ›Die Taschenuhr-Affäre – Diebstahl oder Intrige? Eine Rekonstruktion der Ereignisse zur Weihnachtszeit 1861‹ hatte ich den Text Professor Claus Roxin zur Durchsicht gegeben. Er war vollumfänglich derselben Auffassung. Er schrieb mir u.a.:
Auch ich bin der Meinung, dass Mays Darstellung mindestens subjektiv wahr und auch objektiv weitgehend zutreffend ist (wie jetzt wieder Ihr Aufsatz zum Uhrendiebstahl zeigt). (22.11.2011)
Nach der Verordnung musste May sich jeden Schultag kümmern. Der Aufwand war natürlich nicht immer gleich groß, aber am letzten Tag vor den Ferien war Mays Sorgfalt doch wohl besonders gefordert:Die Frage, wie lange Mays Fußweg zum Bahnhof war und wie viel Zeit ihm dafür zur Verfügung stand, erscheint mir ohne Relevanz für die Beurteilung seiner Glaubwürdigkeit zu sein. Selbst wenn dem Lehrer die Reinigung der Schulräume auferlegt gewesen sein sollte, so ist damit ja nicht gesagt, daß er das jeden Tag tun mußte.
Und eine solche ›Reinigung‹ war an einem Wintertag gewiss zeitraubender, wenn der Schneematsch von den Schuhen der Schüler taute. Neben der gewissenhaften gründlichen Säuberung – es war schließlich der letzte Schultag vor den Ferien – dürfte May noch mit beruflichen Schreibarbeiten beschäftigt gewesen sein. Sehr wahrscheinlich musste er sich ferner um den Ofen, der den Klassenraum beheizte, kümmern. Überdies gebot es die Höflichkeit, sich mit angemessenen Weihnachtsgrüßen von Führungspersönlichkeiten der Fabrik zu verabschieden. Er durfte auf keinen Fall unangenehm auffallen. Erst wenige Tage zuvor war May vom Diakon Eduard Otto Pfützner, der als Lokalschulinspektor für die Altchemnitzer Fabrikschulen zuständig war, denunziert worden. Er fand am 10. Dezember in der Fabrikschule Solbrig »weder Lehrer, noch Schüler« im Klassenraum vor. Die Angelegenheit klärte sich schließlich auf, weil May sich in der anderen Fabrikschule aufzuhalten hatte.
https://www.reisen-zu-karl-may.de/forsc ... index.html
Der Fußweg, den Hainer Plaul vom Zeitaufwand als nicht bedeutsam einstuft, spielt sehr wohl eine Rolle. Man schaue sich einmal die Wegstrecke an! Ein Blick in die Bildbiografie ›Karl May und seine Zeit‹ von Plaul/Klußmeier mit der Lagekarte der Fabrikschulen (Seite 71) ist aufschlussreich, besser noch, man läuft die Strecke ab, wie Hartmut Bauer und ich es getan haben.
Wer läuft schon, wenn er verreisen will, bei Wind und Wetter über anderthalb Stunden, ca. 7,6 Kilometer, zwischen zwei Schulen hin und her, um eine geliehene Taschenuhr zurückzubringen? Für die Beurteilung von Mays Glaubwürdigkeit (er wollte nicht den letzten Zug nach Hohenstein verpassen) ist dies nach meiner Auffassung sehr wohl von Relevanz.
Vor der Veröffentlichung des Beitrags ›Die Taschenuhr-Affäre – Diebstahl oder Intrige? Eine Rekonstruktion der Ereignisse zur Weihnachtszeit 1861‹ hatte ich den Text Professor Claus Roxin zur Durchsicht gegeben. Er war vollumfänglich derselben Auffassung. Er schrieb mir u.a.:
Auch ich bin der Meinung, dass Mays Darstellung mindestens subjektiv wahr und auch objektiv weitgehend zutreffend ist (wie jetzt wieder Ihr Aufsatz zum Uhrendiebstahl zeigt). (22.11.2011)
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Re: Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Sie schrieben:
"Nach der Verordnung musste May sich jeden Schultag kümmern."
Sie beziehen sich vermutlich (so jedenfalls interpretiere ich Ihren Hinweis in DBadE 17, 4, 13, Fn.15) auf die Verordnung zum Gesetze über das Elementar-Volksschulwesen vom 9.6.1835 (KSächsGVBl 1835, 298 - 358). Dort findet sich jedoch keinerlei Regelung der Reinigungspflichten des Lehrers. Lediglich in der von Ihnen genannten Sammlung von Schreyer (Zweite Auflage, 1864) ist kommentierend (458, Fn.108) eine Entscheidung des Ministeriums des Cultus und des öffentlichen Unterrichts vom 16.5.1847 genannt (sehr wahrscheinlich nicht veröffentlicht, im Internet jedenfalls nicht ermittelbar), die dem Lehrer ohne Angabe eines Turnus Reinigungspflichten für den Schulraum auferlegt haben soll, aber nur "sobald nicht eine die Schulgemeinde dazu verpflichtende Rechtsnorm als örtlich vorhanden nachzuweisen ist", und auch die Nichtexistenz einer solchen Norm wäre erst noch zu ermitteln.
Sollte es sich so verhalten haben, daß der Schulraum sich im Farbrikgebäude befand und die Schüler sich unmittelbar nach der Arbeit in diesen begeben haben, so wird auch Schneematsch nicht das Problem gewesen sein.
Die Relevanz der Fußweg-Frage steht und fällt im übrigen mit der Frage, ob die Geschichte mit der geliehenen Uhr stimmt. Wenn die Uhr nicht entliehen war, bestand auch keine Notwendigkeit, sie zurückzubringen. Meiner Meinung nach ist schon der Uhrenverleih erfunden.
Objektiv weitgehend zutreffend kann seine Darstellung schon deswegen nicht sein, weil er Pfeife und Zigarrenspitze unterschlägt. Subjektiv wahr könnte sie sein, wenn man unterstellt, daß er sich Jahrzehnte später nicht mehr daran erinnern konnte, auf seiner Fahrt in die Ferien neben der Uhr auch noch weitere Gegenstände eingesteckt zu haben. Denkbar wäre das, aber wahrscheinlicher doch wohl eher, daß er sich daran nicht erinnern wollte, so wie er sich nicht mehr daran erinnern wollte, daß es keine Kerzenreste waren, sondern 6 ausgewachsene Kerzen, die er zwei Jahre vorher hatte mitgehen lassen.
Wolfgang Wiesheier
"Nach der Verordnung musste May sich jeden Schultag kümmern."
Sie beziehen sich vermutlich (so jedenfalls interpretiere ich Ihren Hinweis in DBadE 17, 4, 13, Fn.15) auf die Verordnung zum Gesetze über das Elementar-Volksschulwesen vom 9.6.1835 (KSächsGVBl 1835, 298 - 358). Dort findet sich jedoch keinerlei Regelung der Reinigungspflichten des Lehrers. Lediglich in der von Ihnen genannten Sammlung von Schreyer (Zweite Auflage, 1864) ist kommentierend (458, Fn.108) eine Entscheidung des Ministeriums des Cultus und des öffentlichen Unterrichts vom 16.5.1847 genannt (sehr wahrscheinlich nicht veröffentlicht, im Internet jedenfalls nicht ermittelbar), die dem Lehrer ohne Angabe eines Turnus Reinigungspflichten für den Schulraum auferlegt haben soll, aber nur "sobald nicht eine die Schulgemeinde dazu verpflichtende Rechtsnorm als örtlich vorhanden nachzuweisen ist", und auch die Nichtexistenz einer solchen Norm wäre erst noch zu ermitteln.
Sollte es sich so verhalten haben, daß der Schulraum sich im Farbrikgebäude befand und die Schüler sich unmittelbar nach der Arbeit in diesen begeben haben, so wird auch Schneematsch nicht das Problem gewesen sein.
Die Relevanz der Fußweg-Frage steht und fällt im übrigen mit der Frage, ob die Geschichte mit der geliehenen Uhr stimmt. Wenn die Uhr nicht entliehen war, bestand auch keine Notwendigkeit, sie zurückzubringen. Meiner Meinung nach ist schon der Uhrenverleih erfunden.
Objektiv weitgehend zutreffend kann seine Darstellung schon deswegen nicht sein, weil er Pfeife und Zigarrenspitze unterschlägt. Subjektiv wahr könnte sie sein, wenn man unterstellt, daß er sich Jahrzehnte später nicht mehr daran erinnern konnte, auf seiner Fahrt in die Ferien neben der Uhr auch noch weitere Gegenstände eingesteckt zu haben. Denkbar wäre das, aber wahrscheinlicher doch wohl eher, daß er sich daran nicht erinnern wollte, so wie er sich nicht mehr daran erinnern wollte, daß es keine Kerzenreste waren, sondern 6 ausgewachsene Kerzen, die er zwei Jahre vorher hatte mitgehen lassen.
Wolfgang Wiesheier
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Re: Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Sehr geehrter Herr Wiesheier,
ich werde keine Endlosdiskussion mit Ihnen führen, indem ich hier im Forum wie ein Rechtsanwalt für Karl May, Sie als Staatsanwalt gegen Karl May mit wiederholten Plädoyers agieren.
Ich halte Karl May (wie u.a. Roxin, Wollschläger, Seul), was die Taschenuhr betrifft, für glaubwürdig. Sie sind anderer Auffassung.
Sie erwähnen die »6 ausgewachsene Kerzen, die er [May] zwei Jahre vorher hatte mitgehen lassen«. Ich will dies hier keinesfalls gutheißen, aber was hat dies unmittelbar mit der Taschenuhr zu tun? Wenn Kerzen entwendet werden, ist das natürlich Diebstahl. Dennoch sollte man die Kirche im Dorf lassen. Wenn ein Schlosser einige Schrauben von der Arbeit entwendet, ein Elektriker eine Rolle Isolierband, die Sekretärin nur eine Büroklammer usw., so sind dies ähnliche Bagatelldelikte. Dies dürfte täglich allein in Deutschland unzählige Male vorkommen. Manche, die über Karl Mays Verhalten in Waldenburg urteilen, sollten vielleicht hinterfragen, ob sie irgendwann ähnliches unternommen haben könnten, sei es nur das Mitnehmen eines Kugelschreibers aus dem Büro. Sind all diese Menschen so kriminell, dass sie später Straftaten begehen, die eine Haftstrafe rechtfertigen?
Zur Taschenuhr: Karl May war kein ungebildeter, intellektuell einfach gestrickter Bursche. Er war Lehrer, wusste genau, was beruflich für ihn auf dem Spiel stand. Hätte er die Uhr wirklich stehlen wollen, wäre der Verdacht doch sofort auf ihn gefallen, da er ja der Stubengenosse war. Hätte er dann die Uhr bei sich getragen? Hätte er die Uhr nicht irgendwo versteckt?
Für mich ist auch sehr bedeutsam, was Karl May später in seinen Romanen verarbeitete. In ›Der verlorne Sohn‹ ist der Mechaniker Wilhelm Fels das Opfer einer Intrige. Er wird dazu gebracht, dass er sich ohne zu fragen Material ausleiht, was dann als Diebstahl ausgelegt wird. Dafür wird er mit 6 Wochen Gefängnis bestraft. Auf die Heilmann-Taschenuhr-Episode habe ich bereits im Beitrag ›Die Taschenuhr-Affäre‹ hingewiesen. In der genannten 1885 anonym entstandenen Romanpassage nimmt Karl May im Grunde genommen die Schilderungen seiner Autobiografie vorweg und erhöht somit deren Glaubwürdigkeit.
Dies galt für Karl May ganz besonders am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien. Er durfte keine verschmutze Schulklasse hinterlassen, wenn er nicht den Zorn seiner Vorgesetzten auf sich laden wollte …
ich werde keine Endlosdiskussion mit Ihnen führen, indem ich hier im Forum wie ein Rechtsanwalt für Karl May, Sie als Staatsanwalt gegen Karl May mit wiederholten Plädoyers agieren.
Ich halte Karl May (wie u.a. Roxin, Wollschläger, Seul), was die Taschenuhr betrifft, für glaubwürdig. Sie sind anderer Auffassung.
Sie erwähnen die »6 ausgewachsene Kerzen, die er [May] zwei Jahre vorher hatte mitgehen lassen«. Ich will dies hier keinesfalls gutheißen, aber was hat dies unmittelbar mit der Taschenuhr zu tun? Wenn Kerzen entwendet werden, ist das natürlich Diebstahl. Dennoch sollte man die Kirche im Dorf lassen. Wenn ein Schlosser einige Schrauben von der Arbeit entwendet, ein Elektriker eine Rolle Isolierband, die Sekretärin nur eine Büroklammer usw., so sind dies ähnliche Bagatelldelikte. Dies dürfte täglich allein in Deutschland unzählige Male vorkommen. Manche, die über Karl Mays Verhalten in Waldenburg urteilen, sollten vielleicht hinterfragen, ob sie irgendwann ähnliches unternommen haben könnten, sei es nur das Mitnehmen eines Kugelschreibers aus dem Büro. Sind all diese Menschen so kriminell, dass sie später Straftaten begehen, die eine Haftstrafe rechtfertigen?
Zur Taschenuhr: Karl May war kein ungebildeter, intellektuell einfach gestrickter Bursche. Er war Lehrer, wusste genau, was beruflich für ihn auf dem Spiel stand. Hätte er die Uhr wirklich stehlen wollen, wäre der Verdacht doch sofort auf ihn gefallen, da er ja der Stubengenosse war. Hätte er dann die Uhr bei sich getragen? Hätte er die Uhr nicht irgendwo versteckt?
Für mich ist auch sehr bedeutsam, was Karl May später in seinen Romanen verarbeitete. In ›Der verlorne Sohn‹ ist der Mechaniker Wilhelm Fels das Opfer einer Intrige. Er wird dazu gebracht, dass er sich ohne zu fragen Material ausleiht, was dann als Diebstahl ausgelegt wird. Dafür wird er mit 6 Wochen Gefängnis bestraft. Auf die Heilmann-Taschenuhr-Episode habe ich bereits im Beitrag ›Die Taschenuhr-Affäre‹ hingewiesen. In der genannten 1885 anonym entstandenen Romanpassage nimmt Karl May im Grunde genommen die Schilderungen seiner Autobiografie vorweg und erhöht somit deren Glaubwürdigkeit.
Für die Fabrikschulen galten die Bestimmungen des Volksschulgesetzes. Eindeutig ist die Anordnung: »Dem Schullehrer selbst oblag ›die Verpflichtung, die Reinigung der Schulstube zu besorgen.‹«Sollte es sich so verhalten haben, daß der Schulraum sich im Farbrikgebäude befand und die Schüler sich unmittelbar nach der Arbeit in diesen begeben haben, so wird auch Schneematsch nicht das Problem gewesen sein.
Dies galt für Karl May ganz besonders am letzten Schultag vor den Weihnachtsferien. Er durfte keine verschmutze Schulklasse hinterlassen, wenn er nicht den Zorn seiner Vorgesetzten auf sich laden wollte …
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Re: Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Ich hab jetzt auch herausgefunden, wie das mit dem Zitieren hier funktioniert, das macht es vielleicht etwas übersichtlicher:
Es sollte auch nicht, um eine in diesem Kontext passende Formulierung zu wählen, unterschlagen werden, daß er bereits bei seinem ersten Engagement als Lehrer Probleme hatte, zwischen Mein und Dein zu unterscheiden, und er sehr risikofreudig war. Er hat den Lehrling Meinholds angestiftet, aus der Ladenkasse Geld zu nehmen und ihm auszuhändigen. Das führte wahrscheinlich nur deshalb nicht zu einer Strafverfolgung, weil das Geld wieder zurückgegeben wurde, und wird daher gerne übersehen, zeigt aber, wie May damals gestrickt war.
Die gesamte Glauchauer Zeit verschweigt May in seiner Autobiographie. Erhöht das vielleicht seine Glaubwürdigkeit?
Wolfgang Wiesheier
Insofern, als der Lichtwochner-Vorfall relativ gut dokumentiert ist und wir anhand dessen klar sehen, daß May in entscheidenden Punkten gelogen hat. Kein May-Forscher steht mehr auf dem Standpunkt, daß seine Schilderung hier vollständig zutreffend sei. Aussagepsychologisch ist es von Relevanz, ob jemand auch sonst die Wahrheit sagt und volkstümlich wird das ausgedrückt in dem Spruch: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.Sie erwähnen die »6 ausgewachsene Kerzen, die er [May] zwei Jahre vorher hatte mitgehen lassen«. Ich will dies hier keinesfalls gutheißen, aber was hat dies unmittelbar mit der Taschenuhr zu tun?
Ob man das mit den Kerzen als Bagatelle bewerten möchte oder nicht, das kann dahinstehen bleiben. Angemerkt sei aber, daß an einen angehenden Lehrer da sicher andere Anforderungen zu stellen sind als an z. B. einen Schlosser.Wenn Kerzen entwendet werden, ist das natürlich Diebstahl. Dennoch sollte man die Kirche im Dorf lassen. Wenn ein Schlosser einige Schrauben von der Arbeit entwendet, ein Elektriker eine Rolle Isolierband, die Sekretärin nur eine Büroklammer usw., so sind dies ähnliche Bagatelldelikte. Dies dürfte täglich allein in Deutschland unzählige Male vorkommen. Manche, die über Karl Mays Verhalten in Waldenburg urteilen, sollten vielleicht hinterfragen, ob sie irgendwann ähnliches unternommen haben könnten, sei es nur das Mitnehmen eines Kugelschreibers aus dem Büro. Sind all diese Menschen so kriminell, dass sie später Straftaten begehen, die eine Haftstrafe rechtfertigen?
Schon als Seminarist und als Lehrer in Glauchau wußte er, was für ihn auf dem Spiel stand.Zur Taschenuhr: Karl May war kein ungebildeter, intellektuell einfach gestrickter Bursche. Er war Lehrer, wusste genau, was beruflich für ihn auf dem Spiel stand.
Es sollte auch nicht, um eine in diesem Kontext passende Formulierung zu wählen, unterschlagen werden, daß er bereits bei seinem ersten Engagement als Lehrer Probleme hatte, zwischen Mein und Dein zu unterscheiden, und er sehr risikofreudig war. Er hat den Lehrling Meinholds angestiftet, aus der Ladenkasse Geld zu nehmen und ihm auszuhändigen. Das führte wahrscheinlich nur deshalb nicht zu einer Strafverfolgung, weil das Geld wieder zurückgegeben wurde, und wird daher gerne übersehen, zeigt aber, wie May damals gestrickt war.
Die gesamte Glauchauer Zeit verschweigt May in seiner Autobiographie. Erhöht das vielleicht seine Glaubwürdigkeit?
Dieses Argument stammt von Roxin, der sich wie folgt äußert: "Denn da nach Lage der Dinge nur er die Gegenstände an sich genommen haben konnte, wäre er als Dieb von vornherein entlarvt gewesen." Allerdings wissen wir ja nicht, wie die Lage der Dinge war. Möglicherweise waren bis Weihnachten 1861 alle Gegenstände unbeachtet in einer Schublade gelegen, hatte May darauf spekuliert, daß Scheunpflug sie ganz vergesesen würde und war es nur dem Zufall zu verdanken, daß dieser, kurz bevor er selbst in die Weihnachtsferien geht, noch danach sucht, sie nicht findet und der Verdacht deshalb auf May fallen mußte.Hätte er die Uhr wirklich stehlen wollen, wäre der Verdacht doch sofort auf ihn gefallen, da er ja der Stubengenosse war. Hätte er dann die Uhr bei sich getragen? Hätte er die Uhr nicht irgendwo versteckt?
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß diese Episode aus dem Verlorenen Sohn bewußt deswegen so gestaltet wurde, um spätere Biographen und Spiegelungen-Sucher in die Irre zu führen und sie das glauben zu lassen, von dem May wollte, daß sie es glauben. Insofern in der Tat die Vorwegnahme seiner Autobiographie, aber seine Glaubwürdigkeit erhöht auch das nicht.Für mich ist auch sehr bedeutsam, was Karl May später in seinen Romanen verarbeitete. In ›Der verlorne Sohn‹ ist der Mechaniker Wilhelm Fels das Opfer einer Intrige. Er wird dazu gebracht, dass er sich ohne zu fragen Material ausleiht, was dann als Diebstahl ausgelegt wird. Dafür wird er mit 6 Wochen Gefängnis bestraft. Auf die Heilmann-Taschenuhr-Episode habe ich bereits im Beitrag ›Die Taschenuhr-Affäre‹ hingewiesen. In der genannten 1885 anonym entstandenen Romanpassage nimmt Karl May im Grunde genommen die Schilderungen seiner Autobiografie vorweg und erhöht somit deren Glaubwürdigkeit.
Diese Anordnung, wo steht die oder woraus leiten Sie die her? Die in Ihrem vorletzten Beitrag genannte Verordnung kennt sie, wie in meinem letzten Beitrag ausgeführt, nicht. Auch das Gesetz, das Elementar-Volksschulwesen betreffend (KSächsGVBl 1835, 279 - 297) enthält hierzu keine Bestimmungen.Für die Fabrikschulen galten die Bestimmungen des Volksschulgesetzes. Eindeutig ist die Anordnung: »Dem Schullehrer selbst oblag ›die Verpflichtung, die Reinigung der Schulstube zu besorgen.‹«
Wolfgang Wiesheier
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Re: Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Hier lag nachweislich keine Diebstahlabsicht vor. Meinhold führte an, May habe den Lehrling verführt, »ihm aus der Ladencaße 1 rt 5 ngr zu borgen«. Das Geld wurde von Karl May offenkundig zeitnah zurückbezahlt.Er [May] hat den Lehrling Meinholds angestiftet, aus der Ladenkasse Geld zu nehmen und ihm auszuhändigen.
Karl May war arm, hatte wahrscheinlich noch kein Gehalt als Lehrer erhalten. Man kann heutzutage leicht urteilen und verurteilen, wie jemand damals »gestrickt« war. Vielleicht sollte man dem Menschen Karl May ein wenig mehr Respekt entgegenbringen?Das führte wahrscheinlich nur deshalb nicht zu einer Strafverfolgung, weil das Geld wieder zurückgegeben wurde, und wird daher gerne übersehen, zeigt aber, wie May damals gestrickt war.
Der Roman erschien anonym zu einem Zeitpunkt, wo er überhaupt nicht ahnen konnte, dass er sich Jahrzehnte später vor der Öffentlichkeit rechtfertigen musste.Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß diese Episode aus dem Verlorenen Sohn bewußt deswegen so gestaltet wurde, um spätere Biographen und Spiegelungen-Sucher in die Irre zu führen und sie das glauben zu lassen, von dem May wollte, daß sie es glauben. Insofern in der Tat die Vorwegnahme seiner Autobiographie, aber seine Glaubwürdigkeit erhöht auch das nicht.
Zu den Pflichten des Schullehrers:
Gemeint ist die »Administrativjustiz-Entsch. des C. M. vom 15. Mai 1847, die Verpflichtung, die Reinigung der Schulstube zu besorgen, dem Schullehrer obliegt.« – Ferner: »Wände, Fußböden […] in der Schulstube müssen stets [sic!] reinlich und in der sorgfältigesten Ordnung erhalten werden […]«. – Zu finden im Codex des im Königreiche Sachsen geltenden Kirchen- und Schul-Rechts (Im Auftrage des Königlichen Ministerium des Cultus u. öffentl. Unterrichts), Leipzig 1864, in der Abteilung ›Verordnung v. 9. Juni 1835‹.Diese Anordnung, wo steht die oder woraus leiten Sie die her? Die in Ihrem vorletzten Beitrag genannte Verordnung kennt sie, wie in meinem letzten Beitrag ausgeführt, nicht. Auch das Gesetz, das Elementar-Volksschulwesen betreffend (KSächsGVBl 1835, 279 - 297) enthält hierzu keine Bestimmungen.
Ich empfehle Ihnen zur Lektüre:
Hans-Dieter Steinmetz / Andreas Barth: Kein übles Lehrgeschick. Der Fabrikschullehrer May – Lektionsbuch und Schulrevisionsbericht. In: Karl-May-Haus-Information, Nummer 10, Hohenstein-Ernstthal 1997, S. 20ff.
Im Übrigen ist es damals wie heute so, dass wenn die Schüler den Klassenraum zum Schulschluss verlassen, der Lehrer nicht gleich Feierabend hat. Die Aufgaben mögen früher teilweise anders aufgeteilt gewesen sein als heute, aber May konnte gewiss nicht zeitgleich mit den Schülern nach Hause gehen. Und damals wie heute gibt es Pausen, in denen die Schüler nach draußen an die Luft gehen. Zwangsläufig wird dann Schmutz reingetragen.
Ich bin der festen Auffassung, Hartmut Bauer und ich haben die Ereignisse in der Weihnachtszeit 1861 anhand gewichtiger Indizien und primärer Quellen korrekt dargestellt. Damit möchte ich es hier belassen:
https://www.reisen-zu-karl-may.de/forsc ... index.html
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Re: Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Eine Diebstahlsabsicht hat auch niemand behauptet. Strafbar ist das, was May da gemacht hat, gleichwohl. Als Anstiftung zur Untreue wird man es vielleicht nach heutigem Recht qualifizieren müssen.Hier lag nachweislich keine Diebstahlabsicht vor. Meinhold führte an, May habe den Lehrling verführt, »ihm aus der Ladencaße 1 rt 5 ngr zu borgen«. Das Geld wurde von Karl May offenkundig zeitnah zurückbezahlt.
Viel gravierender erscheint mir ohnehin, was er dem armen Lehrling angetan hat, den er zunächst in Loyalitätskonflikte gebracht hat, weil er seinem Lehrherrn gegenüber verpflichtet war, auf der anderen Seite aber die Autoritätsperson Lehrer stand, und dann auch noch in Schwierigkeiten mit dem Lehrherrn, als die Sache rauskam. Das ist zu Recht im Vermerk der Superintendentur Glauchau vom 17.10.1861 hervorgehoben worden. Von jemandem, dem beruflich die Sorge für Minderjährige anvertraut ist, erwartet man da doch ein anderes Verhalten und gibt es keinen Grund, das zu verharmlosen.
Wir wissen im übrigen nicht, ob May selbst die Rückzahlung veranlaßt hat, ob dies zeitnah geschah und ob hier nicht vor allem die Angst vor Strafverfolgung nach Entdeckung die Triebfeder war, ob er also zunächst vielleicht vorgehabt hat, das Geld erstmal nicht zurückzuzahlen in der Hoffnung, daß es nicht auffällt. In den Quellen heißt es dazu lediglich: "Wenn nun auch letztere Summe zurückgegeben sei, ...".
Karl May war arm, hatte wahrscheinlich noch kein Gehalt als Lehrer erhalten. Man kann heutzutage leicht urteilen und verurteilen, wie jemand damals »gestrickt« war.
Aus den vorhandenen Dokumenten, wonach ihm "etwas mehreres, als einen halben Monatsgehalt" nicht ausgezahlt werden sollte, ergibt sich in der Tat, daß er in der ersten Oktoberhälfte noch kein Gehalt bekommen hatte, offensichtlich hätte das Oktobergehalt erst am Monatsende gezahlt werden sollen. Daß er da Geldprobleme hatte, liegt nahe.
Es fragt sich in diesem Zusammenhang allerdings, sofern May selbst der Rückzahlende war, woher er das Geld dafür genommen hat, vom ersten Gehalt kann es ja dann nicht gewesen sein. Da kann man nur hoffen, daß nicht der Lehrling sich noch bemüßigt gefühlt hat, das Manko aus eigenen MItteln auszugleichen, um Schlimmeres für sich zu verhindern.
Wir betreiben hier biographische Forschung und es geht um ein zentrales weichenstellendes Ereignis in Mays Leben. Respekt gegenüber dem Forschungsobjekt darf nicht dafür herhalten, Tatsachen unberücksichtigt zu lassen.Vielleicht sollte man dem Menschen Karl May ein wenig mehr Respekt entgegenbringen?
Das läßt sich vertreten, ich hatte ja auch geschrieben, daß ich es nur nicht ausschließen möchte, daß es anders war.Der Roman erschien anonym zu einem Zeitpunkt, wo er überhaupt nicht ahnen konnte, dass er sich Jahrzehnte später vor der Öffentlichkeit rechtfertigen musste.
Diese Entscheidung hatte ich doch in einem früheren Beitrag schon erwähnt. Sie befindet sich eben nicht im Codex, sondern es wird dort nur darauf hingewiesen. Solange wir diese und die örtlichen Verhältnisse nicht kennen, können wir auch über Bestand und Umfang der Reinigungspflichten des Lehrers nichts näheres sagen.Gemeint ist die »Administrativjustiz-Entsch. des C. M. vom 15. Mai 1847, die Verpflichtung, die Reinigung der Schulstube zu besorgen, dem Schullehrer obliegt.« – Zu finden im Codex des im Königreiche Sachsen geltenden Kirchen- und Schul-Rechts, Leipzig 1864, in der Abteilung ›Verordnung v. 9. Juni 1835‹.
Im Übrigen ist es damals wie heute so, dass wenn die Schüler den Klassenraum zum Schulschluss verlassen, der Lehrer nicht gleich Feierabend hat. Die Aufgaben mögen früher teilweise anders aufgeteilt gewesen sein als heute, aber May konnte gewiss nicht zeitgleich mit den Schülern nach Hause gehen. Und damals wie heute gibt es Pausen, in denen die Schüler nach draußen an die Luft gehen. Zwangsläufig wird dann Schmutz reingetragen.
Das mit der Pause läßt sich durchaus hören, es wäre aber zu recherchieren, ob bei einem Unterricht von 14.00 bis 16.00 Uhr schon damals eine Pause eingeplant war.
Ein weiterer Aspekt ist, wenn ich das richtig sehe, bisher überhaupt nicht erörtert worden: Scheunpflug war ja bei Solbrig angestellt und die Schulräume befanden sich in den Solbrigschen Betriebsräumen. Wäre es nicht möglich gewesen, um 16.00 Uhr an Scheunpflugs Arbeitsplatz vorbeizuschauen, sofern dieser sich im selben oder einem benachbarten Gebäude befand, und ihm die Uhr vorbeizubringen? Das würde natürlich voraussetzen, daß Scheunpflug sich um diese Zeit noch im Dienst befand, was wir nicht wissen, aber es ist doch auch wieder bezeichnend, daß May sich dazu nicht äußert.
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Re: Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Scheunpflug war nicht bei Solbrig beschäftigt, sondern bei der Firma Clauß, also dort, wo er wohnte. (Quelle: Hainer Plaul, Die Sache mit der Uhr, Karl-May-Haus-Information, Nr. 19, S. 44ff.)Ein weiterer Aspekt ist, wenn ich das richtig sehe, bisher überhaupt nicht erörtert worden: Scheunpflug war ja bei Solbrig angestellt und die Schulräume befanden sich in den Solbrigschen Betriebsräumen. Wäre es nicht möglich gewesen, um 16.00 Uhr an Scheunpflugs Arbeitsplatz vorbeizuschauen, sofern dieser sich im selben oder einem benachbarten Gebäude befand, und ihm die Uhr vorbeizubringen? Das würde natürlich voraussetzen, daß Scheunpflug sich um diese Zeit noch im Dienst befand, was wir nicht wissen, aber es ist doch auch wieder bezeichnend, daß May sich dazu nicht äußert.
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Re: Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Woher ich die Information habe, daß Scheunpflug bei Solbrig beschäftigt war, das kann ich leider trotz Durchsicht verschiedener Texte nicht mehr feststellen. Möglicherweise stammt sie von Klaus Hoffmann, sie muß dann über Dritte vermittelt worden sein, denn sein Manuskript "Karl Mays Seminar- und Lehrerzeit, Ostern 1856 bis Weihnachten 1861" liegt mir nicht vor.
Allerdings ist auch die Tatsache, daß Scheunpflug im Januar 1860 im selben Gebäude wohnte wie zumindest ein Teil der Inhaber der Firma Julius Clauß, und nichts anderes ist bei Plaul: KMHI 19, 44, 45 f., dokumentiert, nur ein sehr schwacher Hinweis auf den Arbeitgeber im Dezember 1861.
Wolfgang Wiesheier
Allerdings ist auch die Tatsache, daß Scheunpflug im Januar 1860 im selben Gebäude wohnte wie zumindest ein Teil der Inhaber der Firma Julius Clauß, und nichts anderes ist bei Plaul: KMHI 19, 44, 45 f., dokumentiert, nur ein sehr schwacher Hinweis auf den Arbeitgeber im Dezember 1861.
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Re: Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Ein Nachtrag: Bei Seul: Old Shatterhand vor Gericht, 23, heißt es: "Mit dem ebenfalls bei C. F. Solbrig angestellten Herrmann Julius Scheunpflug (1820-?) ..."
Wolfgang Wiesheier
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Re: Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Jürgen Seul ist hier ein kleines Versehen unterlaufen. Er bezieht sich in ›Old Shatterhand vor Gericht‹ ausdrücklich nicht auf ein »Möglicherweise« bei Klaus Hoffmann, sondern nennt auf der von Ihnen genannten Seite 23, Fußnote 28, die von Wolfgang Hallmann korrekt genannte Quelle »Hainer Plaul, Die Sache mit der Uhr, Karl-May-Haus-Information, Nr. 19, S. 44ff.«. Ich zitiere aus dem genannten Beitrag: »Er [Scheunpflug] ist […] als Expedient (Ausschreiber im Versand) in der Firma Clauß tätig gewesen (S. 46). Plaul belegt dies mit dem erhaltenen Einwohnerverzeichnis des Ortes Harthau im Stadtarchiv Chemnitz. – Warum dies nur »ein sehr schwacher Hinweis auf den Arbeitgeber im Dezember 1861« sein soll, erschließt sich mir nicht. Scheunpflug bewohnte eine Werkswohnung bei der Firma Clauß. Er hatte nachweislich keine Wohnung in oder bei der Firma Solbrig. Es handelte sich um ganz unterschiedliche Firmen! Lediglich die Fabrikschulen standen unter der gemeinsamen Aufsicht von Robert Kohl, »Superintendent der Ephorie Chemnitz und als Pfarrer von St. Nicolai auch für Altchemnitz zuständig«. https://www.karl-may-wiki.de/index.php/Robert_KohlEin Nachtrag: Bei Seul: Old Shatterhand vor Gericht, 23, heißt es: "Mit dem ebenfalls bei C. F. Solbrig angestellten Herrmann Julius Scheunpflug (1820-?) ..."
Am 10. Dezember 1861 inspizierte Robert Kohl den Unterricht Karl Mays. Das Protokoll ist erhalten. Dort ist u.a. zu lesen: »Schulstube, Reinlichkeit und Ordnung derselben. – Reinlich und geordnet«. Das ergibt nur einen Sinn, wenn May als Lehrer für die Reinlichkeit zuständig war. Dementsprechend heißt es ja auch im ›Codex des im Königreiche Sachsen geltenden Kirchen- und Schul-Rechts (Im Auftrage des Königlichen Ministerium des Cultus u. öffentl. Unterrichts)‹, dass »die Verpflichtung, die Reinigung der Schulstube zu besorgen, dem Schullehrer obliegt.« – Ferner: »Wände, Fußböden […] in der Schulstube müssen stets [sic!] reinlich und in der sorgfältigesten Ordnung erhalten werden […]«.
Ich habe jetzt gegen meine Absicht noch einmal geantwortet. Damit möchte ich es wirklich belassen. Die primären Quellen sprechen für sich …
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Re: Stellungnahme zu Hainer Plaul / Karl-May-Haus Information Nr. 40
Sie können es Ihrerseits gerne dabei belassen, aber Sie werden eine weitere Stellungnahme meinerseits erlauben, denn Ihre Entgegnung zwingt geradezu zum Widerspruch. Die primären Quellen sprechen nämlich mitnichten für sich.
Selbst wenn May am 23.12.1861 um 16.00 Uhr die Reinigung des Schulraumes oblegen haben sollte, wer sagt denn, daß er dieser Verpflichtung auch nachgekommen ist? Zumal er an diesem Tage und für die Ferien mit einer erneuten Inspektion der Schule nicht zu rechnen brauchte. Der Pflichteifrigste scheint er ohnehin nicht gewesen zu sein, vgl. das ihm von Robert Kohl ausgestellte Zeugnis: "Es scheint sich derselbe nicht wesentlich um die Schule zu kümmern."
Wolfgang Wiesheier
Ob Seul hier ein Versehen unterlaufen ist oder er aus einer Quelle schöpft, die er nicht anführt, wissen wir nicht. Die Fußnote 28, in der, etwas später im Text als das von mir wiedergegebene Zitat, der Aufsatz von Plaul in KMHI 19 angeführt wird, bezieht sich nicht auf den Arbeitgeber Scheunpflugs, sondern allgemein auf ihn.Jürgen Seul ist hier ein kleines Versehen unterlaufen. Er bezieht sich in ›Old Shatterhand vor Gericht‹ ausdrücklich nicht auf ein »Möglicherweise« bei Klaus Hoffmann, sondern nennt auf der von Ihnen genannten Seite 23, Fußnote 28, die von Wolfgang Hallmann korrekt genannte Quelle »Hainer Plaul, Die Sache mit der Uhr, Karl-May-Haus-Information, Nr. 19, S. 44ff.«.
Ich denke doch, daß sich von selbst erschließen sollte, warum die Tatsache, daß jemand im Januar 1860 im selben Haus wohnt wie ein möglicher Arbeitgeber, nur ein sehr schwacher Hinweis darauf ist, daß er im Dezember 1861 bei diesem in Lohn und Brot stand. Plauls Aussage, er sei bei der Firma Clauß tätig gewesen, ist eine reine Spekulation ebenso wie seine Aussage "... bemühte er sich um eine Anstellung, die er in der Claußschen Fabrik auch erhielt." Woher will Plaul das wissen? Hat er sein Bewerbungsschreiben und den Arbeitsvertrag gesehen?Ich zitiere aus dem genannten Beitrag: »Er [Scheunpflug] ist […] als Expedient (Ausschreiber im Versand) in der Firma Clauß tätig gewesen (S. 46). Plaul belegt dies mit dem erhaltenen Einwohnerverzeichnis des Ortes Harthau im Stadtarchiv Chemnitz. – Warum dies nur »ein sehr schwacher Hinweis auf den Arbeitgeber im Dezember 1861« sein soll, erschließt sich mir nicht. Scheunpflug bewohnte eine Werkswohnung bei der Firma Clauß.
Auch das sind nur Spekulationen, nachweislich ist da gar nichts. Es könnte z. B. sein, daß er zwischen Januar 1860 und November 1861 Wohnung und Arbeitgeber gewechselt hat, das könnte dann auch erklären, warum er einmal als Buchhalter und ein andermal als Expedient auftaucht, wobei es sich um ähnliche Tätigkeitsgebiete handelt und ich den unterschiedlichen Berufsbezeichnungen keinen größeren Stellenwert beimessen möchte.Er hatte nachweislich keine Wohnung in oder bei der Firma Solbrig
Beim "Codex des im Königreiche Sachsen geltenden Kirchen- und Schul-Rechts", erschienen unter anderem in der für unsere Zwecke maßgeblichen Zweiten Auflage von 1864 bei Bernhard Tauchnitz, handelt es sich um eine halbamtliche von Eduard Schreyer besorgte Sammlung von genau dem, was der Titel aussagt. Keine der dort gesammelten Rechtsnormen legt dem Lehrer Reinigungspflichten für die Schulräume auf. Solche sind lediglich angesprochen in einem Kommentar von Schreyer zu § 20 der Verordnung zum Gesetze über das Elementar-Volksschulwesen, der selbst keine Regelung der Reinigungspflichten enthält, und in der eine Entscheidung des Cultusministeriums erwähnt wird, in der sich angeblich dazu mehr findet, wozu wir aber mangels Kenntnis des Textes der Entscheidung nichts näheres sagen können und worauf ich in einem früheren Beitrag hier schon hingewiesen hatte.Am 10. Dezember 1861 inspizierte Robert Kohl den Unterricht Karl Mays. Das Protokoll ist erhalten. Dort ist u.a. zu lesen: »Schulstube, Reinlichkeit und Ordnung derselben. – Reinlich und geordnet«. Das ergibt nur einen Sinn, wenn May als Lehrer für die Reinlichkeit zuständig war. Dementsprechend heißt es ja auch im ›Codex des im Königreiche Sachsen geltenden Kirchen- und Schul-Rechts (Im Auftrage des Königlichen Ministerium des Cultus u. öffentl. Unterrichts)‹, dass »die Verpflichtung, die Reinigung der Schulstube zu besorgen, dem Schullehrer obliegt.« – Ferner: »Wände, Fußböden […] in der Schulstube müssen stets [sic!] reinlich und in der sorgfältigesten Ordnung erhalten werden […]«.
Dieses Zitat ist auch bei Schreyer wiedergegeben, stammt aber aus einer Verfügung der Kreisdirection Leipzig vom 11.10.1841, abgedruckt in der Zeitschrift für Rechtspflege und Verwaltung, zunächst für das Königreich Sachsen, 1842, 294 f., welche Bezug nimmt auf eine mit einiger Wahrscheinlichkeit unpublizierte und im Internet nicht ermittelbare "Anweisung für Schulvorstände und Localschulinspectoren vom Jahre 1838". In der Verfügung ist zwar im einzelnen beschrieben, wie Schulräume und Lehrerwohnung idealerweise aussehen sollen, aber eine Zuständigkeitsregelung wird nicht getroffen und es werden eher allgemein Lehrer und Localschulinspectoren gleichermaßen in die Pflicht genommen. Auch ist von einer täglich vorzunehmenden Reinigung mit keinem Wort die Rede.– Ferner: »Wände, Fußböden […] in der Schulstube müssen stets [sic!] reinlich und in der sorgfältigesten Ordnung erhalten werden […]«.
Selbst wenn May am 23.12.1861 um 16.00 Uhr die Reinigung des Schulraumes oblegen haben sollte, wer sagt denn, daß er dieser Verpflichtung auch nachgekommen ist? Zumal er an diesem Tage und für die Ferien mit einer erneuten Inspektion der Schule nicht zu rechnen brauchte. Der Pflichteifrigste scheint er ohnehin nicht gewesen zu sein, vgl. das ihm von Robert Kohl ausgestellte Zeugnis: "Es scheint sich derselbe nicht wesentlich um die Schule zu kümmern."
Wolfgang Wiesheier