Zweideutigkeit
Zweideutigkeit
lese gerade:
>>>Dein Knecht Mahmud Ben Mustafa Jussuf Jaakub Ebn Baschar fällt vom Pferde, wenn er noch so lange reiten soll. Sein Serdj, der Sattel, brennt ihm zwischen den Beinen, als hätte er einen abgerissenen Zipfel von der Hölle unter sich! Hab Erbarmen mit ihm und laß ihn auf die Erde steigen!<<<
Was meint er nun? von der Hoelle hinauf auf die Erde steigen, oder vom Pferd hinunter auf die Erde steigen?
>>>Dein Knecht Mahmud Ben Mustafa Jussuf Jaakub Ebn Baschar fällt vom Pferde, wenn er noch so lange reiten soll. Sein Serdj, der Sattel, brennt ihm zwischen den Beinen, als hätte er einen abgerissenen Zipfel von der Hölle unter sich! Hab Erbarmen mit ihm und laß ihn auf die Erde steigen!<<<
Was meint er nun? von der Hoelle hinauf auf die Erde steigen, oder vom Pferd hinunter auf die Erde steigen?
Von der sprachlichen Logik her meint er, vom Pferd hinunter auf die Erde. Selbst wenn er den abgerissenen (!) Zipfel von der Hölle tatsächlich unter sich hätte, dann wäre er ja immer noch oben, über der Hölle, aber er hat ja nicht einmal, es wird ja gesagt, es ist, als hätte …
Aber wie ich Karl May kenne, meint er trotzdem beides. Und noch mehr.

Aber wie ich Karl May kenne, meint er trotzdem beides. Und noch mehr.

Ergänzend sei erwähnt, der gute Mann (in: „Die Gum“) reitet ein „zwar ausdauerndes aber kleines, dürftiges beduinisches Pferdchen, so daß seine lang herabhängenden Füße fast die Erde schleiften“, und ist davon schließlich „müde wie eine Wachtel, die über das Meer geflogen kommt“ .
Der Ich-Erzähler, dieser alte Prahlhans, ist aber wieder einmal fitter und reitet gnadenlos immer noch weiter:
„Ich hatte nämlich bemerkt, daß mein Pferd die Nüstern aufbließ; es mußte feuchte Luft schmecken, und vielleicht war eines jener oben erwähnten Wasser, welche »Birket el fehlate, todte See« genannt werden, in der Nähe. [...] In kurzer Zeit hatten wir den trüben See erreicht.“
Der Ich-Erzähler, dieser alte Prahlhans, ist aber wieder einmal fitter und reitet gnadenlos immer noch weiter:
„Ich hatte nämlich bemerkt, daß mein Pferd die Nüstern aufbließ; es mußte feuchte Luft schmecken, und vielleicht war eines jener oben erwähnten Wasser, welche »Birket el fehlate, todte See« genannt werden, in der Nähe. [...] In kurzer Zeit hatten wir den trüben See erreicht.“
Eine gute Frage. Auf die eigentlich nun eine ganze kultur- bzw. sexualhistorische Abahndlung folgen müsste. Allgemein war das viktorianisch-wilhelminische Zeitalter zwar an der Oberfläche prüde und ohne Geschlechtlichkeit; umso mehr hat's aber darunter gebrodelt. Während wir heute so abgebrüht bzw. abgestumpft sind, dass wir eine nackte weibliche Brust erst zur Kenntnis nehmen, wenn sie uns mindestens 5 Minuten lang vom Bildschirm entgegenstarrt, genügten dem damaligen Leser schon feinste Andeutungen.marlies hat geschrieben:...ob seine Leser im 1877 das gleiche dachten?
Man lese z.B. Effi Briest, um zu sehen, wie dezent eine ehebrecherische körperliche Vereinigung angedeutet wurde - eine Andeutung, die aber zu Fontanes Zeit vom Leser verstanden wurde ...
>>>viktorianisch-wilhelminische Zeitalter<<< das bringt uns doch schon der Hoelle von May's Zeitalter viel naeher, s'war ja der 'Knecht' der's sagte.
Wobei es auch wieder ganz 'contemporary' ist ... wer ist denn heute KEIN 'slave' oder 'Knecht' ?
Damals kannte man den 'direkten' Sklavenhandel doch noch oder? (so knapp) Und der ganze Abschnitt (auch den der 'rodger' noch nachstellte mit dem flotten weiterreiten vom Prahlhans) ... der Herr schindet den Knecht aufs Blut.

Wobei es auch wieder ganz 'contemporary' ist ... wer ist denn heute KEIN 'slave' oder 'Knecht' ?
Damals kannte man den 'direkten' Sklavenhandel doch noch oder? (so knapp) Und der ganze Abschnitt (auch den der 'rodger' noch nachstellte mit dem flotten weiterreiten vom Prahlhans) ... der Herr schindet den Knecht aufs Blut.

Wir (unter diesem „wir“ mag nun jeder etwas anderes verstehen …) schaffen das auch heute noch, und feinste Andeutungen genügen uns (s.o.) in der Regel auch, ganz ohne Breittreterei und Königs Erläuterungen. Und auch ohne „ganze kultur- bzw. sexualhistorische Abhandlungen“ („Die Primären behaupten und behaupten sich, die Sekundären, die Philologen und Historiker also, arbeiten das Große klein, weil sie des schöpferischen Funkens bar sind“; Rüdiger Safranski, Nietzsche, Spiegel-Edition S. 44)eine ganze kultur- bzw. sexualhistorische Abahndlung folgen müsste. Allgemein war das viktorianisch-wilhelminische Zeitalter zwar an der Oberfläche prüde und ohne Geschlechtlichkeit; umso mehr hat's aber darunter gebrodelt. Während wir heute so abgebrüht bzw. abgestumpft sind, dass wir eine nackte weibliche Brust erst zur Kenntnis nehmen, wenn sie uns mindestens 5 Minuten lang vom Bildschirm entgegenstarrt, genügten dem damaligen Leser schon feinste Andeutungen.
Man lese z.B. Effi Briest, um zu sehen, wie dezent eine ehebrecherische körperliche Vereinigung angedeutet wurde - eine Andeutung, die aber zu Fontanes Zeit vom Leser verstanden wurde ...
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Nein, nicht nachstellte. Man ist auch nicht mehr der Jüngste … Nur zitiert.den der 'rodger' noch nachstellte mit dem flotten weiterreiten vom Prahlhans
