»Muhammed kebir? Er ist groß? So bin ich also umsonst herbeigekommen? Wohlan, so wollen wir warten und zusehen, wie Muhammed deinen Knaben herüberholen wird!«
Ich setzte mich, als ob uns gar nichts dränge, gemächlich wieder in den weichen, tiefen Sand. Da ergriff er mich bei der Schulter, um mich aufzuziehen und schrie:
»Ne' uhzu billa! Um Gottes willen, was thust du da! Du setzest dich nieder und hast doch vorhin selbst gesagt, daß kein Augenblick zu verlieren sei!«
»Das ist auch jetzt noch meine Meinung, und ich hoffe, daß Muhammed, dessen Hilfe ihr angerufen habt, nicht anders denkt; er mag sich beeilen, sonst ist dein Sohn verloren! Was ich vermag, daß vermag ich nur als Werkzeug eines Höhern, und dieser Höhere heißt nicht Muhammed, sondern Isa Ben Marryam.«
»So sei barmherzig, und rette meinen Sohn im Namen dieses deines Isa Ben Marryam!«
»Nachdem ihr Muhammed angerufen habt? Nein! Soll en Nisr (* Adler.) sich herniedersenken, wenn el Aßfur (* Sperling.) gerufen worden ist? Da draußen schwebt ein junger Anhänger Muhammeds über dem Rachen des Todes, und hier stehen achtzig Muminin (* Gläubige.), denen kein Prophet die Kraft und den Mut giebt, ihn zu retten, während ein einzelner Christ im Vertrauen auf Isa Ben Marryam das grauenvolle Werk wagen will. Und da fragst du noch, wer mächtiger und größer sei, Isa oder Muhammed? Du scheinst die Lehren euers Propheten nicht zu kennen. Hat er nicht gesagt, daß Isa Ben Marryam am Ende der Tage herniederkommen werde auf die Moschee der Ommajaden in Damaskus, um zu richten alle Lebendigen und alle Toten? Ist da nicht Seligkeit und Verdammnis in die Hand meines Isa gelegt? Nenne mir dagegen die Macht, die euerm Muhammed gegeben ist! Keine!«
»Sihdi, wie quälst du mich! Du streitest über den Glauben und dort schwebt mein Sohn - - oh Allah, Allah, Allah! Siehst du nicht, daß der Tachtirwan wankt, daß er umstürzen und versinken wird!«
Er rief diese Worte nicht, sondern er brüllte sie in der größten Angst. Der Knabe sah, daß ich mich niedergesetzt hatte; er schrie lauter als vorher um Hilfe und bog sich dabei so weit aus der Sänfte heraus, daß sie beinahe das Gleichgewicht verlor. Die Tuareg fielen alle in den Schreckensruf des Vaters ein, welcher mich jetzt bei den Schultern nahm und mich anflehte:
»Steh auf; steh auf, und hilf, Sihdi! Wenn du den Sohn unseres Stammes rettest, werden wir Isa Ben Marryam die Ehre geben!«
»Ruft ihn an, so wird er helfen!«
»Wie sollen wir rufen?«
»Habt ihr vorhin gesagt: Muhammed kebir (* Ist groß.), so ruft jetzt dreimal: Isa Ben Marryam akbar! (* Ist größer.)«
Da wendete er sich an seine Leute:
»Ihr habt gehört, was dieser Sihdi von uns fordert. Muhammed hat selbst gesagt, daß Isa Ben Marryam alle Lebendigen und alle Toten richten werde; er ist also der Herr des Gerichtes und des ewigen Lebens. Stimmt mit mir dreimal ein in den Ruf. Isa Ben Marryam akbar!«
Ich hatte viel, ja mehr als zu viel verlangt; aber die Angst um den Knaben erfüllte alle Anwesenden, und so erhoben sie wie vorhin die Hände, und es erklang dreimal der Ruf im Chore, der noch bei keinem von ihnen über die Lippen gekommen war. Nun erst stand ich auf
