Interessante Zusammenhänge in Sachen Geschichte, Politik und Gesellschaft auf den Seiten 62 / 63.
Achtzehnhundertfünfundsiebzig Strousberg, Zweitausendsonstwann Chodorkovskij (S. 65), ick säch jo, et kütt all weer oder auch es war immer, immer so. (Das mag man als dumme Stammtischphilosophie abtun, bitt'schön, aber manchmal sieht's der Stammtisch halt schon richtig ...)
"May konnte sich darauf verlassen, dass sein Lesepublikum den Urtext aus einer längst vergessenen Zeitschrift [...] nicht kannte" (S. 66). Auch das ist noch heute weitgehend so ...
"Mit ihren Auftritten weht ein eisiger Hauch von glamouröser Dekadenz und Sadismus durch mondäne Salons und über blutige Kauffahrerdecks" (S. 69, über Miß Admiral), hübsch.
Die Formulierung "als ihm sieben Jahre später für den ursprünglich auf drei Bände angelegten Mittelteil von 'Old Surehand' die Ideen ausgingen" (S. 69) ist natürlich falsch, die Ideen mögen ihm zwar ausgegangen sein (indes: auch das ist fraglich ...), aber bitt'schön für den Mittelteil des ursprünglich usw., der 'Surehand' war auf drei Bände angelegt, nicht der Mittelteil.
"Seitenfüller im Wirtshaus - nicht im Spessart, sondern stilgerecht in St. Louis" (S. 69), sehr hübsch.
"Von Bagdad nach Stambul" ist als Erzählung nicht den Neunzigerjahren (S. 70) zuzuordnen, auch wenn der Text unter diesem Namen erst zu der Zeit erschien, geschrieben wurde er bereits in den frühen Achtzigern, und später für die Buchausgabe weitgehend unverändert gelassen.
Der Vergleich mit Brecht in Sachen rücksichtsloses Ausnutzen von Partnerinnen (S. 71) erscheint mir etwas schief, bei May geschah das wenn auf die indirekte 'Tour', den Beteiligten einschließlich May selber vielleicht gar nicht allzusehr bewußt, bei Brecht indes ganz unverblümt ...
Schön ist die eindeutige Zuordnung Albanis (Durch die Wüste / In den Schluchten des Balkan) zu dem Albani in Mays Leben bzw. darüberhinaus auch zu May selber (S. 71) ... (die Freunde der reinen & ausschließlichen Fakten geben sich bei so etwas eher zögerlich ... (wenn überhaupt ... auch schon mal vehement ablehnend ... an den Daten und Zahlen kann man sich ja so schön festhalten, hingegen ist Spüren, Empfinden, Erkennen ihnen nicht ganz geheuer, mindestens suspekt ...))
"Was sie von Mays anderen Geliebten unterscheidet ist, dass sie wahrscheinlich eine größere Erfahrung im Umgang mit narzisstisch geprägten Persönlichkeiten mit Hang zu Höherem hat" (S. 71), hübsch.
"Dass sie sich, wie er später verrät, zudem auf "die Geheimnisse des Frauenkörpers und die Macht der weiblichen Reize" versteht, ist zunächst, solange diese Mysterien nicht von anderen ergründet werden, ein gern in Kauf genommener Nebeneffekt" (S. 73), mir gefällt diese mehr augenzwinkernd & eher wohlgesonnen als abschätzig wirkende Kramersche Schnoddrigkeit ... davon gibt's noch reichlich mehr ...
["Nscho-tschi II" (tatsächlich so ?) (S. 74) muß ich nachschauen, habe aber das Buch, in dem das vermutlich steht, im Moment nicht zur Hand.]
May schreibt "Was ich ihr [...] bot, genügt nicht: stille, ruhige Spaziergänge des Tages oder des Abends eine Unterhaltung bei ihrem Großvater", Kramer kommentiert lakonisch "Nun gehören ruhige Spaziergänge und Gespräche mit Opa bis heute nicht zu den favorisierten Freizeitbeschäftigungen Zweiundzwanzigjähriger" (S. 75), herrlich. (Der Berichterstatter erinnert sich unvermeidlicherweise soeben an einen stillen, ruhigen Spaziergang um den Durlacher Turmberg anno 1976 mit längeren Ausführungen [seinerseits] unter anderem zu Thomas Mann, Richard Wagner und noch ein paar zerquetschten ...

)
Apropos Richard Wagner, da haben wir ihn ja schon wieder, bzw. Cosima (S. 76 f.), diese Art Parallelität (Klara - Cosima) ist schön gesehen.
"Im Unterschied zu Karl May vergisst Wagner allerdings nie, welche Opfer Minna ihm gebracht hatte" (S. 77), naja, zu so etwas gehören immer zwei, ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, ein Kuhhandel, wenn man [es denn mal bewußt etwas kritischer] so [ausdrücken] will. (Das soll nicht heißen daß man es ausschließlich so kritisch sehen muß, aber man kann ... eine Angelegenheit von verschiedenen Seiten beleuchten ... und "arme Opfer" pflegen halt [unter anderem ...] auch handfeste Eigeninteressen zu verfolgen ...)