Eckehard Koch / Gerd Hardacker


»Wir verschmähen es, uns mehr, als unumgänglich nöthig ist, mit dem Abendlande zu befassen …«[1]

Zum geschichtlichen Hintergrund der in Konstantinopel und Nordafrika spielenden Erzählung in Karl Mays
›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹



1. Karl Mays ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ – Allgemeines

 
Der Lieferungsroman ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ war der vierte von Karl Mays sogenannten Münchmeyer-Romanen, benannt nach dem Dresdner Kolportage-Verleger Heinrich Gotthold Münchmeyer. Von 1885 bis 1887 erschien Mays Fortsetzungswerk anonym in 109 Heften, mit je 24 Seiten. Münchmeyers Nachfolger Adalbert Fischer brachte ihn dann 1901/1902 in 35 Lieferungen widerrechtlich unter Mays Namen heraus. Hier findet sich die Einteilung in die Einzelbände ›Eine deutsche Sultana‹, ›Die Königin der Wüste‹, ›Der Fürst der Bleichgesichter I/II‹ und ›Der Engel der Verbannten‹.[2] Die geschichtlichen Hintergründe der Romanepisoden, die in Konstantinopel und Nordafrika spielen und deren spätere Titel auf den Vorderen Orient verweisen, stehen im Mittelpunkt des vorliegenden Beitrages. Die übrigen Teile sind – außer in Europa – im Wilden Westen und in Sibirien[3] angesiedelt und bleiben hier außer Betracht. Dass bei der Betrachtung der historischen und zeitgeschichtlichen Hintergründe auch Bemerkungen zu Inhalt und Qualität des Romans angefügt werden, dürfte selbstverständlich sein.
 

Titelbild Deutsche Herzen, deutsche Helden

Heftumschlag der Erstausgabe von ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹

 
Bezüglich des Inhaltes des Romans sei auf die Literatur verwiesen[4]. Sehr schön hat es Pleticha formuliert: »Wenn man heute einmal das alte Spiel versucht, den Inhalt eines umfangreichen Romans mit einem Satz wiederzugeben, fällt das bei den 2610 Seiten der ›Herzen‹ gar nicht so schwer: Durch verbrecherische Machenschaften wird eine deutsche Adelsfamilie auseinandergerissen und findet erst mithilfe guter Freunde nach zahlreichen Abenteuern auf drei Erdteilen wieder glücklich zusammen.«[5] Diese Abenteuer mit ihren vielfältigen Facetten  ergeben einen unterhaltsamen Roman. Zwar wurde er auch schon zu Mays »schwächsten Leistungen« gezählt, vor allem auch wegen des etwas missratenen Schlusses[6], und er erreicht sicherlich nicht das Niveau der Lieferungsromane ›Waldröschen‹ und ›Die Liebe des Ulanen‹[7], dafür ist er an vielen Stellen recht spannend und humorvoll geraten. Zu Mays Zeit war der Roman wegen der angeblich darin enthaltenen Unsittlichkeiten ein Ziel heftiger Angriffe, kann aber durchaus noch heute mit Vergnügen gelesen werden.[8]

Es gibt nur wenige Gesamtdarstellungen und –würdigungen des Romans[9], und auch eine Behandlung einzelner Aspekte, speziell der zeitgeschichtlichen Hintergründe, ist u. E. nicht vorhanden. Daher unternimmt der vorliegende Aufsatz den Versuch, nachdem dies ja für den Sibirien-Teil schon geschehen ist, auch für die in Konstantinopel und Nordafrika spielenden Handlungen die bisherige Lücke bzgl. der Darstellung historischer Hintergründe zu schließen. Dabei ist zu beachten, dass verschiedene weitere Erzählungen und Romane Mays Nordafrika zum Schauplatz haben, von denen ›Durch Wüste und Harem‹ (später ›Durch die Wüste‹), ›Der Krumir‹ oder ›Satan und Ischariot II‹ wohl die bekanntesten sind.[10] In ihnen finden sich durchaus auch zeitgeschichtliche und historische Hinweise. Aber diese Bezüge in unserem Beitrag herzustellen, ist aus Platzgründen nicht möglich.


2. Zum geschichtlichen und zeitgeschichtlichen Hintergrund

 
2.1 Das Osmanische Reich und die Entwicklung in Nordafrika

Mays Roman ›Die Liebe des Ulanen‹, der den Kolportageromanen zugerechnet wird, obwohl er als ursprüngliche Zeitschriften-Veröffentlichung zunächst keiner war, spielt, für May-Leser natürlich nichts Neues, teilweise in Algerien und befasst sich dabei mit der Eroberung des Landes durch die Franzosen.[11] Während dieser Roman durchaus als seriös in der Behandlung der Geschicke des Landes angesehen werden kann, wenn man auch natürlich den damaligen Zeitgeist und die Zugeständnisse an die Leser solcher Romane berücksichtigen muss, besteht der Roman ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ im Grunde aus einer Aneinanderreihung von zwar spannend geschilderten, aber eher oberflächlichen, teilweise lustigen und banalen, ja mitunter albernen und damit schon parodistisch anmutenden Abenteuern. Die Geschichte, dass Lord Eaglenest auf Dirnen hereinfällt und in ein Bordell gerät (S. 380ff.), oder die Abenteuer, die der karikaturistisch gezeichnete Krüger Bey erlebt (S. 325ff. u.a.), sind nur zwei Beispiele dafür. Hatte May die 1830 beginnende Herrschaft der Franzosen und die grausamen Kämpfe zur Niederwerfung der Einheimischen gerade in den 1870er und 1880er Jahren in Algerien noch zum Anlass genommen, Teile seines Ulanen-Romans hier anzusiedeln, nutzte er den 1881 erfolgten französischen Einmarsch in Tunesien nicht: Sein Roman spielt vor diesem Einmarsch. Im Gegensatz zum ›Ulanen‹ bleibt die Darstellung des geschichtlichen Hintergrundes eher oberflächlich. Das heißt aber nicht, dass May den Geschehnissen in Nordafrika und speziell in Tunesien und Ägypten gleichgültig gegenüberstand. So legt er der, wie er annahm, osmanischen Prinzessin Emineh (eigentlich eine ägyptische Prinzessin, s. unten), deren Gesicht ernst und die nachdenklich geworden war, als Antwort auf die Frage, warum sie Deutsch lernen wolle, die Worte in den Mund: »Es wird Zeit, daß sich sogar der Orientale mit dieser Sprache befaßt. Wir halten den Islam für den allein rechten Glauben, und ich als Muhammedanerin will an dieser Säule nicht zu rütteln wagen. Wir verschmähen es, uns mehr, als unumgänglich nöthig ist, mit dem Abendlande zu befassen, und doch sind wir in so mancher Beziehung von den Engländern, Franzosen und Russen in Abhängigkeit gesetzt. Wir haben schon längst begonnen, die Sprachen dieser drei Nationen zu studieren; aber was bringen uns diese Leute? Der Engländer ist ein Krämer; er kommt zu uns, um uns auszusaugen, wie er es mit allen Völkern thut. Der Franzose überschwemmt uns mit Parfüms und schönen Redensarten, ohne uns wirklichen Nutzen zu schaffen. Der Russe ist ein Barbar, welcher uns in demüthigender Aufrichtigkeit sagt, daß er einfach kommt, um uns abzuschlachten. Alle nennen den Türken den kranken Mann, keiner aber bringt die echte Arznei, welche ihm Heilung geben könnte. Ein Einziger aber ist aufrichtig: der Deutsche. Er wirkt liebreich, still, ohne Geräusch, aber mit Ueberlegung und siegreicher Energie. Er ist stark und mild zugleich. Er kommt als Freund und bietet Das, was er selbst in so hohem Grade besitzt: Intelligenz ohne Ueberhebung. Wie lange wird es währen, so wird er den Platz erringen, welcher ihm gebührt, und dann wird er an unsere Thür klopfen, um uns von den Blutegeln zu befreien, denen allein wir die Schwäche zu verdanken haben, über welche man spottet […] Blicke in die Geschichte unseres Reiches zurück. War der Türke nicht einfach, nüchtern, stark, wahrheitsliebend, tapfer, muthig, gerecht und treu? Man sagt, daß er dies heut nicht mehr sei. Wenn diese Behauptung die Wahrheit enthält, wer ist Schuld daran? Steige hinab in die Hefe des Volkes! Wer sind die Betrüger, die Lügner, die Feigen? Welcher Abstammung sind sie? Sind sie Türken? Nein. Von allen Seiten sind wir von Feinden umringt. Aber, dort in Nordwesten ist ein Mann erstanden, der uns die Hand zur Hilfe bietet. Ihm können wir vertrauen – seine Sprache möchte ich verstehen.« (S. 184f.)

Was ist von dem zu halten, was Emineh hier zum Ausdruck bringt? Die folgende Übersicht mag den Hintergrund verdeutlichen.

Hatten die Völker Europas dereinst vor dem Osmanischen Reich gezittert: es hatte sich im Balkan und in Teilen Ungarns festgesetzt, hatte 1453 Konstantinopel erobert, war 1529 vor Wien erschienen und zur herrschenden Seemacht im östlichen Mittelmeer geworden, aber ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war es mit seiner Macht, trotz Höhen und Tiefen, doch allmählich abwärts gegangen. Geschwächt durch Aufstände gegen die Regierung, durch die Machtverschiebung vom Sultan zum Großwesir und damit die Schwächung des Staatsapparates, durch wirtschaftliche Schwierigkeiten, durch die Niederlage seiner Flotte 1571 bei Lepanto gegenüber einer venezianisch-spanischen Flotte der ›Heiligen Liga‹, bestehend aus dem Vatikan, Spanien, Venedig und mit ihnen verbündet Malta und einige italienische Städte, und – trotz der Belagerung Wiens 1683, die allerdings vergeblich blieb – durch den darauf folgenden ›Großen Türkenkrieg‹ bis 1699 und viele andere Vorgänge hatte es seinen Schrecken für Europa mit der Zeit weitgehend verloren, auch wenn es im 16. und 17. Jahrhundert noch furchteinflößend war. Seit etwa 1750 trat Russland nach Habsburg, dem Heiligen Römischen Reich, Polen und Venedig, vorher schon Ungarn, als bedeutendster Gegner auf, dem es auch gelang, in den folgenden hundert Jahren das Osmanische Reich zu zertrümmern. So wurde letzteres in Friedensschlüssen 1774 und 1792 von Russland gezwungen, alle Gebiete im Norden des Schwarzen Meeres bis zum Dnjestr aufzugeben.[12] Viele weitere Niederlagen und Gebietsverluste folgten, und nach dem Sieg über die türkisch-ägyptische Flotte bei Navarino 1827 wurde Griechenland unabhängig – hierbei zogen Russland, England und Frankreich schon an einem Strang. Auch durch den Krimkrieg (1853/54–1856) wurde das Osmanische Reich geschwächt, obwohl es sich trotz großer Niederlagen zu den Siegern zählen durfte (der eigentliche Verlierer war Russland), und nach weiteren Krisen sah sich das Osmanische Reich 1875 gezwungen, seine Zahlungsunfähigkeit zu erklären. Danach kamen noch der Russisch-Osmanische Krieg (1877/78) mit dem Frieden von San Stefano und dem Berliner Kongress (1878), die das Osmanische Reich weiter schwächten. Der ›Kranke Mann am Bosporus‹ war entstanden, und trotz aller Reformversuche konnte die weitere Schwächung nicht aufgehalten werden. Diese geraffte Darstellung der türkischen Geschichte soll natürlich nur einen Überblick zum Verständnis der Situation  zur Zeit der Erscheinung von Mays Roman geben und kann nicht alle Aspekte beleuchten. Hierzu muss auf die Literatur verwiesen werden. Doch die wesentlichen Fixpunkte der türkischen Geschichte sind hier erwähnt, auch wenn die Bewertung und selbst Angabe einzelner Daten durch verschiedene Historiker unterschiedlich ausfallen mag.

Die Herrschaft des Osmanischen Reiches in Nordafrika bestand zu Mays Zeit schon lange. 1574 war sie bis nach Tunesien ausgedehnt worden, nachdem 1516/17 Ägypten erobert worden war. Ägypten blieb bis 1798 türkische Provinz unter der weitgehend selbstständigen Herrschaft der Mamluken. Diese, ursprünglich Militärsklaven, hatten schon ab etwa dem 10./11. Jahrhundert in Ägypten und Syrien  eine gewisse Oberhoheit gehabt. Das daran anschließende ägyptische Mamluken-Sultanat dauerte von 1250 bis 1517, also bis zur Eroberung durch die Türken, aber auch danach wurde Ägypten weitgehend von den Mamluken verwaltet. 1798 bis 1801 unternahm Napoleon Bonaparte seinen Feldzug nach Ägypten, der trotz einiger Siege über die Türken und Mamluken als gescheitert angesehen werden muss, aber er öffnete das Land in ungeheurem Maße für europäischen Einfluss und westliche Technik.[13] Der türkische Statthalter in Ägypten Mehmet (oder Mohammed) Ali (geb. 1769, reg. 1805–1848/49; seit 1805 war er Pascha; die Daten werden nicht einheitlich genannt) ließ 1811 die Beys der Mamluken durch ein Massaker beseitigen, errichtete 1841 (mit der erblichen Würde eines Vizekönigs) eine fast unabhängige Herrschaft und stürzte sich in heftige Reformen – er führte Ägypten als eines der ersten unter den Ländern des Nahen Ostens auf den Weg der Modernisierung. Seit 1867 wurden seine Nachfolger dem Titel nach Vizekönige, ›Khedive‹, aber an der dadurch herausgehobenen Stellung konnten sie sich nicht lange erfreuen, denn die Europäer traten immer mehr auf den Plan. Frankreich hatte 1830 bis 1870 Algerien erobert, 1881 folgte, wie gesagt, Tunesien, und 1882 begann England mit der Besetzung Ägyptens, wo 1869 der Suez-Kanal eröffnet worden war. 1881 folgte der berühmte Mahdi-Aufstand im Sudan, der erst 17 Jahre später von den Briten niedergeschlagen werden konnte. Danach wurde der Sudan, um den Mehmet Ali so gekämpft hatte (um den Preis von 50.000 damals dabei umgekommenen Sudanesen)[14] – immerhin hatte er 1821/22 Khartum gegründet und dort 1826 einen Gouverneur eingesetzt – von Ägypten getrennt – von 1899 bis 1955 war der Sudan dann ein anglo-ägyptisches Condominium.

Frankreich hatte in Ägypten das Tor zur Modernisierung aufgestoßen, aber verfolgte nun Interessen in Algerien und Tunesien und hielt sich aus Ägypten, jedenfalls später, mehr oder weniger heraus – hier hat Emineh nicht Unrecht, wenn sie, obwohl mit Bezug auf die Türkei, meinte, außer Parfüms und schönen Redensarten würden die Franzosen nichts von Nutzen beitragen. Anders die Russen – ihnen war daran gelegen, das Osmanische Reich, durchaus brutal, zu zerschlagen. Auch hier kann man Emineh folgen. Und die Engländer rissen sich Ägypten unter den Nagel, um ihre Interessen zu sichern und auch an der Ausbeutung dieses Landes zu verdienen. Emineh hat hier wohl auch nicht gerade Unrecht. Schauen wir uns kurz die historischen Ereignisse an. Auf die Rolle der Deutschen kommen wir weiter unten zu sprechen.

 
2.2 Historische Persönlichkeiten in Mays Roman

May hat es verstanden, in sehr viele seiner Romane und Erzählungen historische Persönlichkeiten einzubauen, um den Anschein der Authentizität zu erwecken. Diesem Rezept folgte er auch in seinen Nordafrika-Erzählungen von ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹. Dies ist keine neue Erkenntnis, sondern schon länger bekannt.[15]

So spielt Taufik Pascha, ägyptischer Vizekönig, in dem Roman eine gewisse Rolle. Er tritt auch persönlich auf (S. 567), wird an verschiedenen Stellen erwähnt und bittet den Haupthelden der Erzählung, Oskar Steinbach, wie in Briefen erwähnt wird, für ihn beim türkischen Sultan um die Hand von dessen Tochter Emineh anzuhalten. Steinbach erhält noch einen anderen Auftrag von ihm, nämlich zu verhindern, dass der Bruder des verstorbenen Mannes der ›Königin der Wüste‹, Fahled, ein grobschlächtiger Mensch, der neue Scheik der Beni Sallah wird. Dies gelingt Steinbach im Zweikampf, und so wird Tarik, der von der ›Königin der Wüste‹ geliebte Anführer ihrer Leibwache, der neue Scheik und kann dem Vizekönig genehm werden. Als Steinbach auch diesen Auftrag erledigen konnte, verleiht ihm der Khedive einen hohen Orden und betrachtet ihn aufgrund seiner Erfolge als Freund, mit dem er sich gern unterhält und den er auch gern um Rat fragt. Schon vor der Erteilung der Aufträge hat sich Taufik allerdings mit Steinbach gut unterhalten. Zwar erhielten, historisch gesehen, viele Europäer einen Orden vom Khedive, aber darunter war kein Deutscher.

Taufik, auch Tawfiq, englisch Tewfik, wurde 1852 als ältester Sohn des ägyptischen Regenten Ismail Pascha (1830–1895) in Kairo geboren. Letzterer gab das Geld mit vollen Händen aus, aber nicht nur für seinen persönlichen Lebensstil, sondern auch für Schulen, für die Arbeit ausländischer Wissenschaftler, Buchdruck, Presse, eine Bibliothek, ein Museum und eine Sternwarte. Er gab auch den Handel und Warenverkehr frei. Teilweise waren es natürlich Prestige-Projekte. Ismail beschaffte sich das nötige Geld auf dem internationalen Finanzmarkt, häufte immer mehr Schulden an und musste schließlich für die Rückzahlung den ägyptischen Aktienbesitz hinsichtlich des Suez-Kanals an England verkaufen, der »Finanzcoup des Jahrhunderts, vom britischen Premierminister Disraeli in konspirativer Weise abgewickelt.«[16] Nun waren natürlich Ägypten und der Suezkanal zu einem Hauptinteressensgebiet Großbritanniens geworden, und die ausländischen Geldgeber fürchteten um die Rückzahlung ihrer Kredite. Da Ägypten faktisch pleite war – acht Millionen Pfund Staatseinkünfte gegenüber 100 Millionen Pfund Staatsschulden[17] – sorgten England, Frankreich und andere europäische Staaten beim Sultan im Juni 1879 für Ismails Absetzung. »Sein gutmütiger, aber etwas tumber Sohn Tewfik erbte einen Staat in Dreiviertelabhängigkeit von den Europäern. Mit allen dazu gehörigen Problemen.«[18]

Zu der Zeit, da ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ spielt, nämlich offenbar 1879 bis 1880 – Taufik schon Khedive, aber Tunesien noch nicht französisch – steckte der Khedive schon sehr in Schwierigkeiten. Da hätte er keine Zeit für eine Brautwerbung gehabt, aber zum Glück war der historische Taufik schon verheiratet, nämlich seit 1873, als er noch Thronfolger war, mit eben jener Emineh, deren Schönheit May so preist: Sie war dunkel, schön, sehr schön. In ihren Augen lag eine innige, ruhige, selbstbewußte Wärme. Es glänzte aus ihnen: Ich bin schön und will glücklich machen. Das weiche und dichte Haar schmiegte sich innig an die hohe, blüthenreine Stirn und floß nun in Wellen über die vollen Schultern herab  (S. 170). Tatsächlich war Emineh nicht die Tochter des Sultans El Hamid Pascha (Abdul Hamid II., geb. 1842, regierte 1876–1909, gest. 1918), sondern des ägyptischen Prinzen El Hamy Pascha (1836–1860), den May – offensichtlich aufgrund von Presseartikeln – mit dem Sultan verwechselte. Der Prinz war der Sohn des ägyptischen Paschas Abbas I. (1813–1854, ermordet), und dieser wiederum ein Enkel von Mehmet Ali. Emineh wurde 1858 geboren; Taufik war ihr Cousin 2. Grades.[19] Karl May schwelgt in Schilderungen: Später brachten sogar illustrirte abendländische Blätter ihr Bildniß, welches alle Beschauer mit Bewunderung erfüllte und eins dieser Journale schrieb dabei:

»Die Gemahlin des egyptischen Vicekönigs Taufik Pascha, Prinzessin Emineh, verdient unser Interesse in weit hervorragenderem Sinne, als es sonst bei orientalischen Frauen der Fall ist. Die Prinzessin stammt aus dem vornehmsten Geschlechte, denn sie ist die Tochter des türkischen Sultans El Hamid Pascha, des Urenkels des Begründers der egyptischen Dynastie, und wurde ihrem Gemahle im Jahre 1873 angetraut. Er lernte sie so schätzen und lieben, daß sie die Alleinherrscherin in seinem Hause geworden ist, da er aus Liebe zu ihr auf alle weiteren Frauen und Sklavinnen verzichtet.

»Sie schenkte ihm bisher zwei Söhne und zwei Töchter, welche in europäischer Weise erzogen werden. Diese geistvolle, schöne Fürstin, welche sich ganz nach europäischer Mode kleidet, hat auch dem orientalischen Nichtsthun entsagt und sich eine bedeutende Bildung angeeignet. Sie hat eine strenge Etiquette an ihrem Hofe eingeführt, die sie mit Anmuth handhabt, und ist eine treue Beratherin ihres Gatten, den sie in den gefahrvollsten Tagen auf keinen Fall [im Original: Augenblick] verläßt.

»Alle, die das Glück hatten, in ihre Nähe zu kommen, bewunderten nicht blos ihre herrliche, üppige Gestalt, ihren blendend weißen Teint, ihre schönen, braunen Augen und Haare, sondern ebenso auch ihre königliche Haltung und ihre anziehende Conversation. Sie verdient, kurz gesagt, die hohe Verehrung und treue Liebe, welche ihr der Vicekönig weiht, und die ausgezeichnete Stellung, welche ihr vom Schicksal zugewiesen worden ist.«– – (S. 165f.)

In Anbetracht der Äußerungen über die Franzosen, die May ihr in den Mund legt, sollte beachtet werden, dass es auf ihrer Hochzeit eine Parade französischer Reiter gegeben haben soll.

Der von May benutzte Artikel existiert wirklich, wenn auch mit ganz geringen Unterschieden zum Zitat hier: Prinzessin Emineh. In: Ueber Land und Meer. Allgemeine Illustrierte Zeitung, Band 49/1882, S. 163. Das von May erwähnte Bildniß befindet sich auf S. 161.

Emineh zeigte sich durchaus in der Öffentlichkeit. »Bin ich das Weib eines Regenten, so werde ich alle meine Liebe und meinen ganzen Einfluß aufbieten, daß er sein Volk glücklich mache« (S. 185f.). Sie verschied 1931, lange nach ihrem Mann, der schon am 7. Januar 1892 nahe Kairo starb. Er setzte sich für Fortschritte im Bildungswesen, Gesetzesreformen und der Verbesserung öffentlicher Arbeiten ein, aber er war nicht sein eigener Herr, sondern befand sich ganz unter der Kontrolle Englands und Frankreichs. Der notgedrungene Sparkurs führte zur Unzufriedenheit in der Bevölkerung und der Erhebung unter Ahmed Arabi (oder Urabi) Pascha (1839?–1911) 1882 gegen die europäischen Einflüsse und ihre Vorherrschaft und damit gegen den Einmarsch Großbritanniens, das Alexandria bombardierte. Arabi Pascha wird auch in Mays Roman (S. 567) sowie in der Erzählung ›Der Kutb‹[20] erwähnt. Taufik, der in ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹  Steinbach nach seiner Meinung zu Arabi Pascha fragt, der ihm viel genützt habe, und eher eine Warnung erhält, dass er ihm noch mehr schaden könne (S. 567) – May wusste ja , als er den Roman schrieb, was daraus geworden war – stellte sich unter britischen Schutz. Die Briten schlugen die Erhebung nieder – die Franzosen wollten sich nicht an einer gemeinsamen Aktion beteiligen – und errichteten nun ihre alleinige Herrschaft in Ägypten ohne Frankreich. Der Khedive wurde nicht abgesetzt, er ›regierte‹ in einer Art konstitutionellen Monarchie, doch der eigentliche Herrscher war England. Ägypten wurde erst 1922 wieder selbstständig.

»Großbritannien blieb in Ägypten (…) Unter der Leitung des Generalkonsuls Sir Evelyn Baring [1841–1917] inszenierte es unter der Schirmherrschaft eines vollkommen entmachteten Khediven eine schlecht definierte, indirekte Herrschaft, einen aufgeklärten Despotismus, liberal und arrogant. Zum namenlosen Ärgers Frankreichs.«[21] Frankreich tat hinfort alles nur Mögliche, um sich England in den europäischen Kolonien in Afrika und Asien in den Weg zu stellen, aber zunächst konnte es sich ja an Tunesien schadlos halten.

Hierzu lässt May einen Osmanen, den Großwesir,  erklären: »[…] Die ganze Nordküste Afrikas gehörte uns. Zuerst verweigerte uns Marokko den Gehorsam. Sodann nahmen uns die Franzosen Algier weg. Jetzt versprechen sie Tunis an Italien. Ich habe in Erfahrung gebracht, daß geheime Verhandlungen mit dem Bei von Tunis gepflogen werden. Er wünscht, um selbstständig zu werden, daß Italien Tripolis nehme« (S. 150). Wie sah die Lage aus?

Zur Handlungszeit hatte Tunesien etwa eine Million Einwohner. Nominell unterstand das Land dem Osmanischen Reich, aber de facto verhielt es sich wie ein eigenständiger Staat. An der Spitze stand ein Bey, damals der von May erwähnte Mohammed es-Sadok. Geboren wurde er am 7. Februar 1813 in der Residenz der Beys in Bardo, der Vorstadt von Tunis, die auch von May erwähnt wird (S. 449, 454 u. a.). Er tritt auch selbst im Roman auf: Steinbach brannte ein Licht an und begab sich hinaus. Dort stand im Dunkel der Bey Mohammed es Sadok Pascha, in ganz gewöhnlicher Kleidung. Er hatte sich heimlich herbeigeschlichen. (S. 482; in der Erstausgabe von ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ wird er Sadak Pascha (offenkundig ein Versehen des Schriftsetzers) geschrieben; S. 353)) Auf den Bey planen die beiden Schurken Ibrahim Pascha und der Derwisch Osman alias Florin ein Attentat, das Steinbach und Lord Eaglenest verhindern können.
 

Mohammed es-Sadok

Mohammed es-Sadok (1864) – wikipedia.org

 
Der historische Bey, seit 1855 Divisionsgeneral in der Armee des Osmanischen Reiches, 1859 an die Macht gekommen, war bemüht, die Modernisierung voranzutreiben, aber wie Ismail Pascha stürzte er sich in so hohe Schulden, dass Tunesien schließlich seine Zahlungsunfähigkeit erklären musste.

Mohammed war unfähig, das Land aus der Krise zu führen. Er hatte mehrere Frauen, blieb aber ohne Nachkommen. Seine Homosexualität war trotz des Versuches, sie geheim zu halten, offensichtlich, und er umgab sich offenbar mit unfähigen Ratgebern.[22] Der Einfluss der Europäer nahm während seiner Regierungszeit immer mehr zu. 1861 musste er einer Verfassung zustimmen, die seine Macht begrenzte und Gewaltenteilung sowie gleiche Rechte für Muslime, Christen und Juden und das Recht auf den Erwerb von Grundbesitz für diese Gruppen vorsah. Es war die erste derartige Verfassung in der arabischen Welt. Aber trotz vieler positiver Ansätze: die Maßnahmen nützten dem Land nicht; der Schuldenberg wuchs ins schier Unermessliche. Unter dem Druck der Wirtschafts- und Finanzleute und Spekulanten nahm Frankreich 1881 echte oder vermeintliche Grenzverletzungen durch Tunesien in Algerien zum Anlass, Tunesien zu besetzen[23], auch um sich in der Konkurrenz zu Italien Position und Einfluss zu sichern. Der Bey musste am 12. Mai 1881 einen ersten Schutzvertrag unterzeichnen, mit dem Tunesien französisches Protektorat wurde, auch wenn der Begriff in dem Vertrag nicht vorkam, aber er gab Frankreich alle Macht in dem Lande in die Hand. Mohammed starb am 27. Oktober 1882, und sein Bruder und Nachfolger Ali Bey, der bis 1902 regierte, war ein Jahr später im Vertrag von Marsa gezwungen, das Protektorat endgültig anzunehmen. Alle diese Vorgänge seit den 1880er Jahren spiegeln sich in Mays Roman nicht wider.

Eine historische Persönlichkeit aus diesem Roman ist aber noch zu nennen. So schreibt May, dass Steinbach in Konstantinopel von einem Neger (abgeleitet von negro/schwarz; May unterschied in seiner Zeit nachweislich zwischen ›Neger‹ und der bereits damals diskriminierenden Bezeichnung ›Nigger‹) verfolgt wurde, doch dieser kehrte um und lenkte nach Pera […] ein, ging an dem russischen Botschaftshotel vorüber, nach dem bekannten Grabe Bonnevals […] (S. 198) Wer kennt heute noch dieses Grab, und wer vor allem kennt Bonneval? Nun, General Graf de Bonneval, geboren aus französischem Adel 1675 und gestorben 1747, stand erst in Kriegsdiensten für Frankreich und Habsburg, wobei er Mut und große militärische Fähigkeiten zeigte, trat aber dann nach diversen Streitigkeiten mit seinen Vorgesetzen, u.a. mit dem heute noch legendären österreichischen Heerführer Prinz Eugen von Savoyen-Carignan (1663–1736), den er sogar zum Duell forderte, und nach seiner Entlassung in die Dienste des Osmanischen Reiches, konvertierte zum Islam und reformierte die Artillerie des Sultans, die er auch befehligte. Im Grunde war er ein Abenteurer, sein Leben nicht frei von Skandalen, aber er brachte es als Ahmet Pascha zum Vertrauten und Berater des Großwesirs, und  ihm und seinem Drill waren die Erfolge der Osmanen im Russisch-Österreichischen Türkenkrieg (1736–1739) großenteils zu verdanken; auch sonst leistete er viel für den Sultan und seine neue Heimat im Krieg gegen Russland und Persien. Er setzte sich auch für ein Bündnis zwischen Frankreich und dem Osmanischen Reich ein. Ob May mehr von ihm gewusst hat, oder nur von seinem Grab? Diese Einzelheit legt nahe, dass May bei der Abfassung seines Romans einen Reiseführer oder eine Beschreibung von Konstantinopel benutzt hat. Dafür spricht auch die Nennung vieler Stadtteile, wie die von Pera.[24]

 
2.3 Der Einfluss der Deutschen im Osmanischen Reich

Der im eben zitierten Satz genannte Neger lenkte seine Schritte nach Pera, der Vorstadt der Franken (S. 198). Der Reisende Johann Friedrich Julius Borsums, der Anfang des 19. Jahrhunderts nach Konstantinopel, Palästina und Ägypten kam, erläuterte: »Mit dem Namen Franken bezeichnet man in Constantinopel alle Ausländer aus Italien, Frankreich, England, Holland, Deutschland, Dänemark, Schweden, Pohlen, Ungarn und Rußland, die nicht eigentliche türkische Unterthanen sind, sondern unter dem Schutze der Gesandten ihrer vaterländischen Monarchen stehen. Es sind aber die Franken von allen Abgaben frei, und können handthieren, was sie wollen, und handeln, womit sie wollen; nur dürfen sie kein unbewegliches Eigenthum besitzen. Will sich jedoch ein Franke anbauen oder ein Haus kaufen, so muß dies auf den Namen eines türkischen Unterthanen geschehen.« Wobei ergänzt werden muss, dass der Begriff ›Lateiner‹ oder ›Franke‹, ähnlich wie ›Perote‹, vor allem für die katholische Bevölkerung in Pera angewandt wurde.[25]

Über die Rolle der Deutschen bzgl. des Osmanischen Reiches hat sich Emineh gemäß May, wie oben zitiert, sehr positiv geäußert. Es lässt sich noch eine Reihe weiterer Zitate in Mays Roman finden, in denen die Deutschen gegenüber den anderen Europäern hervorgehoben werden. »Der Engländer ist niemals der Freund eines Andern. Er ist ein Krämer, welcher keinen andern Zweck kennt als den, die Nationen für sich auszubeuten […] Er [der Franzose] gleicht einem putzsüchtigen Weibe, welches sich für die Schönste hält und sich doch schminken und pudern muß, um jung zu erscheinen […] Der Deutsche ist ehrlich, schlägt sich aber gern mit seinen eigenen Brüdern herum und hat darum keine Zeit, Andern seine Stärke zu zeigen.« »Er wird diese Gelegenheit vielleicht sehr bald bekommen« (S. 149) Oder: »Nemtsche seid Ihr? Ich habe noch Keinen gesehen, aber ich habe gehört, daß die Deutschen gut seien, viel besser als die Franken und die Inglesi« (S. 741), wobei hier wohl infolge einer Flüchtigkeit Mays mit den Franken die Franzosen gemeint sind, wie sie ja auch sonst meist so im Text bezeichnet werden. Immer wieder werden die Deutschen, die ›deutschen Helden‹, in Mays Roman hervorgehoben, der Hauptheld Oskar Steinbach ist ja ein Deutscher.

Aber nicht nur die Deutschen allgemein, sondern auch einige ihrer führenden Köpfe werden herausgestellt, speziell Bismarck: Er »wird alle Völker vereinigen, um ihnen den Frieden zu geben.« Kurz zuvor heißt es: »Und dort [in Berlin] lebt auch ein großer Feldherr, welcher in unserm Lande [der Türkei] gewesen ist, von dem Padischah herbeigerufen, der seinen Rath hören wollte, nämlich Moltke (S. 203). Besonders dick aufgetragen wird an anderer Stelle: »Weißt Du, was mir bei diesem Volke der Nemtsche am Allerbesten gefällt? [...] Sie haben alle Schlachten gewonnen; sie sind die Sieger; sie sind unwiderstehlich gewesen, und dennoch haben sie sich gegen das besiegte Volk wie Freunde verhalten. Das hat mich sehr, sehr gefreut. Der Händler erzählte, daß sie einen berühmten Kaiser haben, der noch älter ist als ich und Wi-che-lem genannt wird […] Sodann haben sie einen Minister, dem sich beinahe die ganze Welt zu Füßen gelegt hat. Er heißt Bi-sa-mar-ka […] Und dann haben sie einen alten Obergeneral; […] er ist klüger und weiser als alle Krieger der Welt und gewinnt alle Schlachten. Sein Name ist Gra-fa  Mo-le-te-ka« (S. 702). Wie es die Leserinnen und Leser von ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ sicher gern gehört haben!

Aber wie sah das Verhältnis Deutschlands zum Osmanischen Reich nun wirklich aus?

Schon im 18. Jahrhundert versuchten sich Preußen und das Osmanische Reich näher zu kommen. Sowohl was Preußen als auch später das Deutsche Reich betraf, gab es im Gegensatz zu Habsburg oder Russland keinen Grund, sich auf Kosten des Osmanischen Reiches auszudehnen; ein Bündnis schien denkbar. Aber erste Verhandlungen mit Preußen unter Friedrich dem Großen (geb. 1712, reg. 1740–1786) in den 1740er Jahren führten zu keinem Ergebnis. Erst 1761 kam es zu einem Freundschafts- und Handelsvertrag, aber zu keinem Militärbündnis. Ein Vertrag, den Friedrich mit Russland schloss, stand dem ohnehin entgegen. Und auch ein 1790 eingegangenes osmanisch-preußisches Bündnis blieb ohne größere Folgen, da das Bündnis offenbar nur den Zweck hatte, Österreich zu einem Separatfrieden zu bringen. Zwar wurde Hauptmann Helmuth Graf von Moltke (1800–1891), der spätere General-Feldmarshall und Chef des Generalstabes der preußischen Armee, als solcher der gefeierte Sieger im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 und von May im Roman hervorgehoben, von 1836 bis 1839 ins osmanische Heer als Instrukteur abgeordnet (schon 1835 kam er zu einem Bildungsurlaub nach Südosteuropa und der Sultan stellte damals die Anfrage) – 1837 folgten noch drei weitere Offiziere, aber das erscheint im Nachhinein als Einzelfall. Erst unter dem Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck (1815–1898) – »Er ist der Großvessir des Sultans im Abendlande, welcher Wil-hel heißt, und hat alle Fürsten und Könige bezwungen, welche seine Feinde waren.« (S. 1074) – änderte sich das Verhältnis grundlegend.

Nachdem Bismarck mit Österreich 1879 ein Bündnis und drei Jahre später den Dreibund unter Einbeziehung Italiens geschlossen hatte, erkannte der oben in Verbindung mit Emineh, wenn auch in falschem Zusammenhang, bereits erwähnte Sultan Abdul Hamid II., dass ihm nur die Anlehnung an das Deutsche Reich von Nutzen sein könnte. Es waren deutsche Beamte, die halfen, dass sich das auch wegen seiner Reformwilligkeit und seiner Modernisierungsbestrebungen völlig überschuldete Osmanische Reich 1881 mit seinen Gläubigern einigte – seit diesem Jahr gab es in einigen türkischen Ministerien deutsche Unterstaatssekretäre. Am meisten aber gewann das Osmanische Reich durch die Berufung deutscher Offiziere zur Reformierung des Heerwesens seit 1880 und der Erarbeitung eines Militärgesetzes, das 1887 in Kraft trat. Hier ist vor allem Colmar  Freiherr von der Goltz (1843-1916) zu nennen, der von 1883 bis 1896 das türkische Heer reorganisierte. So kann man den Aussagen Eminehs zur Sonderrolle der Deutschen vielleicht ein wenig zustimmen. Andererseits waren aufgrund ungleicher Verträge – die Steuern des Warenverkehrs von Europa in die Türkei betrugen seit einem Vertrag von 1838  5 %, umgekehrt 12 % – nicht nur englische und französische Geschäftsleute an der Ausbeutung der Türkei beteiligt, sondern auch deutsche. Davon haben Emineh bzw. May ›vielleicht nichts gewusst‹ oder nichts wissen wollen. Deutschland verdiente vor allem mit Rüstungsimporten in die Türkei. Und Bismarck war bezüglich der Türkei sicherlich kein Wohltäter; für ihn war die Türkei ein Faktor in seiner auf die Sicherung der Stellung des Deutschen Reiches im europäischen Machtgefüge bedachten Politik, eine Figur auf seinem Schachbrett der politischen Auseinandersetzung zwischen den Großmächten. So war er durchaus daran interessiert, die europäischen Mächte gegeneinander auszuspielen und dafür die ›Orientalische Frage‹ offenzuhalten. Tatsächlich hat er anlässlich der Berliner Konferenz 1878 dem französischen Außenminister geraten, Tunesien in Besitz zu nehmen, und dies bald danach ähnlich noch einmal wiederholt. Dabei ging es ihm aber speziell darum, Frankreich von Rachegelüsten bezüglich Deutschland nach dem verlorenen Krieg abzubringen.

Lange nachdem Mays Roman erschienen war, änderten sich noch einmal die Verhältnisse. Bismarck trat 1890 zurück, und Kaiser Wilhelm II. (geb. 1858, reg. 1888–1918, gest. 1941) und das Deutsche Reich erstrebten nun Freundschaft und Partnerschaft mit dem Osmanischen Reich. Drei  Reisen, 1889, 1898 und 1917, führten den Kaiser in den Orient, wo er die Freundschaft betonte. Der Bau der Bagdad-Bahn, 1903 begonnen, war eine der Konsequenzen. Am Ende trat die Türkei auf der Seite Deutschlands in den Ersten Weltkrieg ein.[26]

Nicht nur in der großen Politik gab es Annäherung und Partnerschaft zwischen Deutschland und der Türkei, sondern es ließen sich auch vermehrt deutsche Auswanderer im Osmanischen Reich nieder. Schon in den 1820er Jahren entstand die Idee, Deutsche in Südost-Europa auf dem Gebiet des Osmanischen Reiches und sogar in West-Anatolien anzusiedeln. Die Pläne wurden durch die Berichte Moltkes beflügelt; der Sultan war ihnen nicht abgeneigt, aber erst mit der Zeit und vor allem nach der Reichsgründung 1871 nahmen sie konkreter Gestalt an. Karl May vermerkte richtig: Pera ist derjenige Stadttheil von Constantinopel, welcher vorzugsweise von den Europäern und ihren Gesandten und Consuls bewohnt wird (S. 13). Hierzu siehe auch die Ausführungen oben zu Pera und den Franken! Hier gibt es auch heutzutage noch eine Vielzahl europäischer Geschäfte. Beyoğlu, wie der Stadtteil nun auf Türkisch heißt, und Galata sind die am meisten kosmopolitisch, modern und westlich geprägten Stadtteile Istanbuls. May erwähnt auch Galata (S. 13) und Beschiktasch (S. 211), also den bekannten Stadtteil Beşiktaş. Schon während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es immer mehr deutsche Handwerker jeder Profession in Konstantinopel, vom Schneider über Tischler, Schlosser, Schuhmacher, Schmied, Porzellanmacher bis zum Waffenschlosser, Bäcker oder Barbier und viele andere. Es fanden sich auch deutsche Weinhändler und Wirtshausbesitzer. Damals wanderten viele Deutsche nach Russland und Südost-Europa aus, und ein Teil kam eben auch in die Türkei. Neben Konstantinopel nahm Smyrna, das heutige Izmir, viele Deutsche auf. Andere betrachteten diese Städte nur als Durchgangsstation. Zu den Handwerkern gesellten sich in vermehrtem Maße Kaufleute, dazu ebenso Apotheker, Ärzte und Lehrer. Deutsche evangelische Gemeinden entstanden neben Konstantinopel und Smyrna auch in Trabzon, Bursa und entlang der Eisenbahnlinie in Edirne und Konya und anderswo. So kamen die Türken auch in direkten Kontakt mit deutschen Siedlern, und das Zusammenleben gestaltete sich im Allgemeinen vernünftig.[27]

Zum Abschluss dieses Kapitels seien noch zwei Deutsche genannt, die in Mays Roman vorkommen. Der eine ist der von May in diversen Romanen und Erzählungen beschriebene Krüger Bei, der in seiner unnachahmlichen Art geschildert wird: Dieser Mann war von kurzer, starker Gestalt. Sein Gesicht war hochroth wie das eines professionirten Weintrinkers, trug aber eine ganz ordentliche Gutmüthigkeit zur Schau (S. 323).

Im Lande eine allbekannte und überall beliebte Persönlichkeit, wurde er besonders von den Fremden um einer Eigenthümlichkeit willen gern aufgesucht, welche ihn geradezu zum Original stempelte. Diese Eigenthümlichkeit war nämlich seine Art, sich im Deutschen auszudrücken […] er hatte seine Muttersprache zu drei Viertheilen vergessen. Was ihm noch übrig geblieben war, das gebrauchte er nach den Regeln der türkischen und arabischen Sprache, und so entstand eine Ausdrucksweise, welche geradezu unbeschreiblich war (S. 325f.).

Im Nordafrika-Teil von ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ spielt er nicht etwa eine Nebenrolle: Immerhin will er für seinen Herrn, den Bey von Tunis, eine hübsche Frau für den Harem besorgen, wird aber betrogen. May gibt auch einen ihm bekannten kurzen Abriss seines Lebens: aus der Mark Brandenburg, Brauergeselle, nach vielen Kreuz-und Querfahrten nach Tunis gelangt und dort Commandant der Leibschaaren geworden (S. 325). Über die Gestalt des Krüger Bei ist allerdings schon so viel veröffentlicht worden, dass dies hier nicht wiederholt zu werden braucht – ein Hinweis mag darauf genügen. Zwischen 1807 und 1809, wahrscheinlich 1808/09,  in Vevai bei Wrietzen in Brandenburg geboren, leistete er nach einer Schuhmacher-Lehre (bis 1828) von 1828 bis 1831 seinen Militärdienst in Guben und Magdeburg ab und trat 1832 in die preußische Armee ein (seine Familie hat er damals verlassen), wo er erst in Düsseldorf, dann – nach längerem Lazarettaufenthalt – in Wesel stationiert war. Ein Jahr später desertierte er und schloss sich der französischen Fremdenlegion an. In Algerien eingetroffen, desertierte er – nur zwei Monate später – abermals wegen der unhaltbaren Zustände (März 1834). Auf der Flucht trat er zum Islam über; sein Name lautete nun Muhammed ben Abdallah. Natürlich hatte er sich da zum Islam bekennen müssen, war aber im Herzen doch ein Christ und dazu ein guter, ehrlicher Deutscher geblieben (S. 325). Nach einem abenteuerlichen Leben – fünf Jahre Durchstreifung Algeriens –, in dem er mehr als einmal knapp dem Tode entrann, und einer missratenen Ehe kam er irgendwann doch zur Ruhe. 1839 erreichte er Tunis. Seit 1840 war er dort Schater (Thronwächter, Leibwächter des Bey), und auch dabei hat er noch vieles erlebt und zahlreiche Gefahren durchstanden. Sein Todesdatum ist unbekannt. 1882 lebte er nachgewiesenermaßen noch, möglicherweise starb er um 1892.[28]

Der andere erwähnte Deutsche, der allerdings im Gegensatz zu Krüger Bei nicht persönlich im Roman auftritt, ist der Afrikaforscher Eduard Vogel. Der Scheik der Beni Abbas sagt zu Steinbach und Normann, nachdem er erfahren hat, dass sie Deutsche sind: »Das ist gut. Kennt Ihr Vogel?« Das war eine Frage, über welche die Beiden in ein sehr wohl berechtigtes Erstaunen geriethen. Und dieses Erstaunen war nicht etwa ein unangenehmes, sondern ein freudiges. Der Scheik meinte jedenfalls den berühmten Forscher und Afrikakreisenden Vogel, welcher sich bis nach Kanem, der Hauptstadt des Königreiches Bornu, vorgewagt hatte und während seines beschwerlichen und gefährlichen Rittes durch die Sahara mit mehreren Stämmen der Beduinen in Beziehung getreten war. Darum antwortete Steinbach: »Wir kennen ihn sehr gut, obgleich er jetzt todt ist. Er war ja einer der Unserigen.« Worauf der Scheik noch meint: »Er war ein kluger, guter und muthiger Mann. Er hat mir sehr viel von dem Lande und dem Volke der Deutschen erzählt. Es ist das zwar seit vielen Jahren her, aber ich habe es doch nicht vergessen.« (S. 741f.).
 

Eduard Vogel

Der Afrikaforscher Eduard Vogel im orientalischen Kostüm. – wikipedia.org

 
Der historische Eduard Vogel, geboren 1829 in Krefeld, arbeitete an der Londoner Sternwarte, als ihn die britische Regierung beauftragte, nach dem bedeutenden deutschen Afrikaforscher Heinrich Barth (1821-1865) zu fahnden, der verschollen war und bereits als tot galt. Von Tripolis aus nach Süden gezogen, geschah der unglaubliche Zufall, dass Vogel Ende November 1854 in den Urwäldern von Kuka (Kukawa) tatsächlich auf Barth stieß. Dabei sollen sie sich nur zwei Stunden unterhalten und dann wieder getrennt haben. Vogel zog weiter nach Südwesten an den Benue, einen Nebenfluss des Nigers. Von dort nach Norden gewandt, kam er bis Wara, der Hauptstadt des Sultanats Wadai im Nordosten des Tschadsees, wo er, verdächtigt, ein Spion zu sein, am 8. Februar 1856 auf Befehl des Sultans ermordet wurde. Rohlfs und Nachtigal haben später Nachforschungen nach ihm angestellt. Wie kam May in solch einem Zusammenhang auf den Astronomen und Afrikaforscher Eduard Vogel? Warum nicht auf einen der bekannteren deutschen Entdecker wie Gustav Nachtigal (1834–1885), Gerhard Rohlfs (1831–1896) oder Heinrich Barth? Vielleicht gerade, weil Vogel nicht so bekannt war, oder weil dieser Barth aufspürte? Vielleicht war May auch von einer Darstellung Vogels in einem von ihm gelesenen Buch oder in einer Zeitschrift wie der ›Gartenlaube‹ beindruckt.[29]


3. Einheimische Völker

  
3.1 Geschichte und Kultur

Nur wenige Stämme und Völker lässt May in seinem Roman auftreten. So kommen die Tuareg vor, wieder wie schon in ›Die Liebe des Ulanen‹ eher negativ gezeichnet: Diese Tuareg wohnen in der eigentlichen Wüste, zwischen den Arabern und Negern und tragen häufig die Eigenthümlichkeiten Beider zu Schau (S. 331). Sie verkauften auch Mädchen aus ihrem Stamm, was bei ›Beduinenmädchen‹ eigentlich nicht gestattet sei (S. 330) Hiluja, eine wunderschöne Beduinin aus dem Stamm der Beni Abbas, wird von ihnen gefangen genommen und soll in die Sklaverei verkauft werden, aber wird ›natürlich‹ von Steinbach gerettet. Über die Tuareg wurde an anderer Stelle ausführlich berichtet.[30]

Die Beni Abbas werden als bedeutendes Volk in dem Roman dargestellt. Den Angaben Mays zufolge leben sie in der Wüste südlich von Tunis. May hat sich hier nicht in der Wahl vergriffen. Sie bildeten, allerdings in Algerien, sogar das mächtige Sultanat der Beni Abbas, einen Berberstaat, das Königreich von Ait Abbas, das das untere Kabylien[31] und deren Umgebung vom 16. bis zum 19. Jahrhundert kontrollierte. Seine Hauptstadt Kalâa  konnte sich mit den bedeutenden Städten in Nordafrika messen. Sie lag strategisch günstig an der Hauptstraße zwischen Algier und Constantine. Gegründet im 16. Jahrhundert, zog sie schon früh auch Christen und Juden an. Die Beni Abbas entwickelten eine hervorragende Handwerkskunst. Literarische Traditionen und intellektuelle Aktivitäten zeichneten sie ebenfalls aus. Als die Franzosen von Algerien Besitz ergriffen, stellten sie sich auf die Seite der Eroberer und wurden teilweise in ihre Militäradministration integriert. Aber die Jahre 1865 und 1866 wurden zu einem totalen Desaster: Dürren, Heuschrecken, Hungerperioden, Cholera- und Typhusepidemien brachen über das Land herein, es waren die ›Jahre des Elends‹. Die lokalen Führer öffneten ihre Lager, um Lebensmittel unter das Volk zu bringen, und als sie leer waren, nahm der Sultan bzw. Scheik Mohammed Mokrani (Mohammed e(l)-Hadj el-Mokrani) Gelder auf, um sein Volk zu versorgen, brachte sich aber dadurch bei den Franzosen in Schwierigkeiten. 1871 schloss er sich dann einem Aufstand gegen die Franzosen an, fiel aber schon im Mai in einer Schlacht, und sein Bruder und Nachfolger Boumezrag Mokrani, der mit seinen Gefolgsleuten nach Tunesien fliehen wollte, musste sich im Januar 1872 ergeben. Das war das Ende der einst blühenden Kultur der Beni Abbas.[32]  Die Oase Beni-Abbès in West-Algerien erinnert dem Namen nach noch an sie.

Eine große Rolle in Mays Roman spielen auch die Beni Suef, die sich sehr feindselig verhalten, wie Steinbach erklärt: »Ich habe von Ihnen gehört. Sie sind räuberische, ruhelose Leute, mit denen Ihr bereits manchen Strauß ausgefochten habt.« (S. 829). Natürlich benötigte May für die Schilderung seiner Abenteuer auch die entsprechenden Feinde. Und die Beni Suef hat er geographisch in etwa richtig platziert; dabei hat er offenbar von den Bewohnern einer Provinz auf einen Stamm geschlossen. Beni Suef ist  nämlich eigentlich die Hauptstadt der gleichnamigen ägyptischen Provinz und liegt am Westufer des Nils. Die Bewohner der Provinz durften also nicht ganz unberechtigt von May Beni Suef genannt werden. Die Umgebung der Stadt ist sehr fruchtbar, und so hat sich hier ein Handelszentrum für Baumwolle, Getreide und Zuckerrohr entwickelt. Zudem gibt es hier auch eine Eisenbahnlinie nach Kairo. Die Stadt ist archäologisch ebenfalls interessant und zählte um 2008 etwa 220.000 Einwohner.[33] In Mays Roman besiegen die Beni Sallah die Beni Suef, von denen sie angegriffen werden, vollständig und werden dadurch zum stärksten und reichsten Stamm der Region. Natürlich hat May hier keine historisch exakten Zusammenhänge wiedergegeben, aber das ist eben dichterische Freiheit. Und hier geht es auch um die prinzipielle Frage, ob May mit seinen Ausführungen sehr daneben lag. Darüber ließe sich im Lichte der vorstehenden Ausführungen natürlich diskutieren.

Einen für den Leser oder die Leserin eher liebenswerten Stamm hat May mit den Beni Sallah in seinen Roman eingeführt. »Er ist einer der zahlreichsten an der Grenze der Wüste […] Er zählt gegen sechstausend Krieger, was außerordentlich viel heißen will.« (S. 568). Wie kam May auf diesen Stamm? In Nordost-Algerien und im mittleren Norden des Landes lebten die Beni Salah; sie waren ein Volk der Berber bzw. Kabylen.[34] Möglicherweise hatte May diesen Namen aus seinem Quellenstudium für den ›Ulan‹ noch in Erinnerung und machte einfach aus den Beni Salah die Beni Sallah; vielleicht gibt es eine Erklärung für die Maysche Darstellung, die findige May-Forscher noch enträtseln werden. Eines hat er sich in diesem Zusammenhang doch einfallen lassen: »Das Eigenthümlichste ist, daß dieser Stamm nicht von einem Manne, sondern von einem jungen Weibe regiert wird […] Aber ein Weib kann nicht ewig regieren, wenigstens einen halbwilden Beduinenstamm nicht.« (S. 568). War das historisch gesehen möglich?

  
3.2 Weibliche Scheiks – Phantasie oder Wirklichkeit?

Die Beni Sallah werden von Badijah, der Königin der Wüste, angeführt. Ihr Mann war verstorben, so hatte sie die Führung für ein Jahr übernommen. Danach müsste sie den Bruder des Verstorbenen heiraten oder einen anderen, der den Bruder im Zweikampf besiegt. Diese Sitte führte May wohl im Hinblick auf den Verlauf seiner Romanhandlung ein. Wie war die Realität?

In der vorislamischen Zeit war nach dem Tod des Ehemannes für die Witwe eine Trauerzeit von einem Jahr vorgesehen. Doch konnte sie auch sofort wieder heiraten. Der Koran führte keine Trauerzeit, aber eine Wartezeit ein. War die Frau schwanger, endete diese Zeit mit der Geburt des Kindes, ansonsten hatte sie eine Dauer von vier Monaten und zehn Tagen. Der Frau war auch gestattet, noch ein Jahr im Haushalt des verstorbenen Mannes zu bleiben.[35] Bekanntlich erlaubt der Koran die Ehe eines Mannes mit vier Frauen, auch wenn er die Beschränkung auf eine Frau empfiehlt. Die Erlaubnis, vier Frauen zu ehelichen, machte natürlich vor allem dann Sinn, wenn ein Männermangel herrschte, z.B. nach Kriegen, um Witwen und ggf. ihre Kinder zu versorgen. So gibt es Koran-Kommentatoren, die die Ansicht vertreten, »dass die Mehrehe überhaupt nur im Hinblick auf Witwen mit Kindern zulässig ist.«[36] Dies scheint allerdings wohl auch übertrieben und dem Koran nicht ganz gerecht zu werden.

Bleibt die Frage, ob es überhaupt weibliche Anführerinnen oder Scheiks bei den Muslimen gegeben hat oder ob May hier nur seiner Phantasie freien Lauf ließ. Letzteres ist ausdrücklich zu verneinen.

Das erste Beispiel in der Geschichte ist Aischa (um 613–678), die Lieblingsfrau des Propheten Mohammed (ca. 570–632). Sie wirkte in ihrer Gemeinde als Imamin[37] und war wohl die erste Muslimin, die auch politischen Anspruch erhob. Sie war es, die 656 einen Aufstand gegen einen Kalifen anführte, nämlich gegen den ihr verhassten Cousin und Schwiegersohn Mohammeds, Ali (ca. 600–661), der als vierter der vier sogenannten ›rechtgeleiteten Kalifen‹ von 656 bis zu seiner Ermordung 661 durch einen Charidschiten, wie eine neue abgespaltene Gruppe der Muslime genannt wurde, regierte. Sie rief die Menge zu den Waffen und führte mehrere tausend Männer in die Schlacht, die als ›Kamelschlacht‹ in die Geschichte einging, weil Aischa ein Kamel ritt. Sie verlor die Schlacht, in der etwa siebentausend Muslime ums Leben gekommen sein sollen, aber der Kampf markierte den Beginn der Teilung im Islam zwischen Sunniten und Schiiten, letztere die Nachfolger Alis.[38]

Die Auseinandersetzungen unter den Muslimen hielten an und dauern fort  bis zum heutigen Tag. »Nichts beleuchtet diese Spaltungen der muslimischen Gemeinschaft besser als die Pilgerfahrt des Jahres 68/688, bei der man einen Führer der Charidschiten, einen Vertreter des Kalifen Abd al-Malik, den Gegenkalifen Abd Allah und den Sohn der Hanafitin, also alle politisch-religiösen Bestrebungen der Zeit, an einem Ort versammelt sieht. Damit nicht genug: Damaskus muß mit dem Partikularismus in seiner Bevölkerung rechnen. Im Westen kommt es zu Unruhen. Nordafrika leistet unter dem Einfluss lokaler Führer, besonders der legendären Kahina, der ›Wahrsagerin‹ aus den Bergen des Aurès [im heutigen Algerien], bis zum Jahr 74/693 Widerstand. Dann tritt Ruhe ein, denn die Berber sind dabei, Spanien zu erobern.«[39].

Ein weiteres Beispiel ist Ghalia al-Whahhabia, von der es heißt: Sie, »aus dem Geschlecht der Hanbaliten [eigentlich eine islamische Rechtsschule, daher erhebt sich die Frage nach dem Urtext der Historikerin vor der Übersetzung!] in Tarba, bei Taif, im heutigen Saudi-Arabien, führte am Beginn des 18. Jahrhunderts [korrekt: 19. Jahrhundert] eine bewaffnete Widerstandsbewegung an, die sich zum Ziel gesetzt hatte, Mekka gegen jede Fremdherrschaft zu verteidigen. Gahlia erhielt den Titel amira – amir ist unter anderem die traditionelle Bezeichnung der Feldherrenwürde; der Oberbefehlshaber der Truppen wird amir al-umara (›Führer der Führer‹) genannt. ›Zunächst bedeutet diese Stellung natürlich nur militärische Befugnisse‹ (…) Ghalias Kriegsgegner waren von ihrer Kühnheit und ihrem strategischen Geschick so beeindruckt, daß sie an Zauberkräfte glaubten: Sie dichteten ihr die Gabe an, die Streitmacht der Wahhabiten  unsichtbar zu machen. Auch für die Historiker war diese Frau an der Spitze eines Beduinenheeres ein außergewöhnliches Ereignis: ›Von den arabischen Stämmen die in der Region von Mekka lebten, leisteten vor allem die Tarba ungeahnten Widerstand … an ihrer Spitze stand eine Frau namens Ghalia … (…)«

Karl May hat ganz offensichtlich von Ghalia gewusst, er erwähnt sie in seinem Roman ›Durch Wüste und Harem‹ (s. Anm. 43), wo er sie Ghaliȅ nennt und davon berichtet, dass sie der »eigentliche Scheik ihres Stammes« war und in der Schlacht bei Taraba die Truppen des Mehemed Ali schlug. »Ein Weib, welches Waffen trägt? Welches Männer tötet? Welches sogar seinen Stamm regiert?« (S. 256). Hintergrund war der Kampf türkisch-ägyptischer Truppen unter einem Sohn von Mehemet Ali seit 1811 gegen die Wahhabiten, der 1813 zur Eroberung von Mekka führte und in die Zerstörung des ersten wahhabitischen Staates mündete. Im Geografischen Lexikon von Lieblang/Kosciuszko erfährt sie eine detaillierte Würdigung, auf die hier verwiesen werden kann. Unter anderem heißt es: »Nachdem die Truppen Muhammad Alis Anfang 1813 in At-Ta’if eingezogen waren, nahm auch der Stamm der Begum (Bukum) an den Kämpfen der Wahhabiten gegen die türkisch-ägyptischen Truppen teil. Die Seele des Widerstandes war eine Frau namens Ghalje (Ghaliё), hinter der der eigentliche Scheich des Stammes, Ibn Churschan, zurücktrat.« Es gelang, die Streitmacht Mehemet Alis von Taraba zurückzuschlagen, und erst 1815 wurde die Stadt eingenommen –Ghaliё konnte entkommen. Eine Quelle für May war Charles Didier, der von der Vernichtung der besten Gruppen Mehemet Alis bei Taraba berichtet: »Sie waren durch die Araber vom Stamme der Begum, Ackerbauer und Hirten, niedergemetzelt, welche von einer Frau, Namens Ghalié, angeführt oder wenigstens durch sie begeistert wurden. Diese Jungfrau von Orleans der Wüste war der wirkliche Scheik ihres Stammes und die Türken hielten sie natürlich für eine Hexe.«[40]

Sicherlich war May bei seiner Darstellung der ›Königin der Wüste‹ von seiner Kenntnis dieser Frau beeinflusst. Auf jeden Fall ist May Recht zu geben, dass es weibliche Anführerinnen und Scheiks bei den Beduinen gegeben hat.
Auch die Jemeniten hatten eine Königin, Arwa (1050–1138), 47 Jahre lang, und vom Volk sehr verehrt. Es gab auch eine Reihe von weiblichen Sultanen, drei auf den Malediven, vier in Indonesien, und auch die Mamluken hatten welche zu bieten.[41] Aber in unserem Zusammenhang sei noch ein Beispiel erwähnt, um die historischen Möglichkeiten von weiblichen muslimischen Herrschern zu beleuchten, obwohl natürlich damit der Zeitraum von Mays Roman und der geografische Raum des Osmanischen Reiches verlassen wird: Asma Bint Schihab as-Sulaihija regierte gleichberechtigt an der Seite ihres Mannes Ali as-Sulaihis, als Königin im Jemen bis zu seinem Tode. Er hatte sich öffentlich zur gleichberechtigten Partnerschaft mit seiner Frau bekannt und ließ sie auch im Freitagsgebet nennen. Sie erzog ihren Sohn al-Mukarram im gleichen Geiste, und dieser nahm auch seine Ehefrau, die gerade genannte Arwa, als echte Partnerin an. Einem Überfall auf einer Pilgerreise nach Mekka durch äthiopische Feinde fiel Ali im Jahr 1066 zum Opfer, Asma wurde ein Jahr in einem Verlies eingesperrt, und erst dann gelang es ihrem Sohn, sie zu befreien. Er war seitdem halbseitig gelähmt; so führte Asma die Staatsgeschäfte bis zu ihrem Tode 1087, dann (1091) übergab sie ihr Sohn an Arwa, die Ali und Asma rächte und als eine hervorragende Herrscherin fungierte.[42]

Wenn man den Namen Asma hört, fühlt man sich dann nicht an die Frauengestalt Amscha in Mays Orientzyklus erinnert? Amscha ist die Mutter Hannehs[43], der Frau von Hadschi Halef Omar. Über sie heißt es treffend: »Von dem Piraten Abu Seïf, dem Feind ihres Stammes, geraubt und zur Heirat gezwungen, flieht sie schließlich mit ihrer Tochter zurück zu ihren Leuten, den Ateïbeh. Dort kehrt sie nicht mehr zum Leben einer beduinischen Frau zurück, sondern etabliert sich als Krieger. Amscha trägt Männerkleidung, führt Waffen und gibt Befehle. Obwohl sie eine Frau ist, wird sie nicht nur von ihrem eigenen Stamm, sondern etwa auch von den befreundeten Haddedihn als eine Anführerin und faktisch als Mann anerkannt.«[44] Nun erinnert Amscha eher an die oben geschilderte Ghalia als an Asma, aber die Namensähnlichkeit ist auffallend. Auch darüber kann man selbstverständlich geteilter Meinung sein. Aber ob May von ihr gewusst haben kann?

Wir können nach den vorausgegangenen Ausführungen schließen, dass es stolze Kämpferinnen und Anführerinnen bei den Beduinen und Muslimen durchaus gegeben hat. Die Rolle der ›Königin der Wüste‹, Badijahs, war außergewöhnlich, aber nicht unwahrscheinlich.

 
3.3 Erotik bei Beduinen?

Der Leser oder die Leserin wird sicherlich häufig stutzig, wenn May ausführlich beschreibt, wie sich Badijah und Tarik herzen, umarmen und küssen, und nicht nur diese, sondern auch andere sich liebende Muslime und Musliminnen. Nur eine Kostprobe bzgl. Badijah und Tarik: Sie vereinigten ihre Lippen, ohne sie wieder von einander zu trennen. Es war, als ob dieser Kuß von derselben Dauer sein solle wie das Glück, von dem sie soeben gesprochen hatten – in alle, alle Ewigkeit.

Dann standen sie beisammen, flüsternd und lauschend […] Und so hätten sie wohl noch lange gestanden, sich einander in die Augen geblickt, sich geherzt und geküßt und einander erzählt von ihrer Liebe, Liebe und immer wieder Liebe, wenn nicht draußen sich plötzlich der brausende und vielstimmige Ruf erhoben hätte: »[…] – Heil, Heil, Heil dem Könige und der Königin!« (S. 797f.).

Nun wird man als Leserin oder Leser oder in einer Analyse des Romans zunächst davon ausgehen, dass solche Szenen Mays eben dem Stil, den Inhalten und den Klischees von Kolportage-Romanen geschuldet sind. Vielleicht hat es sich bei May beim Schreiben ja auch in der Tat so verhalten. Aber vielleicht fragt man sich doch auch, wie realistisch solche Schilderungen überhaupt sind oder sein können, zumal wir mit dem heutigen Islam eher erotische, sexuelle Zurückhaltung verbinden (Auswüchse und Übergriffe von jungen Männern in islamischen oder auch in europäischen Ländern sprechen nicht gegen diese Grundhaltung der Allgemeinheit). Um es kurz zu machen: Es gibt eine Fülle von Literatur zu dem Thema und entsprechende Auswertungen. Sie zeigen, dass die Erotik vor Ankunft der Europäer bei den Muslimen zumeist eine bedeutende, unverkrampfte Rolle spielte. Es gab erotische Literatur, Sex-Ratgeber, Aphrodisiaka und das Recht auf Genuss, gleichberechtigt auch für die Frau. Auch die Homosexualität wurde toleriert. Diese Aussage bezieht sich allerdings in erster Linie auf die städtische Gesellschaft, für die ländliche liegen wenige Erkenntnisse vor. Erst mit dem Einfluss der eher prüden Europäer über die Kolonialisierung – und Mays Roman spielt ja in dieser Zeit – änderte sich das, so dass uns heute der Islam in diesen Dingen, jedenfalls nach außen, im Allgemeinen eher zurückhaltend gegenübertritt. »Die Elite in Ägypten, Indien oder im Libanon übernahm den europäischen Diskurs um die Sexualität und insbesondere die sogenannte viktorianische Sexualmoral. Die viktorianischen Vorstellungen von angemessenem und beschämendem Sexualverhalten und seinen zivilisatorischen Dimensionen nahmen im Denken der neuen Elite einen hohen Stellenwert ein. Zuvor jedoch war im Zuge des 19. Jahrhunderts das Sexleben ›der Muslime‹ mit großem Interesse von Orientalisten studiert worden, und es wurde in anderen Wissenschaften wie der Sexualwissenschaft rezipiert. Über die Muslime waren Jahrhunderte vor dem  Imperialismus Gerüchte und Vorstellungen in Europa verbreitet, sexuell Abgeschweifte zu sein. Diese Vorstellung wurde dann im Laufe des 19. Jahrhunderts ›verwissenschaftlicht‹. Bezeichnungen wie ›anormal‹, ›primitiv‹, ›pervers‹ oder ›barbarisch‹ dienten dazu, das sexuelle Leben in den muslimisch geprägten Gesellschaften zwischen dem 9. und 19. Jahrhundert zu beschreiben. Das Konstrukt des Orients, obgleich ein ›Gegenstand‹ vieler Bewertungen, galt weiterhin als eine Art Projektionsfläche zahlreicher Fantasien«[45], wie sie sich etwa in den europäischen Vorstellungen vom Harem zeigten. War also Karl May im Bilde, oder waren seine harmlosen erotischen Szenen doch ›nur‹ durch den Stil der Kolportage bedingt? Auf jeden Fall sind die ›erotischen Szenen‹, wie von May geschildert, in Anbetracht der historischen Erkenntnisse nicht unglaubhaft. Auch hier kann man natürlich wieder geteilter Meinung sein.


4. Exkurs: Hinweise auf die Darstellung des Islam

 
Auch wenn in der vorliegenden Arbeit die Betrachtung des historischen Hintergrundes das Thema ist, erscheint in diesem Zusammenhang eine ihn betreffende, aber nicht nur dabei stehen bleibende Bewertung angebracht. Dabei ist speziell die Darstellung des Islam in dem Roman zu erwähnen.

»Allen kritischen Einwänden zum Trotz liest sich das weltumspannende Kolportage-Epos jedoch packend und unterhaltsam und erinnert streckenweise an Mays Reiseerzählungen der späteren Jahre.«[46] Dieser Bewertung von Ekkehard Bartsch ist im Grunde nichts hinzuzufügen.

Dass Karl May historische Personen erwähnt oder sogar auftreten lässt, ist eines seiner viel geübten Stilmittel. Einen Kunstgriff bedeutet es auch, wenn er dieselben Szenen von unterschiedlichen Zeugen, also aus unterschiedlicher Perspektive erzählen lässt. Damit erhöhte er zwar den Seitenumfang, aber er schuf auch durch die verschiedenen Blickrichtungen einen interessanten Rahmen. Seine Einblendungen zur Historie, vor allem zu der Rolle der europäischen Staaten, vorzugsweise Deutschlands, sind  natürlich dem Zeitgeist geschuldet, aber sicher nicht in allem von der Hand zu weisen. Dass er sich einige real existierende wichtige Stämme, wie die Tuareg oder die Beni Abbas, vielleicht sogar noch die Beni Suef, für seine Abenteuer ausgesucht hat, wenn er auch – wie überwiegend bei der Beschreibung des Landes  – im Allgemeinen bleibt und gerade bei den Beni Sallah offenbar eher seiner Phantasie folgte, zeigt auch, dass er sich mit dem Schauplatz befasst hat, wenn auch längst nicht so intensiv wie mit Algerien in ›Die Liebe des Ulanen‹.[47] Von diesem Roman unterscheidet er sich auch in der Darstellung des Islam; in ›Die Liebe des Ulanen‹ gibt er ihm einen breiteren Raum, so in der Schilderung des Marabut.[48] In ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ finden wir jedoch auch einige Hinweise auf den Islam. Emineh ruft aus: »Es giebt keinen Zufall. Der Moslem weiß, dass Allah Alles bestimmt. Im Buche des Lebens ist jede That, jedes Ereigniß seit Ewigkeit verzeichnet« (S. 186). Und Einschübe zum Islam gibt es noch etliche, z. B. zum jüngsten Tag: »An jenem letzten Tage werden die Menschen sein wie umhergestreute Motten […] Der nun, dessen Wagschale mit guten Werken schwer beladen sein wird, der wird ein herrliches Leben führen, und Der, dessen Wagschale zu leicht befunden wird, dessen Wohnung wird der Abgrund der Hölle sein […] Er ist das glühendste Feuer!« (S. 313). Die Episode, in der der muslimische Diener Steinbachs durch den Genuss von Wein, den Mohammed bekanntlich verboten hat, betrunken und aus dem Beduinenlager verwiesen wird (S. 314ff.), hat zwar Bezug zum Islam, ist aber natürlich lustig und wird der Gesamtanlage des Romans gerecht.[49] In einem aber bleibt sich May bis zu seinem Spätwerk treu, in seiner immer wieder, wenn auch mal mehr und mal weniger, zum Ausdruck gebrachten Gleichgewichtung der Religionen. Tarik und Bedijah knieeten neben einander nieder und beteten, nicht laut, sondern still und einander unhörbar. Der aber, zu dem sie beteten, hörte die Stimme ihrer Herzen und sah die Aufrichtigkeit ihrer Wünsche. Welchen Namen man ihm auch geben möge, ob man ihn Herr, Gott, Manitou oder Allah nenne, er ist doch Ein- und Derselbe, die ewige, unendliche Liebe, der Schöpfer und Vater aller Menschen, der nicht nach der Verschiedenheit der Bekenntnisse fragt, sondern nur das Herz und die Nieren prüft. Vor ihm sind Alle gleich, Christen, Juden, Türken, Heiden. Nicht das Bekenntniß thut es, nicht die Confession, sondern der eine, große Gottesgedanke […] (S. 794f.).

So kann man ›Deutsche Herzen, deutsche Helden‹ durchaus als unterhaltsamen Roman, der aber auch nicht ohne Tiefgang bleibt, beurteilen.

  

Unser besonderer Dank gilt Herrn Dr. Martin Lowsky, Kiel, für seine Hinweise und Anregungen, Frau Dr. Martina Lupberger, Wesel, für ihre diversen Recherchen zu der Geschichte und den Völkern Nordafrikas sowie Frau Annette Mokros, Dinslaken, für ihre Unterstützung. Den Herren Wolfgang Böcker, Recklinghausen, und Roy Dieckmann, Erfurt,  danken wir für vielfältige Anregungen und wertvolle Hinweise.

 



  
Anmerkungen
    

[1]  Karl May: Deutsche Herzen, deutsche Helden. Dresden o.J. [1885–1887]. Reprint Bamberg 1976) Hier zitiert nach: Karl Mays Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Abt. II Fortsetzungsromane Bd. 20-25: Deutsche Herzen, Deutsche Helden. Hrsg. von Hermann Wiedenroth/Hans Wollschläger. Bargfeld 1996, Bd. 20, S. 184. Künftige Verweise durch Seitenzahlen im Text. Die Abweichungen der hier gegebenen Zitate der HKA vom Original sind geringfügig und werden bei Bedarf erwähnt. Der Titel wurde auch geschrieben: ›Deutsche Herzen – deutsche Helden‹; ursprünglich hieß er auf dem Umschlag ›Deutsche Herzen, deutsche Helden vom Verfasser des »Waldröschen« und »der Fürst des Elends« ‹. Das Titelblatt lautete indes ›Deutsche Herzen – Deutsche Helden. Roman vom Verfasser »Waldröschen«, »Fürst des Elends« u. »Weg zum Glück« ‹; der Verfasser war namentlich hier nicht genannt, aber der Zusatz ›Dresden. Druck und Verlag von H.G. Münchmeyer‹ fehlte nicht.

[2]  Vgl. Helmut Schmiedt (Hrsg.): Karl May. Frankfurt am Main 1983, S. 344. Heinrich Pleticha: Deutsche Herzen, Deutsche Helden. In: Handbuch Münchmeyer-Romane. Hrsg. v. Siegfried Augustin/Heinrich Pleticha Augsburg o. J., S. 145-177 (145f.). Hainer Plaul: Illustrierte Karl-May-Bibliographie. Unter Mitwirkung von Gerhard Klußmeier. Leipzig 1988, S. 113–115, S. 245–248. Walter Ilmer: Werkartikel ›Deutsche Herzen – Deutsche Helden‹. In: Karl-May-Handbuch. Hrsg. v. Gert Ueding, in Zusammenarbeit mit Klaus Rettner. Würzburg 2001, 2. erweiterte und bearbeitete Auflage, S. 331– 335.

[3]  Speziell zu Sibirien Ekkehard Koch: »Famoses Land, dieses Sibirien, und allerliebste Verhältnisse!« Zum historischen Hintergrund von Mays Sibirien-Abenteuer in ›Deutsche Herzen – Deutsche Helden‹. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1986. Husum 1986, S. 185–224; Eckehard Koch/Holger Kuße: Auch im Osten der Wilde Westen. Karl May und die russische Ausdehnung in Asien. Bamberg-Radebeul 2017.

[4]  Pleticha, wie Anm. 2, S. 147–153; Walther Ilmer: Werkartikel ›Deutsche Herzen, Deutsche Helden‹, wie Anm. 2, S. 332–333.

[5]  Pleticha, wie Anm.2, S. 147.

[6]  Ilmer, wie Anm. 4, S. 335.

[7]  Karl May: Waldröschen oder Die Rächerjagd rund um die Erde. Dresden o. J. [1882–1884]; Reprint Leipzig 1988f.; Karl May: Die Liebe des Ulanen. In: Deutscher Wanderer. 8. Bd. (1883–1885). Reprint Bamberg 1993.

[8]  Pleticha, wie Anm. 2, S. 146.

[9]  Walther Ilmer: ›»Mißratene« Deutsche Helden. In: Deutsche Herzen und Helden. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft (S-KMG) Nr. 6/1977, S. 4–40; Klaus Ludwig: Biographisches in Karl Mays Lieferungsroman »Deutsche Herzen, deutsche Helden« (1885–1887). Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft (S-KMG) Nr.112/1997; Peter Essenwein: Karl Mays Deutsche Herzen, deutsche Helden. Versuch einer logischen Durchdringung. Teil I in: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 183/2015, S. 40–48, Teil II in M-KMG 184/2015, S. 22–31.

[10] Einen Überblick gibt Martin Lowsky: Karl May und der Maghreb. Vortrag anlässlich der Tunesien-Konferenz v. 9.–16.03.2012 ›Nordafrika. Phantasma und Erfahrung in der deutschsprachigen Literatur seit der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart‹ an den Universitäten Tunis (La Manouba) und Gabès, gehalten in Tunis, Université de la Manouba, am 10. März 2012.

[11]  Vgl. Eckehard Koch/Gerd Hardacker: »Wir haben viele tapfere Scheiks?« … »Aber keinen Abd el Kader…« Zum geschichtlichen Hintergrund der Algerien-Handlung in Karl Mays ›Die Liebe des Ulanen‹. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 2019. Husum 2019, S. 205–243.

[12]  Einzelheiten vgl. Koch/Kuße, wie Anm. 3, S.100–120; Pleticha/Augustin, wie Anm. 2, S. 157.

[13]  Näheres vgl.: Eckehard Koch: Im Lande des Mahdi. Karl Mays Roman zwischen Zeitgeschichte und Moderne. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1995, Husum 1995, S. 262–329, speziell S. 269f.

[14] Vgl. ebd., S. 270.

[15]  Der ägyptische Khedive Taufik Pascha und seine Frau Emineh sowie der Bey von Tunis Mohammed es-Sadok sind als historisch aufgenommen in: Bernhard Kosciusko (Hrsg.): Das große Karl May Figurenlexikon. Dritte, verbesserte und ergänzte Auflage Berlin 2000, S. 471, S. 104, S. 310. Ein Bild des Bey von Tunis findet sich schon in: Gerhard Klußmeier/Hainer Plaul: Karl May. Biographie in Dokumenten und Bildern. Neu bearbeitete und stark erweiterte Ausgabe Hildesheim-Zürich-New York 1992, S. 98.

[16]  Daniel Zander: Maschinengewehr gegen Assegai. Die europäische Eroberung und Unterwerfung Afrikas 1798–1914. Norderstedt 2018, S. 246. Siehe auch Koch, Im Lande des Mahdi, wie Anm. 13, S. 273.

[17]  Vgl. Zander, wie Anm. 16, S. 247.

[18]  Ebd., S. 247.

[19]  Vgl. Harald Jenner: Historische Figuren und Namen in Karl Mays Werk. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 96/1993, S. 29–32, S. 30; Essenwein, wie Anm. 9, Teil I, S. 46f.; Rudi Schweikert: Der Auftakt von Karl Mays Erzählung Der Kutb und  seine Quellen. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 174/2012, S. 25–34 (32) Vgl. auch: https://www.karl-may-wiki.de/index.php/Emineh, 12.07.2020.  Zu Taufik vgl. auch Koch, Im Lande des Mahdi,  wie Anm. 13, S. 294f., Encyclopedia Americana, American Corporation, New York 1968, 30 Bde., Vol. 26, Artikel ›Tewfik Pasha‹; Zander, wie Anm. 16, S. 247–249; https://www.karl-may-wiki.de/index.php/Taufik (12.07.2020). Zur türkischen Geschichte sind als Quellen noch zu nennen: F. Konrad: Der Hof der Khediven von Ägypten. Herrscherhaushalt, Hofgesellschaft und Hofhaltung 1840–1880 (Mitteilungen zur Sozial- und Kulturgeschichte der islamischen Welt Bd. 25). Würzburg 2008; sowie: Ferenc Majoros/Bernd Rill: Das Osmanische Reich 1300–1922. Die Geschichte einer Großmacht. Regensburg o. J. Lizenzausgabe für Nikol Verlagsgesellschaft, Hamburg 2011.

[20] Karl May: Der Kutb. In: Benziger’s Marien-Kalender 1895, Einsiedeln-Waldshut 1894, o. S. Reprint in: Christus oder Muhammed. Marienkalender-Geschichten von Karl May. Hrsg. v. Herbert Meier, Hamburg 1979, S. 160–171 (165).

[21]  Zander, wie Anm. 16, S. 252.

[22]  Ebd., S. 239.

[23]  Näheres vgl. ebd., S.238-244; siehe auch: Walter Schicho: Handbuch Afrika. In drei Bänden. Bd. 3: Nord- und Ostafrika. Frankfurt a. M. 2004, S. 105–123 (106f.); Martin Lowsky: »Mummenscherz mit Tanz«. Vieldeutige Abenteuerlichkeit in Karl Mays Tunesien-Erzählung ›Der Krumir‹, In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG 1985), Husum 1985, S. 321–347. https://en.wikipedia.org/wiki/Muhammad_III_as-Sadiq (12.07.2020).

[24] Ferenc Majoros/Bernd Rill: Das Osmanische Reich 1300–1922, wie Anm.19, S. 296f.; Josef Matuz: Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte. Darmstadt 62010, S. 199. May besaß den folgenden Reiseführer: Moritz Busch: Die Türkei, Reisehandbuch für Rumelien, die untere Donau, Anatolien, Syrien, Palästina, Rhodus und Cypern. Triest 1860. Hier ist das Denkmal (in Pera) beschrieben.

[25]  Christin Pschichholz: Zwischen Diaspora, Diakonie und deutscher Orientpolitik. Deutsche evangelische Gemeinden in Istanbul und Kleinasien in osmanischer Zeit. Stuttgart 2011, S. 35, Anm. 32. Das Zitat von Borsums: J. F. J. Borsums: Reise nach Constantinopel, Palästina und Egypten, oder Lebendiger Beweis, wie gnädig Gott dem durchhilft, der seine Hoffnung auf ihn setzet. Ueberarbeitet von David Traugott Kopf, Erziehungs-Inspector. Berlin 1825, S.45 (Anmerkung).

[26] Andrè Miquel: Der Islam. Von Mohammed bis Nasser. Essen 1975, S. 459. Zur Geschichte vgl. Heinz Kramer/Maurus Reinkowski: Die Türkei und Europa. Eine wechselhafte Beziehungsgeschichte. Stuttgart 2008, S. 81–86; Helmolts Weltgeschichte, hrsg. von Arnim Tille, 9 Bde., Bd. 4: Balkan-Halbinsel. 2. Neubearbeitete und vermehrte Auflage Leipzig, Wien 1919, S. 304f.; Eckehard Koch: »Was haltet Ihr von der orientalischen Frage?« Zum zeitgeschichtlichen Hintergrund von Mays Orientzyklus. In: Karl Mays Orientzyklus. Hrsg. von Dieter Sudhoff/Hartmut Vollmer. Paderborn 1991, S. 64–82; Zander, wie Anm. 16, S. 238f.

[27]  Vgl. Pschichholz, wie Anm. 25; Malte Fuhrmann: Der Traum vom deutschen Orient. Zwei deutsche Kolonien im Osmanischen Reich 1851–1918. Frankfurt a. M./New York 2006.

[28]  Die Darstellung folgt hier Michael Rudloff: Neues zu Johann Gottlieb Krüger, Karl Mays ›Krüger Bei‹. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 2012, Husum 2012, S.269–307. sowie: Mounir Fendri: Krüger-Bei. Ein deutsch-maghrebinisches Schicksal. Dresden 2017.

[29]  Die Darstellung folgt Siegfried Schmitz: Große Entdecker und Forschungsreisende. Eine Geschichte der Weltentdeckung von der Antike bis zum 20. Jahrhundert in Biographien. Hermes Handlexikon. Düsseldorf 1983, S. 216. Weitere Literatur: Manfred Neugebauer: Deutsche Forschungs- und Entdeckungsreisende. Wolfenbüttel 2011, S. 51.  Zu nennen ist der Beitrag von Helmut Lieblang: »Sieh diese Darb, Sihdi …«. Karl May auf den Spuren des Grafen d’Escayrac de Lauture. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 1996, Husum 1996, S. 132–204 (184, 198, Anm. 51, 203, Anm. 131).  Er weist u. a. daraufhin (S. 203, Anm. 130, u. S. 196, Anm.18), dass May Vogel auch in seiner Erzählung ›Eine Befreiung‹ (In: Karl May: Die Rose von Kaïrwan. Osnabrück 1894, S. 311f. (Reprint Hildesheim/New York 1974)) erwähnt. Das Werk von Ed. Schauenburg: Reisen in Central-Afrika von Mungo Park bis auf Dr. H. Barth und Dr. Ed. Vogel. Zweiter Band. Lahr 1861, befand sich in Mays Bibliothek. Vgl. dazu auch Bernhard Kosciuszko: Die heimatlose Fanna. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) 104/1995, S. 40–41 (41)).

[30]  Vgl. Koch/Hardacker, wie Anm. 11, S. 234f.

[31]  Vgl. ebd., S. 235.

[32]  Vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Kingdom_of_Ait_Abbas (12.07.2020) , siehe. auch Koch/ Hardacker, wie Anm. 11, S. 225.

[33]  Encyclopedia Americana, wie Anm. 19, Vol. 3, Art. Beni Suef; Helmut Lieblang/Bernhard Kosciuszko: Geographisches Lexikon zu Karl May. Bd. 1 Afrika. Husum 2013, S. 59.

[34https://www.karl-may-wiki.de/index.php/Beni_Sallah vom 12.07.2020.

[35]  Benjamin Idriz: Der Koran und die Frauen. Ein Imam erklärt vergessene Seiten des Islam. Gütersloh 2019, S. 41.

[36]  Ebd., S. 33.

[37]  Ebd., S. 131.

[38]  Fatima Mernissi: Herrscherinnen unter dem Halbmond. Die verdrängte Macht der Frauen im Islam. Freiburg im Breisgau 2004, S. 85f.; Miquel, wie Anm. 26, S. 87f.

[39]  Miquel, wie Anm. 26, S. 130.

[40]  Mernissi, wie Anm. 38, S. 24f. Helmut Lieblang, Bernhard Kosciuszko: Geografisches Lexikon zu Karl May. Band 2.2 Asien – Ozeanien. Husum 2016. Art. Taraba, S. 221f. Charles Didier: Ein Aufenthalt bei dem Groß-Scherif von Mekka. Leipzig 1862, S. 245. Alle hier gegebenen Informationen basieren neben Mernissi auf Lieblang/Kosciuszko.

[41]  Ausführliche Darstellung bei Mernissi, wie Anm. 38, S. 107–137. Was die jemenitischen Herrscherinnen betrifft, siehe Mernissi, S. 139–186.

[42]  Ebd., S. 167ff., 174–186.

[43]  Karl May: Gesammelte Reiseromane Bd. 1: Durch Wüste und Harem. Freiburg o. J. [1892].

[44]  Katharina Maier: Die Prinzessin in der Laube. Spuren moderner Märchen bei Karl May. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft (S-KMG) Nr. 163/2019, S. 62.

[45]  Vgl. die ausführliche Darstellung bei Ali Ghandour: Liebe, Sex und Allah. Das unterdrückte erotische Erbe der Muslime. München 2019. Zitat S. 165.

[46]  Ekkehard Bartsch: Vorwort zu Karl May: Eine deutsche Sultana. Hildesheim-New York 1976, S.1–9, S. 8.

[47] Koch/Hardacker, wie Anm. 11.

[48] Ebd., S. 227ff.

[49] Vgl. auch: Hartmut Wörner: Sie bestellten Brandy … Alkohol in Karl May Leben und Werk (III). In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft (M-KMG) Nr. 191/2017, S. 19-34 (30f.).

 


 

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