Harald
Mischnick |
Der Nachfahr der Müller |
Es ging die Sage, daß es in der Familie, als sie noch wohlhabend war,
Geistliche, Gelehrte und weitgereiste Herren gegeben habe …[1]
Vorbemerkung
Neue Erkenntnisse ermöglichen eine umfangreiche Erweiterung und Überarbeitung meines Beitrags ›Karl Mays gutsituierte Ahnen – eine Legende‹, der seit Beginn des neuen Jahrtausends auf den Webseiten der Karl-May-Stiftung zu lesen war.[2]
1. Bisherige Forschungen
Karl May hat sich in seiner Autobiografie ›Mein Leben und Streben‹ recht kurz mit der Herkunft seiner Familie beschäftigt. Unterdes entpuppten sich einige der Erzählungen, die offensichtlich von Eltern und Großmutter an ihn weitergereicht wurden, als geschönt, andere wiederum in der Erinnerung verzerrt oder durch ein literarisches Stilmittel namens Verschiebung verändert, weitere harren noch der Verifizierung. Aus den Kreisen seiner Vorfahren erbte er einige sehr wertvolle Folianten, die heute in seiner Bibliothek in der Villa »Shatterhand.« stehen. Laut Familiensaga waren sie von den wohlhabenderen Vorfahren überkommen, allen voran das im Jahre 1600 gedruckte Kräuterbuch des Petrus Andreas Matthioli in der Ausgabe von Joachim Camerarius.[3]
Näheres, vor allem Daten, über seine weiteren Vorfahren vermochte Karl May jedoch nicht mitzuteilen. Seinerzeit hatte die Erforschung der Herkunft nichtadeliger Familien aus den mittleren und unteren Schichten in größerem Umfang gerade erst begonnen; zum Beispiel stand die bis heute fortgeführte Reihe ›Deutsches Geschlechterbuch‹, enthaltend vorwiegend bürgerliche Familien, in den Anfängen.
Im Jahre 1926 wurden der heftig bearbeiteten Fassung der Autobiografie, die der Karl-May-Verlag unter dem von diesem gewählten Titel »Ich« den Gesammelten Werken als Band 34 angegliedert hatte, im Rahmen einer Art Stammtafel kurze Angaben über Geschwister, Eltern, Großeltern und Urgroßeltern beigefügt. Die Angaben hierzu ermittelt hatte der Stadtbibliothekar von Hohenstein-Ernstthal, der Lehrer und Familienforscher Hans Zesewitz, ein mit großer Sorgfalt arbeitender Genealoge.[4] Zesewitz hatte allerdings allerlei gute Gründe, zu verschweigen, was er über Mays Vater Heinrich August in dessen Taufeintrag im Ernstthaler Kirchenbuch gelesen hatte: »Der Schwängerer sol[5] ein Unbekannter gewesen seyn.« Seinerzeit lebten noch zwei Töchter des Heinrich August May, und diese sowie den allgegenwärtigen Ortstratsch mit dieser Entdeckung zu konfrontieren, wäre der Heraufbeschwörung umfangreicher Ärgernisse gleichzusetzen gewesen. Aus ganz anderen Gründen musste dieses Wissen auch im Dritten Reich geheimgehalten werden.
Nach Kriegsende unterblieben bis auf einige wenige verstreute schriftliche Äußerungen von Hans Wollschläger weiterführende Mitteilungen zu Karl Mays Vorfahren. Dazu trug auch die lange Zeit mit Hinweis auf die Nazizeit erfolgte Schlechtredung der Familienforschung bei.
›Missbraucht im Dritten Reich‹ wie Karl May wurde aber auch die Genealogie.
Eine ausführlichere Ahnenliste Karl Mays erschien erst 1972 außerhalb der seit Gründung der Karl-May-Gesellschaft 1969 intensiv einsetzenden seriösen Karl-May-Forschung, verfasst von Wolfgang Huschke, in der genealogischen Fachzeitschrift ›Mitteldeutsche Familienkunde‹[6]. An den hierfür vorausgegangenen Erfassungsarbeiten wirkte unter anderem in Dresden der Genealoge Kurt Wensch mit, der sich Zeit seines fast fünfundneunzig Jahre währenden Lebens unschätzbar um die Familienforschung verdient gemacht und im Dritten Reich viel dazu beigetragen hat, wichtige Institutionen der seriösen Genealogie von den Organisationen des in der Methodik politisch diktierten Ariernachweises unabhängig zu halten. Dafür sei ihm an dieser Stelle auch post mortem der Dank aller seiner Fachkollegen ausgesprochen. – Huschkes mehrseitige Ausarbeitung bot viele neue Einblicke in die Herkunft von Mays Vorfahren, bestätigte aber die seinerzeitigen Vermutungen über eine weitgehend kleinbürgerlich-bäuerliche Herkunft der Familie.
Schon wenige Jahre später beschäftigte sich Hainer Plaul in seiner Ausarbeitung ›Der Sohn des Webers‹ im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1979[7] ausführlicher als je zuvor mit den Vorfahren Karl Mays, besonders mit denen im 1898 vereinigten Gemeinwesen Hohenstein-Ernstthal. Dem Jahrbuch beigelegt wurden in Form von drei beidseitig bedruckten Faltblättern Mays unterdes ermittelte Vorfahren seitens der Mutter Mays und seiner Großmutter väterlicherseits, die man als ›Märchengroßmutter‹ kennt. Einige wenige neue Ahnen hatte Plaul selbst ermittelt, den größeren Teil hingegen der in Hohenstein-Ernstthal lebende Ephoralarchivar und Genealoge Karl Streller, auch auf Ermittlungen von Hans Zesewitz fußend, in mühevoller, langjähriger Arbeit erforscht, ein Unterfangen, das durch die damals genealogiefeindliche Haltung staatlicher Stellen in der DDR erschwert wurde, die hinter solcher Beschäftigung verkappte neofaschistische Machenschaften witterten.
Auf dem Wege von den Abschriften und Ausarbeitungen Karl Strellers zum Beitrag Hainer Plauls und den Klapptafeln im Jahrbuch 1979 haben sich leider einige handfeste Fehler eingeschlichen[8], die überwiegend auf das Konto von Plaul gehen, da Streller, von vereinzelten Ausnahmen abgesehen, die von schwer lesbaren Eintragungen herrühren, korrekt aus den herangezogenen Kirchenbüchern abschrieb. Ein Teil des Manuskripts Plauls, das sich mit schriftstellerisch tätigen Stammverwandten Mays beschäftigt, konnte aus technischen Gründen erst im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1981[9] veröffentlicht werden, da sonst die Ausarbeitung gegenüber den anderen Beiträgen im seinerzeitigen Jahrbuch zu umfangreich geworden wäre. Seither erfolgten, abgesehen von der Erstfassung dieser Ausarbeitung, keine weiteren ausführlichen Abhandlungen zu diesem Themenkomplex.[10]
2. Die Bewertung autobiografischer Mitteilungen Karl Mays
In den letzten Jahren hat sich die Karl-May-Forschung nicht allein mit der Quellenkunde, sondern auch vermehrt mit dessen autobiographischen Äußerungen beschäftigt. Einige dieser Aktivitäten rufen zumindest erhebliches Stirnrunzeln hervor. Mehrere Autoren versuchten, teils wohldurchdacht und beweiskräftig, teils aber ohne fundiertes Quellenstudium und damit sehr spekulativ, leider ab und zu aber geradezu sensationshascherisch, den Wahrheitsgehalt vor allem von ›Mein Leben und Streben‹ zu prüfen. Manche gesellen inzwischen kühn dieses Buch zu Mays rein fiktionalen Werken. Selbstverständlich ist keine Autobiografie je ein objektives, von eindeutigen Quellensammlungen begleitetes Werk gewesen, doch mutet eine Tendenz in der Karl-May-Forschung, möglichst viele autobiografische Äußerungen Mays öffentlich zu falsifizieren, fast schon zwanghaft an und erweckt manchmal den Eindruck, angebliche Anhänger Karl Mays wollten sich auf Kosten dessen Rufes unter Ausnutzung seiner anhaltenden Prominenz selbst bekannt machen und so ihr eigenes Grandiositätsgefühl bestätigt erleben.
Das öffentliche Demontieren berühmt gewordener Landsleute[11] ist in den letzten Jahrzehnten zum neuen deutschen Unwesen geworden. Ruhm und Ansehen wird nicht gegönnt, sondern muss von der neudeutschen Neidkultur hinterfragt, untergraben und zerstört werden! Lassen andere Nationen zu, dass ihre jenseits der politischen Bühne gehegten Heroen publikumswirksam in den Staub getreten werden? Offenkundig soll ja auch am neuen deutschen, möglichst ökologisch-grünen, Wesen wieder einmal die Welt genesen??? Der von Karl May gern zitierte Ben Akiba pflegte zu sagen: Alles schon mal dagewesen …
In einigen Veröffentlichungen zu Karl Mays Lebensgeschichte neigen Autoren zu der fatalen Ansicht, dass Äußerungen Mays, die nicht durch schriftliche Quellen oder Statistiken belegbar sind, wissentlich falsch sein müssten. Etliche Zeiträume aus dem Leben Karl Mays konnten bislang nicht durch irgendwelche Nachweise belegt werden, genauso eine ganze Reihe seiner Mitteilungen zu seiner Vita. Aufhellungen oder Untermauerungen Mayscher oder fremder Berichte dürften oft sehr schwierig sein, da seinerzeit die Verschriftlichung von Ereignissen jenseits der Behördenstuben und Zeitschriftenbände eher selten war und konsequent geführte, bis heute unversehrt erhaltene Tagebücher[12] oder gar handschriftliche Orts- und Weltchroniken nicht en masse vorliegen, zumal von Personen aus den damaligen unteren Volksschichten. Zudem stehen zwischen Mays Lebzeiten und heute zwei Weltkriege mit immensen Quellenverlusten, Flucht und Vertreibung, aber auch ganz normale Umzüge, Wohnungsauflösungen – und Kassationsentscheidungen seitens staatlicher Stellen. Schriftmaterial ist oft und in allen Jahrhunderten böswillig oder fahrlässig behandelt, verlorengegangen oder zerstört worden.
Leider verführt der Mangel an schriftlichen Bestätigungen für diese oder jene autobiografische Äußerung Karl Mays einige Forscher dazu, deren Wahrheitsgehalt schlichtweg zu verneinen oder sie gar in den Bereich der zur angeblichen Selbstüberhebung gestrickten Legende zu verweisen; zu gern liest man ›Mein Leben und Streben‹ wirklich als Roman. Dabei ignoriert man wichtige Mitteilungen von Karl May, die durch seinen geschickten Satzbau, doppelbödige Ausdrucksweise, versteckte Andeutungen und andere speziell entwickelte handwerkliche Fähigkeiten manchmal nicht auf den ersten Blick eindeutig erkennbar sind; oftmals vernebelt auch das Unwissen oder die Erkenntnisunwilligkeit betreffs Wandlung der Bedeutung bestimmter Begriffe[13] in den letzten Jahrzehnten das Urteilsvermögen.
Hainer Plaul fand seinerzeit keinen Beweis für die Sage in Mays Familie, dass zur Vorfahrenschaft gelehrte, vermögende und weitgereiste Herren gehört hätten. Er führt lediglich den Weg eines Ahnen von Nordhausen nach Ernstthal an und lässt erkennen, dass das vielleicht zu Lebzeiten jenes Mannes von manchen als weite Reise, von Plaul selbst jedoch nicht so eingeschätzt wurde, da er die Entfernung mit der selbsternannten Erhabenheit des Autolenkers der siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts zu beurteilen scheint.[14] Wäre Plaul ein erfahrener, engagierter, gründlicher Genealoge gewesen, so hätten ihn gewisse bemerkenswerte Erkenntnisse, unter anderem über Paten und deren Herkunft, innerhalb jener auch ihm schon seinerzeit zugänglichen Abhandlung in der ›Mitteldeutschen Familienkunde‹[15] sowie die für ihn ohne größere Erschwernisse mögliche Einsichtnahme in Gerichtsbücher und andere Quellen zum Weiterforschen anregen müssen. Schon ein Besuch der damaligen ›Deutschen Zentralstelle für Genealogie in der DDR‹ in Leipzig[16] samt einem Blick in die dort auch heute noch lagernde, in Genealogenkreisen wohlbekannte ›Ahnenstammkartei‹[17] hätten ihm interessante weiterführende Erkenntnisse bescheren können. Karl Streller hingegen konnte seine Arbeit nicht mehr fortsetzen, da ihm eine schwere Krankheit und schließlich der Tod die Feder aus der Hand nahm[18].
3. Neue und wiederentdeckte Quellen
Seit der Wende boten sich für Genealogen sowohl aus den alten als auch den hinzugekommenen Bundesländern mehr Möglichkeiten zum Besuch von Archiven[19]. Gleichzeitig entwickelte sich die Computertechnik sprunghaft weiter. Durch unermüdlichen Fleiß vieler Familienforscher konnten verschollen geglaubte Dokumente wiederentdeckt oder unbeachtet gebliebene sorgfältig aufbereitet und den Interessenten zugänglich gemacht werden. Die Flut der über seine Arbeitsstätte hereinbrechenden Genealogen ist manchem Archivar, oft aus guten und nachvollziehbaren Gründen, ein Dorn im Auge, doch ist zu bedenken, dass Laien vielfach Erfassung, Transkription und andere Aufarbeitungen für Archivalien leisten, wofür den zuständigen Behörden Mitarbeiter, Zeit und Geld fehlen.
Eine unersetzliche Hilfe für Genealogen stellen die in vielen Orten bei Privatleuten, der Gemeindeverwaltung oder in den Pfarrämtern vorhandenen Verkartungen, meist der Kirchenbücher, dar, die oft aufgrund der ausgewerteten Datenmenge in die Kategorie Familienbuch eingeordnet werden können. Sie erleichtern die Arbeit und tragen dazu bei, die Originalquellen vor allzu intensiver und für diese strapaziöser Benutzung zu bewahren. Je mehr Archivalien ausgewertet werden, umso wertvoller ist die jeweilige Ausarbeitung, für die die Bearbeiter immens viel Zeit und Mühe aufgewendet haben. In den letzten Jahren wurden ab und zu solche Aufgaben im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme staatlich gefördert durchgeführt[20].
In vielen Fällen helfen bei der Vorfahrensuche nicht einmal die bekannten Quellen Kirchenbuch und Gerichtsbuch weiter. Ahnen sind zugezogen oder heirateten in einem Ort außerhalb ihres normalen Lebenskreises. Ihre Herkunft oder ihre Heiratskreise können erst durch Verzichtsbücher, Militärakten, Vormundschaftsbücher oder Kirchenstuhlverzeichnisse ermittelt werden. Ebenfalls sehr aussagekräftig sind die Landsteuerregister, die in Sachsen ab etwa 1530, sporadisch schon früher, bis mindestens 1612 häufig alle Steuerpflichtigen eines Gemeinwesens namentlich aufführen. Zwar wurden diese Abgaben meist jährlich erhoben, doch vermochten nicht alle Register die Jahrhunderte zu überdauern. Namenslisten der Gutsbesitzer und Häusler vieler Gemeinwesen in Sachsen aus dem 17. Jahrhundert findet man in den Schocksteuerregistern. Eine ebenfalls fast unbekannte Quelle stellen zumindest für Sachsen die 1550 einsetzenden Rentkopiale dar, enthaltend Abschriften von Briefen der Oberbehörden an die Amtsschösser, die Gesuche betreffs beispielsweise Häuselbau, Abgabennachlass sowie diverse Beschwerden der Untertanen an die kurfürstliche beziehungsweise später königliche Rentkanzlei zur Entstehung weitergeleitet hatten; die Antworten sind jahrgangsweise gebunden, ohne aber nach Ämtern unterteilt zu sein.
Die Heranziehung von weniger bekannten Quellen und der Besuch in seltener frequentierten Archiven half auch bei der Suche nach Karl Mays Vorfahren. Zu Beginn der neunziger Jahre trugen auch bekannte Genealogen, so der bereits erwähnte Kurt Wensch in Dresden und Karl Butter in Hartenstein, mit ihren Ermittlungsergebnissen dazu bei, den Wissensstand des Autors dieser Abhandlung beträchtlich zu erweitern. Hinzu kam die Konsultation von Akten, von denen sich schnell herausstellte, dass sich seit deren Entstehungszeit niemand mehr mit ihnen beschäftigt hatte und manche nicht einmal paginiert waren[21]. Viele Eintragungen darin wurden für die weitere Erforschung der Ahnenschaft Karl Mays eminent wichtig, da sich herausstellte, dass gewisse, wie Karl May sagen würde, hochinteressante Persönlichkeiten zu seinen Vorfahren gehören[22].
4. »Der Schwängerer sol ein Unbekannter gewesen seyn«
Karl May nannte in ›Mein Leben und Streben‹ kaum einen seiner von ihm erwähnten Vorfahren namentlich; dies soll hier nachgeholt werden: Seine Eltern sind Heinrich August und Christiane Wilhelmine geborene Weise. Die Mutter des Vaters, also die Ernstthaler und von der Karl-May-Forschung so genannte Märchengroßmutter, ist als Johanna Christiane Kretschmar[23] und Tochter von Carl Friedrich Kretschmar aus seiner Ehe mit Maria Rosina Bäumler zur Welt gekommen. Die Eltern von Karl Mays Mutter sind Christian Friedrich Weise und dessen Gattin Christiane Friederike Günther, die in der Familie als Hohensteiner Großmutter bekannt war. Eltern des Christian Friedrich Weise sind Christian Friedrich Weise und seine Ehefrau Regina Dorothea Uhle.
Leider endet die einwandfrei nachweisbare väterliche Ahnenreihe May sehr bald, nämlich mit dem Vater Heinrich August, in dessen Taufeintrag wie oben berichtet steht: »Der Schwängerer sol ein Unbekanter gewesen seyn«. Zwar firmiert Heinrich August, geboren am 18. 9. 1810, bereits am 1. Advent 1826 unter dem Namen May, doch war zu diesem Zeitpunkt Christian Friedrich May, der Gatte der Mutter Johanne Christiane geborene Kretzschmar, bereits verstorben, und in seinem Begräbniseintrag aus dem Jahre 1818 im Kirchenbuch Hohenstein[24] steht: »Kinder des Verstorbenen: 1 Töchtl.«[25]. Außerdem lebte die Familie May in Hohenstein, Heinrich August wurde jedoch in Ernstthal geboren. Das belegt, dass Christian Friedrich den Heinrich August zu Lebzeiten nie als Sohn anerkannte[26]. Außerdem ergab sich bei Durchsicht sämtlicher infragekommender Repertorien des schönburgischen Gesamtarchivs, das heute im Sächsischen Staatsarchiv Chemnitz aufbewahrt wird, kein Anzeichen für eine Klageschrift der Mutter des Heinrich August wider ihren Ehegatten, mit der sie versucht haben könnte, die Anerkennung der Ehelichkeit ihres Sohnes zu erreichen[27]. Ihre finanzielle Situation kann kein Grund für das Unterbleiben dieses Schrittes gewesen sein, denn die Repertorien zählen sehr viele diesbezügliche Vorgänge aus den ärmeren Bevölkerungsteilen auf. Warum Heinrich August ab dem Eintrag in der Konfitentenliste vom 1. Advent 1826 den Namen May trug[28] und ohne irgendwessen Protest weiterverwenden, sogar am 31. 1. 1834 als May Bürger in Ernstthal[29] werden durfte, bleibt vorerst unklar. Allerdings war auch sein Stiefvater Christian Traugott Vogel, der vielleicht um Heinrich Augusts Herkunft wusste, Anfang 1826 verstorben.
Den Genealogen macht die Formulierung der Eintragung stutzig, steht doch in vergleichbaren Fällen im Kirchenbuch kurz und bündig ›unbekannt‹ oder ›spurim‹[30]. Die Mutter wusste wohl sehr genau, wer der Vater war, hatte aber gute Gründe zum Schweigen, entweder wegen einer tatsächlich vorangegangenen außerehelichen Beziehung oder aber aufgrund des eingetretenen unerfreulichen Zustandes der Ehe[31]. Diese wurde trotz der Umstände der Geburt des Heinrich August nie gelöst, obgleich das seinerzeit in evangelisch geprägten Gegenden schon durchaus möglich war, und währte bis zum Tode des Christian Friedrich May siebeneinhalb Jahre später[32].
Ein erfahrener Familienforscher fragt bei verdächtigen Taufeintragungen immer nach den Paten. Diese nennt Wolfgang Huschke[33]: Meister Johann Christoph Schubert, Bürger und Tischler in Ernstthal; Frau Christiane Rosine, Meister Christian Friedrich Irmischs, Bürgers und Strumpfwirkers in Hohenstein Eheweib, Meister Carl August Müller, Bürger und Strumpfwirker in Ernstthal – also kein Weber und auch keine Webersgattin. Nach der Vita und Herkunft der Paten und deren Ehegatten wäre zu forschen. Ebenfalls müssten die Paten der weiteren Geschwister Karl Mays, besonders der vor ihm geborenen Kinder, aus dem Kirchenbuch herausgezogen werden. Deren Namen könnten sich durchaus für wichtige Schlussfolgerungen, das Umfeld der Mutter des Heinrich August betreffend, eignen.
Eine weitere Möglichkeit, die Herkunft des Heinrich August herauszufinden, besteht im genauen Nachlesen von Kaufverträgen in den Stadtbüchern von Hohenstein und Ernstthal sowie den zuständigen Amtsbüchern. Ungeachtet der testierten Armut könnten Christian Friedrich May und der Vater der Johanne Christiane, Carl Friedrich Kretzschmar, doch zeitweise Besitz gehabt haben, wofür nicht nur Erwerb und Verkauf eines Hauses infrage kämen, sondern auch solche Vorgänge betreffend eine Wiese oder einen Acker. Seinerzeit sind die Zahlungen von Tagzeitgeldern sowie die Verzichte nach der Zahlung dieser und schließlich aller auszuzahlenden Gelder oft sehr sorgfältig vermerkt worden, und aus den Formulierungen könnten im Falle der erfolgreichen Suche auch Belege für die Abstammung des Heinrich August herleitbar sein. Sollte ein Mitglied der zur Zeit der Geburt des Heinrich August noch lebenden Groß- oder gar Urgroßelterngeneration Grundbesitz vererbt haben, so könnte er unter den finanziell anteiligen Erbberechtigten des Vaterteils, des Mutterteils oder beider erscheinen. Bei einer derartigen Forschungsarbeit sind auch die Eltern und Großeltern des Christian Friedrich May mit einzubeziehen. Dieser war Sohn des Christian Friedrich May aus Wolkenstein und verheiratet mit Johanna Christina, Tochter des Christoph Benjamin Wendebaum in Hohenstein und der Johanna Sophia Helm aus Teichwolframsdorf[34].
Ein positiv zu bewertendes Ergebnis der Fassmannschen Sammlung ist die Ermittlung von Geschwisternachkommen einiger Vorfahren; dadurch lässt sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sowohl Karl Mays Patin Jungfer Esche als auch sein bekanntester Pate, der Schmiedemeister Weißpflog, angeheiratete Verwandte der Bäumler-Seite sind und somit aus dem Sippenkreis der Ernstthaler Großmutter und Mutter des Heinrich August stammen[35].
5. Im einsamen Forsthaus
Die von der Mutter überlieferte Episode ihrer Dienerschaft in einem einsamen Forsthaus bei einem verwitweten Adligen könnte aus ganz anderen Gründen als ihrem angeblichen Scheintod an die Nachkommen weitererzählt worden sein und eventuell auch nicht nach dem Tode ihres Gatten stattgefunden haben. Der Beweis jener Ereignisse ließ sich zwar bislang nicht erbringen, doch macht sich jeder Forscher, der deshalb ohne Aktenstudium vereinfachend behaupten wollte, Karl May habe auch diesen Teil seiner Autobiografie schlichtweg erfunden, die Sache zu einfach. Diese Ereignisse lagen Jahrzehnte vor Mays Geburt, und in der Erinnerung sowie Weitergabe an kommende Generationen verschieben sich gern Zeitpunkte und Abläufe von Geschehnissen, die nicht irgendwo beurkundet wurden[36].
Ob das Forsthaus auf schönburgischem oder sächsischem Territorium gestanden hat, wäre ebenfalls zu klären; die bisherige Festlegung in der Sekundärliteratur auf jenes im Haynholz nahe Hohenstein möchte ich, da ohne Archivalieneinsicht allein aufgrund dessen geographischer Lage erfolgt, als voreilig bezeichnen. In den sächsischen Archiven schlummern bis heute wahre Berge von nie ausgewerteten Forstakten[37]. Karl May spricht von Wiederverheiratung und Versetzung des kinderreichen Försters, der adelig gewesen sein soll. Die Formulierung stimmt bei genauerer Betrachtung bedenklich. Vielleicht lohnt sich die Suche nach einer Strafversetzung! Und das Wissen über Vorgänge im Walde, das Karl May seinem Vater zuerkennt, muss durchaus nicht aus dem Munde eines Försters gekommen sein; ein unterrangiger ›Waldhüter‹[38] kommt auch als Quelle infrage! Nicht von der Hand zu weisen wäre auch, dass hier zwei nicht unübliche völlig voneinander getrennte Lebensabschnitte namens ›Dienerschaft der Mutter in einem Forsthaus‹ und ›Interessiertes Kind darf Forstmann bei dessen Rundgängen begleiten‹[39] zusammengeschoben wurden und sich auch in unterschiedlichen Örtlichkeiten ereigneten. Das steht durchaus nicht im Widerspruch zu Karl Mays Aussage, dass sein Vater schon als kleines Kind am Webstuhl sitzen musste. Zwischen dem Tode des Christian Friedrich May am 4. 2. 1818 und der Wiederverheiratung der Witwe am 3. 2. 1822 mit dem Weber Christian Traugott Vogel in Ernstthal liegen vier Jahre minus ein Tag. Im Jahre 1818 war Heinrich August, geboren am 18. 9. 1810, siebeneinhalb Jahre alt, 1822 elfeinhalb und damit alt genug, seinem Stiefvater, der genau an dessen 43. Geburtstag am 14. 3. 1826 verstarb, einigermaßen produktiv zur Hand zu gehen.
Grund der Wiederverheiratung dürfte vermutlich die Erkenntnis gewesen sein, dass das Kind einen richtigen Vater haben musste; immerhin war seine Mutter vier Jahre lang ledig geblieben. Eventuell kann man sogar den Vormund der Witwe herausfinden, falls dieser nicht mit ihrem Vater identisch war. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass für Heinrich August als nicht anerkannter Sohn ein Vormund bestellt worden ist. Interessant würde die Angelegenheit dann, wenn dieser in auffallend hoher Stellung gewesen wäre, abgesehen natürlich von der Nennung eines Obervormundes, als welchen man seinerzeit gern den Landesherrn bezeichnete. Sollten Vormundschaftsakten die Zeitläufte überdauert haben, so lässt sich aus deren Inhalt eventuell nicht nur die Ernennung, sondern auch die Tätigkeit dieses Mannes erschließen, da oft ausführliche Abrechnungen erhalten blieben. In manchen Gegenden bestellte die Herrschaft bei unehelichen Kindern gern den Vater oder einen nahen männlichen Verwandten der Mutter zum Vormund des Kindes. Aus der Materialsammlung von Walter Fassmann geht hervor, dass Johanna Christiane einen elf Jahre jüngeren, 1791 geborenen, Bruder Carl Friedrich Kretzschmar hatte, der 1811 heiratete. Um nach der Geburt des Heinrich August 1810 dessen Vormundschaft zu übernehmen, war er allerdings zu jung, da er selbst noch nicht mündig war. Er käme aber als dessen Lehrmeister infrage, wenn er, was die Zusammenstellung leider verschweigt[40], im Handwerk seines Vaters arbeitete und Meister wurde.
Der Eintrag in die Konfitentenliste Ende 1826 erfolgte über ein Jahr nach dem Tode des Vaters der Mutter. Heinrich August müsste aber bis zur Volljährigkeit 1831 unter Vormundschaft gestanden haben. Hierbei wäre interessant, festzustellen, ob etwa nach dem Tode des Christian Friedrich May die Vormundschaft wechselte; sollte sie zu jenem Zeitpunkt erstmals verordnet worden sein, so wäre das ausgesprochen verdächtig, würde ein sehr schiefes Licht auf den Taufeintrag werfen und die vorgebliche Außerehelichkeit infrage stellen.
Zieht man die Einträge in den Kirchenbüchern hinzu, so ergibt sich die Wahrscheinlichkeit, dass Karl May die von seiner Großmutter geschönte Betrachtungsweise der Dinge wiedergab, wobei sie trotz allem verantwortungsbewußt handelte, denn welche Oma wird ihrem geliebten Enkelsohn im Kindergartenalter erzählen, dass sein Opa ein Trinker oder gar Alkoholiker und sein Vater unehelich geboren war! Christian Friedrich May lebte zur Zeit der Napoleonischen Kriege noch – aber vielleicht war er für seine Gattin ›gestorben‹, weil sie von seinem Verhalten, eventuell ständiger Sauferei, angewidert war; möglicherweise – die Formulierung »unordentliche Lebensweise« in seinem Sterbeeintrag, die von schwerwiegenden Charakterdefiziten zeugt, könnte eventuell ein Indiz dafür sein – vagabundierte er auch.
Bislang wurde nicht erforscht, ob sich der Zeitraum zwischen 1803 und 1810 mit Totgeburten, vielleicht außerhalb von Hohenstein und Ernstthal, ausfüllen lässt, was für einen einigermaßen normalen Verlauf der Ehe sprechen könnte. Das Fehlen jeglicher Geburten ergäbe natürlich interessante Perspektiven. Die Geburt der ehelichen Tochter Christiane Wilhelmine erfolgte übrigens fünf Monate nach der Hochzeit am 1. 5. 1803. Beide Ehepartner waren noch jung – der Vater wurde 1779, die Mutter 1780 geboren.
6. Ein braver junger Mann
Nicht nur in der Forsthaus-Episode kann man zwischen den Zeilen etwas Verborgenes und Untergründiges herauslesen, sondern auch in den Mitteilungen der Großmutter an den Enkelsohn über jenes unglückliche Weihnachtsereignis. Bei näherer Betrachtung doppelbödig ist die Formulierung »kurz nach der Geburt des zweiten Kindes … Der brave junge Mann stürzte des Nachts mit den Broten in eine tiefe Schneeschlucht und erfror.«[41] Wer? Wer stürzte um Weihnachten 1810 in eine tiefe Schlucht und erfror? Der 31jährige Christian Friedrich May nachweislich nicht. Oder etwa der wirkliche Vater des Kindes, der brave junge Mann? War dieser, da er mit den Broten unterwegs war, eventuell Bäcker- oder Müllerbursche, der irgendwohin Ware zu liefern hatte? Nach einem derartigen Todesfall muss allerdings nicht nur in den Kirchenbüchern von Hohenstein und Ernstthal gesucht werden, sondern auch in den Totenbüchern umliegender Gemeinden mit seinerzeitigen größeren Waldgebieten[42]. »Sie hatte einen Geliebten, der es brav und ehrlich mit ihr meinte, aber sie verzichtete… Er sagte nichts, aber er wartete und blieb ihr treu.« Außerdem: »Sie wollte nur ganz allein dem Vater gehören«[43] – in einer Zeit, als sie längst verheiratet und junge Mutter war?!
Sollte Carl Friedrich Kretschmar tatsächlich durch seine dokumentierte Krankheit Gicht weder stehen noch liegen und bis zu seinem Tode viele Jahre lang an einen alten ledernen Lehnstuhl gefesselt und gebunden[44] gewesen sein und eine intensive Pflege benötigt haben, so erklärt dieses eventuell das Ausbleiben weiterer ehelicher Geburten nach der Tochter 1803, da Mutter und Kind möglicherweise mehr Zeit beim Kranken verbrachten als beim Ehemann, der der Vaterliebe seiner Gattin vielleicht nicht das nötige Verständnis entgegenbrachte. Man müsste feststellen können, wo die Beteiligten wohnten. Für Hohenstein ist im Stadtarchiv ein von Karl Streller angelegtes Häuserbuch vorhanden, sodass man versuchen sollte, die Wohnung des Christian Friedrich May zu ermitteln. Wo in Ernstthal wurde Heinrich August May geboren? In jenem Hause, in dem auch der gichtgeplagte Großvater lebte?
Christian Friedrich May starb am 4. 2. 1818. Laut Karl May soll der brave junge Mann aber in der Weihnachtszeit in eine tiefe Schneeschlucht gestürzt und erfroren sein. Ein solcher Unfall kann betreffs Christian Friedrich May, abgesehen vom tödlichen Ausgang, ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Die Formulierungen Karl Mays ermöglichen aber auch einen anderen Schluss: Christian Friedrich May ließ sich möglicherweise zwischen der Vorweihnachtszeit nach seinem postulierten, angeblich tödlichen, Sturz in die Schlucht, der sich durchaus in betrunkenem Zustand ereignet haben könnte – so denn diese Aussage wirklich auf Christian Friedrich May gemünzt war – und seinem Tod bei seiner Familie nicht mehr sehen.
Einem möglichen Einwand, dass Johanne Christiane sich schon zu Lebzeiten ihres Vaters zum zweitenmal verehelichte und vorher eventuell auch die Episode im einsamen Forsthaus erlebte, kann entgegengesetzt werden, dass Gicht mindestens im frühen Stadium anfallsweise auftritt und der Großvater also in jenem Zeitraum durchaus noch schmerzfreie Phasen erlebt haben kann. Außerdem schließt die Wiederverheiratung die Krankenpflege absolut nicht aus. Das Sterbejahr der Urgroßmutter schränkt den Zeitraum dieses Ereignisses unter der Voraussetzung der Arbeit im Forsthaus als junge Mutter vornehmlich auf die Zeit zwischen dem Tode des Christian Friedrich Kretschmar am 4. 2. 1818 und dem der Maria Rosina geborene Bäumler am 9. 8. 1820 ein. Nach dem 14. 3. 1826, dem Todestag des Stiefvaters, dürfte diese Episode sich nicht ereignet haben, da Heinrich August seinerzeit mit Sicherheit schon einige Zeit Lehrjunge war[45].
Die genealogischen Daten seiner Urgroßeltern Carl Friedrich Kretzschmar und Maria Rosina Bäumler passen übrigens überhaupt nicht zu der von Karl May weitererzählten Familiensaga, seine Großmutter habe die Mutter früh verloren – allein die Tatsache, dass dieser Urgroßvater an Gicht starb, belegt das Kirchenbuch; er überlebte seine Gattin um fünf Jahre. Die pflegende Tochter verlor ihre Mutter, als sie selbst 40 Lenze zählte und in zweiter Ehe lebte. Geht man allerdings vom Blickwinkel des Enkels Heinrich August May aus, so war Maria Rosina tatsächlich früh verstorben, nämlich knapp vor dem zehnten Geburtstag ihres Enkelsohnes.
In diesem Zusammenhang wird der Titel des von May als Teil der Kindheitserinnerungen seines Vaters und des Autors selbst benannten, aber nicht verifizierbaren Buches »Der Hakawati« jetzt hochinteressant und verdächtig. Der angebliche Autor heißt »Christianus Kretschmann« und der fiktive Drucker »Wilhelmus Candidus«. Anhand des Manuskripts seiner Autobiographie, so noch vorhanden, müsste nachgeprüft werden, ob dort nicht etwa steht »Christianus Kretschmarn«. Karl May verwendete diese Beugung des Familiennamens durchaus noch; in Die Liebe des Ulanen findet sich für den vorgeblichen Hauslehrer Müller häufig die Form ›Müllern‹. (Johanne) Christiane Kretschmar war der Geburtsname seiner Großmutter väterlicherseits, Candidus heißt auf deutsch Weise, und Karl Mays Mutter wurde geboren als (Christiane) Wilhelmine Weise. Möglicherweise wollte Karl May in verklausulierter Form auf sein unterdes gewonnenes Wissen hinweisen, dass die Erzählungen der Großmutter über die Jugendjahre seines Vaters märchenhaft verfremdet worden waren[46]. Seine Bemerkung »Und ebenso sieht man, daß ich nichts verschweige. Es darf nicht meine Absicht sein, das Häßliche schön zu malen«[47] deutet darauf hin. Nicht in Betracht gezogen wurde übrigens bislang die Möglichkeit, dass das Hakawati-Buch zwar per se fiktiv war und ist, nicht jedoch das Titelblatt; ein solches kann in kalligraphisch wohlgelungener Aufmachung durchaus vorhanden gewesen sein und zur Verschönerung vor dem Titelblatt – oder gar als dessen Ersatz – eines ererbten, tatsächlich existenten normalen Märchenbuchs eingefügt worden sein. Wir wissen ja nicht, welche Erbstücke von Mays Eltern welche Geschwistern erhielten[48] und ob nicht einiges davon beim Stadtbrand von 1898, der auch das Haus von Mays Schwager Selbmann vernichtete, zerstört wurde.
Somit muss sich die Genealogie Karl Mays auf dessen mütterliche Vorfahren und die Mutterseite seines Vaters beschränken. Aufgrund des nun sehr reichlichen Materials ist jedoch eine Analyse des jetzigen Forschungsstandes möglich geworden. Die im Taufbuch angegebene Unehelichkeit der Geburt des Heinrich August May zu verifizieren oder zu falsifizieren, bedarf, wie hier aufgezeigt wurde, umfangreicher Nachforschungen in einer Vielzahl von Quellen.
7. Nachfahr der Müller
Untersucht man die Berufe der Handwerker-Vorfahren genauer, so ergibt sich bis zu den Urgroßeltern eine reine Herkunft aus dem Webermilieu; erst dann treten andere Professionen hinzu, sehr schnell und bald sehr viele Müller sowie einige Bäcker. Unter den bäuerlichen Vorfahren befindet sich eine ganze Anzahl von Erbrichtern, Schöppen und hochbesteuerten, also vermögenden, Landwirten. Ab dem 17. Jahrhundert gesellen sich zum Berufsspektrum auch Schulmeister und Pfarrer hinzu.
Sehr daneben allerdings lag Plaul mit seinen Vermutungen im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1981, woher Karl May seine Imagination ererbt habe, und zwar unter anderem vom Ahn 1486 Johann Niederstetter; die Schlussfolgerungen Plauls dürften auf erheblichen Protest seitens der GeneTalogie[49] um Arndt Richter stoßen, können aber hier noch nicht weiter untersucht werden. Ob nach so vielen dazwischenliegenden Generationen noch von einem direkten Erbgang gesprochen werden kann, erscheint mir mehr als fraglich[50].
Karl May ist zwar ›der Sohn des Webers‹, wie Plaul seine genealogischen Ausführungen im Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1979 betitelte, doch noch viel mehr der Nachfahr der Müller, die nun in früheren Generationen die umfangreichste Berufsgruppe im Handwerk darstellen. In Sachsen und den schönburgischen Receßherrschaften, zu deren Untertanen Karl May ja zählte, gehörten Müller nicht, wie in einigen anderen Landstrichen, zu den verachteten Berufsgruppen, sondern waren hochangesehene Mitbürger und hatten oft sehr wichtige Ämter inne.
Um diese Feststellung zu untermauern, werden nachfolgend alle dem Müllerhandwerke huldigenden Personen samt ihren Wirkungsorten namentlich benannt[51]:
In Bärenwalde Lorentz Dörfel (X), in Bockau Urban Lang (X), in Doberschwitz Martin Pirl (VII), in Göppersdorf bei Waldheim Samuel Böttiger (VII), sein Vater Martin Böttiger (VIII) sowie sein Großvater Thomas Böttiger (IX) und dessen Schwiegervater Andreas Trenkmann (X), in Hartmannsdorf Albrecht Claus (IX), in Lichtenstein Esaias Höfer (VI, Schwiegersohn des Samuel Böttiger) und sein Vater Jacob Höfer (VII), Johann Christoph Weise (V, Schwiegersohn des Esaias Höfer), in Lößnitz Jorg Preuß (XV), Hans Reinhold (IX), dessen Vater Christoph Reinhold (X) und Großvater Caspar Reinhold (XI), Benedix Schmidt (XIII) und sein Schwiegervater Hans Schnepf (XIV), in Mohsdorf Hans Engelmann (IX), in Mülsen St. Jacob Christoph Walther (IX) und sein Vater Michael Walther (X), in Mülsen St. Niclas Paul Walther (VIII), in Nordhausen Johann Georg Bäumler (VI), in Reinsdorf Georg Ebersbach (VIII), der aus Hartmannsdorf gekommene Müllerssohn Paul Claus (VIII), Hans Reinhold (IX), der aus Lößnitz zuzog, in Stangendorf Gregor Clemm (VII) und sein Vater Gregor Clemm (VIII), in Wiesenburg Andreas Entzmann (VI) und in Zschocken Hans Scheibner (XIV). Eine regelrechte Müllerdynastie stellt die Generationenfolge Andreas Trenkmann – Thomas Böttiger – Martin Böttiger – Samuel Böttiger – Esaias Höfer – Johann Christoph Weise dar, wobei allerdings die beiden Letztgenannten anderen Ortes, aber nacheinander Besitzer der gleichen Mühle, waren[52].
Karl Mays gesicherte Vorfahren aus dem Weberhandwerk sind in Altendorf bei Chemnitz Barthel Uhle (VI), in Drebach Hans Gabriel Bernhardt (VI), in Ernstthal Christian Friedrich Bäumler (IV) und dessen Vater Johann Matthäus Bäumler (V), Johann Gottlieb Klaus (IV) samt Vater Johann Gottlieb Klaus (V) und Großvater Andreas Klaus (VI), Heinrich August Kretzschmar/May (I), Carl Friedrich Kretzschmar (III), Christoph Spindler (VI), Andreas Stephan (VI), in Hartha bei Waldheim Johann Gottlob Günther (III), in Hohenstein Johann Georg Hertel (V) und sein Vater Georg Hertel (VI), Christoph Friedrich Uhle (IV) und sein Vater Christoph Uhle (V), Christian Friedrich Weise (II), dessen Vater Christian Friedrich Weise (III), und in Mülsen St. Jacob Johann Gottfried Kretzschmar (IV). Jenseits der Generation der Ur-Ur-Ur-Ur-Großeltern konnten also bislang keine Vorfahren im Weberberuf festgestellt werden, der erste Müller-Ahn hingegen ist einer der Ur-Ur-Ur-Großväter Karl Mays. Bei den Webern erkennt man außer bei den Stämmen Kretzschmar und Klaus keine allzu große Berufstreue über Generationen hinweg. Auch Weitergaben der Profession vom Vater auf den Schwiegersohn, also Einheirat, sind eher die Ausnahme, hingegen sind die Müllersippen recht berufstreu. Bei den Müllern muß zusätzlich angemerkt werden, dass einige von ihnen auch zusätzlich Bäcker waren. Manche waren erst Bäcker und dann auch Müller, andere gaben das Müllerhandwerk (wieder) auf und blieben wie dann auch ihre Söhne nur Bäcker.
Dem Bäckerhandwerk zugetan waren Karl Mays Ahnen Hans Gabriel Bernhardt (V), Andreas Entzmann (VI, auch Müller), Nickel Ilgen (XIII), Thomas Schmidt (X) und Merten Schmidt (XI) als Enkel und Sohn des Müllers Benedix Schmidt, Jacob Steinel (XII), Johann Wilhelm Weise (IV) und sein Vater Johann Christoph Weise (V, auch Müller).
Nicht nur Müller zählen gehäuft zu Mays Ahnen, sondern auch Bürgermeisterfamilien seinerzeit hochwichtiger Städtchen sowie Erbrichterfolgen westerzgebirgischer Dörfer. Zwei weitere Theologen stellten sich ebenfalls als Vorfahren Mays heraus. Zwar zählen keine Berühmtheiten, weder Adam Ries noch Ulrich Röhling, Barbara Uthmann, Martin Luther oder gar Lucas Cranach, zur Ahnenschaft, doch verdienen einige interessante Männer eine Nennung im Rahmen dieser Abhandlung, vor allem in Gegenüberstellung zur vielerwähnten Familiensage.
8. Wohnorte der Vorfahren
Ein Großteil der Vorfahren war im schönburgischen und kursächsischen Gebiet des Erzgebirges zuhause, doch nun gesellen sich zu den bereits bekannten Bauern, Müllern und Leinewebern auch Pfarrer, Gerber, Böttcher, Bäcker, Schuhmacher hinzu, einige davon Zuwanderer des Berufs wegen.
Die Ballungsräume der Ahnen sind in hohem Maße im nordwestlichen Vorerzgebirge zwischen Mülsengrund, Bärenwalde und Zwönitz, Wildbach und Zschorlau zu suchen sowie rund um Waldenburg und im Raum Leisnig in der Umgebung von Wendishain bei Waldheim; weitere Stämme lebten rund um Blumenau und Olbernhau, in Lichtenberg bei Brand-Erbisdorf sowie in Torgau, Kulmbach und dem slowenischen Laibach, heute Ljubljana.
Den Genealogen interessiert natürlich, durch welche Familiennamen er wo eine Ahnengemeinschaft mit Karl May feststellen könnte. Im Einzelnen sind dies folgende Orte und Namen:
Alberoda: Auerswald, Becher, Hoberger, Mühlheinel, Schettler, Steinel – Altendorf bei Chemnitz: Uhle, Uhlich – Aschershain bei Waldheim: Sachse – Auerbach bei Zwickau: Meuer – Bärenwalde: Dörffel, Merten – Bernsdorf: Merten, Neuber – Beutha: Bochmann, Schuster, Weigel – Blumenau: Hertwig, Uhlich – Bockau: Brückner, Friedrich, Georg, Lang, Lorentz, Spieler – Buchholz: Lindner – Burgstädt: Engelmann, Fischer – Burkhardtsgrün: Georg – Callenberg: Weise – Colditz: Böhm – Deutzen: Schönland – Doberschwitz: Pirl – Dorfchemnitz b. Freiberg: Drechsel – Drebach: Bernhard, Drechsel, Roscher – Ehrenfriedersdorf: Reuther – Erlbach bei Stollberg: Franke – Ernstthal: Bäumler, Bernhard, Claus, Günther, Kretzschmar, May, Spindler, Stephan, Teucher – Forchheim b. Freiberg: Drechsel – Freiberg: Drechsel, Lindner, Niederstetter, Raspe – Gersdorf nahe Ernstthal: Schultes – Göppersdorf bei Waldenburg: Böttiger, Trenkmann – Grünhain: Dirsch, Entzmann, Escher, Ott, Wendler – Härtensdorf: Seiler – Hartenstein: Bochmann, Seidel, Seiler, Temper, Ziener – Hartha: Günther – Hartmannsdorf: Claus – Hohenstein: Hertel, Kretzschmar, Loßnitzer, May, Örtel, Rufmann, Teucher, Uhle, Weise – Jüdenhain: Geßner – Kappel: Claus – Klaffenbach: Graupner, Weise – Kulmbach: Rohrlapper – Kupferberg in Böhmen: Schnepf – Laibach = Ljubljana: Temper – Langenbach: Kuntz, Meyer, Windisch – Langenberg nahe Ernstthal: Haupt, Vogel – Langenchursdorf: Steinbach – Lauschka: Günther, Kupfer – Lichtenberg: Hertwig – Lichtenstein: Höfer, Teucher – Lößnitz: Bochmann, Branneberg, Colditz, Günther, Ilgen, Möller, Müntzer, Pfaff, Pflug, Preuß, Reinhold, Rohrlapper, Schmidt, Schnepf – Lugau: Bochmann, Schultes – Markersdorf: Helwig – Meinsdorf: Rüger – Mitteldorf: Reinhold – Mittweida bei Markersbach: Meyer – Mohsdorf: Engelmann – Mosel: Wendler – Mülsen St. Jacob: Clemm, Kretzschmar, Rohland, Walther – Mülsen St. Niclas: Kretzschmar, Schwalbe, Walther – Nägeß (?): Bretner, Näder – Neudörfel bei Zschorlau: Georg – Neukirchen: Graupner – Niederdorf: Aitner, Keller – Niederlößnitz: Günther – Niederschlema: Höfer, Kohn?, Röhner, Steinel – Niederwürschnitz: Bochmann, Dittmar, Güttler, Müller – Niederzwönitz: Höfer – Nordhausen: Bäumler – Oberaffalter: Nötzel – Oberdorf bei Stollberg: Arnold, Bachmann, Keller, Röder, Wermann – Oberlungwitz: Teucher – Obersachsenfeld: Meier- Oberwürschnitz: Bochmann, Keller, – Oelsnitz / Erzgebirge: Aitner, Kretzschmar, Motz, Müller, Schultes – Olbernhau: Hunger, Wolf – Ortmannsdorf; Aitner, Böhm, Kuntz, Meuer, Roner – Pölbitz: Mertzsch – Raum: Schettler, Uhlich – Reinsdorf bei Zwickau: Claus, Ebersbach, Hahn, Meyer, Reinhold – Richzenhain: Flößner, Günther – Rothenkirchen: Brückner – Rüsdorf: Seidel – Schneeberg: Claus, Entzmann, Ilgen, Raspe – Schönau nahe Zwickau: Meuer, Mosig – Schwaben bei Waldenburg: Seiler – Stangendorf: Clemm, Geßner, Leonhard, Martin, Meyer – Stollberg: Schubert – Thierfeld: Bochmann, Heintz, Hertel, Nötzel, Röhner, Rohrlapper, Schettler, Schuster, Seidel, Sieber, Temper – Thurm: Bretner, Meyer – Tirschheim: Hartig – Torgau: Cronberger, Niederstetter – Treben: Schonland – Venusberg bei Drebach: Bernhard – Vielau: Graupner – Wendishain: Dietze, Günther, Kupfer, Pirl – Werdau: Schonland – Westewitz: Hofmann, Mittag – Wiesenburg: Entzmann – Wildbach: Bauer, Ebisch, Kuntz, Mehlhorn, Schettler, Windisch – Wüstenbrand: Barthel, Clemm – Zschocken: Hertel, Öttel, Röhner, Seiler, Scheibner, Werner – Zschorlau: Becher, Geßner, Gläser – Zwönitz : Graupner, Höfer, Rohrlapper.
9. Mehrfachahnenschaften
Auffällig ist die geringe Anzahl von Ahnenverlusten, also eine recht niedrige Anzahl von Fällen, in denen ein Vorfahr mehrfach Ahn ist, sowie die für die damalige Zeit recht aktive Wanderungsbewegung. In gewissen Orten pflegt die Versippung so intensiv zu sein, dass Vielfachahnenschaften extrem häufig vorkommen, nicht etwa nur drei- oder viermal, sondern in zehn, fünfzehn, zwanzig und noch mehr Linien immer wieder Personen, die schon woanders auftraten. Je kleiner die Kommune, desto gravierender die Folgen, gemäß dem bestimmt nicht nur im Erzgebirge kolportierten bösen Spruche: ›In XXX guckt aus jedem Haus mindestens ein Blöder raus!‹ oder gar ›In YYY haben alle dieselbe Blutgruppe: I wie Inzucht‹; diese Sprüche fallen allerdings öfters auch auf den spottenden rivalisierenden Nachbarort zurück. Dem entzogen sich Mays Vorfahren anscheinend schon traditionell. Sie müssen über ein gutes Wissen darüber verfügt haben, wer mit ihnen, eine Heirat betreffend, im näheren, nicht dispenspflichtigen Verwandtschaftsbereich zu gefährlich nahe verwandt war, und mehr Generationen samt ihren Verquickungen untereinander aufzählen können als junge Leute im gleichen Ort nur wenige Jahrzehnte später oder gar heutzutage. Da wandte sich denn der Handwerksbursche oder der Bauernsohn in die Fremde, suchte sich jenseits des Hügels eine Braut – oft in einer Familie, die noch nicht seit Generationen ortsansässig, aber gut bei Kasse war. Oder, was damals eben häufiger war, der Ehepartner wurde von den Eltern oder den Berufskollegen ausgesucht und zudiktiert; öfters spielten auch Sachzwänge eine Rolle, wie zum Beispiel eine verwaiste Meisterstube.
Auch in Hohenstein und Ernstthal kannte man diese Problematik. Karl May wusste mit Sicherheit ebenfalls davon. Sein Problem, sich eine ›Frau aus der Heimat‹ zu holen, rührte wohl eher von den innerhalb der Familie weitergegebenen Warnungen her denn von Befürchtungen betreffs des Charakters der Emma, deren Großvater Christian Gotthilf Pollmer zwar aus Königswalde im Erzgebirge zugezogen war, aber eine Einheimische, und zwar eine gebürtige Stegner, geheiratet hatte. Ahnte oder wusste May, dass Pollmers Vater Georg Christoph eine Frau gleichen Nachnamens, Johanne Charlotte Pollmer, aus dem gleichen Ort Königswalde geheiratet haben soll, interessanterweise 1799 nicht in der Heimatgemeinde, sondern in Annaberg[53]? Karl May sah dieses Problem negativ; die GeneTalogie zählt allerdings auch Beispiele auf, bei denen sich Heiraten im Verwandtenkreis auf die Nachkommenschaft positiv auswirkten; sie scheinen aber in der Minderzahl zu sein!
Bisher konnte nur in zwei Fällen ein realer Ahnenimplex nachgewiesen werden, je einer im Schäfer- und im Müllermilieu. Der Müller Hans Engelmann in Mohsdorf ist durch zwei Töchter Vorfahr Karl Mays; nur eine der beiden Töchter heiratet allerdings erneut einen Müller. Der Schäfer Georg Heintz in Thierfeld hingegen vermählt zwei Töchter an Berufskollegen. Dieser Ahnenimplex ist bedeutsam; eine Tochter wurde zu einer Vorfahrin von Karl Mays Mutter, die andere zu einer Ahnin von Karl Mays Vater!
Eine
Problemstellung, mit der sich die GeneTalogie gern
auseinandersetzt, ist das Herausfinden von interessanten
Ahnengemeinschaften, speziell von berühmten Persönlichkeiten
miteinander. Neben den mir bekannten fast zwei Dutzend Personen
werden weitere Familienforscher schon anhand der hier vorgelegten
Ausarbeitung feststellen können, dass und in welchem Umfange
Vorfahren Karl Mays auch die Ihren sind. Weiterhin beschäftigen
die GeneTalogen sich auch mit bei der Vererbung bestimmter
Eigenschaften bevorzugter Personen und deren Abstammungslinien,
bewirkt durch Mehrfachahnenschaften, also Verwandtenehen, und die
X-chromosomale Vererbung – sehr wichtig bei der Erforschung der
Herkunft von außergewöhnlicher Begabung auf bestimmten Gebieten
ebenso wie von Geisteskrankheiten.
Kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausarbeitung gelangte ich in den
Besitz einer Kopie der von Willy Roch erstellten Ahnenliste[54] des sächsischen Heimatschriftstellers Kurt
Arnold Findeisen (1883 1963). Dort entdeckte ich eine
interessante Übereinstimmung. Dessen Ahnenpaar 346 Matts Ebisch
in Wildbach / 347 Catharina Bauer in Wildbach ist bei Karl May
auch vorhanden. Überraschend und vermutlich recht selten ist,
dass die Ahnenziffern identisch sind – sowohl bei Karl May als
auch bei Kurt Arnold Findeisen sind Matts Ebisch und Catharina
Bauer als Vorfahren 346 und 347 zu finden! Weitere prominente
Ahnengemeinschaften könnten sich durchaus herausstellen, doch
dürften Zusammenhänge mit Nachfahren berühmter Erzgebirger wie
den vorgenannten Persönlichkeiten Adam Ries, Ulrich Röhling,
Barbara Uthmann oder gar den Schnorr von Carolsfeld und dem sehr
real existierenden schottischen Adeligen David Lindsay, der ab
Mitte des 17. Jahrhunderts Floßmeister in Annaberg war und eine
beträchtliche Anzahl von gut erforschten Nachkommen hat, eher
unwahrscheinlich sein.
10. Biografien einiger Ahnen
Lebensabrisse einiger Ahnen mögen für viele stehen; die Wiedergabe aller durch Einträge in Archivalien plastisch gewordenen Lebensläufe würde diese Abhandlung ganz erheblich verlängern.[55]
Aufgrund umfangreicher Funde in den Akten des Stadtarchivs in Lößnitz gehört der dortige Müller Benedix Schmidt zu den am besten dokumentierten Persönlichkeiten der Stadtgeschichte des 16. Jahrhunderts, wobei weder Geburts- und Sterbejahr noch der Name seiner ersten Gattin bekannt sind. Er muß vor 1495 geboren worden und zwischen 1550 und 1560 gestorben sein. Er war dreimal verheiratet und wird sporadisch auch nach seinem Beruf Benedix ›Möller‹ genannt. Karl May ist Nachfahr der Ehe des Benedix mit seiner zweiten Gattin Walpurgis Schnepf. Erstmalig erwähnt wird Benedix am 6. Mai 1516 anlässlich seines ersten Gerichts wider den Brothans in Affalter, er setzt diesem Schuld und Klage wegen böswilliger Unterstellung unbezahlter Schulden 1516, er bürgt wegen Hans Reymann in Dittersdorf zusammen mit Merten Seydel, Valten Ihan und Burkhardt Günther in Dittersdorf 1516, kauft die Stadtmühle in Lößnitz von Philipp Möller oder Merten 1520, regelt nach seiner Beschwerde deren Bezahlung neu 1520, kauft seinem Vater Thomas Schmidt dessen Haus um 30 gute Schock ab 1520, leiht von Jacob Heimpol in Affalter 30 Goldgulden in bar Dionysi 1521, erhält von Barthel und Nickel Gerber Gelöbnis auf Schuldenrückzahlungen 1521, hat mit seinem Bruder Jacob in Dittersdorf die Güter freimarkt und sein Bruder danach 8 Gulden Schulden bei ihm Sonntag nach Dionisi 1521, erwähnt in Bergamtsrechnung Schneeberg mit Fundgrube auf Barthel Birkrugs Erbe in der Lößnitz 1522, zahlt Scheunenzins 1522, ist Bürge für Wolf Pfob, der dem Schuhknecht aufs Maul gehauen hatte, 1522, zahlt den Erbfall wegen der alten Molnerin, Philipp Möllers Witwe, an die Brüder Lorentz, Merten und Simon Lange sowie Erhart Weyß und Barthel Nitzsch Sonntag nach Lätare 1523, bürgt zusammen mit Wolf Behmisch für den Kirchner 1523, bürgt für seine Schwester NN Kolditzin 1524, regelt im Namen seiner Geschwister Erbschaft der verstorbenen Schwester mit deren Witwer Michel Kolditz unter Einbezug von Blasel Bürgers Geld 1525, bürgt zusammen mit Paul Peck für Oswald Heimpol 1526, zahlt seinen Geschwistern und Schwägern väterliches Erbteil aus Sonntag nach Hieronymi 1526, kauft den Brüdern Richter eine Hofstatt ab 1527, Zeuge bei Hauskauf des Paul List 1528, verkauft an Gregor Geßner ein Erbe am Sichenberg um 32 gute Schock 1529, verkauft Garten über Bernhard Zimmermanns Ölmühle an Nickel Gerber 1530, verkauft die Stadtmühle samt Teichen an seinen Schwager Merten Schnepf um 280 Gulden 1531, kauft von Nickel Richter Haus, Hof, Äcker und Wiesen Dienstag nach Francisci 1532, hat Erbe auf der Mark 1533, hält die von Matthes Thurler gekaufte Tuchmacher-Walkmühle samt Wiesen als Pfand – wohl für vorgestreckte Gelder – 1534, teilt sich mit Matts Thurler, Wolf Behmisch, Hans Vettermann und Merten Kolditz einen Überlauf auf seinem Erbe an der Rattenmühle 1534, erhält seines Weibes Walpurgis väterlichen Erbanteil von 8 alten Schock Sonntag Assumptione Mariae 1535, gibt seinen Schwägern Wolf und Oswald Heimpol sowie Peter Löffler 6 von seiner dritten Schwiegermutter geliehene alte Schock zurück Sonntag Trinitatis 1539, gelobt Hinterstelliges an Merten Schnepf zu zahlen 1539, ist Bürge für Paul Mueseler 1539, gelobt seinen Schwägern Oswald und Wolf Heimpol Zahlungen wegen Schwiegermutter 1539, gehört zu Heimpols Erben – mit Oswald Heimpol, Wolf Heimpol, Peter Löffler, alle aus Lenkersdorf, Bernhart Kolditzin, George Otten und der Caspar Müllerin, die – zusammen mit Wolf Stüler, Oswald Frentzel und Hauptmanns Erben in Lenkersdorf – wegen ihrer Mütter und Schwiegermütter der Hans Engelhartin in deren Haus, das zuvor Wolf Reymann gewesen war, verzichten 1539, zahlt Michaeliszins 1540, Bürge für Jacob Schuster 1540, kauft die Ölmühle vor dem Spital von Bernhard Zimmermann für 8 gute Schock 1540, kauft die Rattenmühle in Lößnitz von seinem Ex-Schwager Hans Schnepf um 50 gute Schock 1540, einigt sich mit Hans Schnepf wegen Arbeiten an Rattenmühle, wofür Benedix einen Arbeiter bezahlte 1540, verkauft Rattenmühle an Oswald Reitthans Sonntag Cantate 1541, verkauft alte Mühle beim Ferbhaus an Wolf Bornheinrich Mittwoch nach Erhardi 1541, Vormund der Margaretha, Tochter des verstorbenen Matts Hauptmann in Lenkersdorf, 1541, zahlt Scheunenzins 1541, wohnt in Wolf Neumanns Viertel 1541, zusammen mit Paul Schmidt Bürge für Baltzer Gebhardt 1543, bürgt zusammen mit Paul Schmidt für Peter Bannewitz gegen dessen Schwager, den jungen Spieß, 1543, Vorsteher der Drescher 1543, kauft Stadtmühle von Hans Schnepf dem Jüngeren 1544, hat irrige Gebrechen mit Merten Colditz 1544, bürgt zusammen mit Frantz Kriegk 1544, bürgt selbstschuldig gegen Caspar Lippmann 1544, verkauft Haus an Sohn Matts 1545, legt zusammen mit Frantz Krieg Komer um 35 alte Schock zu Merten Schnepf 1545, bezeugt Zahlungen der Catharina Bretschneiderin an seine verstorbene Schwester 1545, kauft vom Amtmann zu Grünhain, Hans v. Büna, vertreten durch Nickel Wilde, das dem Amtmann gerichtlich zugesprochene Haus des Oswalt Richter in Lößnitz 1545 und bezahlt Tagzeiten bis Weihnachten 1548, erwähnt in Geschoßregister 1547, zahlt auch Scheunenzins und Wegegeld 1547, zahlt Erbgelder auf Stadtmühle an Valten Ludwig in Hartenstein aus, die dieser 1545 von Merten Schnepf erkauft hatte, bis 1550, ist Zeuge bei Zahlungen von Merten Schnepf an Oswalt Geßner Michaelis 1546 bis Michaelis 1550. Des Benedix dritte, mit Vornamen unbekannte, Gattin war eine Tochter des Paul Heimpol in Lenkersdorf. Sie überlebte ihn und starb Anfang 1570.
Hans Günther gehört zur Bürgermeisterfamilie Günther in Lößnitz. Er wurde vor 1458 geboren und war Ratsassessor in Lößnitz ab 1492, dann Bürgermeister in Lößnitz 1499. Er fehlt im Geschoßregister 1472, wird erwähnt im Geschoßregister 1479, klagt erstes Gericht[56] zu Nickel Wustenpeutel 1480, ist Bürge für Nickel Gernolt 1483, klagt erstes Gericht zu Paul Schindler in Affalter 1490, ist Bürge für die Andreas Heuslerin 1492, Bürge für Wentzel Hoffmann 1493, bittet mit Erhart Frentzel, Michel Geßner, Peter Geßner, Wentzel Hoffmann, Steffen Neumann, Jorg Dornthal, Hans Kraus, Nickel Kraus, Jeronymus Horlmann, Caspar Lippmann den Andreas Frentzel – alles dessen Verwandte? – aus dem Gefängnis frei 1493, klagt erstes Gericht zu Jacof Torler 1493, bürgt für Jorg Saydner 1493, bekommt erstes Gericht geklagt von Hans Walther, Barthel Struntz und Nickel Urban 1493, Schuldner wegen Ludel Messerschmidtin Kindern 1494, zusammen mit Nickel Kempfer Altarmann 1497, Zeuge der Kinder des verstorbenen Thomas Ficker 1498, hat Oswald Schuster und Cleyn Enderlein als Schuldner und Erbgelder in Niederzwönitz stehen 1502, einigt sich mit Hans Wendler in Affalter wegen des Hasenzagels 1505, Schwager von Caspar Pflug, Caspar Lippmann und Nickel Richter und Schwiegersohn des Nickel Pflug 1507, klagt erstes Gericht zu Nickel Rau in Dittersdorf 1507, ist Zeuge bei Erbteilung der Söhne Hans und Merten des verstorbenen Hans Seydel 1508, Bürge auf Seiten der Zimmerhansin 1509, klagt erstes Gericht zu Heintz Richter und dessen Bürgen Lorentz Dorntal 1510, Schwager des Hans Edelmann in Zwickau 1510, ihm wird erstes Gericht geklagt als Bürgen für Cristoff Klinger oder Schneider von Michel Zechendorfer 1510, Vormund der unmündigen Kinder des verstorbenen Erhart Frentzel 1512, hat Haus 'über' Andreas Heusler d. J. 1514, klagt gegen die Brüder Andreas und Bastian Karg in Schneeberg wegen ehrenrühriger Schmähungen 1519 und gegen Andreas Karg wegen eines Beilwurfes gegen ihn 1519, legt beim Rat 50 Gulden zur Versorgung der Armen am Siechenberg ein 1521, zahlt den Ulstat-Zins 1522, ist verstorben vor 1524.
Jacob Höfer zählt zu jenen Ahnen, über die vergleichsweise wenig ermittelt werden konnte. Zudem nahm er einen Ortswechsel vor. Dieser ließ sich zwar anhand der Kirchenbücher und der Gerichtsbücher nachvollziehen und die Identität der Namensträger Jacob Höfer in Zwönitz und Lichtenstein als gegeben annehmen, aber nicht durch Verschriftlichung beweisen. Erst als in die Erstellung des Familienbuches Zwönitz im Rahmen einer ABM auch das dortige Kirchstuhlregister einfließen konnte, ergab sich der unumstößliche Beweis. Einige Einzelheiten seines Lebenslaufs fehlen trotzdem bis heute. Jacob Höfer war Zimmermann in Zwönitz 1654 bis 1683, auch Krämer 1668 bis 1675 sowie Spitzenhändler ab 1681, verkaufte sein Haus an Matts Hoberger 1670, verkaufte sein Haus an Johann Decker 1683, gab seinen Kirchenstand auf, um nach Lichtenstein zu ziehen, 1683, war Bürger und Mittelmüller in Lichtenstein, ebenda erstmalig erwähnt 1684, Müller in Lichtenstein 1691.
Conrad Rohrlapper, ein Gerber, starb im Jahre 1645 als Bürgermeister in Lößnitz; eine Altersangabe ist im Kirchenbuch nicht vorhanden. Er ist zugewandert. Dokumente nennen seine Herkunft: ›Culmbarensis‹; er stammte also aus der Bierstadt Kulmbach und wurde dort bestimmt vor 1578 geboren. Anscheinend lebte er kurz vor seiner Heirat und in den nächsten drei Jahren danach in Schneeberg. Nur ein Teil der ihn betreffenden Eintragungen in Akten konnte bislang gesichtet werden. Er verkauft 26 Gulden Erbgelder seines Weibes in Wolf Dittrichs Gütern zu Thierfeld an diesen um 14 1/2 Gulden bar Sonntag nach Heilige drei Könige 1599, verzichtet wegen großmütterlicher Ansprüche seiner Gattin Barbara dem Andreas Wermann in Oberdorf 12. 12. 1599, kauft Kleinothgarten auf dem ›öberen‹ Stadtgraben neben Matts Kempters Garten von Hans Feltner um 11 Gulden Mittwoch nach Letare 1600, besitzt Haus am Bach, als der Nachbar Peter Keller an Brosius Oeser verkauft 1600, kauft Stück Acker auf der Mark neben Oswald Fischer von Valten Günther um 55 Gulden Catharinentag 1601, baut Walkmühle in der Aue neben Blesel Schmidts Erbe und mit dessen Zustimmung, da auf Schmidts Gut das Wasser gefaßt werden muß, 1604, kauft Wolff Günther Stück Acker am Schneppenberg zwischen Georg Drumler und Peter Gersler um 20 Gulden ab 30. 9. 1610. Er heiratete am 26. 1. 1596 in Thierfeld Barbara Temper; der Lebenslauf ihres Vaters folgt nun.
Christoph Temper war Pfarrer in Hartenstein und Thierfeld, damit auch zuständig für das Schloß Hartenstein von 1550 bis zu seinem Tode 1587 und kam, wohl im Anschluss an seinen Universitätsbesuch, nach Thierfeld. Sein Weg aus der Heimat muß ein tagelanger und beschwerlicher gewesen sein, denn geboren wurde er laut einschlägiger Quellen im Jahre 1522 in Laibach, heute Ljubljana in Slowenien. Von dorther nach dem Erzgebirge zu fahren, bedeutet auch heute noch eine vielstündige Autoreise. Er war Besitzer des Gutes 11 in Thierfeld ab 1561, sehr geschäftstüchtig, häufig Vormund und verlieh Darlehen. Er kaufte Güter des Michael Müller, Schmied in Hartenstein, für 5 Jahre auf Wiederkauf Dienstag nach Valentini 1555, kaufte Paul Hertel dessen Gut um 290 Gulden, Angeld 100 Gulden, Sonntag nach Elisabeth 1561 ab, war Zeuge bei Gutstausch des Hans Vogel mit Andreas Ziener zu Hartenstein Georgentag 1569, erhielt Verzicht von Georg Siegel wegen des Erbteils seines Weibes Katharina, Tochter des verstorbenen Barthel Hertel, in seine Güter 13. 2. 1571, weiterhin Verzicht von Oswald Schettler wegen erhaltenen Erbfalls seines Weibes Anna Montag nach Reminiscere 1571, kaufte Erbfall von 31 guten Schock des Paul Müller wegen seines Weibes Anna, Hans Pompers Tochter, in Michael Auers Gütern, um 36 Thaler bar Mittwoch nach Dreikönigstag 1572, erhielt von Katharina, Tochter des verstorbenen Georg Hertel, Verzicht wegen ausgezahlten Erbteils Montag nach Estomihi 1572, erhielt von Michael Auer Verzichtleistung wegen Geldern, die Temper von Paul Hertel gekauft hatte Freitag nach Trium Regum 1580; seine Kinder verkauften hinterlassenes Gut an Mutter und Stiefmutter um 310 Gulden 6 Groschen 21. 1. 1588, die Witwe, seine Gattin zweiter Ehe, Tochter des Simon Arnold in Oberdorf bei Stollberg und vorher schon Witwe des Jacob Leichsenring in Stollberg, verkaufte das von ihrem Manne ererbte Gut an ihren dritten Ehemann Wolf Dittrich um 300 Gulden Montag nach Oculi 1589.
Merten Kretzschmar in Oelsnitz ist Spitzenahn des Vaterstammes von Karl Mays ›Märchengroßmutter‹. Er war Gerichtsschöppe Montag nach Viti 1596, Vormund der Kinder des † Hans Winkler genannt Clauß 6. 3. 1592, kaufte Hans Junghans dessen von Jacob Reißmann erkauftes Gut um 550 fl ab 1594, Thomas Reinhold zu Ortmannsdorf hatte bei ihm 3 fl Schulden unmündiger Kinder Geldes wegen 11. 5. 1598, war Vormund des Georg, Sohn des † Blasius Reißmann 1599, zahlte seinem Eidam Georg Schmidt zu Meerane Gelder wegen seiner seit über 30 Jahren verschollenen Schwester aus Michaelis 1604, erhielt auch von Georg Kretzschmar und Hans Müller wegen seines Weibes Eva Verzicht Michaelis 1604.
Der Urgroßvater der Johanne Christiane, Gottfried Kretzschmar, ein Häusler unbekannten Berufs in Mülsen St. Jacob, heiratete eine mit ihm nicht verwandte Susanna Kretzschmar aus Mülsen St. Niclas. Deren Spitzenahn ist Jacob Kretzschmar, Richter in Mülsen St. Niclas, als Richter genannt 1563 und 1572, Er verkaufte als Vormund der Andreas Ebersbachin zu Ortmannsdorf deren Garten an Michael Bochmann 27. 2. 1572, begleitete Sohn Hans bei Gutskauf in Wildenfels 13. 2. 1581, verkaufte als alter Richter eine sogenannte Folge[57] an Nachbar Jacob Schwalb um 65 fl 4. 11. 1596, Erben verkauften an Sohn Hans um 325 fl 15. 1. 1600.
Valten Meuer in Ortmannsdorf war Zeuge als Mann der Herrschaft Sonntag nach Quasimodogeniti 1533, Gerichtsschöppe ab Mittwoch nach Andreae 1533 bis Donnerstag nach Leonhardi 1549, bezeugte Schuldenzahlung des Thomas Grebner wegen dessen † Vaters Valten Grebner (Tag unleserlich) 1543, Vormund der Pfarrerswitwe Margaretha Andreas Neumannin Donnerstag nach Exaudi 1547, einigte sich, zusammen mit Oswald Hertel, mit Jacob Stolzel wegen des Kindes Dorothea dessen † Sohnes Caspar Stolzel Donnerstag nach Crispini 1548, war Vertreter der alten Philipp Fritzschin Sonntag nach Leonhardi 1553, verkaufte an seinen Sohn Blasius sein Gut Elisabethentag 1551, nahm Tagzeiten persönlich in Empfang bis Pfingsten 1558.
Zu den wohlhabenden Ahnen Karl Mays zählen auch die Erbrichterdynastie Becher in Alberoda bei Aue und die Bauernfamilie Geßner in Jüdenhain, ab Einsetzen der schriftlichen Überlieferungen für Jüdenhain einige Generationen lang Eigentümer des mit Abstand höchstbesteuerten Grundbesitzes, sowie der wanderfreudige Schafmeister Michael Meyer, der aus Langenbach bei Schneeberg stammte, kurze Zeit in Obersachsenfeld, dann lange in Thurm bei Zwickau lebte und schließlich nach Markersbach nahe Schwarzenberg weiterwanderte, um dort das Pöckelgut zu erwerben. Pfarrer in Deutzen bei Wurzen war Martin Schönland, über den leider sehr wenig ermittelt werden konnte, verheiratet mit einer Schwester des Lößnitzer Organisten Oswald Bochmann, dessen drei Söhne allesamt Pfarrer wurden und jeder von ihnen sich latinisiert Rivander nannte. Einer von ihnen, Zacharias, war in seinem nur 41 Jahre, von 1553 bis 1594, währenden Leben schriftstellerisch tätig und verfaßte laut seiner vom Chronisten der Stadt Lößnitz, Gotthelf Friedrich Oesfeld[58], aufgestellten Bibliographie insgesamt mindestens 26 Schriften. Da diese Quelle zu den sehr selten gewordenen Chroniken des Erzgebirges zählt, nenne ich hier einige der Veröffentlichungen: Trajico, eine Komödie; Bericht vom Cometen im Jahr 1580; Düringische Chronica, gedruckt 1581; Lupus excoriatus, eine anticalvinistische Schrift, gedruckt 1582; Neujahrspredigt über den alten und neuen Calender, eine Streitschrift gegen Tobias Möller, Druck 1586, Gratulation an den erleuchtetsten Tobiam Mollerum[59] den letzten Noah und Propheten, eine Satire; Predigt vom schrecklichen Feuer und grossen Brandschaden zu Forste in der Niederlaußnitz 1590; Leichenpredigt auf den Tod Simon Lothers, Bürgermeister in Bischofswerda 1594; Bibersteinische Genealogica. Einige Veröffentlichungen konnte Oesfeld nicht datieren.
11. Schlussfolgerungen
Karl Mays Vorfahrenschaft lässt sich also im Lichte der neuen Erkenntnisse differenzierter als bisher einschätzen. Er hatte viele finanziell sehr gutgestellte Ahnen, die in ihren Gemeinwesen teils sehr hohe Positionen einnahmen. Unter ihnen befinden sich vier Pfarrer. In späteren Generationen vollzog sich dann ein stetiger sozialer Abstieg, den Karl May nachhaltig zu beenden vermochte. Ausgerechnet jener unter seinen Vorfahren so häufige Berufsstand, dem das deutsche Liedgut den Hang zum häufigen Ortswechsel bestätigt, legte als Vorfahren Karl Mays mit Ausnahme seines einzigen bisher bekannten von südlich des Erzgebirgskammes her, aus Kupferberg in Böhmen, stammenden Ahnen Hans Schnepf meist keine allzu großen Entfernungen zurück[60].
Die früheste Erwähnung eines Vorfahren von Karl May erfolgt sechzehn Generationen zuvor in Person von Hans Pfaff in Lößnitz im Jahre 1395. Überhaupt verfügt dieses Gemeinwesen ungeachtet mehrer verheerender Stadtbrände über sehr weit zurückreichende Archivalien[61].
Jenseits der VI. Ahnengenerationen konnte bislang kein Weber in der Ahnenschaft festgestellt werden. Nur in den Generationen II und III sind alle Männer Weber, in Generation IV 3 von 5 Personen (je 1 Bäcker und Schmied), in Generation V 4 von 12 , in Generation VI 5 von 22. Ab Generation V setzen bäuerliche Ahnen ein sowie aus der Müllerprofession; einige Müller waren auch Bäcker. Als ›Handwerkerdynastien‹ mehr über die Väter stellte ich Ahnenreihen von Müllern und Bäckern fest, zweimal über 6 Generationen, nämlich erstens 12914 Schnepf – 6456 Schmidt – 3228 Schmidt (Bäcker) – 1614 Schmidt (Bäcker) – 806 Reinhold – 402 Ebersbach und zweitens (nur Müller) 1586 Trenkmann – 792 Böttiger – 396 Böttiger – 198 Böttiger – 98 Höfer – 48 Weise, (24 ist Bäcker); eine Weber-Abfolge läuft über 120 Claus – 60 Claus – 30 Claus – 14 Günther – 6 Weise – 2 May / Kretzschmar (Nr. 240 ist unbekannt). – Sowohl im Vater- als auch im Mutterstamme lassen sich recht viele Müller nachweisen. Diese stellen nach den Bauern die zahlenmäßig stärkste Berufsgruppe. – Insgesamt 25 Ahnen sind Richter ihrer Heimatdörfer, darunter der erste Erbrichter – ab 1525 – von Alberoda, Andreas Becher, sowie dessen Sohn Hans und Enkel Andreas. Auch ein früher Bürgermeister der Stadt Hartenstein namens Jacob Bochmann und fünf der Stadt Lößnitz in Person von Oswald Günther, Hans Günther, Nickel Ilgen, Conrad Rohrlapper und Nickel Fleck[62] zählen zu Karl Mays Vorfahren. Einer von diesen, Hans Günther, richtete eine milde Stiftung ein. Weit hergeholt dünkt mir allerdings eine eventuelle Behauptung, dass speziell er diese Denkweise auf Karl May vererbt hätte. – Zu den wohlhabenden Ahnenfamilien zählen die Müllersippen Böttiger, Clemm, Schmidt, die ratsbefähigten Günther in Lößnitz, die Bürgermeister und Bergmeister Ilgen, die Bauern Geßner in Jüdenhain, Kretzschmar in Mülsen St. Niclas, Kuntz in Ortmannsdorf, Merten in Bärenwalde, die Weißgerber Rohrlapper vor allem in Lößnitz, Pfarrer Temper in Thierfeld sowie die Bäcker Weise in Lichtenstein.
Wie aus dem Vorangegangenen deutlich wird, untermauern diese Forschungsergebnisse einmal mehr die Erkenntnis: Wer Behauptungen über den angeblich nicht vorhandenen oder nur sehr eingeschränkten Wahrheitsgehalt autobiografischer Äußerungen Karl Mays aufstellt, muss eine äußerst sorgfältige und umfangreiche Quellenkunde betrieben haben und darf sich nicht zu oberflächlichen Diagnosen hinreißen lassen, wenn die Arbeitsergebnisse dem Autor nicht schnell und bei minimalem Arbeitsaufwand in den Schoß fallen wollen. Zwar muss man immer wieder mit Verlusten wichtiger möglicher Quellen rechnen, doch darf eine wissenschaftliche Arbeit, die Schlussfolgerungen betreffs Charakter, Krankheiten oder Vorfahren einer Person enthalten will, sich nicht allein auf Auswertungen von Sekundärliteratur einschließlich Fachschriften stützen, sondern muss immer auch auf dem Studium von Primärquellen fußen.
Zum guten Schlusse darf ich feststellen:
Karl May, der Sohn
des Webers, ist Nachfahr von Müllersippen –
und hatte eine ganze Reihe gutsituierter Ahnen!
Anmerkungen
[1] Karl May: Mein Leben und Streben, Freiburg [1910], S. 21.
[2] Eine Kurzfassung dieser Ausarbeitung erfolgte als im Obertitel gleichnamiger Vortrag am 23. 9. 2001 in Annaberg-Buchholz bei der Jahrestagung des Arbeitskreises Erzgebirge der Arbeitsgemeinschaft für Mitteldeutsche Familienforschung (AMF). Die Homepage des Arbeitskreises Erzgebirge wird erreicht über http://www.genealogienetz.de/reg/SAC/ERZ
[3] Karl May: Mein
Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 28;
Kräutterbuch
Deß hochgelehrten vnnd weltberühmten Herrn
Dr. Petri Andreae Matthioli. Jetzt widerumb mit vielen schönen newen
Figuren / auch nützlichen Artzeneyen / vnnd andern guten Stücken /
zum dritten Mal auss sondern Fleiß gemehret vnnd verferdigt /
Durch
Joachimum Camerarium,
der löblichen Reichsstadt Nürnberg Medicum,
Doct.
Sampt dreien wohlgeordneten nützlichen
Registern der Kräutter lateinische und deutsche Namen / vnnd dann
die Artzeneyen / dazu dieselbigen zugebrauchen jnnhaltendt. Beneben
genugsamen Bericht / von den Destillier vnnd Brennöfen.
Mit besonderem Röm. Kais. Majest.
Priviligio,
in keinerley Format nachzudrucken.
Gedruckt zu Franckfurt am Mayn
M. D. C.
[4] Zesewitz gehörte schon vor 1945 zu jenen Genealogen, die Erkenntnisse zu Vorfahren nicht ausschließlich aus Kirchenbucheintragungen rekrutierten, sondern auch aus der Einsicht in Gerichtsbücher und weitere staatliche Archivalien.
[5] Die Quellen zitieren diese Bemerkung in unterschiedlicher Schreibweise des Wortes ›soll‹. Das Original der Eintragung konnte bislang nicht eingesehen werden; der Unterschied beim Entziffern ist aber betreffs dieses Wortes als eher marginal anzusehen.
[6] Wolfgang Huschke, ›Karl May – Familienkreis und Vorfahren‹, in: Mitteldeutsche Familienkunde, Band III, herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft für mitteldeutsche Familienforschung e. V., Marburg, in Neustadt/Aisch und Göttingen 1972, S. 305ff.
[7] Vgl. Hainer Plaul: Der Sohn des Webers – Über Karl Mays erste Kindheitsjahre 1842-1848, in: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1979, Hamburg 1979, S. 12–98.
[8] Zum Beispiel wird das Geburtsdatum eines Vorfahrn angegeben, ohne die Eltern oder, im Falle der Außerehelichkeit, zumindest den Namen der Mutter zu nennen. In einem anderen Fall fehlen die Eltern einer Gattin. Diese nannte Streller immer auf dem für ihre Sippe zuständigen Familiengruppenbogen. Plaul hat sich in die genealogische Arbeitsweise Strellers nicht einfühlen können; ansonsten hätte er das Fehlende auf dem betreffenden Blatt gesucht und übernommen. Plaul hat ein angebliches Geburtsdatum des Ahn Hans Bernhard festgestellt; warum nicht auch die Namen der Eltern? Über die Herkunft der Angabe schweigt sich Plaul aus. Laut Ermittlung von Herrn Ulf Wagner in Jahnsdorf ist die Taufe des Hans Bernhard im für Scharfenstein zuständigen Kirchenbuch Großolbersdorf nicht eingetragen! Da Plaul auch kein Sterbedatum vorlegt, so kann auch eine Notiz am Rande desselben als Herkunft ausgeschlossen werden. So bleibt als Quelle nur die Vermutung einer Bemerkung beim Traueintrag; aber warum sagt dann Plaul nichts zum Vornamen des Vaters der Braut? Sollte dieser fehlen, so wäre das von einem erfahrenen Genealogen vermerkt worden. Das Ahnensegment Bernhard/Drexel/Roscher/Reuther ist nicht mit der gebotenen Sorgfalt aufgehellt worden. Den Verdacht der ungenügenden Quellenauswertung erhärtet der fehlende Ort der Trauung Drexel/Reuther, die man wohl in Drebach suchen muss, denn laut Mitteilung von Herrn Roland Börner in Langen ist sie nicht im Kirchenbuch Ehrenfriedersdorf enthalten. Laut anderweitigen Auskünften ist die Kirchenbuchführung in Drebach im infragekommenden Zeitraum angeblich leider keine sehr sorgfältige. – Über die Drechsel soll eine englischsprachige genealogische Veröffentlichung vorhanden sein, die ich bislang nicht einsehen konnte; sie wird von Plaul jedoch nicht als Quelle angegeben. – Im Übrigen liest Plaul, a. a. o. 1979, S. 31 , den Familiennamen eines Paten von Karl May als »Plauer«, dieser lautet jedoch eindeutig ›Planer‹.
[9] Vgl. Hainer Plaul: Ererbte Imagination · Über drei schriftstellerische Stammverwandte Karl Mays. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1981, Hamburg 1981, S 227–261.
[10] Ende 2000 übersandte Walter Fassmann, Nachfahr einer Schwester Karl Mays, der zu den Mormonen übergetreten ist, dem Karl-May-Museum eine genealogische Sammlung zu Karl Mays Familien- und Vorfahrenkreisen, doch enthält diese weitgehend Geschwisternachkommen der Ahnen und lässt hierbei häufig trotz aufgeführter Geburts- oder Taufdaten die Namen der Eltern der Ehepartner weg. Zudem ist der Wissensstand von Plaul und Streller übernommen worden, während Fassmann selbst anscheinend kaum forschte oder forschen ließ, ganz abgesehen davon, dass sich die Evangelische Kirche Sachsens gegen die Mormonen seit Jahren auf dem Kriegspfad befindet. Hier sind religiöse Gründe die Ursache. Jedem Genealogen ist aber zu empfehlen, selbst in den zuständigen Archivalien nachzusehen und sich nicht auf die zuweilen arg fehlerhaftigen Datensätze der Mormonen – manche, betreffend Ereignisse vor 1700, sind sogar pure Phantasie – zu verlassen!
[11] Bekannte aktuelle Politiker hierbei nicht eingeschlossen.
[12] Im Deutschen Tagebucharchiv in Emmendingen sind bislang etwa 500 Tagebücher vorhanden, die einen Zeitraum von mindestens 150 Jahren umfassen und bislang eine nur punktuelle Auswertungsmöglichkeit darstellen dürften.
[13] Man denke daran, dass zumindest für einen Sachsen zu Lebzeiten Karl Mays schon jeder andere Gliedstaat innerhalb des deutschen Kaiserreiches ›Ausland‹ war! Auch einige andere Begriffe, die Karl May verwendete, haben im Laufe der Jahrzehnte andere Bedeutungen erhalten – man denke zum Beispiel an die von Karl May verwendete Eindeutschung des Wortes Boutique, also ›Budike‹, das nach Friedrich Erdmann Petri, ›Handbuch der Fremdwörter‹, München 1910, Sp. 233, seinerzeit die Bedeutung ›Bude, Kramladen, Gewölbe‹ hatte, eine Definition, die sich die heutigen Inhaber derartiger oft teuerste Ware verkaufenden Läden energischst verbitten würden.
[14] Vgl. Plaul, wie Anm. 7.
[15] Er sandte an die Redaktion einige Korrekturen von Druck- und Sachfehlern, die aber ausschließlich Mays Vita sowie Umfeld betrafen und auch in ›Mitteldeutsche Familienkunde‹ Band IV, S. 127, unter dem Titel : Anmerkungen zum Aufsatz ›Karl May – Familienkreis und Vorfahren‹“ veröffentlicht wurden.
[16] Heute als Abteilung in das Sächsische Staatsarchiv Leipzig eingegliedert, eine für manchen schwer nachvollziehbare oder unbekannte Zuordnung.
[17] Auswertung von über 10.000 dort lagernden Ahnenlisten und ähnlichen Quellen auf weit über 1.000.000 Karteikarten, die teilweise schon Anfang der zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts eingereicht wurden. Kurt Wensch trug mit dazu bei, den Missbrauch dieser ›Ahnenstammkartei des deutschen Volkes‹, kurz ASTAKA, durch interessierte Nazi-Dienststellen zu verhindern. Er brachte 1945 die in Dresden akut gefährdete Ahnenstammkartei mit in Sicherheit, konnte sie nach Kriegsende fast vollständig retten und bewahren. Bis 1967 besorgte er deren Weiterführung selbst; diese Aufgabe übernahm danach die neugegründete ›Deutsche Zentralstelle für Genealogie in der DDR‹ in Leipzig. Kurz nach 1990 wurde die Kartei geschlossen.
[18] Große Teile seines genealogischen Nachlasses befinden sich heute, zum Teil sehr gut erschlossen, in der obengenannten ›Deutschen Zentralstelle für Genealogie‹.
[19] Vorher waren Familienforscher in der alten Bundesrepublik Deutschland ganz überwiegend auf Zeitschriftenveröffentlichungen, Ahnenlisten, älteres Material in genealogischen Sammlungen und auf das Archiv der Arbeitsgemeinschaft für mitteldeutsche Familienforschung (AMF) in Marburg angewiesen, das vor einigen Jahren nach Leipzig transferiert werden konnte, dort einen beträchtlichen Neuzugang an wertvollen Ausarbeitungen und endlich eine gute fachliche Betreuung erfahren hat. In gewissem Umfang konnten zu DDR-Zeiten auch erfahrene dortige Familienforscher, die längst im Rentenalter waren, Archive aufsuchen und nicht ganz problemlos für alle Beteiligten den Anfragenden aus dem Westen Bericht erstatten.
[20] Besonders erwähnt seien hier die in Zwönitz im Erzgebirge laufenden ABM zur Erfassung von Quellen zur Familien- und Ortsgeschichte dieser Stadt und der eingemeindeten Dörfer, initiiert vom Bürgermeister, dem Heimatkundler, Genealogen und Karl-May-Forscher Uwe Schneider.
[21] Als ein Beispiel für viele genannt sei das Gerichtsbuch Amt Stollberg 32 für Oberdorf 1554ff., enthaltend unter anderem die der genealogischen Forschung vorher unbekannt gewesene Herkunft jener Familie Leichsenring, die sich von Bockau aus über einen Großteil des westlichen Erzgebirges verbreitete.
[22] Teils umfangreiche Zuarbeit erfolgte duch Martina Wermes in Leipzig, Christine Espig in Lößnitz, Dr. Rüdiger Berthold in Bad Soden, Jürgen Schiffel in Bannewitz, Hanns Berger in Leipzig, Uwe Schneider in Zwönitz, denen allen an dieser Stelle herzlich gedankt sei. Die Erstgenannte gab mir den entscheidenden Tip betreffs einer Archivalie, bei allen anderen konnte als Ergebnis deren eigener Mithilfe in unterschiedlichen Gegenden Ahnengemeinschaft mit Karl May konstatiert werden.
[23] Die Schreibweise des Familiennamens schwankt in den Archivalien stark: Kretschmar, Kretzschmar, Krätschmar.
[24] Ab 1801 unterlag in Sachsen die Form der Einträge in den Kirchenbüchern festen Regeln. Die Mitteilung, ob Verstorbene Nachkommen hinterließen oder nicht, lag zuvor im Ermessen der Pfarrer.
[25] abgekürzt für: ein Töchterlein.
[26] Die Einschulungsakten des Heinrich August konnten bis heute nicht aufgefunden werden. Der Sterbeeintrag des Christian Friedrich May spricht dagegen, dass Heinrich August als May eingeschult wurde – wobei noch zu klären wäre, wo er zur Schule ging, ob in Hohenstein oder in Ernstthal; das eine Gemeinwesen war seinerzeit schönburgisch-förderglauchauisch, das andere hingegen schönburg-hinterglauchauisch. Man vergesse nicht, dass die schönburgischen Receßherrschaften erst 1878 vollständig in das sächsische Staatswesen eingegliedert wurden. Karl May schreibt zwar, sein Vater habe nie eine Schule besucht, doch sollte das möglichst nicht unüberprüft bleiben. Wer wird noch feststellen können, aus wessen Munde er diese Behauptung hörte? Zu Heinrich Augusts Kinderzeit wurde von Amts wegen bereits sorgfältig darauf geachtet, dass alle Kinder wirklich in eine reguläre Schule gingen, wenn auch der Lehrstoff oft recht dürftig war. (Eventuell meinte Karl May damit, dass seines Vaters Schulbesuch nach den als selbstverständlich betrachteten vier – nach heutigem Begriff – Grundschuljahren endete oder nicht Heinrich Augusts beziehungsweise Karl Mays Anforderungen genügte). Ebenfalls noch unbekannt ist, wer der Lehrherr des Heinrich August war; nachzuforschen wäre, ob diesbezügliche Akten der Weberzünfte für Hohenstein und Ernstthal überhaupt erhalten haben geblieben sind – falls Heinrich August, was wahrscheinlich ist, in einer der beiden Städte lernte.
[27] In den Findbüchern zu den Akten der schönburgischen Herrschaften, die sonst akribisch genau den Inhalt jedes einzelnen derartigen Schreibens in Form eines knappgehaltenen Regests wiedergeben, fehlt jeglicher Hinweis auf die Existenz eines solchen Schreibens.
[28] Vorsichtshalber wäre zu klären, ob 1826 ein anderer, wirklicher und berechtigter Namensträger Heinrich August May in Hohenstein oder Ernstthal lebte.
[29] Vielleicht haben sich auch Akten, betreffend die üblichen der Bürgerschaftserlangung vorangehenden Ereignisse, erhalten, was noch zu überprüfen wäre.
[30] Der Widerspruch zwischen Tauf- und Traueintrag des Heinrich August ist ein zwar seltenes, aber keineswegs einmaliges Vorkommnis. In Lößnitz wurde im Jahre 1780 ein im eingepfarrten Dorf Oberaffalter unehelich geborenes Mädchen getauft, dessen Mutter einen – wie sich durch genealogische Forschung herausstellte – absolut fiktiven Mann aus dem nahen Oberdorf bei Stollberg mit dem Familiennamen Arnold angab. Später heiratete sie einen Witwer mit dem Familiennamen Albrecht. Bei der Heirat des Mädchens wurde es vom Pfarrer, jenem, der sie auch getauft hatte, als erste Tochter zweiter Ehe des Albrecht eingetragen, bei ihrem Tode viele Jahre später trug der seinerzeitige Pfarrer ihren Mädchennamen als Arnold ein.
[31] Nicht ausgeschlossen ist die Möglichkeit, dass Christian Friedrich May nicht mehr zeugungsfähig war und das auch sehr genau wusste. Im für die Zeugung des Heinrich August infrage kommenden Zeitraum melden die lokalen Chroniken übrigens Friedenszeiten, also auch keinerlei Truppendurchmärsche oder Einquartierungen. Christiane Wilhelmine geborene May heiratete übrigens erst 1849, als der Knabe Carl Friedrich May schon zur Schule ging. Wo lebte sie vor ihrer Verheiratung, wenn sie verkrüppelt war und ihre Mutter bei deren Sohn mitwohnte? Karl May erwähnt sie im Gegensatz zu ihrer Mutter nicht als seine Hausgenossin in Kindheitstagen.
[32] Festzustellen wäre, ob Karl Mays Eltern oder Großeltern, vielleicht sogar die Urgroßeltern Testamente hinterlassen haben, die durchaus nicht von diesen persönlich und handschriftlich aufgesetzt sein müssen. Karl Mays Mutter ist ja aufgrund eines ausdrücklich im Gerichtsbuch Hohenstein-Ernstthal Nr. 10 für Ernstthal, Folio 429b ff., anläßlich der Beurkundung ihrer Übernahme des Geburtshauses aufgeführten, aber in diesen Vertrag nicht im Wortlaut aufgenommenen, Testaments als Alleinerbin dessen Besitzerin geworden. Möglicherweise ist dieses Testament in einer der archivierten Sammlungen von Nachlassverfügungen entweder im Sächsischen Hauptstaatsarchiv oder in dessen für die schönburgischen Receßherrschaften zuständigen Außenstelle Chemnitz erhalten geblieben.
[33] Huschke, a. a. O., S. 307, Fußnote 14.
[34] Diese Daten ermittelte teils Hans Zesewitz, teils Karl Streller.
[35] Zwei Schmiede Weißpflog, die vor 1740 nach Ernstthal kamen und dort heirateten, sind Söhne eines Schmiedes in Lößnitz, der dorthin aus Schwarzenberg zugewandert war.
[36] Vielleicht findet sich auch in einer erhalten gebliebenen Zeitung jener Jahre eine Suchanzeige eines Forstmannes für eine Dienstbotin. Ob Karl Mays Großmutter sie entdecken konnte oder nicht, ist zweitrangig; irgendwer gibt immer Zeitungsmeldungen an seinen Bekanntenkreis weiter.
[37] Mitteilung von Herrn Klaus Schröpel, Thalheim, der diese Erkenntnis bei Vorarbeiten zu einer Chronik seiner Heimatstadt erlangte.
[38] Vgl. den Wildhüter Tombi in Rheinswalden im Waldröschen und seinen fünf Jahre alten Schüler Kurt Helmers!
[39] Zum Bekanntenkreis des Schreibers dieser Abhandlung zählt der aus Langenberg bei Hohenstein-Ernstthal stammende Gastronom und früherer Stukkateur Klaus Fleck, der in seiner Kinderzeit Anfang der 1950er Jahre einen Förster auf dessen Dienstgängen begleiten durfte und von ihm in die Schule über die Vorgänge im Walde genommen wurde; leider konnte der Betreffende das Forstwesen nie zu seinem Beruf machen, ist aber noch heute ein exzellenter Kenner des Jahresverlaufs im Walde, seiner Pflanzenwelt sowie der Bewohner desselben und ihres Verhaltens.
[40] In der genannten Quelle fehlen gemeinhin Berufsangaben. Eine aufgeführte Person könnte genausogut Pfarrer oder Tagelöhner, Tuchmacher oder Bauernknecht gewesen sein; das ist der typische Fehler einer Mormonen-Datensammlung, der sich dann als gravierend erweist, wenn im selben Orte mehrere Personen gleichen Namens und im Extremfall gleichen Vornamens der Ehefrau im selben Zeitraum Kinder taufen ließen.
[41] Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 23
[42] Beispielsweise könnte ein solcher Vorgang in den Kirchenbüchern von Langenberg, Langenchursdorf, Lobsdorf oder Wüstenbrand vermerkt sein.
[43] Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 21
[44] Ebenda, S. 21
[45] In Deutschland erfolgt heute der Haupt- oder Realschulabschluss gemeinhin nach dem 10. Schuljahr, noch vor etwa 50 Jahren jedoch nach dem 8. Schuljahr. Ein Lehrantritt als Vierzehnjähriger war durchaus normal.
[46] Überhaupt beweisen die wiedergegebenen Familiensagen, dass Karl May vor der Niederschrift von ›Mein Leben und Streben‹ für diesen Zeitraum keine Einsicht in eventuelle Familienpapiere oder gar Kirchenbücher vornahm. Beschönigende Erzählungen über Herkunft und Leistung von Vorfahren sind allerdings bis heute in vielen Familien gang und gäbe; meist bringt die Beschäftigung mit Genealogie die eher schlichte Wahrheit zutage. Aus der Familie des Schreibers dieser Ausführungen sei ein Beispiel wiedergegeben: Vor Beginn meiner genealogischen Forschungen kursierte über einen Urgroßvater meiner Großmutter väterlicherseits, er sei in Seeligstadt östlich von Dresden Besitzer einer Teichwirtschaft gewesen, also Eigentümer eines Gutes mit Teichen auf dem Grundstück. Die sich herausstellende Wahrheit war etwas profaner, aber doch nicht ganz aus der Luft gegriffen. Er war Häusler in Seeligstadt und – hieß (!) Teich. Mit etwas Augenzwinkern und gutem Willen kann man ihn tatsächlich als Inhaber einer Teichwirtschaft bezeichnen.
[47] Mein Leben und Streben, wie Anm. 1, S. 23
[48] Wenn man ein Märchenbuch in einer Familie weiterreicht, dann wohl nicht gerade an einen kinderlos verheirateten Sohn, sondern an eine mit Nachkommen gesegnete Tochter! Außerdem lebten Mays Eltern im Hause eines ihrer Schwiegersöhne!
[49] Diese Schreibweise ist korrekt und kein Druckfehler!
[50] Die Ergebnisse einer Prüfung der Ahnenliste durch GeneTalogie-Experten (www.genetalogie.de) lagen zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Abhandlung noch nicht vor.
[51] Römische Ziffern in Klammern bezeichnen die Ahnengeneration.
[52] Das macht in dieser Generationentiefe zwar nur einen Bruchteil der tatsächlichen Ahnen aus, doch wächst von Generation zu Generation die Zahl der durch keinerlei Dokumente mehr zu belegenden Vorfahren.
[53] Genealogische Tafel Pollmer im Anschluss an das Nachwort von Hainer Plaul in: Karl May, Mein Leben und Streben, Freiburg 1910, Reprint Hildesheim und New York 1975. – Ausweislich dieser Tafel war die Mutter der Christiane Wilhelmine Ernestine Stegner eine Kyper aus Altenburg. Eine Halbschwester dieser Frau aus erster Ehe des Vaters mit einer Scherf aus Grüna bei Chemnitz heiratete 1824 den Hohensteiner Chirurgus und Geburtshelfer Christoph Günther, der aus Halberstadt stammte. Er starb 1860 und dürfte aufgrund seines Berufes Karl Mays Mutter gekannt haben.
[54] Willy Roch, ›Ahnen des Kurt Arnold Findeisen‹, maschinenschriftliches Manuskript ohne Jahresangabe, Nachlass Willy Roch im Archiv der ›Arbeitsgemeinschaft für Mitteldeutsche Familienforschung‹, Signatur 3247.12
[55] Pikanterweise gehörten die beiden erstgenannen Persönlichkeiten auch zu den Vorfahren des Autors dieses Beitrags.
[56] Nach heutigem Rechtsempfinden entsprechen die Formulierungen ›klagt erstes Gericht‹ und ›klagt zweites Gericht‹ in etwa öffentlichen Klageandrohungen. Erst nach ignorierten zweitem Gericht wurde die Sache offiziell und ›hochnotpeinlich‹. – Bürgermeister und Rat beziehungsweise Ortrichter und Schöppen stellten in Sachsen und den schönburgischen Receßherrschaften auf kommunaler Ebene lange Zeit meist in Personalunion Regierung und niederste Gerichtsbarkeit dar. In Kursachsen wird ab dem 17. Jahrhundert noch neben dem Ortsrichter der Gemeindevorsteher genannt, der also eine weltliche Funktion innehatte. Das Bürgermeisteramt in den Städten wechselte jährlich unter zwei oder drei Gleichrangigen, das Richteramt in den Dörfern war entweder ›walzend‹, ging also von Hof zu Hof, oder eine vom Landesherrn bestimmte Persönlichkeit aus dem Orte amtierte jahrelang. In vielen Gemeinden war das Richteramt, allerdings vorzeiten von einer vermögenden Familie teuer erkauft, erblich, und oft mit dem Betrieb des Dorfgasthofes verbunden.
[57] Begriff konnte bis dato nicht geklärt werden.
[58] Gotthelf Friedrich Oesfeld, ›Historische Beschreibung einiger merkwürdigen Städte im Erzgebirge Insonderheit der Hochgräfl. Schönburgl. freyen Bergstadt Lößnitz im Erzgebürge mit ihren umliegenden Gegenden‹, I. Theil, Halle 1776, S. ›32‹ff. (Die Zahl 32 ist ein Druckfehler und meint: 82.)
[59] Tobias Möller war laut Oesfeld Mathematicus und Calendermacher in Crimmitschau und stritt sich mit Rivander betreffs der Methodik der Bekehrung von Juden zum Christentum.
[60] Johann Georg Bäumler war ›nur‹ Ölmüller, vielleicht nicht einmal selbständig.
[61] Die ältesten, also vor 1498 angelegten Dokumente, befinden sich allerdings als Depositum der Stadt Lößnitz im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden.
[62] Öfters auch ›Nickel Flock‹ geschrieben; der Nachname mutierte in späteren Generationen zu ›Pflug‹.