Nachdem Karl May sich endgültig von der Arbeit für den Verlag H. G.
Münchmeyer gelöst hatte, sein letzter Kolportageroman ›Der Weg zum Glück‹
vollständig erschienen war, übersiedelten Karl und Emma May am 1. Oktober
1888 ins Gebiet der heutigen Stadt Radebeul. Am 12. Oktober trägt er sich
in das Einwohnermelderegister als »Dr. phil. Karl May, Schriftsteller«
ein. Eine Villa schien ihm als Statussymbol angemessen. In ›Ein
Schundverlag‹ (1905) berichtet er:
»Ich verliess Dresden nun für ganz und zog nach der Lössnitz, in den entlegendsten Ort derselben, nach Kötzschenbroda, wo ich eine ganze Villa mietete, um der einzige Herr meiner Haustüre zu sein.«
Gemeint ist die ›Villa
Idylle‹ in der heutigen Wilhelm-Eichler-Straße 8, damals Schützenstraße 6
(ab 1889 Nr. 8). Die Jahresmiete betrug 800 Mark. Es war eine ruhige
Gegend, wodurch Karl May zur Bezeichnung ›Idylle‹ angeregt wurde.
Vermutlich hat der Name nie am Haus gestanden, er fand aber Eingang in
behördliche Schriftstücke. Eigentümerin war die in Dresden ansässige
Freifrau Alma von Wagner. Am 1. Januar 1890 konnte Karl May trotz seines
Schreibfleißes (1889 verfasste er ca. 3770 Manuskriptseiten) nicht den im
voraus fälligen Quartalsmietzins von 200 Mark begleichen. Er hatte seine
Einnahmen offensichtlich falsch kalkuliert. Die Hauseigentümerin klagte
deshalb vor dem Königlichen Amtsgericht Dresden. Die Schuld erhöhte sich
um 22,10 Mark zuzüglich 5 Prozent Zinsen auf den rückständigen Betrag. Das
Ehepaar May musste schließlich die Villenidylle wieder aufgeben und im
Frühjahr 1890 mit einer bescheideneren Mietwohnung vertauschen.
In der ›Villa Idylle‹ entstanden ›Kong-Kheou, das Ehrenwort‹ (›Der
blau-rote Methusalem‹), ›Die Sklavenkarawane‹, ›Im Mistake-Cannon‹,
›Sklavenrache‹ und ›Lopez Jordan‹ (die ersten Kapitel von ›Am Rio de la
Plata‹). Etwa 300 Meter von Mays Wohnsitz entfernt lebte in der
Gartenstraße 6 (heute Hermann-Ilgen-Straße 21) die Schriftstellerin Bertha
Behrens (1848–1912), die unter dem Pseudonym Wilhelmine Heimburg für die
›Gartenlaube‹ schrieb.
Der vorliegende Beitrag aus dem Buch ›Reisen zu Karl May‹ wurde nach
dem Tod von Dr. Christian Heermann (1936–2017) von Ralf Harder ergänzt
und aktualisiert.
Literaturhinweise
Christian Heermann: Nachbarschaftsgeheimnisse in der Lößnitz. Rätsel um May, Heimburg und Cotta (Internetfassung). Erschienen in: Der Beobachter an der Elbe, Nr. 24, Radebeul 2015.
Christian Heermann: Winnetous Blutsbruder. Karl-May-Biografie, Bamberg/Radebeul 2002.
Dieter Sudhoff / Hans-Dieter Steinmetz: Karl-May-Chronik I, Bamberg/Radebeul 2005.
Hans-Dieter Steinmetz: Karl Mays Wohnsitze in der Lößnitz. Architekturzeichnungen ersetzen fehlende historische Fotos. In: Karl-May-Haus Information, Nr. 20, Hohenstein-Ernstthal 2007.
René Grießbach: Auf Karl Mays Spuren in Radebeul. In: Der Beobachter an der Elbe, Nr. 29, Radebeul 2017.
Hans Wollschläger / Hermann Wiedenroth: ›Editorischer Bericht‹ (HKA) zu ›In den Cordilleren‹, Nördlingen 1988.