Lieferung 56

Karl May

20. August 1887

Der Weg zum Glück.

Vom Verfasser des »Waldröschen«, »Verlorner Sohn«, »Deutsche Helden« etc.


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das ist nicht möglich, ganz und gar unmöglich. Dieser Gedanke ist so gräßlich, daß ihn gar kein Menschenkind haben kann!«

Er dachte weiter nach, ohne Etwas zu finden, woraus irgend eine Klarheit zu schöpfen sei. Sollte er sie jetzt sofort anzeigen und arretiren lassen? Nein, denn es stand in diesem Falle fest, daß sie Alles leugnen würden. Und dann konnte ihnen nichts geschehen.

Nein, er mußte schweigen und sie genau beobachten. Er mußte warten, bis Grund vorhanden war, sich ihrer zu bemächtigen. Das war freilich gefährlich. Sie konnten dabei Zeit finden, ihr Verbrechen auszuführen.

Aber da dachte er daran, daß sie sich heut Abend ja im Heustadel besprechen wollten. Wenn es ihm da gelang, sie abermals zu belauschen, so lernte er wohl besser als jetzt ihre Absichten kennen und konnte darnach handeln. Er beschloß also, jetzt noch zu schweigen und sich am Abende zeitig in's Heu zu legen, noch bevor sie es thaten.

»Und das, was ich immer denkt hab, ist also auch richtig. Dera Kerybauern ist ein Hauptschmugglern, und die beiden Osecs sind seine Kameraden. Darum soll die Gisela den Jungen heirathen. Nun, da werd ich wohl meine beiden Händen dazwischen halten. So ein Kerlen soll mein Dirndl nicht unglücklich machen. Wann ich sie auch nicht bekomm, so soll sie doch Einer erhalten, der kein Verbrechern ist und den sie gut leiden mag.«

In diesem Sinnen langte er beim Wirthshause an. Der Tanz hatte noch nicht begonnen, doch waren schon viele Burschen und Mädchen versammelt. Diejenigen, welche für dieses Vergnügen unentbehrlich waren, nämlich die Musikanten, saßen unter dem Baume, welcher vor dem Hause stand, und Ludwigs Mutter hatte bei ihnen Platz genommen.

Die Capelle bestand aus nur drei Personen, welche ihre Instrumente bei sich hatten - einen Violonbaß, eine verbogene und verknillte Posaune und eine alte B-Klarinette. Diese drei Künstler waren in mehreren Beziehungen hochinteressant. Zunächst wegen ihrer fast gleichlautenden Namen. Sie hießen nämlich Menzel, Wenzel und Frenzel. Darum wurde die Capelle kurz und treffend die »Wenzelei« genannt.

Die Drei waren keineswegs Musiker vom Fache. Der Rumpelfrenzel, welcher so genannt wurde, weil er den Violonbaß »rumpelte«, hatte sein Instrument von einem selig verschiedenen Vetter geerbt. Er war der Schneider des Ortes und verbrachte einen Theil seiner freien Stunden damit, seinem Basse ein Zahnschmerzen erregendes Grunzen und Stöhnen zu entlocken. Er war sehr lang, sehr dürr, trug eine schauderhafte falsche Haartour auf dem schmalen Schädel, einen blauen Sonntagsfrack mit blanken Knöpfen auf dem Leibe und einen kupferrothen Hautüberzug auf der langen Nase.

Der Posaunenwenzel war Schuster. Er hatte einem in der Stadt wohnenden Musikus lange Jahre hindurch die Stiefel geflickt, selten aber seine Bezahlung erhalten. Endlich hatte er die Geduld verloren und seinen Schuldner verklagt. Nachdem er den Proceß gewonnen und es bis zur Pfändung getrieben hatte, war von dem säumigen Musikus nichts zu bekommen gewesen


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als die unglückliche Posaune. Da sie ihrer Unbrauchbarkeit wegen keinen Käufer fand, so hatte sich der Schusterwenzel vor lauter Wuth darauf gelegt, sie nun selbst zu blasen. Er verstand es, ihr die unglaublichsten Töne zu entlocken, Töne, welche zwischen dem Quiken eines Ferkels und dem Brüllen eines wüthenden Ochsen hin und her fuhren, ohne auf einem festen Ton haften zu bleiben. Der Posaunenwenzel war von stark knochiger, untersetzter Gestalt. Die Haare standen ihm stets zu Berge; sein kleiner Schnurrbart sträubte sich ohne Unterlaß, und was er in seinem Geschäfte des Wochentags an Pech übrig behielt, das pflegte ihm des Sonntags an den Händen und im Gesicht zu kleben.

Der Dritte im schönen Bunde, nämlich der Clarinettenmenzel, spielte den Musikdirector. Er war von Geburt und Herzensliebe ein echter Bayer und sprach, obgleich er bereits seit langen Jahren hier in dem böhmischen Dorfe als Hufschmied wohnte und lebte, heut immer noch seine vaterländische Mundart. Er hatte ein rothes, dickes Gesicht, war überhaupt sehr behäbig und beleibt und ging grundsätzlich nur in bayrischer Gebirgstracht - Bergschuhe, Wadenstrümpfen, Lodenjoppe, Gurt und einen Hut mit Spielhahnfeder, obgleich er während seines ganzen Lebens keine Henne, viel weniger einen Hahn sich auf das Gewissen geladen hatte.

Sein Mund hatte eine eigenthümliche Lage angenommen. Er war nämlich stets zugespitzt, mit aufgeblasener, vorgeschobener, runder Oberlippe. Das sah sehr possierlich aus, hatte aber einen guten Grund, und dieser Grund war die Clarinette.

Eines schönen Tages nämlich, kurz nachdem er hier in's Dorf gezogen und sich die Schmiede nebst einem kleinen Aeckerlein gekauft hatte, war ein alter Mann, welcher mit altem Eisen handelte, zu ihm gekommen und hatte ihm einen Sack voll dieser Waare zu einem wahren Schundpreise angeboten. Der Schmiedemenzel hatte das alte Eisen gekauft und dann unter demselben die Clarinette gefunden.

Das liebe Instrument hatte freilich nur aus den hölzernen Theilen bestanden. Die messingenen Klappen hatten sich aus dem Staube gemacht; die Löcher waren verstopft und am Schnabel fehlte das Rohrblatt, ohne welches selbst die beste Clarinette kein menschliches Herz zu rühren vermag. Das hatte den guten Menzel tief erbarmt. Er hatte beschlossen, sich des verwaisten Instrumentes als Pflegevater anzunehmen, und begann dann, die Blößen desselben zu bedecken. Er schmiedete und feilte sich selbst neue Klappen zurecht und nagelte sie an Ort und Stelle fest. Sodann bohrte er die verstopften Löcher wieder aus, freilich mit einem Bohrer, welcher viel zu stark war, und endlich brach er, da er keines Rohrblattes habhaft werden konnte, sich ein Stück von einer hölzernen Streichholzschachtel ab und band es mit starkem Eisendrahte auf den Schnabel fest.

So war das große Werk gelungen. Er kam sich vor wie ein berühmter Instrumentenbauer und rief das ganze Dorf zur ersten Musikprobe zusammen. Diese hatte, aufrichtig gestanden, einen ganz außerordentlichen Erfolg. Als er zum ersten Male oben hineinbließ, heulte und jammerte es unten heraus wie


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von tausend Gespenstern, und die sämmtlichen Löcher winzelten und fibten so, daß er sie sofort mit allen zehn Fingern zustopfte, denn mit seinen neuen Klappen konnte er sie nicht verschließen, da er die Gelenke derselben auch mit festgenagelt hatte.

Aber sein musikalisches Genie setzte sich über solche Nebensachen leicht hinweg. Er blies und blies, bis sein Mund für immer und ewig, selbst des Nachts im Schlafe, die Gestalt des Clarinettenschnabels annahm. Wenn auch jedes Loch der Clarinette in einer anderen Tonart stand, und wenn er auch monatlich für den Schnabel mehr Streichhölzerschachteln brauchte, als er in einem Jahre Streichhölzer verbrennen konnte, er blies eben weiter und brachte es zu einer solchen Virtuosität, daß er zuletzt beim Blasen die Augen gar nicht mehr aufmachte.

Sogar Noten hatte er sich gekauft und sie einstudirt. Eines schönen Tages aber hatte ihm der Herr Lehrer mitgetheilt, daß es Orgelnoten seien, die nur mit zwei Händen und zwei Füßen gespielt werden können. Seit jener Stunde hatte er nie wieder ein Wort mit dem Lehrer gesprochen, und nur des Nachts, wenn Alles schlief, blies er noch diese Orgelfugen, bis ihn seine zornige Frau beim Wickel nahm und in's Bett schleuderte. Die Clarinette kam dann stets unter das Kopfkissen zu liegen; sie konnte gut ruhen, da nun die Frau Schmiedemeisterin aus ihrem natürlichen Schnabel zu schimpfen begann.

Diese drei Musikliebhaber hatten sich selbstverständlich sehr bald zusammengefunden. Sie begannen heimlich zu üben, draußen im Walde oder in einer abseits gelegenen Scheune oder in einem fernen Steinbruche. Es klappte besser und immer besser. Zuletzt hatten sie eine solche Uebung erlangt, daß, wenn der Eine begann, fingen die andern Beiden auch mit an. Und wenn Einer endlich aufhörte, weil er müde wurde, so brauchten die andern Beiden höchstens nur noch zehn bis zwölf Fußtritte, die sie Tacte nannten, und hörten nachhero auch mit auf. Mehr konnte doch nicht verlangt werden.

Schließlich wurde sogar ein so meisterhaftes Zusammenspiel erreicht, daß sie den Walzer ganz richtig im Sechsachtel- und den Galopp im Zweivierteltacte nudelten. Und nun traten sie zum ersten Male öffentlich auf. Der Erfolg war gradezu und wörtlich ein durchschlagender.

War es ein Wunder, daß man sie nach und nach immer mehr schätzen lernte? Endlich kam es sogar so weit, daß, wenn keine auswärtigen Musikanten zu erlangen waren, die drei Künstler gebeten wurden, dem Alter und der Jugend zum Tanze aufzuspielen. Sie thaten es mit stolzem Herzen und steckten voller Genugthuung die Kupferkreuzer ein, welche sie nun ernteten.

Aber nun, da sie ein festgeschlossenes Musikcorps bildeten, stellte sich die Nothwendigkeit ein, unter sich einen Director zu wählen. Jeder von den Dreien wollte den Ehrentitel für sich erwerben, und ein Jeder brachte seine guten Gründe vor. Gut waren sie alle, diese Gründe, aber diejenigen des Schmiedemenzel waren doch die besten, wie auch die ganze Gemeinde einstimmig anerkannte. Er hatte sich nämlich sein Instrument selbst reparirt, und er hatte, wie nun auch der Herr Lehrer bezeugte und mit hundert Eiden beschwören wollte,


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Orgelnoten achtstimmig auf der Clarinette geblasen. Das war maßgebend. Der Clarinettenmenzel wurde Concertmeister und Musikdirector. Die beiden Andern fügten sich. Nur machte der Schuster zur Bedingung, daß das vereinte Corps nach seinem wohlbekannten Namen die Wenzelei genannt werden müsse, und der Schneider bedang sich aus, daß er, während er den Baß strich, sich niemals zu setzen brauche.

»Denn,« sagte er, »ein wahrer Künstler muß stramm am Basse stehen.«

Heut nun sollte getanzt werden. Alle bekannten Musici der Umgegend waren aber vergriffen, und so hatte sich gestern am Abende eine Deputation der Jungburschen zum Herrn Musikdirector begeben, um ihn zu veranlassen, mit seinem Corps zu erscheinen. Er hatte zugesagt, war aber nicht gar zu eilig eingetroffen, denn er hatte einmal gehört, daß es vornehm sei, spät zu erscheinen.

Aus diesem angegebenen Grunde waren die drei Virtuosen nicht direct nach dem Saale gegangen. Sie hatten sich zunächst unter dem Baume niedergelassen, um sich an einem Biere zu stärken.

Indessen blickten die Burschen und Mädchen voller Sehnsucht durch die Fenster herab. Sie hätten die Musikanten sehr gern gerufen; aber das ließen sie wohlweißlich bleiben, denn der Schmied konnte es nicht leiden. Er pflegte anzufangen und aufzuhören, wenn es ihm paßte. War man damit nicht zufrieden, so ging er einfach nach Hause, und keine Gewalt der Erde hätte vermocht, ihn zurückzurufen. Dann hatte es natürlich auch mit dem Tanz ein Ende.

Als Ludwig jetzt näher kam und die »Wenzelei« erblickte, zuckte ihm ein guter Gedanke durch den Kopf. Der Musikdirector hielt große Stücke auf ihn, da sie ja Landsleute waren. Das bewies er auch jetzt wieder, denn er rief ihm bereits von Weitem zu:

»Na, Ludwig, wo bleibst denn so lange? Deine Muttern hats uns sagt, daßt kommen willst, und da hab ich nicht ehern beginnen wollt, bist da bist. Dich hab ich ja noch niemals tanzen sehen, und meinem Landsmann muß ich doch einen gar Feinen vormuseriziren.«

»So? Was denn für einen?«

»Einen Walzern aus B-Duren, mit sechzig Trillern und Schnörkeln, wiet noch nimmer einen hört hast.«

»Wissens denn die beiden Andern auch schon bereits?«

»Sie haben ihn noch nicht hört, aber das thut nix bei so einispielten Truppen, wie wir halt sind. Sie mögen ihre zwei Tonarten machen, ich find schon auch noch die meinige dazu. Die Hauptsach ist und bleibt doch stets, daß wir zusammen anfangen und auch zusammen aufhören. Das Andere ist nur Nebensach und wird von dera richtigen Disciplinen recht bald funden. Ein richtiger Capellmeistern und Musikdirectoren weiß schon, sich zurecht zu finden, wann auch einer seiner Musicum ein paar Pausen zu viel oder zu wenig blasen thut.«

Dieser letztere Ausdruck schien den Posaunenwenzel zu beleidigen. Er


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mußte ja gemeint sein, da sein anderer College, der Rumpelfrenzel, ja nicht blies, sondern den Baß strich. Er sagte daher:

»Bitte sehr schön, Herr Musikdirector! Ich blase niemals zu viel. Mich kennt die ganze Gemeinde als einen schenerösen Künstler. Ich gebe stets einige Tacte zu, manchmal sogar eine ganze Klause.«

»Ja,« stimmte der Schmied bei, um ihn zu beruhigen, »das weiß ich halt recht gut. Und Dich hab ich auch gar nicht meint. Ich hab nur sagen wollt, daß keiner von uns jemals irre zu machen ist.«

»Ja,« nickte der lange Schneider, »das ist sehr wahr. Wir sind nicht aus dem Concept zu bringen. Nicht einmal ich, obgleich ich das schwerste Instrument hab.«

»Du?« fragte der Schuster.

»Freilich ja.«

»Wieso denn?«

»Ich hab ja vier verschiedene Saiten zu streichen, Du aber hast nur eine Posaune. Ich hab ferner mit der rechten Hand zu sägen und mit der linken zu greifen. Das macht die Sache schwierig. Habe ich nicht Recht, Herr Director?«

»Recht hat nur Derjenige, welcher sagt, daß ein jedes Instrument seine eigenen und sonderlichen Schwierigkeiten besitzt,« entschied der Schmied. »Du streichst und greifst mit den Händen. Wir aber brauchen alle Finger und außerdem auch noch das ganze Maul dazu. Du hast keinen Athem nöthig, wir Beide aber müssen blasen wie mein Schmiedebalg. Ueber solche Sachen wollen wir uns nicht entzweien. Wir sind Collegen, und ein jeder muß die Vorzügen und Meisterschaften anerkennen. Trinken wir lieber in Frieden noch ein Bier. Du aberst, Ludwig, setz Dich mit her zu uns. Wir haben bereits Deine Muttern zu uns einiladen, und weilst mein Landsmann bist, sollst grad da neben mir sitzen.«

"Ludwig, setz Dich mit her."

»Ich denk, Ihr habt keine Zeit mehr, weil dera Tanz beginnen muß?«

»Was? Keine Zeit mehr? Wer will einen Musikdirectorn zwingen, anzufangen? Den möcht ich sehen, der das wagt. Setz Dich nur nieder. Wir haben noch gar viel Zeit.«

Da antwortete Ludwig höflich:

»Das soll mir eine sehr große Ehre und Reputationen sein, wanns die Herren von dera Wenzelei derlauben.«

Diese Schmeichelei gefiel den drei Künstlern gar wohl. Der Schneider Frenzel nahm seine Mütze so schnell ab, daß er sich die Perrücke mit vom Schädel riß. Der Schuster Wenzel lachte aus allen Zahnlücken heraus und antwortete:

»Servus, Salvus, Malvus!«

Er sprach nämlich gern in Ausdrücken, welche mit »us« endigen, weil Musicus ganz dieselbe Endung hat. Auch der Herr Director lächelte wohlgefällig und meinte:

»Da merkt mans doch gleich, wer als Unteroffizier bei dem bayrischen


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Militär standen hat. Dort wird Einem die Nasen geputzt, daß man sehr bald die richtigen Höflichkeiten lernt.«

»Bist Du auch Soldat gewesen?« fragte ihn der Schuster.

»Nein. Als ich das richtige Alter hatte und untersucht worden bin, da haben die Herren mir auf die Achsel klopft und sagt, daß ich ein sehr tapferer Soldat werden thät und vielleicht gar ein Offizieren. Aberst weil sie es meinem Maul gleich ansehen haben, daß ich ein tüchtiger Künstlern werden könnt und sogar ein Meister auf dera Clarinetten, so habens halt mein Glück und Schenie nicht stören wollt und mich wieder heimgehen lassen. Da bin ich Schmied blieben und hab bald nachhero lernt, die richtigen Klappen auf die Clarinettenlöchern machen. Bist nicht auch irgendwo musikalisch, Ludwig?«

»Habs noch nicht versucht.«

»So bists auch nicht. Wer zu dera edlen Kunst geboren ist, der versuchts auch bald. Dera Instinct treibt ihn so lange, bis er sich zum Beispiel eine Clarinetten im alten Eisen kauft.«

»Oder eine Posaune auspfändet,« stimmte der Schuster bei.

»Oder einen Violonbaß erbt,« meinte der Schneider. »Ein jedes Talent drückt sich seiner Zeit einmal durch, wenns nicht vielleicht stecken bleibt. Aber wer kommt dort? Ist das nicht der Kerybauer mit den Seinigen?«

Der Genannte kam vom Dorfe her. Mit ihm kamen seine Frau, seine Tochter und seine beiden Gäste.

»Holla,« meinte der Schmied, indem er eine finstre Miene zog, »die Osecs sind auch dabei. Da wirds halt nicht viel Freud für uns geben.«

»Warum nicht?« fragte Ludwig.

»Weil diese Kerlen so protzend und aufbegehrend sind. Das mag ich nicht dulden. Ein Musikdirectoren muß auf Ehr halten. Wanns etwan heut wiederum auf ihren Geldsack pochen, so kommens bei mir gleich an den Unrechten. Paßt mal auf!«

Er hatte ganz richtig geahnt. Als die Genannten herangekommen waren, blieb der junge Osec, um groß zu thun, am Tisch stehen und sagte:

»Da sitzt ja bereits der Ludwig! Höre, Du bist ein armer Teufel. Was Du trinkst, das bezahl ich. Kannst Dir einen guten Tag machen.«

»Dank schön!« antwortete der Knecht. »Ich hab bereits zu trinken. Aberst was Du Dir einischenken lässest, das kannst von denen Silberstückerln zahlen, die ich Dir vorhin wiederschenkt hab.«

»Thu nicht groß,« nahm da der alte Osec das Wort. »Für einen Dienstknecht ziemt es sich nicht, aufzuschneiden. Wir aber sind reich und können zahlen. Warum sitzt Ihr noch hier, Ihr Musikanten? Ihr gehört hinauf in den Saal. Hier wird keine Faulheit geduldet. Fangt an!«

Da blickte der Schmied ihn von oben bis unten an und antwortete:

»Was wird hier nicht duldet? Faulheit? Und wer wills nicht dulden? Du etwan? Wer bist denn eigentlich? Ich aberst bin dera Herr Musikdirector!«

»Ja, der Director von der Lausewenzelei!« lachte Osec.


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Aber in demselben Augenblicke stand der Schmied vor ihm, faßte ihn mit seinen gewaltigen Händen an der Brust, hob ihn empor, setzte ihn dann wie ein Kind auf den Erdboden nieder und sagte:

»Das soll einstweilen meine Antwort sein. Wannst noch ein Wort weiter sagst, setz ich Dich hinauf auf dem Baum, Du Lausbub Du! Lern erst mal die Clarinetten blasen, Du unnützer Bauerslump. Jetzt werd ich mein Musikantencorps von Dir schimpfiren lassen. Mach Dich von dannen mit Deinem jungen Starmatz, der da steht und das Maul aufsperrt, als ob die Maccaroninudeln achtundzwanzig Ellen lang wären. Ihr seid mir die Richtigen.«

»Aber, Schmied! Was fällt Dir ein,« rief der Kerybauer. »Wie kannst Du meinen Gast da in den Dreck setzen!«

»Was sagst Du zu mir? Was soll ich sein? Schmied soll ich sein?«

»Natürlich!«

»So? Siehst etwan hier meine Clarinetten nicht? Bist wohl blind worden?«

Während er diese Fragen in zornigem Tone ausrief, hielt er dem Bauer die Clarinette dicht unter die Nase. Dieser fuhr zurück und antwortete fast erschrocken:

»Natürlich sehe ich die Clarinette.«

»Nun, so mußt auch wissen, daß ich an diesem Augenblick nicht dera Schmied bin, sondern dera Musikdirectorn. Ich will meine Ehre haben für mich und meine musikalische Capellen, und wer sie mir nicht giebt, dem sollen sogleich hunderttausendmillionen Teufeln in die Strümpfen fahren!«

Er trat bei diesen Worten drohend auf Kery zu. Dieser wich vorsichtig zurück, denn bei einer Rauferei hätte er gegen den Schmied unbedingt den Kürzern gezogen, und antwortete in beruhigendem Tone:

»Na, na, nur nicht gleich so hitzig! Du hast keinen Lump vor Dir!«

»Du auch nicht. Ich hab einen Bauer vor mir, Du aberst einen Clarinettisten. Kartoffeln kann ich auch pflanzen, Du aber, wannst Clarinetten lernt hast, so blas sie doch mal! Hier ist sie.«

Er hielt ihm das Instrument abermals entgegen.

»Das kann ich freilich nicht,« gestand Kery halb verlegen und halb belustigt.

»Nun, so thu auch nicht so dick, und verlang nicht von uns, daß wir Euch gehorchen sollen!«

»Aber wenn wir Euch bezahlen, so müßt Ihr doch auch blasen!«

»Wer hat Dir sagt, daß wir von Dir Geld haben wollen. Laß Dir vom Wind was vorblasen. Da kannst auch tanzen. Wir machen Musik, wanns uns gefällig ist. Für diese beiden Osecs aberst nun grad gar nicht. Die sind nicht mal von hier. Die zählen hier nix; die sind Luft vor unsern Augen!«

»Sie sind meine Gäste. Beleidige sie mir nicht!«

»Was willst machen, wann ichs dennoch thu! Meinst, weilst der reiche Kerybauern bist, so kannst das ganze Dorf in den Sack stecken? Da bist falsch


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berichtet. Reiche Bauern giebts genug allüberall. Aberst sag doch mal Deinen gescheidten Gästen, sie sollen jetzt mal da die Wenzelposaune blasen oder den Wenzelviolen spielen. Hebt Euch nur schnell hinweg, sonst lauft mir die Gallen noch mehr über, und nachhero kommen andre brave Leutln schlecht weg, denn wanns mir einfallt, so mach ich nun heut gar keine Musik!«

Da ergriff die Kerybäuerin ihren Mann beim Arme, zog ihn fort und bat:

»Komm! Mach keinen weitern Streit, sonst kann nicht getanzt werden!«

Die Worte verfehlten die beabsichtigte Wirkung nicht, obgleich der Bauer sonst einer solchen Bitte niemals zugänglich war. Er ließ sich fortziehen, konnte es aber nicht über's Herz bringen, ganz zu schweigen, vielmehr gab er noch einen kleinen Hieb zurück:

»Ja, ich gehe; aber lange warte ich auf die Musik nicht. Ich habs nicht nöthig.«

Der Schmied aber rief ihm zornig nach:

»Thu nicht so groß! Vielleicht kommt auch noch mal die Zeit, in welcher Du recht gern wartest, weils nöthig hast!«

Osec, der Vater, war still wieder vom Boden aufgestanden und hatte kein Wort gesagt. Er hatte wohl geglaubt, daß dies dem Schmied gegenüber das Beste sei. Der Kerybauer verschwand mit den Seinen in der Thür des Gasthauses. Er war nicht beliebt, dafür aber gefürchtet im Dorfe. Jetzt nun, da er es nicht hören konnte, wurde oben im Saale, von wo aus man den Vorgang mit angesehen hatte, ein Fenster geöffnet, und einer der Burschen rief herab:

»Bravo, Herr Musikdirector! So war es recht! Wenn sich die Osecs etwa auch hier oben vornehm aufspielen wollen, geigen wir ihnen zur Treppe hinab. Bravo!«

»Schaut, die Jungens habens also sehen,« lachte der Schmied. »Ja, fein bin ich nicht, aberst grob kann ich werden, wann man mich auch grob behandelt. Uebrigens hab ichs denen Osecs schon längst zugedacht. Wann ich denen mal einen Streich spielen könnt, so sollt michs von ganzem Herzen freuen.«

»Ist das Dein Ernst, Landsmann?« fragte da Ludwig. »Kannsts gern glauben.«

»Nun, die Gelegenheit dazu kannst bereits heut schon haben.«

»Wirklich? Die sollt mir gar sehr willkommen sein. Sie haben grad heut ein Gesicht macht, als obs das große Loos gewonnen hätten.«

»Das haben sie auch. Du hasts derrathen. Wenigstens wanns auf den Kery ankommt, so erhalten sie den Gewinnst.«

»Wie meinst denn das?«

»Der große Gewinn ist die Gisela.«

»Was? Die Gisela? Die will wohl gar der junge Osec denen hiesigen Burschen wegschnappen?«

»Ja.«

»Da soll ihm doch gleich ein Donnerwettern auf den Ambos blitzen!


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Der und die Gisela! Das thät ja das größte Unglück für das arme Dirndl geben!«

»Das weiß sie gar wohl; darum sträubt sie sich dagegen. Auch ihre Muttern will nix davon wissen; aber der Vatern thut sie zwingen.«

»Schau, ist das so! Oho! Giebts denn hier im Ort Keinen, den sie haben mag? Der sollt sie bekommen, wenn ich was dazu thun könnt!«

»Wenigstens könntst mit wirken, daß dera Osec sie nicht bekommt.«

»So? Wie müßt ich das anfangen?«

»Weißt, sie soll mit ihm tanzen, aberst sie mag nicht.«

»Das kann ich ihr nicht verdenken.«

»Ihr seid drei Künstlern, und Du bist dazu außerdem gar noch auch mein Landsmann. Ihr habt eine Ehr im Leibe, und ich weiß, was ich Euch anvertrau, das werdet Ihr nicht wieder ausplaudern. Nicht?«

Da schlug der Schmied auf den Tisch, daß Alles krachte und rief:

»Ja, Recht hast. Künstler plaudern niemals nix aus. Uns kannst Alles sagen. Ists ein Geheimnissen?«

»Ja. Ihr sollt meine Verbündeten und Wohlthätern sein.«

Da erhob der Schneider die Hand wie zum Schwure und betheuerte:

»Bei meiner Baßgeige, ich rede kein Wort aus!«

Und der Schuster stimmte bei.

»Meine Posaune soll verstummen für immer, wenn ich plaudere!«

»Hasts hört?« sagte der Schmied. »Ja, wir sind drei Kerlen, auf die man einen Verlaß haben kann. Also nun kannst reden.«

»Gut! Die Gisela will nicht mit dem Osec tanzen. Sie hat mir gesagt, ich soll stets in ihrer Nähe sein, und wenn er sie engagiren will, so soll ich stets schneller kommen und sie ihm vor dera Nasen wegnehmen.«

Da beugte seine Mutter sich von ihrem Sitze aus weit zu ihm herüber und fragte im Tone freudiger Verwunderung:

»Ists wahr, Ludwig?«

»Ja. Könnt ichs etwan sagen, wanns eine Lügen wär?«

»Nein. Wann hat sie Dirs sagt?«

»Vorhin im Garten.«

»Du lieber Herrgott, so hat - hat - hat -«

Sie hielt inne, indem sie einen zurückhaltenden Blick auf die drei Musikanten warf. Der Herr Musikdirector bemerkte denselben und sagte darum ärgerlich:

»Hat - hat - - hat - - nun, was hat sie denn? Meinst etwan, daßts wegen uns nicht sagen darfst? Ludwig, ich weiß, was sie hat.«

»Nun, was denn?«

»Lieb hat sie Dich.«

Der Bursche erröthete und schüttelte den Kopf.

»Nein,« sagte er, »das bild ich mir nicht ein. Daran ist gar nicht zu denken. Aber sie weiß, daß ich gar viel auf sie halte, und darum hat sie sich unter meinen Schutz begeben.«


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»Ein Dummkopfen bist und ein Esel, ein gar gewaltiger! Wann ein Dirndl zu einem Burschen sagt, daß er nur immer mit ihr tanzen soll, weil sie mit ihrem Bräutigam nicht tanzen mag, so hat sie ihn lieb. Das ist die deutlichste Liebeserklärung, die Einem gemacht werden kann.«

»Da wirst Dich wohl irren.«

»Ich, mich irren? Oho! In denen Dirndln irr ich mich niemals. Damals, als ich die Meinige kennen lernt habt, da hab ich ihr ein Busserl geben wollt. Sie aberst hat sich wehrt und mir eine Maulschellen einilangt, daß mir das Feuer aus denen Augen sprungen ist. Da hab ich sofort wußt, daß sie in mich ganz weg ist. Und nun geh hin zu ihr und frag sie mal, ob sie nicht meine Frauen worden ist! Nein, in diesen Sachen bin ich oh fäh, wie wir Künstlern sagen. Die Gisela hat Dich lieb, und das gefreut mich von ganzem Herzen. Du bist mein Landsmann und ein braver Kerlen. Und wann ich Dich unterstützen kann, so solls gar gern geschehen.«

»Das kannst; wannst willst, Du und Deine beiden Herren Collegen hier.«

»Es geschieht; darauf kannst Dich verlassen. Oder willst etwan nicht, Herr Frenzel?«

Er pflegte, wenn es sich um Collegenschaft handelte, die Beiden stets Herr anzureden.

»Natürlich will ich,« antwortete der Schneider.

»Und Du, Herr Wenzel?«

»Ich thu ihm auch Alles zu liebe,« meldete der Schuster. »Er läßt ja bei mir arbeiten. Noch in voriger Woch hab ich ihm eine neue Strupp an seinen Stiefel machen müssen. So werd ich ihm doch wohl hier beistehen!«

»Hasts hört, Ludwig, hasts hört? Die ganze Wenzelei steht auf Deiner Seiten. Nun sag uns also, was wir thun können!«

»Es ist fast schwer.«

»Pah! Was Leichts zu thun, das ist keine große Ehr. Heraus damit!«

»Nun, es ist doch nicht möglich, daß ich so stets und immer bei dera Gisela stehen bleib. Ich komm auch mal ab von ihr. Da wird dera Osec natürlich sogleich zugreifen, um mit ihr zu tanzen. Nachhero könntet Ihr mir den großen Gefallen thun, daß Ihr - daß Ihr - daß - - -«

»So red doch weitern! Was schnappst denn so nach Luft?«

»Weils gar zu viel ist, was ich Euch zumuthen möcht.«

»Obs zu viel ist oder zu wenig, das werden wir besser wissen als Du. Sags nur erst getrost herausi!«

Da zog Ludwig seinen Beutel aus der Tasche, nahm ein Zehnmarkstück aus demselben, legte es vor den Schmied hin und antwortete:

»Dieses Goldstuckerl geb ich Euch, wann Ihr allemal gleich mit dera Musiken aufhört, sobald er zu tanzen beginnt.«

Der Schmied sagte zunächst kein Wort. Er öffnete den Mund und blickte dem Burschen starr in's Gesicht.

»Nicht wahr, das war zu viel verlangt?« fragte dieser.


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Jetzt stand der Schmied langsam auf, schlug mit der Faust auf den Tisch, daß man hätte meinen mögen, das Holz desselben müsse zersplittern, und rief:

»Nein, nein, nein! Hat man schon mal so was hört oder sehen! So eine Beleidigungen, so eine Schlechtigkeiten! Nicht wahr, Herr College Wenzel, dera Ludwig ist ein schlechter Kerlen?«

Der Schuster zögerte mit der Antwort. Da erhob der Schmied den Arm und sagte in drohendem Tone:

»Wirst gleich antworten oder nicht!«

»Ja, Herr Director, er ist einer!«

»Das wollt ich Dir gerathen haben, daßt mir zustimmen thust! Und Du, Herr College Frenzel, Du meinst doch auch, daß er ein Lump und Beleidiger ist?«

Der Schneider schüttelte verlegen den Kopf und antwortete:

»Mit gütigem Verlaub, Herr Director, ich denke, daß diese Worte -«

»Gar nix hast zu denken, gar nix!« brauste der Schmied auf.

»Ich bin Euer Herr Directorn; ich hab für Euch zu denken, und Ihr habt mir zuzustimmen. Wannsts nicht sogleich auf der Stellen thust, so hau ich Dir eine Watschen herunter, daßt mit dem Gesichten sofort in die Baßgeigen einifährst! Also red!«

»Ja, er ist ein schlechter Kerl!« gestand der Violonkünstler nun.

»So ists richtig! Aberst warum ist er ein Lump? Warum? Das wißt Ihr doch auch!«

Beide schwiegen.

»Ja, da sitzt Ihr nun und könnt nicht antworten. Was wärt Ihr für traurige Kerlen, wann Ihr nicht mich, Euern Herrn Directorn hättet! Aberst es ist auch gar kein Wunder, denn ich hab mir meine Clarinetten ganz von selber reparirt und keinen Teuxel dazu braucht. Und Noten hab ich auch lernt, ganz ohne eine fremde Hilf und Zuthat. Darum kann ich jetzt auch den Capellmeistern spielen.«

Ludwig erbarmte sich jetzt der beiden sogenannten Künstler, indem er sagte:

»Ich habs gar wohl wußt, daß es Euch beleidigen muß.«

»So? Was denn?« fragte der Schmied, indem er ihn gespannt anblickte.

»Daß ich Euch zugemuthet hab, gegen Amt und Pflicht zu handeln. Ihr dürft wohl eigentlich gar nicht aufhalten, wann Ihr einmal anfangen habt.«

»Meinst? Wer wills uns denn verbieten, es zu thun, wanns uns beliebt, he? Nein, grad das, daßt das von uns verlangst, das hat mir sehr gefallen; darüber hab ich mich freut. Aberst daßt uns ein Geld dafür geben willst, das ist eine Infamitäten sonder Gleichen. So ein armer Schluckern wie Du bist, und wir, die noblen Künstlern, sollen Dich um Deine Ersparnisse bringen! Dazu will ich gar nicht rechnen, daßt mein Landsmannen bist. Sollsts auch gleich hören, wie die Andern davon denken. Nicht wahr, Herr College Wenzel, es hat Dich beleidigt, daß er uns das Geld anboten hat?«

Der Schuster warf einen sehnsuchtsvollen Blick auf das Goldstück und antwortete:


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»Ja, schlecht genug wars von ihm.«

»So recht! Und Du, Herr College Frenzel?«

Der Schneider kratzte sich so lange hinter dem Ohre, daß sich seine Perrücke verschob.

»Nun, wirst gleich antworten! Oder soll ichs Dir etwan hier mit denen beiden Fäusten vordemonstriren?«

»Hm!« antwortete der Bedrängte. »Es ist eine sehr schöne Sache um so ein hübsches Goldstück; aber wenn es dem Herrn Director so beliebt, so hat der Ludwig freilich sehr unrecht gehandelt. Es war eine großartige Beleidigung für uns!«

»Natürlich! Das ist wahr!«

»So hätte er nicht an uns handeln sollen. Ich hätte nicht geglaubt, daß er uns das anthun könnte. Aber wenn der Herr Director nichts von dem Gelde wissen will, so könnte der Ludwig es uns nachhero vielleicht heimlich geben. Dann hätte ja ein Jeder seinen Willen gehabt.«

Da fuhr der Schmied auf ihn zu, faßte ihn beim Kragen, riß ihn empor und schüttelte ihn, daß Mütze und Perrücke herunterfielen. Dabei rief er in höchstem Zorn:

»O Du gemeiner Taugenix! Wo bleibt bei Dir das künstlerische Ehrgefühl! Hinter meinem Rücken willst das Geldl nehmen! Ich werd Dirs sogleich auf Deinen Rücken zahlen, daßt denken sollst, es brennen Dir zehntausend Freudenfeuern auf dem Buckel!«

Der erschrockene und unter den Fäusten des Schmiedes sich windende Schneider bot einen so jämmerlichen Anblick, daß Ludwig hinzu sprang und ihn von seinem Bedränger befreite.

»Laß ihn doch!« bat er. »Kannst Dir doch denken, daß er nur einen Scherz hat machen wollt!«

»So? Aberst einen solchen Scherz will ich mir verbitten. Der musikalische Corpsgeist muß darunter leiden. Dera Musikus muß ein Inbegriff von allen möglichen Noblessen sein, denn die Musiken ist die einzige Kunst, welche nach oben strebt. Die Töne klingen empor; die andern Künsten aber sind Larifari dagegen. Steck Dein Geldl ein, und laß es nimmer wieder sehen, sonst komm ich in die Wuth und prügle alle meine Collegen braun und blau, und Dich dazu, Du Hallunkenkerl!«

»Nun, wannst so befiehlst, so will ich gehorchen. Wie aber stehts nun mit dem meinigen Wunsch, um den sichs gehandelt hat?«

»Der wird Dir erfüllt.«

»So! Herr Director, Du verpflichtest mich da zur ewigen Dankbarkeit.«

»Mach nicht so dumme Redensarten! Ich möcht Dich so ewig dastehen sehen und mir vor Dankbarkeiten die Hand ablecken. So lang stelle ich mich nicht her. Du aberst thätst die Sach gar bald auch überdrüssig kriegen. Nein, das wird ganz anders macht. Hier ist meine Patschen. Hau mit dera Deinigen darein. Das ist ein Handschlag und ein Dank, wie er unter Männern gebräuchlich ist, besonders wann sie Künstlern sind.«


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Sie schlugen ein, und sodann gab Ludwig auch den beiden Anderen die Hand. Das Zehnmarkstück aber wär ihnen viel, viel lieber gewesen.

»So, nun ists abgemacht,« sagte der Schmied. »Und nun kann die Musiken beginnen.«

»Aber meinst nicht, daß es zur Unzufriedenheit oder gar zum Streit kommen könnt?« erkundigte sich Ludwig.

»Zur Unzufriedenheit? Ich möcht Denjenigen sehen, der mit mir, dem Directorn unzufrieden thun wollt. Ich thät augenblicklich mit meinem ganzen Corps den Saal verlassen. Und gar noch Streit! Ich als Directorn bin die höchste Polizei beim Tanz, und wer einen Streit beginnt, den werf ich zum Fenstern hinaus, wann er nicht mein Freund ist.«

»Aber die hiesigen Burschen leiden doch darunter, daß die Musik aufhören soll.«

»Das geht Dich gar nix an! Darum hast Dich gar nicht zu kümmern. Ich weiß schon genau, wie man so eine feine Sachen ins Werk setzen muß. Weißt, ich sag so Einigen, die brave Kerlen sind, ein paar Worten davon; diese sagens weiter, und bald wissen Alle, die unsere Freunde sind, um was es sich handelt. Nachhero werden sie nicht unzufrieden sein, sondern sich im Gegentheile ganz außerordentlich darüber veramüseriren, daß die Osecs in dieser Art und Weisen heimileuchtet werden. So, nun ist sagt worden, was sagt werden muß, und jetzunder können wir mit dera Musik beginnen. College Frenzel, hast doch Dein Carliphonium nicht schon wieder mal vergessen?«

Der Schneider griff in alle Taschen, suchte aber vergebens nach dem Colophonium.

»Der - der ist schon wieder daheim geblieben,« meinte er. »Was hat er denn daheim zu thun! Hier brauchst ihn doch, hier, um den Bogen zu verschmieren, aber nicht daheim!«

»O, da brauch ich ihn auch.«

»So? Wozu denn?«

»Um den Zwirn einzuwichsen.«

»Mit Carliphonium? Das hab ich all mein Lebtag noch nie gehört. Es muß sich da doch ganz mühsam nähen!«

»Das ist schon richtig, aber es hält besser.«

»So! Aberst mitbringen mußt ihn doch! Wie soll das mal wieder klingen, wannst keinen Carliphonium zum Einreiben hast!«

»Da weiß ich mir schon zu helfen.«

»Wohl gar mit Seifen?«

»Nein, sondern ich laß mir vom Wirth ein Stückchen Faßpech geben.«

»Dann klingts zu rauch, und das Pech fliegt dabei uns in die Nasen. Mußt mehr Rücksicht auf Deine Herren Collegen nehmen. Und grad bei dera Baßgeigen kommts darauf an, daß dera Ton fein, zart und lieblich klingt. Die Baßgeigen ist das Instrument des feinen Gefühls, der noblen Zartheiten. Die Posaune kann eher mal dreinschmettern; das hört man gern an. Aberst Euch kann man die musikalische Instrumentation zehn Jahre lang derklären, so


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habt Ihr nachhero doch noch nix capirt. Es ist ein schwerer Beruf, Musikdirector zu sein. Das reibt aufi und bringt Einen ganz vor dera Zeit ums Leben. Ich wär bereits schon lange todt, wann ich nicht dazu geboren wäre. Das Scheni und Talent verleiht dem echten Künstler immer neue Kräften.«

Mit diesen Auseinandersetzungen schritt er seinen »Herren Collegen« voran nach dem Saale. Ludwig folgte langsam nach, mit ihm seine Mutter.

Die Musikanten wurden mit lautem Jubel begrüßt. Der Herr Director gab durch eine »noble« Handbewegung seine Zufriedenheit zu erkennen und bestieg mit seinem »Corps« das Orchester.

Dieses bestand aus mehreren leeren Biertonnen, über welche Bretter gelegt waren. Es gab für den Director sogar ein Pult, nämlich ein altes Tischgestell ohne Platte, über welches ein hölzerner Kuchendeckel gelegt war. Ein Taktstock lag darauf. Der Director hatte ihn sich selbst aus einer Ofengabel geschmiedet. Die beiden Zinken hatte er gelassen, zu welchem Zwecke, das konnte man vor Beginn jeder Tanzmusik sehen.

Nachdem er sich gravitätisch hinter sein Pult gestellt hatte, musterte er mit dem Blicke eines Jupiters das Publikum. Dann rief er mit dröhnender Stimme:

»Meine Damen und Herren, Dirndls und Buben, ich bitt um die größte Ruh und Lautlosigkeiten. Es wird einistimmt.«

Er zog einen Bindfaden aus der Tasche, befestigte die frühere Ofengabel daran und ließ sie an demselben hin und her schwingen, so daß sie endlich an das eine Bein des Dirigentenpultes schlug. Das gab einen Ton, welcher durch den ganzen Saal zu hören war. Die verflossene Ofengabel diente also als Stimmgabel. Doch hätte weder Beethoven, noch Richard Wagner sagen können, welchen Ton sie eigentlich angab.

»Herr College Frenzel, den Violonbaß will ich hören!«

Der Genannte griff den Bogen und fuhr mit demselben kraftvoll über alle Saiten. Anstatt eines Tones aber war nur ein ganz unbeschreibliches Quietschen und Pfiepen zu vernehmen.

»Was ist denn das?« rief der Herr Director. »Das klingt ja, als hättest Mäusen und Ratten drin!«

»Es ist nix drin; aberst der Carliphonium fehlt am Bogen. Ich habs ja schon gesagt!«

»Donnerwetter! So konntest Dir doch das Pech gleich jetzunder mit heraufi nehmen. Gleich laufst und holst Dirs! Es ist eine Schand, wann die verehrten Anwesenden auf den Bassisten warten müssen.«

»Auf Dich haben sie auch gewartet!«

»Ich spiel die Clarinetten; das ist was ganz Anderes. Lauf schnell, sonst zahlst zwanzig Kreuzer Straf. Ich will Deinen Carliphon schon in Ordnung bringen.«

Der Schneider rannte fort, daß die Frackschöße flogen, und Alles lachte. Der Schmied bat um Ruhe, ließ die berühmte Stimmgabel wieder erklingen und rief sodann:


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»Herr College Wenzel, ich wünsche die Deinige Posaunen zu hören.«

Der Schuster setzte das Instrument an, blies die Backen auf, pustete mit aller Gewalt hinein und fuhr nun mit dem Zuge so eilig auf und ab, daß es ein ganz unbeschreibliches Getöne und Gewinsel gab.

»Stimmt!« nickte der Dirigent mit zufriedener Miene. »Du hast noch die ganze Tonleitern drin. Zieh mal ganz aus, und spuck tüchtig hinein! Das giebt dera Posaunen gleich einen viel weicheren Ton.«

Der Künstler befolgte diese Aufforderung sofort und mit größtem Eifer. Indessen kehrte der Schneider zurück. Er hatte ein drei Pfund schweres Stück Faßpech in der Hand, mit welchem er zuerst den Bogen und sodann alle vier Saiten so kräftig einrieb, daß der Staub aufflog. Sodann gab auch er die Stimmung an. Der Director erklärte sich mit derselben einverstanden und rief nun über den Saal hinüber:

»Jetzund kanns beginnen. Ein Walzer, die »gelbe Donau« genannt. Zwei Kreuzer für die Herren. Die Damen zahlen nix. Gewechselt wird nicht und wiedergeben thu ich auch nix. Die Paare kommen, wann sie mal rum tanzt haben, herbei ans Orschestern und stecken mir das Geldl in die Hosentasche. In Empfang nehmen kann ichs nicht, weil ich beide Händen für meine Clarinetten brauch. Aberst ich sag Euch, wann mir ein Einziger etwan einen Knopf anstatt eines Kreuzers in die Taschen steckt, so hat das Vergnügen allsogleich ein End. Reellität muß sein. So, jetzt wißt Ihr Alle, woran Ihr seid. Ich hab nix mehr zu sagen, und es geht los.«

Er ergriff den eisernen Taktstock, schwang ihn durch die Luft, schlug auf den Kuchendeckel, und Baß und Posaune fielen ein. Er hing gemächlich den Taktstock am Faden auf, ergriff die Clarinette und begann eine Melodie zu blasen, über welche alle Hunde des Dorfes, wenn sie da gewesen wären, ein lautes Geheul erhoben hätten.

Die anwesenden Burschen waren aber zufrieden. Was sie hörten, das war Musik, und zwar ein Walzer; das war ihnen genug.

Freilich läßt es sich denken, daß eine Musikcapelle mit Baßgeige, Posaune und Clarinette, welche drei Instrumente nicht einmal zusammenstimmten, ein geradezu schauderhaftes Spiel ergeben mußte. Der Violonfrenzel strich seinen alten Baß so nachdrücklich, als ob er einen dicken Baumstamm entzwei sägen wolle. Und da er sein bestes Augenmerk auf dieses Streichen richtete, so hatte er natürlich keine Zeit, auch noch seine linke Hand zu beaufsichtigen. Es war ihm ziemlich Schnuppe, ob er griff und wohin er griff, und so gab er die Töne aller möglichen Tonarten an, aber diejenige, aus welcher grad dieses Stück ging, brachte er nicht fertig.

Der Posaunenwenzel schien blos zu wissen, daß man vorn hineinblasen und dabei die Posaune auf und ab ziehen und schieben müsse. Takt hielt er; das ist sehr wahr; aber das Uebrige ging ihm weiter nichts an. Er befand sich mit seinen beiden Collegen niemals in derselben Tonart. Das schadete aber nichts; getanzt wurde doch.

Der Clarinettenmenzel mußte natürlich vor allen Dingen zeigen, daß er


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der Herr Director sei. Zu diesem Behufe gab er den Tact an; das heißt, er stampfte mit dem Fuße, daß die Fässer wackelten, auf denen das Podium errichtet war. Und that ihm davon der eine Fuß weh, so wechselte er ab und stampfte mit dem andern.

Auf sein Instrument hatte er sich gar nicht übel eingeübt. Er vermochte demselben alle Stimmen der Thierwelt zu entlocken, und darauf war er stolz. Weil er die Löcher zu weit ausgebohrt hatte und weil die Ventile so streng gingen, daß sie ihre Schuldigkeit nicht thaten, so kam natürlich mancher Ton zum Vorscheine, welcher klüger gethan hätte, sich gar nicht vernehmlich zu machen. Aber was schadet das? Die beiden Andern spielten ja auch nicht richtig, warum sollte da gerade der Dritte ganz allein rein blasen?

Hätte es sich darum gehandelt, irgend Jemandem eine Katzenmusik zu bringen, so wäre dieser Walzer ein wahres Meisterstück gewesen. Aber er wurde dennoch getanzt, und nicht blos getanzt, sondern auch bezahlt. Der Herr Director erhielt sein Geld ehrlich in die rechte Hosentasche gesteckt.

Es tanzten, wie gewöhnlich beim Beginne eines solchen Vergnügens, nur wenige Paare. Man mußte sich doch erst einrichten. Man mußte erst den Geschmack wegbekommen. Später konnte man dann diese kleine Versäumniß reichlich nachholen. Die Bursche und Mädchens mußten sich erst begrüßen. Sie hatten sich viel zu erzählen. Darum wurde der erste Walzer nur von den leidenschaftlichen Tänzern benutzt, welche sich schon bereits geärgert hatten, daß die Musik nicht längst begonnen hatte.

Der Kerybauer hatte mit seinen Gästen an einem Tische Platz genommen, welcher während des Tanzes nur von den »paar Großen« benutzt zu werden pflegte. Gisela hatte sich nicht niedergesetzt. Sie war zu einer Freundin getreten, um mit derselben zu sprechen; Andere kamen dazu; es bildete sich eine Gruppe hübscher Mädchens, in welcher zu bleiben, Gisela sehr besorgt war.

Sie wollte nicht bei den Osecs sitzen. Da konnte ja Ludwig nicht schnell zu ihr. Darum zog sie sich schließlich mit einigen ihrer liebsten Freundinnen auf die Bank zurück, welche an der Wand stand. Und zwar suchte sie sich eine solche Stelle, auf welcher sie von ihrem Vater so wenig wie möglich beobachtet werden konnte. Und zugleich war dieser Platz so ausgewählt, daß ein leeres Tischchen in der Nähe stand, welches nur für zwei Personen berechnet war.

Als dann Ludwig mit seiner Mutter eintrat und dieses Tischchen bemerkte, eilte er zu demselben, um sich da mit ihr nieder zu setzen. Auf diese Weise befand er sich mit der Mutter allein, konnte nicht belästigt werden und hatte Gisela in der Nähe.

Der Walzer war zu Ende. Jetzt, wo alle Anwesenden seine Stimme hören konnten, machte der Kerybauer seine Bestellung. Er befahl, Wein zu bringen, und blickte sich dabei mit einem Gesicht um, als ob er rundum fragen wolle: »Könnt Ihr mir das nachmachen, Ihr Lumpen?«

Der alte Osec sah, daß das die Leute ärgerte. Darum sagte er ebenso laut:


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»Ja, wir haben Geld und können trinken, was unser Herz begehrt. Hier in Euerm Slowitz sind solche Leute selten. Aber, Wirth, schenk ein. Ich will den Slowitzer Burschen zeigen, daß ich ein nobler Kerl bin. Sie sollen ein Freibier haben. Wenn der reiche Mann sich eine Güte thut, so soll der arme Lazarus auch einen Brocken davon bekommen.«

Die Burschen steckten die Köpfe zusammen, flüsterten mit einander und warfen dem stolzen Protzen finstre Blicke zu.

»Das machst Du Recht,« antwortete der Wirth, welcher sich über dieses »Freibier« freute. Natürlich glaubte er ein gutes Geschäft damit zu machen. »Zeig einmal, was Du kannst. Wie viel soll ich bringen?«

»Sechs Gläser.«

Der Wirth glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Er sagte:

»Ich hab Dich wohl falsch verstanden. Hast Du wirklich sechs Gläser gemeint?«

»Natürlich. Wann ich einmal was verschenk, so geb ich auch gleich ordentlich.«

»Donnerwetter, ja, das ist nobel! Gleich sechs Gläser voll für - ja, wie viele Trinker sind denn da?«

»Sechsundzwanzig, die Mädels nicht gerechnet,« antwortete einer der Burschen.

»Sechs Gläser für sechsundzwanzig Burschen. Wieviel kommt da auf den Mann? Wer kann sich das ausrechnen? Der muß die Bruchrechnung gut verstehen.«

Der Bursche, welcher geantwortet hatte, war der Sohn desjenigen Bauers, welcher nach Kery der reichste im Orte war. Er konnte weder den Kery noch die Osecs leiden. Er trat in die Mitte des Saales und rief laut:

»Kameraden, der Osec will uns sechs Glas Bier geben, sechs Glas, sechs Glas für sechsundzwanzig Burschen. Sind wir denn gar solche Lumpe, daß wir uns für einen halben Schluck bedanken müssen? Es ist eine Beleidigung. Ich zahle dem Osec sechsundzwanzig Gläser, auf jeden Burschen eins. Wir hier in Slowitz können auch noch zahlen. Wir sind nicht bankerott und auch keine Bettler; Wirth, gieß die Sechsundzwanzig ein. Er mag saufen, bis er platzt. Dann ist auf der Welt ein Großthuer und Prahlhans weniger.«

»Bravo, bravo! So ists recht!« riefen die Burschen rundum. »Halt, Wirth!« schrie Osec. »Schänk nicht ein. Nun sollen sie das Bier nicht haben, und ich mag auch das ihrige nicht. Solche Leute sollten froh sein, wenn sie Etwas geschenkt erhalten. Jetzt aber behalte ich mein Geld!«

»Behalte es!« antwortete der Bursche. »Ich aber nehme meine Bestellung nicht zurück. Die Sechsundzwanzig trinken wir, und außerdem bekommt die Musikcapelle ein halbes Dutzend. Schänk ein, Wirth!«

»Himmelsakra!« rief da der Schmied, »Was bist für ein braver Kerlen! Ein halbes Dutzend für meine Capellen! Das laß ich gelten. Durst hat ein Schmied halt immer und zu jeder Zeit, besonders wann er zugleich Musikdirectorn ist. Von Dir nehmen wirs gern an. Von denen Osecs aberst


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möchten wir keinen Tropfen haben. Wißt Ihr etwan, weshalb diese Beiden heut hier in Slowitz sind?«

»Nun, warum?«

»Die Gisela wollens haben. Verspruch wollens halten. Denkt Euch mal, das reichste Dirndl im Dorf wollens uns wegfischen; Verlobung soll sein, und da giebt dera Osec sechs Glas Bier für sechsundzwanzig Mäulern. Wann das bei dera Verlobung geschieht, wie mag es da erst bei dera Hochzeiten werden! Da müssen die Leutln halt alle verdursten. Nein, wer von Denen was trinkt, dem schau ich all mein Lebtagen nicht mehr ins Gesicht. Für unser Deputat aberst will ich mich gern gleich extra bedanken.«

Er sprang von Orchester herab und reichte dem Burschen, welcher sich als so freigebig erwiesen hatte, die Hand. Einige andere Burschen traten hinzu, und diese Gelegenheit benutzte der Schmied, ihnen zu sagen, daß Gisela nicht mit dem Osec tanzen wolle, sondern dem Knecht Ludwig die heimliche Weisung ertheilt habe, sie sofort wegzuengagiren, wenn der Kerl auf sie zu komme.

Jetzt zeigte es sich, wie beliebt Ludwig war. Die Burschen freuten sich aufrichtig dieses großen Vorzuges, welchen er vor ihnen erhalten hatte, mit dem reichsten und schönsten Mädchen des Dorfes tanzen zu können, er, der arme Knecht.

»Aber,« meinte der Schmied, »Ihr müßt halt auch mit helfen. Vielleichten giebts einen Skandalen, denn dera Kery wird es nicht dulden wollen, daß seine Tochtern mit dem Knecht tanzt. Nachhero dürft Ihr die Zung nicht schonen und die Hände nicht in die Taschen stecken. Ihr müßt zeigen, daß hier im Saal ein Vatern keine Gewalt über seine Tochtern hat. Hier haben nur die Burschen zu gebieten, und ich bin dera Herr über Alle, weil ich halt dera Herr Capellmeistern bin.«

»Aber was geschieht dann, wenn der Osec sich dennoch einmal der Gisela aufdrängt?« fragte einer der Burschen.

»Was dann geschehen wird, das laßt nur meine Sach sein.«

»Aber wir möchtens doch wissen, damit wir uns darnach verhalten können.«

»Richtig! Nun, wann er das Dirndl engagirt, so halt ich eben auf mit spielen. Ich werds meiner Capellen sagen.«

»Das ist prächtig! Aber er wird es gewaltig übel nehmen.«

»Was machen wir uns daraus? Die Hauptsach ist, daß Ihrs nicht übel nehmt, wann ich mitten im Tanz aufhalten thu.«

»Das fällt uns gar nicht ein. Uns wirds vielmehr einen gewaltigen Jux machen, wenn er wieder zurück muß, ohne getanzt zu haben. Das wird ein Gaudium.«

»Dera Großprahler verdients halt gut, daß er auslacht wird. Doch braucht Ihrs Euch nicht etwan merken zu lassen, daß das Alles eine abgekartete Sachen ist. Lieber nehm ichs auf mich allein. Und nun sagts auch weiter, daß es die Uebrigen derfahren, nur nicht Diejenigen, die es denen Osecs heimlich verrathen würden!«

Er kehrte auf das Podium zurück und gab seinen beiden Collegen die nöthige Weisung. Dann begann der zweite Tanz.


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Der junge Osec hielt sich für den vornehmsten Burschen im Saale. Darum tanzte er noch nicht. Jetzt schon zu tanzen, das wäre nicht nobel gewesen. Er feierte noch mehrere Touren hindurch; aber als dann der Director einen Galopp ankündigte, sprang er auf und wollte zu Gisela hin.

Das gelang ihm nicht sogleich, denn die Burschen traten schnell zusammen und stellten sich ihm in den Weg, scheinbar ganz unabsichtlich, und als er dann zur Bank kam, auf welcher Gisela gesessen hatte, war der Platz leer. Gisela stand neben Ludwig in der Reihe der Tänzer.

Um nicht blamirt zu sein, that Osec so, als ob er nicht zu ihr gewollt habe, sondern er engagirte ein Mädchen, welches in der Nähe saß. Da dasselbe aber die Tochter eines armen Teufels war, ärgerte er sich doppelt.

Der Tanz begann. Kery und Osec wollten ihre Kinder mit einander tanzen sehen. Sie stand vom Tische auf und traten weiter vor. Was für Augen aber machte da der Bauer, als er seine Tochter am Arme seines Knechtes sah.

»Donnerwetter, was ist denn das!« sagte er. »Der Ludwig hat sie engagirt! Welch eine Frechheit! Wenn er meint, daß ich mir das gefallen lasse, so hat er sich freilich sehr geirrt. Das werde ich ihm sofort zeigen.«

Er wollte fort, über den Saal hinüber, aber der alte Osec hielt ihn am Arme zurück und warnte:

»Bleib! Mach keinen Lärm!«

»Ein Lärm wird es gar nicht. Ich nehme sie ihm fort, ohne ein Wort zu sprechen.«

»Das giebt trotzdem ein Halloh, denn es ist eine große Schande für einen Burschen, wenn ihm seine Tänzerin genommen wird.«

»Du meinst, ich soll so Etwas dulden? Es ist auch für mich eine Schande, wenn meine Tochter mit meinem Knecht tanzt. Grad Du solltest mir nicht abreden.«

»Laß es nur das eine Mal! Später kannst Du es halten wie Du willst. Du hast gehört, daß die Slowitzer nicht gut auf mich zu sprechen sind. Wir wollen ihnen alle Gelegenheit nehmen, Streit mit uns zu beginnen. Wer ist denn das Mädchen, mit der mein Junge tanzt?«

»Ihr Vater ist Arbeiter in meiner Ziegelei.«

»Alle Teufel! Wie kommt der Kerl zu einer solchen Hungerleiderin?«

»Das kann ich auch nicht begreifen.«

»Ich werde ihn ins Gebet nehmen. So Etwas ist doch unerhört!«

»Natürlich! Wenn er meine Gisela zur Frau haben will, darf er nur mit ihr tanzen und mit keiner Anderen; das versteht sich ganz von selbst, und das ding ich mir auch aus. Und gar noch mit so Einer, wie Diese ist.«

Die Beiden setzten sich wieder nieder. Die Kerybäuerin hatte mit heftigem Erschrecken Gisela neben Ludwig gesehen. Was sollte daraus werden! Sie beobachtete mit angstvollen Blicken ihren Mann. Daß er sich wieder setzte, beruhigte sie keineswegs. Sie sah es ihm an, wie er sich ärgerte.

»Hast Du es gesehen?« fragte er sie. »Die Gisela tanzt mit dem Knechte.«


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Sie nickte nur.

»Eine solche Blamage ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht passirt. Fast möchte ich denken, daß das Mädchen verrückt geworden ist. Aber ich werde ihr den Kopf bald wieder auf die richtige Stelle bringen.«

Jetzt war der Tanz zu Ende. Der junge Osec führte seine Tänzerin gar nicht an ihren Platz zurück, sondern er ließ sie stehen, wo er aufgehalten hatte. Das war eine Beleidigung für sie, welche von Allen bemerkt wurde.

Der bereits erwähnte reiche Bursche nahm sich ihrer sofort an. Er trat dem Osec in den Weg und fragte ihn so laut, daß Alle es hörten:

»Hast Du vielleicht diese Tour auch mit getanzt?«

»Ja. Warum fragst Du?«

»Wo ist Deine Tänzerin?«

»Dort läuft sie.«

»So! Dort läuft sie! Und zwar allein muß sie nach ihrem Platz zurück! Weißt Du nicht, was sich schickt und gehört?«

»Was gehts Dich an! Ich kann thun und lassen, was ich will!«

»Daheim bei Dir meinetwegen, ja; aber hier bei uns nicht. Hier sind die Bursche höflich. Es ist eine Ehre für einen Fremden, wenn Eine mit ihm tanzt.«

»Eine Ehre? Mach Dich nicht lächerlich!«

Damit schob er ihn zur Seite und ging fort. Der Andere aber blieb stehen und rief mit lauter Stimme.

»Hört, der Osec hat seine Tänzerin stehen lassen. Ist das nicht eine Beleidigung für sie und für uns Alle?«

»Ja, ja!« antwortete es rundum.

»Aber beleidigen lassen wir uns nicht. Unsere Mädchen müssen wir beschützen, daß so Etwas nicht wieder stattfindet. Ich schlage also vor: Keiner von uns Allen tanzt mit einem Mädchen, welche sich von jetzt an von dem Osec angreifen läßt. Diejenige, welche mit ihm tanzt, wird von uns in Verruf erklärt. Seid Ihr einverstanden?«

»Ja, Alle, Alle!«

»Außer er geht jetzt gleich hin zu seiner Tänzerin und bittet sie um Verzeihung.«

Das war dem alten Osec zu viel. Er stand von seinem Stuhle auf und rief:

»So Etwas wird ihm nicht einfallen! Selbst wenn er es thun wollte, so würde ich es ihm verbieten.«

»Ein schöner Kerl, der sich von seinem Alten verbieten läßt, höflich zu sein.«

»Willst Du mich etwa beleidigen?«

»Nein! Ich sage nur die Wahrheit und spreche in unser Aller Namen. Ihr seid es, die uns beleidigen. Wenn Ihr so weiter macht, werdet Ihr auch weiter kommen, nämlich zum Saale hinaus und zur Treppe hinunter!«

»Das wagt einmal!« schrie der Kerybauer. »Sie sind meine Gäste!«


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»Aber nicht die unserigen. Wenn Du Gäste bei Dir hast, so sorge auch dafür, daß sie sich anständig betragen, anders fällts auf Dich zurück. Wir brauchen keine Grobianers hier bei uns im Saale!«

»Und der Osec braucht Eure Mädchens nicht. Er hat seine Tänzerin!«

»So ist sie zu bedauern.«

»Still!« ertönte die Stimme des Schmiedes vom Podium herab. »Ich bitte mir Ruhe aus! Hier habe ich zu gebieten. Wer Veranlassung zum Streite giebt und sich nicht nobelfein beträgt, der wird einfach hinausgeworfen. Merkts Euch gut! Ihr wißt, daß ich kurzen Proceß mach, und da hilft auch keine Appellationen was!«

So war die Ruhe wenigstens einstweilen hergestellt; aber Grimm herrschte an dem Tische, an welchem Kery saß. Der alte Osec ärgerte sich natürlich nicht weniger. Er fuhr seinen Sohn an:

»Daran bist Du allein schuld! Warum hast Du nicht mit der Gisela getanzt?«

»Ich kam zu spät.«

»So lauf schneller! Ein Bursche, welcher ein Geschick hat, läßt sich sein Mädchen nicht vor der Nase wegnehmen. Du mußt gleich beim ersten Musikton hin zu ihr. Und diesen Slowitzern zeigst Du, daß Du ihre Dirnen gar nicht brauchst. Der nächste Tanz wird gemacht. Also paß auf!«

Von jetzt an stand sein Sohn auf dem Sprunge, und kaum hatte der Schmied einen Oberländer verkündigt, so eilte er zu Gisela hin. Aber bereits stand Ludwig vor ihr, sie zum Tanze auffordernd.

»Halt!« sagte Osec. »Diese Tänzerin ist mein!«

Ludwig blickte ihm lachend in's Gesicht und fragte:

»Wer hat das gesagt?«

»Ich!«

»Das gilt wohl nix. Hier hast nix zu sagen. Ich bin eher kommen als Du.«

»Aber ich leide es nicht, daß Du mit ihr tanzest! Sie gehört mir!«

»So? Ich will mich nicht mit Dir streiten. Sie muß es am Besten wissen, wer das Recht besitzt, diesen Oberländer mit ihr zu tanzen. Gisela, wer ist der Richtige?«

»Du,« antwortete sie, »denn Du bist eher da gewesen.«

Sie gab ihm die Hand, und er führte sie fort. Da aber eilte ihr Vater hinzu, ergriff sie beim Arme und rief zornig:

»Was fällt Dir ein! Mit dem Knechte wird nicht getanzt. Das muß ich mir verbitten!«

»Ja, dann muß ich gehorchen.« sagte sie ruhig.

Sie ließ Ludwig fahren und kehrte nach ihrem Platze zurück.

Die Musik begann, und die Paare bewegten sich im Kreise. Ludwig schlenderte weiter, und der junge Osec ergriff nun Gisela's Arm und führte sie in die Reihe. Sie folgte ihm, ohne sich zu weigern. Er nahm eine Haltung an wie Einer,


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der eine Schlacht gewonnen hatte, und warf stolze Blicke rund umher. Er ahnte nicht, wie sehr er heimlich ausgelacht wurde.

Jetzt kam die Reihe an ihn. Er machte seiner Tänzerin eine höflich sein sollende Verbeugung, faßte sie um die Taille und wollte eben beginnen, kam aber nicht dazu.

»Pfififififififi!« erklang die Clarinette. »Pfififififapppp!«

Der Baß und die Posaune schwiegen. Alle schauten nach dem Orchester.

»Donnerwettern!« rief der Schmied. »Das ist eine gar alberne Geschichten!«

»Was ist denn geschehen?« fragte Ludwig.

»Mein Carinettenschnabel hat wieder mal die Diphtherumdis bekommen. Es geht nicht weiter!«

»Kannsts nicht kuriren?«

»Ja, aberst das geht nicht so schnell. Aus dem Oberländer wird nun nix. Setzt Euch wieder auf Eure Plätze. Der Schnabel kann nur durch fließendes Wasser geheilt werden. Ich muß also nunter gehn in den Dorfbach. Wartet also. Vielleichten gehts nachhero wieder besser.«

Er nahm die Clarinette unter den Arm, stieg vom Podium herab und schritt zum Saale hinaus. Die Bursche führten ihre Tänzerinnen an ihre Plätze zurück. Osec mußte dasselbe thun. Er machte ein weniger siegreiches Gesicht als früher. Doch ahnte er nicht, daß die Clarinette ihre Diphteritis nur seinetwegen bekommen hatte.

Nach einer Weile kehrte der Schmied wieder zurück und erklärte:

»Es hat gut geholfen. Die Clarinetten hat ihre Stimm wiederum erhalten. Also kann der Ball fortgesetzt werden. Ich will hoffen, daß unsere Instrumenten auch fernerhin gesund bleiben. Wir wollen nun den Oberländer nochmal anfangen.«

Die Tänzer suchten ihre Mädchens wieder auf, und auch der Osec kehrte zur Gisela zurück. Doch mußte er abermals erleben, daß sie ihm von Ludwig entführt wurde, welcher gar nicht erst in die Reihe trat, sondern sogleich zu tanzen begann.

»Himmeldonnerwetter!« fluchte Kery. »Da hat dieser Kerl sie abermals weggenommen. Welche Frechheit! Jetzt gehe ich hin und halte das Paar mitten im Tanze an!«

Er führte diesen Vorsatz aus. Er ergriff seine Tochter am Arme, riß sie von Ludwig los und wieß diesen durch eine strenge Handbewegung fort. Der Knecht gehorchte ohne Widerstreben und entfernte sich.

»Habe ich Dir nicht verboten, mit ihm zu tanzen!« donnerte der Bauer.

»Ich dachte, Du meintest nur die vorige Tour.«

»Nein, ich meine es überhaupt, ein- für allemal!«

»Aber wenn er eher kommt als der Osec, so muß ich mit. Ich kann ihn nicht zurückweisen. Das würde die Andern beleidigen, und dann wär der Skandal sofort da. Der Osec mag doch schneller machen!«


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»Das kann er nicht, weil er weiter entfernt von Dir ist als dieser Ludwig. Du wirst Dich mit zu uns setzen. Und jetzt tanzest Du mit Deinem Zukünftigen.«

Er winkte den Letzteren herbei. Dieser folgte dem Winke, nahm Gisela in den Arm und erhob bereits den Fuß zum Tanze; aber da - - -

»Fumfumfumfum! Klapp!«

Die Musik schwieg, und alle Paare blieben stehen.

»Sapperment! Das ist dumm!« rief der Violonfrenzel.

»Was hast denn macht?« fragte der Herr Director in ärgerlichem Tone.

»Da ist mir gar der Steg umgefallen, auf dem die Saiten liegen. Nun kann ich eine Viertelstunde arbeiten, ehe ich ihn wieder aufbringe.«

»Das ist freilich ein Unglück, schuld bist aber glücklicher Weisen nicht daran. Wannst schuld wärst, da thät ich Dich gleich aus meiner Capellen entlassen und ohne Pangsion aus dem Dienst jagen.«

»Oho!« fuhr der lange Schneider auf.

»Ja, das ist wahr. Da brauchst Du Dich nicht zu wundern. Eine Nachlässigkeiten duld ich nicht im Dienst. Meine Capellen ist berühmt, und ich muß zuschauen, daß sie diesen guten Ruf auch fort behalten thut. Oder meinst etwan, daß solche Nachlässigkeiten mich nicht in Schaden bringt?«

Der Schneider verstand ihn sehr gut; darum fragte er:

»Wie denn in Schaden? Das möchte ich doch wissen.«

»Weils Störung macht im Tanz. Da haben wir wiederum aufhalten müssen. Die Andern haben doch wenigstens ein paar Male herumschwenken konnt; aber dera Osec ist schlecht wegkommen. Der arme Kerlen hat eben beginnen wollt und ist gar nicht dazu kommen. Schau nur, was für ein mitleidiges Gesichten er macht! Grad als ob ihm das Kartoffelfeld verhagelt wär! Das kann einem Jeden, der ein ordentlich Herz und ein gutes Gemüth besitzt, beinahe sehr wehe thun.«

Ein lautes Gelächter erschallte rundum, und der Schneider begann, seinen Baß wieder in Ordnung zu bringen.

Natürlich waren die Burschen abermals gezwungen, ihre Mädchens nach den Plätzen zurückzuführen. Osec brachte Gisela zu ihrem Vater, wo sie sich niedersetzte, ohne mit einer Miene zu verrathen, was sie eigentlich dachte.

»Du,« meinte der alte Osec zu Kery, »das kommt mir verdächtig vor.«

»Verdächtig? Was denn?«

»Daß der Steg umgefallen ist.«

»Wie könnte denn das verdächtig sein! So Etwas kann doch vorkommen.«

»Zuerst ging die Clarinette nicht mehr, und nun hapert es auf einmal mit der Baßgeige. Ich traue dem Landfrieden nicht recht.«

»Unsinn! Wie kannst Du auf solche Gedanken kommen!«

»Warum nicht! Es passirt allemal grad in dem Augenblicke, wenn mein Junge eben anfangen will.«

»Das ist freilich wahr. Hm!«

»Nun, ich will mich jetzt noch bescheiden. Sollte nun aber auch die


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Posaune irgend eine Krankheit bekommen, so ist es ganz gewiß auf uns abgesehen. Wollen es einmal abwarten.«

Nach einiger Zeit war die Baßgeige reparirt, und der Tanz begann von Neuem. Osec wollte ihn tanzen, aber Gisela sagte, daß sie jetzt keine Lust habe, und vertröstete ihn auf den nächsten. Aber kurz bevor dieser begann, benutzte sie die Gelegenheit, daß eine Freundin vorüberging, und rief dieselbe zu sich. Sie sprach einige Worte mit ihr, stand auf und trat mit ihr bei Seite, um Ludwig Gelegenheit zu geben, sie schnell engagiren zu können. Er errieth ihre Absicht und hielt sich bereit.

»Jetzund kommt ein Rheinländer, meine Herrschaften,« meldete der Schmied.

Er hatte kaum ausgesprochen, so stand Ludwig bei Gisela und bot ihr den Arm. Osec war zwar auch rasch aufgestanden, aber doch nicht schnell genug gewesen.

»Mensch,« rief der Kerybauer seinem Knechte zu, »hast Du es Dir denn nicht gemerkt? Die Gisela ist nicht für Dich. Ich verbiete es Dir, sie anzurühren. Packe Dich fort!«

Ludwig gab sie frei. Da trat Osec zu ihr und wollte ihren Arm nehmen. Die Musik begann.

»Halt!« sagte Ludwig zu seinem Nebenbuhler.

»Jetzt wird Gisela nicht tanzen!«

Sofort kamen die beiden Alten herbei, und Kery fuhr den Sprecher zornig an:

»Willst Du es ihr etwa verbieten?«

»Nein,« antwortete der Knecht in aller Ruhe. »Es kann mir nicht einfallen, es ihr zu verbieten; aber einem andern Burschen werde ich verbieten, mit ihr zu tanzen.«

»Oho!«

»Ja, und da hilft kein Oho! Ich habe sie engagirt. Dieser Tanz gehört entweder mir, oder sie tanzt gar nicht. Ich habe gehorcht und sie frei gegeben. Soll sie aber einem andern Tänzer gewähren, was mir verboten worden ist, so ist das ein Schimpf für mich, den ich nicht auf mir sitzen lasse.«

»Du bist ein Knecht und mit einem Dienstboten darf meine Tochter nicht tanzen.«

»Zu Hause bin ich Knecht; hier aber bin ich Gast wie ein jeder Anderer. Hier gilt nicht der Stand und der Rang, sondern hier gilt das Tanzrecht.«

»Aber ich habe Dir verboten, meine Tochter überhaupt zu engagiren!«

»Das lasse ich mir nicht verbieten. Daheim habe ich zu gehorchen; hier aber hat mir kein Mensch Etwas zu befehlen.«

»Himmelsakkerment! Das wagst Du mir zu sagen! Ich glaube, Du kennst mich noch gar nicht!«

»O, Dich kenne ich genau!«

Diese Worte sagte er in einem so eigenthümlichen Tone, daß der Bauer in gesteigertem Zorne hart an ihn herantrat und fragte:

»Was soll das heißen? Was willst Du mit diesen Worten sagen?«


Ende der sechsundfünfzigsten Lieferung - Fortsetzung folgt.



Karl May: Der Weg zum Glück

Karl May – Forschung und Werk