Heft 32

Feierstunden am häuslichen Heerde

7. April 1877

   
Der beiden Quitzows letzte Fahrten.

Historischer Roman aus der Jugendzeit des Hauses Hohenzollern von Karl May,
fortgeführt von Dr. Goldmann.


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Längere Zeit verging bis zu seiner Rückkehr. Brunhilde stand am Fenster und sah in die vor ihren Blicken sich ausbreitende prächtige Winterlandschaft hinaus, die sie in anderer Lage mit hoher Freude betrachtet haben würde, heut' aber nahezu unbeachtet ließ.

Die demnächstige Begegnung mit Frau Hedwig war es, welche sie jetzt vorzugsweise mit banger Sorge erfüllte.

Ihr Vater liebte sie zwar sehr; bei seinem ungeselligen Wesen und seiner Abneigung, außer einem Trinkcumpan Besuche auf Güntersberg zu empfangen, war Brunhilde seit dem Tode ihrer Mutter ausschließlich auf sich selbst und die Gesellschaft einer Magd angewiesen gewesen, hatte die väterliche Burg zu keinem anderen Zweck als zu einem Jagdzuge verlassen und sah sich nun plötzlich gezwungen, bei ihr völlig fremden Menschen Hülfe zu suchen.

»Und,« fragte sie sich wiederholt, ohne eine ihr genügende Antwort zu finden, »habe ich denn recht gehandelt, mich einem Manne anzuvertrauen, den ich erst seit wenigen Tagen kenne?«

Während einerseits eine innere Stimme ihr zurief: »ja Du darfst ihm ohne Furcht folgen, denn er meint es aufrichtig gut mit Dir!« flüsterte eine andere ihr unaufhörlich zu: »Friedländer ist nicht der, für welchen er sich ausgiebt; er verbirgt entweder ein Geheimniß vor dir oder er verfolgt dir unbekannte Pläne, sei deshalb vorsichtig!«

Die letztere Stimme verlor jedoch, je länger Brunhilde sich in Gedanken mit Friedländer und ihrer augenblicklichen Lage beschäftigte, immer mehr an Einfluß, und schließlich gab sie nur noch der inneren Stimme Raum, welche ihr sagte: »er meint es gut mit dir!«

»Was aber wird Frau Hedwig glauben und sagen, daß ich -«

Sie vollendete den Satz nicht, denn feste Tritte näherten sich der Thüre des Gemachs, in dem sie sich aufhielt. Eine plötzliche Furcht, die Angst, jetzt hören zu müssen, daß sie hier nicht das erwünschte Asyl zu finden vermöge, bemächtigte sich ihrer und scheu sah sie dem Eintritte des sich Nähernden entgegen.

Die Thür wurde rasch geöffnet und über die lieblichen Züge des geängstigten Mädchens flog ein leichter Schimmer der Freude. Gefolgt von Friedländer, trat eine große, schlanke Frau mit milden, freundlichen Zügen ein, die sich rasch Brunhilde näherte und ihre Hände ergriff.

»Seid mir herzlich willkommen, Brunhilde,« sprach sie mit weicher, dem Mädchen Muth einflößender Stimme; »nach dem harten Schlage, der Euch betroffen, sollt Ihr hier mit Freuden die Aufnahme finden, die, wie ich hoffe, geeignet sein wird, Euch mit der Zeit zu dem verlorenen Frieden wieder zu verhelfen!«

Schon die Worte der würdigen Frau, der Ton, in welchem sie zu ihr sprach, erfüllten sie bereits mit einem beruhigenden Gefühl, und mit bebender Stimme dankte sie ihr, während Thränen ihre Augen füllten, für dieses liebevolle Entgegenkommen.

»Habt Dank, edle Frau, für Eure Güte, die mir in meiner traurigen Lage doppelt wohl thut, und seid -«

»Ich bitte Euch, Brunhilde,« unterbrach sie Frau Hedwig, »unterlaßt jetzt alles Danken und kommt mit mir. Ich werde sofort für Eure Bequemlichkeit Sorge tragen!«

Im Begriff, diesem Wunsche nachzukommen und das Gemach zu verlassen, begegnete ihr Auge dem Friedländers,


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welcher seither schweigsam in der Nähe der Thüre gestanden.

Einen Moment stockte sie, dann trat sie, während eine helle Röthe ihr Gesicht überflog, schnell zu ihm heran und reichte ihm die Hand.

»Euch verdanke ich die liebevolle Aufnahme, die mir hier zu Theil wird, Euch, meinem Retter aus der Gewalt der Feinde meines unglücklichen Vaters. Nehmt meinen innigsten Dank!«

Leicht zog sie ihre von Friedländer mit leisem Druck festgehaltene Hand zurück und fügte dann die Frage an:

»Was werdet Ihr nun beginnen?«

Mit bewegter Stimme erwiderte er:

»Ihr legt dem, was ich bis jetzt für Euch zu thun vermocht habe, einen zu großen Werth bei. Habe ich denn nicht lediglich meine Pflicht, Euch zu retten, gethan und mein Wort, Euch dort ein Heim zu verschaffen, wo ich Euch vor Gefahren geborgen weiß, eingelöst? Noch liegt mir ja ob, Eurem Vater die Freiheit wieder zu verschaffen!«

Ihr wollt Euch dieser gewiß sehr schwierigen Aufgabe unterziehen?«

»Die Befreiung Eures Vaters wird jetzt, nachdem ich für Eure Sicherheit nicht mehr zu bangen habe, meine erste Sorge sein!«

Brunhilde richtete einen langen, durchdringenden Blick auf den vor ihr stehenden jungen Mann. Welche Gedanken mochten sie in diesem Augenblick bewegen? Weshalb verlor ihr Blick allmälig die Schärfe und ging in Milde, in Weichheit über? Was mußte sie in dem Blicke Friedländers gelesen haben, daß sie ihm noch einmal die Hand reichte und, wahrscheinlich um die aufsteigende Röthe zu verbergen, sich abwendend, flüsterte:

»Versprecht mir, Euch nicht in Lebensgefahr zu stürzen und - wiederzukehren!« -

Friedländer machte, als er diese Bitte Brunhildens vernahm, unwillkürlich im ersten Augenblick eine Bewegung, als wolle er das Mädchen an sich ziehen.

Er besann sich jedoch bald eines Anderen und entgegnete nur mit allerdings bebender Stimme:

»Euer nur zu berechtigtes, heißes Verlangen, den Vater wiederzusehen, ist mir genügend zu dem festen Entschlusse, Alles, was ich irgend zu thun vermag, anzuwenden, die Thür des Gefängnisses Eures Vaters zu öffnen oder, wenn nicht anders, dann mit Gewalt zu sprengen. Hoffet fest auf Wiedervereinigung mit ihm!«

Frau Hedwig hatte lächelnd Beide beobachtet.

Jetzt trat sie zwischen sie.

»Vertraut nur immerhin dem Versprechen Hennings, Brunhilde! Er ist wohl geeignet und, wie ich sehe, auch ernstlich gewillt, Euren Willen und seine Zusicherung zu erfüllen, und ich denke, es wird kaum lange Zeit vergehen, bis Ihr von der Wahrheit dieser Worte überzeugt sein werdet. Begleitet mich nur jetzt in mein Gemach. Henning wird vor seinem Aufbruch Euch wohl noch mehrmals sehen und sprechen können!«

»Verzeiht, edle Frau,« bemerkte Friedländer lächelnd, »ein mehrmaliges Begegnen vor meinem Weggange wird schwerlich angehen.«

»Weshalb nicht?«

»Weil ich morgen früh mit Tagesanbruch die Burg verlassen und die Erledigung meiner Aufgabe in Angriff nehmen werde!«

»Nun, ich will in diesem Falle nicht hindernd in den Weg treten!«

In diesem Augenblicke wurde vom Burghofe aus ein starker Lärm hörbar.

Ein Blick durch das Fenster zeigte Friedländer, daß der Jagdzug, welcher ihnen am Nachmittage begegnet war, soeben im Burghofe anlangte, und Frau Hedwig verließ mit Brunhilde, welche Friedländer noch einmal Gelegenheit gab, in ihren Augen lesen zu können, das Gemach.

Der junge Mann befand sich in einer ihm selbst nicht recht erklärlichen Stimmung, der er nun selbst Worte zu geben versuchte.

»Was geht denn eigentlich mit mir vor?« rief er, in dem Raume auf- und abschreitend. »Ich gewinne das Mädchen immer lieber und weiß von diesem Augenblicke an, daß ich auch Ihr nicht gleichgültig bin. Sie ist, wie ich längst erkannt habe, jeder Verstellung unfähig und ich vermochte ohne Schwierigkeit zu erkennen, daß sie mir zugethan ist, und doch kann ich das unbehagliche Gefühl nicht los werden, das mich beschleicht, sobald ich Ursache zu haben glaube, unzufrieden mit mir zu sein. Aber konnte ich ihr mich denn anders als in Verkleidung nahen? War es denn nicht möglich, auf geradem Wege mich dem herrlichen Kinde nahen zu dürfen? Nein! Nein! Und da ich mir keiner unrechten Handlung ihr oder ihrem Vater gegenüber weiter bewußt bin, als daß ich meinen wahren Namen nicht genannt und meinen Stand nicht verrathen habe, denke und hoffe ich, daß sie mir diese Täuschung verzeihen wird. Ich trage ja keine Schuld an den unglückseligen Verhältnissen, die zwischen den Meinigen und dem Vater des geliebten Mädchens bestehen!«

Mit diesem Selbsttrost begab er sich auf den Weg zu Herrn Hans von Wedel, welcher inzwischen in den Saal getreten und sich jetzt unwillig nach dem Eintretenden umwandte.

»Was giebt's?« rief Herr Hans, einen flüchtigen Blick auf diesen richtend.

Henning Friedländer trat einen Schritt näher.

»Erkennt Ihr mich nicht mehr, Ohm?«

Der Ritter blickte jetzt schärfer auf.

»Henning, bist Du es wirklich? Alle Teufel, Junge, bist Du es denn auch?«

Freilich bin ich es, Ohm!«

»Sei mir herzlich willkommen!«

Herr Hans zeigte eine so herzliche Freude, daß Henning, welcher seinem Ohm in ziemlicher Beklemmung gegenübergetreten war, freier aufathmete.

»Seit wann bist Du nach Friedland zurück?«

»Ohm, ich bin jetzt noch gar nicht dort gewesen!«

»Du kommst also auf Deiner Reise nach Hause zuerst zu mir? Das freut mich sehr!«

»Auch das stimmt nicht ganz, denn ich war bereits auf Altenwedel!

»Und von Altenwedel kommst Du hierher? Obwohl es mir recht lieb ist, daß Du mich sofort besuchst, vermag ich doch ein Staunen über Deinen sonderbaren Reiseplan nicht zu unterdrücken. Erzähle mir doch näher, was Dich zu diesen Reisen im Zickzack bewegt?«

»Gern will ich Eurem Verlangen entsprechen. Hört


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denn: Vor einigen Tagen war ich auf der Reise nach Friedland bis an die Grenze des Güntersberger Gebiets gelangt und dort am Ufer eines Teiches einem Jagdzuge begegnet, ohne daß dieser auf mich aufmerksam geworden. Die Hauptperson dieses Jagdzuges, eine wunderliebliche Jungfrau, nahm mich nun auf den ersten Blick derart für sich ein, daß ich beschloß, ihr in jedem Falle mich zu nähern!«

»Dann war diese wunderliebliche Jungfrau sicher die Tochter Simon's von Güntersberg!« bemerkte lachend Herr Hans.

»Ja, Ohm. Ich kannte aber das zwischen den Unsrigen und Herrn Simon bestehende feindliche Verhältniß zu gut, um nicht zu wissen, daß ich einen sehr schlechten Empfang gehabt haben würde, wenn ich meinen Namen genannt hätte, und beschloß deshalb, ein, wie ich offen gestehe, gewagtes Spiel zu beginnen. Ich ritt nach dem zunächst gelegenen Altenwedel, weihte Ohm Friedrich in mein Vorhaben ein, bepackte mich mit einer Cage voll Jagdfalken und wanderte als Falkenhändler nach Güntersberg -«

Der Erzähler war hier gezwungen, mehrere Minuten inne zu halten. Herr Hans war durch diesen Streich seines Neffen in eine so heitere Stimmung versetzt worden, daß durch Lachen ihm erpreßte Thränen über seine dicken Backen herabliefen.

»Alle Teufel,« stieß er endlich hervor, »das ist ein gelungener Witz, Junker Henning als Falkenhändler in Güntersberg! Was wird Dein Vater zu dieser Geschichte sagen! Ha! Ha! Ha! Und wie wird der alte Strauchdieb, der Simon, gewettert haben, als er hinter Deine Teufeleien gekommen ist! Ha! Ha! Ha!«

Henning ließ den in außergewöhnliche Heiterkeit versetzten Ritter seiner Freude ohne Einspruch Ausdruck geben und fuhr dann in seiner Erzählung der den Lesern bereits bekannten Ereignisse fort.

Die Heiterkeit des Ritters ging allmälig, und als Henning von der Erstürmung von Güntersberg sprach und einiger Einzelheiten der Flucht erwähnte, in Ernst über, und als der Erzähler geendet, sprang Herr Hans auf und maß dröhnenden Schrittes den Saal.

»Die Gefangennahme Simon's und des alten, von Dir ja recht gründlich abgeführten Prahlhanses Janeke ist mir heut bereits bekannt geworden. Von der Zerstörung Güntersbergs weiß ich aber noch kein Wort. Hält man es denn in Altenwedel oder in Kremzow nicht der Mühe werth, mich von dem Vorgefallenen zu benachrichtigen? Zu billigen vermag ich allerdings die hier verübte Art Rache nicht. Simon mag gehaust haben, wie schlimm es nur möglich ist, er war und ist ein Ritter, der bis vor Kurzem noch und bis er dem elenden Großmaul, dem Janeke ganz in die Hände fiel, treu zu uns gehalten hat. In der Weise, wie es geschehen ist, durfte man nicht gegen ihn vorgehen. Hast Du denn die Leute nicht erkannt, die bei diesem Ueberfall betheiligt waren?«

»Nur zu gut, Ohm. Es waren Kremzower und -«

»Nun? und -?«

»Altenwedeler!«

»Alle Teufel, das ist stark!«

Ritter Hans blieb vor Henning stehen.

»Du hast also das arme Röslein hierher gebracht in der Hoffnung, ich würde ihr Aufnahme gewähren?«

»Ja, Ohm, ich bin zu Dir gekommen, weil ich weiß, daß, wenn überhaupt ein Mensch, dann vor Allen Ihr ein Herz für unschuldig Leidende habt!«

»Henning,« rief der Ritter und reichte diesem die Hand, »ich sehe, daß Du ein Edelmann nach meinem Sinne bist. Du sollst Dich in mir auch nicht getäuscht haben. Das Röslein soll hier eine Aufnahme erhalten, wie ich sie Deiner Schwester, wenn Du eine hättest, nicht besser zu bieten vermöchte!«

»Ich danke Euch aufrichtig für diese mir zur Beruhigung dienende Zusage, Ohm!« entgegnete der junge Mann mit bewegter Stimme und sein Auge schien dabei feucht geworden zu sein, denn der ihn beobachtende Ritter bemerkte lächelnd:

»Mir scheint, das Röslein steht Dir näher, als Du zugeben willst. Nun, nun; sie wird keinen Anlaß erhalten, über ihr Leben auf Betow bei Dir Klage führen zu dürfen! - Du wirst nun wohl nach Friedland gehen?«

»Einen, höchstens zwei Tage werde ich jetzt dort allerdings zubringen, dann aber an die Erledigung meiner Aufgabe gehen!«

»Welche Aufgabe ist Dir denn in der kurzen Zeit Deines Hierseins schon gestellt worden?«

»Brunhilde soll ihren Vater wiedersehen!«

»Alle Teufel!« rief Ritter Hans erstaunt, »Du legst Dich ins Zeug, doch kann ich Dir im Ernste nicht so sehr unrecht geben. Du willst dem alten Simon begreiflich machen, daß der ehemalige Falkenhändler Henning Friedländer ein Mann sei, dem er ohne Zögern sein Töchterlein zur Frau geben dürfe, und willst das Eisen schmieden, so lange es warm ist. Ich denke, Du wirst Dein Vorhaben auch glücklich durchzuführen wissen! Für alle Fälle will ich Dir aber jetzt schon sagen, daß, wenn Du an irgend einem Fußeisen hängen bleiben solltest, Du mich nur zu Hilfe rufen darfst! Jetzt komme nur und stelle mir das - wie sagtest Du gleich? - das - das - richtig, so war's - wunderliebliche Mädchen vor. Ich bin begierig, Brunhilde kennen zu lernen!«

Beide Herren schritten den Frauengemächern zu und Henning sah zu seiner unverhohlenen Freude nicht nur, daß Herr Hans wie auch Frau Hedwig Alles aufboten, dem armen Kinde den Aufenthalt auf Betow möglichst angenehm zu machen, sondern daß auch Brunhilde ihre Scheu vor der ihr fremden Umgebung allmälig verlor.

Als Henning sich erhob, um sein Gemach aufzusuchen, und er Brunhilde mittheilte, daß er mit Tagesanbruch die Burg verlassen werde, um an die Erledigung der letzten der ihm gestellten Bedingungen zu gehen, sah sie ihn so wehmüthig, so flehend, bittend an, daß nur die Gegenwart des sie lächelnd beobachtenden Herrn Hans ihn vor dem Selbstvergessen zu behüten im Stande war.

»Wollt Ihr mir die Worte nicht vergeben, welche ich auf der Flucht leider zu Euch sprach? Ich habe sie ja schon so bitter bereut und beklage tief, Euch gekränkt zu haben!«

»Ich bitte Euch dringend, laßt doch das, was längst vergessen war, ruhen. Sagt mir vielmehr,« fuhr er leise fort, »werdet Ihr Euch hier heimisch fühlen? Werdet Ihr hier ruhig abwarten, bis es mir gelungen ist, Euch Euren Vater wieder zuzuführen?«


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»Ihr habt mich zum höchsten Danke verpflichtet nicht nur durch meine Rettung, sondern auch durch Eure Vorsorge, mir hier bei dieser lieben Frau ein Unterkommen verschafft zu haben. Dank, Dank Euch und -« hauchte sie mehr als daß sie die Worte sprach - »kehrt bald zurück!«

Sein Abschied von Frau Hedwig und Brunhilde war, wenn auch aus verschiedenen, leicht verständlichen Gründen, gepreßt, erzwungen, und als Herr Hans, nachdem sie in den Saal zurückgekehrt waren, scherzend fragte: »Na, Henning, willst Du nicht lieber hier bleiben, als mit dem Kremzower oder mit Vetter Friedrich Brunhilden's Vater wegen anzubinden,« erwiderte er:

»Brunhildens wegen binde ich, wenn es sein muß, mit der gesammten Ritterschaft an!«

»Ho! Ho! mein Junge!« lachte der Ritter, »Vetter Friedrich wird Dir allein schon zu schaffen machen!«

»Gleichviel, ich weiche nicht zurück!«

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Als Henning am folgenden Morgen sein Pferd bestiegen und einen letzten Händedruck mit seinem Ohm gewechselt hatte, richtete er wohl nur zufällig noch einen Blick nach den Frauengemächern, und ohne Zweifel war es nur ein Spiel seiner erregten Phantasie, als er an einem Fenster einen Moment eine Frauengestalt bemerkt zu haben glaubte.

»War es Brunhilde, welche mir noch einen Abschiedsblick zusandte?«

Eine bestimmte Antwort auf diese sich selbst vorgelegte Frage mochte ihm wohl eine innere Stimme ertheilt haben, denn seine anfangs umdüsterten Züge klärten sich auf, und wenn auch nicht besonders wohlgemuth, so doch wenigstens zufrieden und entschlossen ritt er zum Thore hinaus und in der Richtung nach Friedland weiter.

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- 15. -

Verrechnet.

Auf Garlosen herrschte seit einigen Tagen ein arges Treiben und die große Anzahl der im Hofe sich tummelnden Gewappneten ließ darauf schließen, daß nicht nur demnächst eine Fehde auszutragen sei, sondern daß der Strauß auch mit einem gewaltigen Gegner aufgenommen werden sollte. Außer den Mannen der Besitzer von Garlosen waren auch noch Knappen eines fremden Ritters bemerkbar, und der Ausruf des einen der Kriegsknechte gab bald genügenden Aufschluß darüber, wer mit den auf dem festen Schlosse hausenden Rittern, die in Folge ihrer, den Landfrieden nichts weniger als dienenden Beschäftigung dem Markgrafen Friedrich immer verhaßter wurden, gemeinschaftliche Sache zu machen beabsichtigte.

»Beim Heyso von Steinfurth,« rief der eine Knecht, »habt Ihr also auch seit langer Zeit keinen lustigen Tanz mehr aufzuführen gehabt? Dann tröstet Euch nur mit uns hier auf Garlosen. Ritter Claus scheint seine Klinge verrosten zu lassen und auch die Herren von dem Kruge haben es seit vergangenem Herbst vorgezogen, auf Garlosen festzusitzen; denn irgend einem Kaufmanne seine Wagenladung und den Beutel etwas erleichtern oder einen zitternden Juden zum Teufel zu jagen und seine Schätze hier zu bergen, will mir als keine besondere Waffenthat dünken!«

»Ich kann Dir nur beistimmen, möchte Dir aber rathen, vorsichtiger in der Kundgebung deiner Ansichten zu sein, denn namentlich Claus von Quitzow scheint heut außergewöhnlich gereizt zu sein, und auch Herr Thomas von dem Kruge befindet sich in einer so bösen Stimmung, daß ich ihm gern aus dem Wege gehe. Ich freue mich, mit dem brummigen Ritter nichts thun zu haben.«

In der That hörte man in diesem Augenblicke die zornig scheltende Stimme des Ritter Thomas, vermochte indeß nur abgerissene Worte zu verstehen, nach welchen darauf geschlossen werden durfte, daß die auf den Abzug der Mannen bezüglichen Vorschriften nicht genügend befolgt worden waren.

Oder hatte Herr Thomas noch einen anderen Grund unzufrieden zu sein? Fast schien es so, denn auch die vier Ritter, welche im eifrigen Gespräch im Saale saßen und den Humpen so oft leerten, daß der alte Cuno, als er auf seinem Wege vom Saale in den Keller Balthasar begegnete, heute zum ersten Male seufzend erklärte, seine Kräfte reichten nicht mehr zum Dienste als Kellermeister aus, unterhielten sich keineswegs ruhig.

»Mir erscheint trotz Allem, was Ihr uns jetzt mitgetheilt habt, die ganze Sache verdächtig!« rief der alte Boldewin. »Der Markgraf sollte eine so bedeutende Summe Geldes durch eine Menge Reisige begleiten lassen, die vermöge ihrer großen Zahl nothwendig viel Aufsehen erregen und auf den hohen Werth der unter ihrem Schutze stehenden Sendung aufmerksam machen muß? Nein, Freunde, das will mir nicht einleuchten!«

»Wenn ich Euch aber noch einmal sage,« nahm Ritter Heyso von Steinfurth erregt das Wort, »daß meine Kundschafter in Berlin mir als ganz bestimmt mitgetheilt haben, der Markgraf erwarte in nächster Zeit bereits die Geldsendung und habe auch schon sichere Leute aus seiner Umgebung nach Hamburg gesandt, welche den Transport begleiten sollen, dann dächte ich doch wahrhaftig, es wäre an der Zeit, Zweifel in die Richtigkeit meiner Nachrichten aufzugeben!«

»Weshalb aber kehrt Pater Eusebius nicht zurück?« fragte Herr Claus bedächtig. »Der schlaue Pfaffe weiß sich doch sonst überall durchzuhelfen. Sollte ihn hier sein gewöhnliches Glück verlassen haben und er verunglückt sein?«

»Das glaube ich weniger,« erwiderte der alte Boldewin. »Viel wahrscheinlicher scheint es mir, der Pater ist nicht vorsichtig genug gewesen und in die Gewalt irgend eines unserer Gegner gerathen.«

»Beim Teufel!« brauste Heyso von Steinfurth ungeduldig auf. »Wenn ich Euch nicht so genau kennte und wenn ich nicht wußte, daß Furcht Euch unbekannt ist, dann würde ich behaupten, Ihr bangtet vor den Säbeln der Markgräflichen! Der Gedanke aber, Ritter Boldewin von dem Kruge scheue vor einem Kampfe zurück, ist zu - zu - sonderbar, als daß ich ihn nicht sofort unterdrücken müßte. Sprecht offen, alter Freund, was flößt Euch Besorgnisse


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ein? Weshalb sucht Ihr die Möglichkeit von Gefahren hier besonders hervorzuheben, die uns bei jedem Strauße bedrohen? Erinnert Euch doch daran, daß wir in weit gefährlicheren Fällen als hier unbedenklich zum Angriff geschritten sind und in diesen stets so glänzend gesiegt haben, daß es geradezu unklug wäre, den Markgräflichen gegenüber zu zagen!«

»Habt Ihr vielleicht auch Kunde erhalten, ob und welche Herren der Ritterschaft dem Markgrafen zur sicheren Ueberführung des Schatzes behilflich sein werden?«

»Außer dem Bischof wird er schwerlich fremde Hülfe aufgeboten haben.«

»Ihr meint Herrn Johannes von Waldow auf Ziesar, den Bischof von Brandenburg?«

»Denselben! Nun, ich denke, mit dem Herrn werden wir auch noch fertig werden!«

»Ohne Zweifel wird der Bischof den Stiftshauptmann von Röder mit der Aufgabe, für sicheres Geleit zu sorgen, betrauen oder meinetwegen auch betraut haben. Röder aber ist ein gar schlauer Cumpan und wird uns, wenn wir nicht die äußerste Wachsamkeit hegen, sicher hinters Licht führen. Es ist Euch doch wohl Allen bekannt, in welcher Weise der tapfere Caspar Gans zu Putlitz in die Gewalt des Bischofs gerieth?«

»Gewiß! gewiß!«

»Wißt Ihr denn aber auch,« fuhr Heyso ingrimmig fort, »daß Herr Caspar, der ehemalige Freund der Quitzowe und einer der tapfersten und gefürchtetsten Ritter im ganzen Lande durch die höllischen Ueberredungskünste des gewandten Johannes von Waldow zu einem Anhänger des einst von ihm so sehr wie von uns gehaßten Markgrafen gemacht worden ist?«

»Hölle und Teufel!« brüllte der junge Boldewin und schlug mit der Faust auf die starke Eichenplatte des Tisches, daß die Krüge in's Schwanken geriethen.

Ritter Claus von Quitzow aber starrte Heyso von Steinfurth sprachlos an. Diese Nachricht schien sein Blut erstarren gemacht zu haben, denn er ließ die halberhobene Hand, mit welcher er den Krug ergreifen wollte, ein paar Augenblicke in derselben Haltung, gleich als sei er unfähig jeder Bewegung.

Bald indeß kam mit erneuter Kraft Leben in den Ritter.

Mit bei seiner erstaunlichen Körperfülle auffallender Schnelligkeit erhob er sich und stieß glühend vor innerer Erregung hastig hervor:

»Hrrr! Hm! Wer hat Euch diese teuflischen Lügen erzählt? Nennt mir den Schuft, damit ich ihm den Lohn für seine Verleumdung auszahlen kann. Wie heißt der Hallunke, der sich an der Ehre meines Freundes zu vergreifen wagt? Sprecht, oder ich binde mit Euch an!«

Ruhig, Freund Claus,« erwiderte Herr Heyso ernst, »an der Ehre Eures Freundes, der ja auch der meinige war, makelt Niemand, Ihr werdet Eure Drohung jedenfalls zurücknehmen, wenn Ihr hört, daß ich durch keinen Geringeren als den Schwiegersohn des Herrn Caspar, Herrn Wichard von Rochow, die Nachricht von dem Uebergange Caspar's in das Lager der Markgräflichen erhalten habe!«

Längere Zeit herrschte jetzt ein dumpfes Schweigen. Ritter Claus sah finster vor sich hin. Er zweifelte nun selbst nicht mehr an der Wahrheit der Mittheilung Heyso's, wagte aber, trotzdem ihm noch unerklärlich war, durch welche Umstände der seitherige erbitterte Gegner des Markgrafen bewogen worden sein könne, seine Gesinnung vollständig zu ändern, nach ausführlicheren Nachrichten zu fragen.

»Was wird Dietrich dazu sagen?« murmelte er endlich kopfschüttelnd, erhob sich und trat an das Fenster.

»Eure Mittheilung hat auch mich trübe gestimmt!« brummte Herr Thomas, »denn wenn solche Leute in ihrer Gesinnung wankend werden, und der Zoller versteht, einen Caspar Gans zu Putlitz für sich zu gewinnen, dann -«

»Nun, was wolltest Du noch sagen?« fragte der alte Boldewin, aus seinem Sinnen emporfahrend.

»Dann scheint es mir Pflicht zu werden, noch vorsichtiger zu handeln, als dies seither der Fall war!«

»Ha! Ha! Ha!« lachte der jüngere Boldewin ingrimmig auf; »ich verstehe, was das heißen soll. Leider kommt der Rath zu spät. Was nützt es uns, jetzt alle mögliche Vorsicht beobachten zu wollen, nachdem es möglich geworden ist, Gefangene uns hier aus dem Gefängnisse zu holen, ohne daß wir das Geringste von dem Eindringen Fremder bemerken!«

»Gegner sind hier eingedrungen, ohne daß Ihr diesen Einbruch wahrgenommen hättet?« fragte Heyso erstaunt. »Erzählt mir doch diesen interessanten Fall!«

Der ältere Boldewin kam dieser Aufforderung nach und theilte nun dem Fragenden die Befreiung Henning von Bismarcks und der übrigen Gefangenen durch einige in räthselhafter Weise in das feste Schloß eingedrungene Männer mit, wobei er indeß selbstverständlich das Vorhandensein eines geheimen Ganges übersah und aus Scham weiter auch verschwieg, daß der Befreier des Herrn von Bismarck ihn selbst in das Verließ gesperrt habe, aus dem er erst einige Stunden später, nachdem sein Ausbleiben aufgefallen, befreit worden sei.

»Hat man denn später nichts von den Befreiern und den Befreiten gehört?«

»Mehrere zu ihrer Verfolgung ausgesandte Männer sollen ihnen nicht weit von hier begegnet, von diesen aber unbegreiflicher Weise in die Flucht geschlagen worden sein!« -

Heyso von Steinfurth sah Herrn Boldewin ungläubig lächelnd an.

Diese Geschichte mochte ihm doch zu unwahrscheinlich klingen.

Herr Boldewin bemerkte dies und verstand auch, weshalb Herr Heyso dieser Erzählung wenig Glauben beizumessen schien. Er fuhr deshalb fort:

»Eure Zweifel werden wohl schwinden, wenn ich Euch sage, daß Balthasar und die besten meiner Knechte auf dem Kampfplatze gewesen sind. Henning von Bismarck ist durch einen Kämpen befreit worden, von dem selbst der unerschrockene Balthasar behauptet, er hätte ihm so zugesetzt, daß er, nachdem alle Anderen die Flucht ergriffen, zu seiner eigenen Rettung zum Rückzug gezwungen worden sei!«

Ritter Claus hatte dieser Unterhaltung wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Seine Gedanken weilten ohne Zweifel bei dem aus Gott weiß welchem Grunde zu den Feinden übergegangenen Freunde, und die Kräftigung der Markgräflichen durch einen Ritter vom Schlage eines Caspar Gans zu Putlitz erfüllte ihn mit so hoher Bitterkeit


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und beschäftigte sein Denken in so bedeutendem Grade, daß er sogar das Trinken vergaß.

Erst als der Name seines Leibknappen genannt wurde und Herr Boldewin von der Flucht desselben sprach, horchte er aufmerksamer und wandte sich langsam zu den am Tische sitzenden Herren:

»Ich habe, was nicht gerade oft vorkommt, viel über diesen Vorfall nachgedacht und bin zu dem Schlusse gekommen, daß, wenn nicht etwa gar einer der Knechte, dann sicher der heillose Pfaffe hier seine Hand im Spiele gehabt hat!«

»Nein, Bruder!« fiel ihm der ältere Boldewin in's Wort. »Dem Pater Eusebius thust Du mit diesem Verdacht entschiedenes Unrecht. Bedenke doch, daß er einer der erbittertsten Gegner des Markgrafen ist und daß er seinem ganzen seitherigen Verhalten nach einer der Letzten sein dürfte, die ihre Hand zur Befreiung Hennings von Bismarck, des Freundes des Zoller, bieten würden. Nein, nein! Pater Eusebius steht zu sehr auf unserer Seite, als daß wir ernstlich Verdacht gegen ihn hegen dürfen. Er ist zwar ein Pfaffe, hält aber doch treu zu uns!«

»Weshalb wollen wir uns um etwas streiten, was längst abgethan ist?« murrte Herr Thomas. »Dafür, daß uns ein gleicher Streich nicht ein zweites Mal gespielt werden kann, ist, wie ich denke, gesorgt, und wir können demnach in dieser Beziehung vollkommen unbesorgt zu erforschen suchen, wie stark die Leute sind, welche Herrn Friedrich das Geld überbringen sollen, das in unseren Besitz gelangen muß! Die ausgestellten Wachen werden hoffentlich ihre Schuldigkeit thun und uns rechtzeitig benachrichtigen!«

In diesem Augenblick ertönte das Horn des Thurmwarts.

Die Ritter sahen erstaunt auf und der jüngere Boldewin eilte hinaus, um zu erfahren, wer der Ankommende sei.

Kaum war er im Hofe angelangt, als der Thurmwart die Zugbrücke niederließ, das Thor öffnete und Herr Werner von Holzendorff, gefolgt von einem Knechte, in den Hof hereinritt.

Der jüngere Boldewin, welcher den Ritter empfangen und begrüßen wollte, blieb, als er denselben erkannte, auf das Höchste, aber freudig überrascht, stehen.

Die Ankommenden waren inzwischen abgestiegen und der Ritter trat, während sein Knecht die Pferde dem Stalle zuführte, dem seine Freude über diesen Besuch unverhohlen zeigenden Junker näher.

Dieser raffte sich endlich empor.

»Holzendorff, ich grüße Euch und bitte, mir in den Saal zu folgen.«

»Wen werde ich dort finden?« lautete die trockene Erwiderung dieser Begrüßung.

Der Junker ließ die sichtliche Erregung des Ritters unbeachtet und gab in bereitwilligster Weise die verlangte Auskunft.

Beide schritten sodann schweigend die Treppe hinan dem Saale zu.

Herr Claus eilte nach dem ersten Blick auf den Eintretenden diesem entgegen und auch die andern drei Ritter erhoben sich.

»Willkommen, Werner!«

»Willkommen, Ritter!« schallte es durch einander und es dauerte ein paar Minuten, bis der durch diesen Empfang augenscheinlich berührte Ankömmling zum Worte gelangte.

»Ihr werdet Euch wundern, Freunde, mich im Augenblick hier zu sehen, nachdem Ihr doch sicher von dem Verfahren des Markgrafen gegen mich gehört haben werdet!«

»Hrrr! Hm!« erwiderte Herr Claus von Quitzow, »ich weiß, daß der Zoller Euch an den Kragen möchte, dafür, daß Ihr unserm armen Dietrich durchgeholfen habt. Man hat Euch da in Spandau einen Prozeß gemacht und beabsichtigt, Euch von Bötzow weg zu bringen, doch denke ich, es wird dem Markgräflein nimmer gelingen!«

»Auch haben wir davon gehört, in welch' unerhörter Weise der kleine Zoller gegen Euch vorzugehen wagt,« bemerkte Herr Thomas von dem Kruge, »und wir werden Alle bereit sein, Euch Hülfe zu bringen für den Fall, daß man gegen Euch ernstlich vorzugehen wagt!«

»Ich danke Euch für Eure freundliche Zusicherung, Freunde,« sprach nun Werner von Holzendorff ernst, »glaube auch, daß ich dieser Hülfe sehr dringend benöthigt sein würde, wenn ich nach dem, was neuerdings vorgefallen, unvorsichtig genug wäre, mich nicht rechtzeitig vorzusehen!«

»Was ist Euch denn noch Uebles zugestoßen?« fragte Claus von Quitzow, weniger besorgt als neugierig.

Herr Werner mochte dies wohl beachtet haben, denn er erwiderte ziemlich scharf:

»Eure Frage oder vielmehr der Ton, in welchem Ihr gefragt habt, Freund Claus, zeigt mir, daß Euch die neuesten Vorgänge zwischen Dietrich und dem Markgrafen und in welche peinlichen Vorfälle ich verflochten bin, unbekannt sind!«

»Hrrr! Hm! Zwischen Dietrich und dem Markgrafen? Sind die Beiden etwa noch einmal an einander gerathen? Ich weiß außer Eurem Prozeß kein Wort von einem neuerdings geschehenen ernsten Zusammenstoß mit dem Burggräflein, und dem Herrn Heyso wie den Herren von dem Kruge wird von den neuesten Vorfällen ohne Zweifel nicht mehr bekannt sein, wie mir. Erzählt uns deshalb nur rasch, was Ihr Neues wißt! Viel Gutes wird es nicht sein, da ja unser ärgster Feind mit Eurer Neuigkeit in Verbindung steht!«

»Ihr habt allerdings recht gerathen,« erwiderte Herr Werner bitter, »daß von dem Nürnberger Grafen nichts Gutes kommen kann. Doch hört. Vielleicht habt Ihr erfahren, daß ich Dietrich nach der Einnahme Friesack's erst aus den Händen Suteminn's zu helfen vermochte und ihn dann in Neumühl untergebracht habe!«

»Das Erstere ist uns gar nicht, das Letztere aber nur so weit bekannt, daß wir wissen, Ihr habt unserm Freund und meinem Vetter Dietrich aus arger Noth geholfen und mannhaft zu ihm gehalten, selbst dann noch, als der Markgraf Euch deshalb vor Gericht forderte -«

»Wohin ich aber nicht gegangen bin aus Gründen, die ich Euch wohl nicht erst erörtern darf. Es wäre ja nutzlos, ja sogar thöricht gewesen, mich vor einem Gericht zu vertheidigen, von dem ich im Voraus wußte, daß ich nach dem Willen des Grafen verurtheilt werden würde. Hört deshalb nur weiter: Der Urtheilsspruch, der nach dem Klageantrage ausgefallen ist, wird ohne Zweifel bald vollstreckt werden, denn ich habe keinen Einspruch erhoben und vermochte auch abgesehen davon, daß ich dem Freunde das ihm gegebene Versprechen, mein Möglichstes zu seiner


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Rettung zu thun, gehalten habe, in der That der Klage nichts entgegenzustellen. Das Urtheil lautet auf Entsetzung von den Lehensgütern - ein Entscheid, der mich wenig anzufechten vermag, denn Herr Friedrich wird sich wohl nur schwer entschließen, mich mit Gewalt von Bötzow zu vertreiben. Er weiß zu gut, daß ich in diesem Falle erst dann der Uebermacht weichen würde, wenn Bötzow vor meinen Augen in Trümmer geht. Inzwischen hat sich aber etwas ereignet, das den Nürnberger Burggrafen zur höchsten Wuth gereizt haben muß und mir gerathen erscheinen läßt, mich bald nach Hilfe umzuschauen!«

»Hrrr! Hm!« räusperte sich Claus, »Werner, rechnet auf mich!«

»Auch ich biete Euch meine Hilfe an, Ritter Werner!« rief Heyso von Steinfurth und die Herren von dem Kruge versicherten dem bedrängten Ritter nicht minder entschieden ihre Bereitwilligkeit, ihre Mannen zu seinem Gunsten aufbieten zu wollen.

»Ich danke Euch, Freunde,« erwiderte Werner von Holzendorff, wobei ein Schimmer der Freude seine wetterharten Züge überflog, »Euer Anerbieten ermuthigt mich, auf dem betretenen Wege fortzugehen und in dem sich nun entspinnenden Kampfe, dessen Ausgang nur Sieg oder Tod sein kann, festzustehen. Doch vernehmt, was ferner vorgefallen und wodurch der Burggraf in besondere Wuth gebracht worden ist. Dietrich hatte in seinem Versteck auf Neumühl eines Tages Gelegenheit, zu hören, daß er dort nicht mehr sicher vor Verräthern sei; der vom Burggräflein auf Dietrichs Kopf gesetzte Preis drohte, selbst Knechte zu elendem Thun zu verleiten, und ich brachte deshalb unsern unglücklichen Freund nach Grabsdorf, wo ich ihn, falls er sich nicht selbst verriethe, sicher vor Entdeckung wußte.

»Dort begegnete er eines Tages, während er in der Kleidung eines Knechtes zur Verbringung der Zeit auf dem Felde beschäftigt war, einer Jagdgesellschaft, die vom rechten Wege abgekommen sein mochte, denn sie zwang Dietrich, sie eine Strecke weit zu führen.

»Keiner der Reiter hatte Dietrich erkannt, dieser aber mußte aus dem lautgeführten Gespräch derselben entnommen haben, daß und welcher der Herren der Sohn des Burggrafen, Prinz Johann, sei. Welche Gedanken unsern Freund in dem Augenblicke beseelt haben müssen, als er den Sohn seines Todfeindes in nächster Nähe vor sich erblickte, läßt sich nur ahnen, und Jeder, der Dietrich von Quitzow kennt, wird es erklärlich finden, daß er sofort, und selbst in der bedenklichen Lage, in welcher er sich befand, einen Plan erwog, in welcher Weise er diese günstige Gelegenheit, einen Hauptschlag gegen seinen Gegner zu führen, am zweckmäßigsten benutzen könne.

»Der Bauer, in dessen Behausung ich Dietrich untergebracht hatte, will den ganzen Vorfall von einem Verstecke aus angesehen haben und erzählt mir weiter Folgendes:

Wenige Schritte von Grabsdorf entfernt sei ein Ritter, gefolgt von mehreren anderen Herren und Knappen, aus dem Walde hervor und der Jagdgesellschaft entgegengesprengt, habe, bei diesem angekommen, plötzlich sein Pferd angehalten und ein paar Worte, die dem Horcher aber unverständlich geblieben sind, gesprochen, worauf Dietrich sich blitzschnell auf das Pferd des einen Ritters geschwungen und mit diesem davongeritten sei.

Die übrigen Reiter seien durch diesen kühnen Streich einen Augenblick so verblüfft geworden, daß sie dem Flüchtling starr nachgeschaut hätten. Wohl wären sie im nächsten Moment ihm, so schnell die Pferde zu laufen vermochten, nachgeeilt. Dietrich habe aber inzwischen einen zu bedeutenden Vorsprung erreicht, als daß an seine Ergreifung durch die Verfolger ernstlich zu denken gewesen!«

»Und der überrumpelte Reiter, den der wackere Dietz auf dessen eigenem Pferde aus der Zahl seiner Freunde herausnahm und entführte, hieß?«

»Prinz Johann, der Sohn des Burggräfleins!«

»Donnerwetter!« schrie Heyso von Steinfurth, »das war ein Meisterstück!« und Ritter Claus rief:

»Hrrr! Hm! Unserm Dietz kommt doch bei allen Teufeln so leicht Keiner gleich. Es ist ein Satanskerl, den ich jetzt hier zu sehen wünschte!«

Auch der alte, bedächtige Boldewin stimmte in die lauten Lobeserhebungen ein, die dem kühnen, verwegenen Dietrich von Quitzow gezollt wurden, und fragte, nachdem die freudige Erregung sich weniger laut zu äußern begann und die durch Dietrichs Gewaltstreich entflammten Gemüther der Ritter sich mehr beruhigt hatten, neugierig und lächelnd:

»Hoffentlich ist es Ritter Dietrich gelungen, seinen Raub an einem sicheren Orte zu bergen und eine Stätte zu finden, von der aus er, geschützt vor den Anhängern des Nürnberger Grafen, mit diesem ein ernstes Wort zu sprechen vermag. Bei der Umsicht und der staunenswerthen Kühnheit Dietrich's bezweifle ich keinen Augenblick, daß er heut schon dieses Ziel erreicht und Unterhandlungen mit Herrn Friedrich eingeleitet hat!«

»Das glaube ich auch,« meinte Herr Thomas, »und möchte erfahren, wo er sich hingewandt hat!«

»Hrrr! Hm!« bemerkte Ritter Claus, »das wird uns schwerlich lange Zeit verborgen bleiben. Vorläufig können wir zufrieden sein, zu wissen, daß er unserem gemeinsamen Feinde einen so gewaltigen Streich gespielt hat! Hören wir jetzt vor allen Dingen erst, was Freund Werner uns noch mitzutheilen hat. Da Grabsdorf auf Eurem Gebiete liegt, scheint mir etwaige Besorgniß Eurerseits nicht ganz unberechtigt zu sein!«

»Will's meinen!« erwiderte Ritter Werner ernst. »Unter den Begleitern des Prinzen ist, so viel ich erfahren habe, Nymand von Löben gewesen. Dieser ist einer meiner erbittertsten Gegner und er soll sofort bemüht gewesen sein, mich als Denjenigen hinzustellen, welchem die Hauptschuld an der Entführung des Prinzen beizumessen sei. Ich gebe nun zwar gern zu, daß ich Dietrich in Grabsdorf ein Asyl verschafft und daß ich, wäre ich in Dietrichs Lage und hätte an dem fraglichen Tage gleich ihm Gelegenheit gehabt, mich an meinem furchtbarsten Feinde zu rächen, keinen Augenblick länger, als unumgänglich nöthig, gezögert haben würde, dem Gegner einen gewuchtigen Schlag zu versetzen. Leider habe ich in diesem Falle aber meinem Freunde nicht zu zeigen vermocht, daß ich das Geschehene vollkommen billige und soll mir nun ein Verdienst zuertheilen lassen, das mir nicht zusteht. Der Burggraf von Nürnberg hat sich der Ansicht seiner Ohrenbläser angeschlossen und beabsichtigt, wie meine Freunde in Potsdam mir heut' mitgetheilt haben, Rache zu üben.«


Ende des dreiundzwanzigsten Teils - Fortsetzung folgt.



Karl May: Der beiden Quitzows letzte Fahrten