Decker - Hesse - May
Verfasst: 20.4.2012, 19:13
Gunnar Deckers dickleibiges (ca. 700 Seiten) Hesse-Buch ist lesenswert (mit kleinen Abstrichen; Deckers unübersehbares Problem mit dem Thema Gott sowie seine persönlichen, manchmal recht emotional eingefärbten Ansichten z.B. in Sachen Erziehung kommen manchmal sozusagen ein wenig aufdringlich daher ... (es war halt früher nicht alles schlecht, alles hat so seine Vor- und Nachteile, und was heute so abläuft ist nun nicht unbedingt wirklich besser ...))
Immer wieder deutlicher May-Bezug, ohne daß das indes beabsichtigt wäre, der Name May fällt insgesamt nur 1 x, in minder wesentlichem Zusammenhang, und gemeint ist er bei den zahlreichen Bezügen auch nicht direkt, dennoch springen sie sozusagen ins Gesicht ...
Schauen wir’s uns diesbezüglich mal an,
Hesse habe mit der Welt „auf seine Weise – und bevorzugt schriftlich“ verkehrt ... (S. 12)
„Mancher, der nicht zum Mörder werden will, wird dabei zum Gärtner“ (S. 13)
„ein notorisch reizbarer Einzelgänger, der andere Menschen – sogar die eigenen Ehefrauen – immer nur in gehöriger Distanz zu ertragen vermag“ (S. 13)
„Immer behält er dabei die janusköpfige Natur, vor allem die eigene, im Blick. Wer diese Natur verleugnet, entfremdet sich von sich selbst“ (S. 13)
„Da demonstriert einer sein Leben lang, dass er nur sich selbst gehört. Das macht einsam, aber auch stark.“ (S. 17)
Die Wertschätzung durch Soft-68er, Hippies u.dgl., „auch das ist am Ende ein Mißverständnis“ (S. 19) Wohl wahr. (Im „Steppenwolf“ [z.B.] geht es darum, die geschilderten Befindlichkeiten zu überwinden, nicht sozusagen zu beweihräuchern.) (So nicht direkt übertragbar, aber auch etliche Anhänger Mays sitzen sozusagen eher einem Mißverständnis auf ...)
„Gebrochene Idyllen“, „bedrohliche Geborgenheiten“, „leidvolle Abbrüche“ (S. 23)
Hesses Aufenthalt in der Nervenheilanstalt (bei May Gefängnis): „Der wäre um ein Haar dauerhaft gewesen, wenn er sich nicht - im letzten Moment – die Maske der Reue und Demut aufgesetzt hätte“ (S. 24) So kann man es nämlich auch sehen ...
„ein Ferment des Gottsuchertums, eine fraglose Gewissheit des Ungenügens an allen weltlichen Erfüllungen“ (S. 24)
„Aber im Nachhinein stellt sich die Nähe zur Mutter nicht her, die Beschwörung misslingt trotz bester Absichten“ (S. 39) !
„Es wächst in dem Kind ein Wissen: Die Dinge haben eine uns verborgene Seite, eine dunkel-drohende, eine dämonische“ (S. 48)
„Hesse ist davon überzeugt [...] daß der Mensch lebenslang von dem zehrt, was er in der Kindheit erfahren hat. Dieser erste Blick auf die Dinge prägt alles spätere Wieder-Sehen“ (S. 53)
„Man muß das Innen gegen den rüden Zugriff des Außen schützen, ist eine der Grunderfahrungen seines Lebens“ (S. 55)
„Kindheit: nie Idylle, immer Auch Abgrund.“ (S. 55) „Es ist jene Phase seines Lebens, da die Außenwelt ihn bis an den Rand des Zerbrechens bringt.“
„das Gute nicht ohne das Böse“, „das Schöne nicht ohne das Hässliche“ (S. 67)
„die Wunde ist vernarbt, jedoch schief“ (S. 69; zwar ein von Decker wiedergegebenes Heiner Müller – Zitat zu Heine, aber sehr schön und passend wiederum zu Hesse wie May.)
„Er erlebt mit Frauen nur, was er bereits gelesen hat, und wenn er dann wiederum schreibend hierauf als einer Erfahrung zurückgreift, schließt sich der Kreise der Fiktionen“ (S. 78)
„H.H. benimmt sich [...] unterschiedlich, duckt sich ein wenig und bläst sich dann wieder schönstens auf“ (Bericht von Hesses Großvater, S. 83)
„Aber wohin nun mit Hermann, einem abgebrochenen Maulbronner Klosterschüler, der, immer wenn er nicht weiterweiß, fortläuft“ ... (S. 83)
„er wird auch lernen, daß man einer gefährlichen Umwelt gegenüber nicht immer offen revoltieren darf“ (S. 87, vgl. Roland Schmid in der Vorbemerkung zu GW 72 „Schacht und Hütte“: "May hat natürlich bald gemerkt, daß er mit der unmittelbaren Anprangerung gesellschaftlicher Mißstände der Öffentlichkeit wenig Nutzen, sich selber aber nur Schaden bringen konnte. So verlegte er bereits seit 1879/80 die Schauplätze seiner Erzählungen fast ausnahmslos ins Exotische. [...] Es war nur ein exotisches Gewand, das nunmehr seine im Innern 'rein deutschen' Erzählungen kleidete." )
„Er wird lernen, was jeder, der zum Außenseiter wird, schnell lernt: sich vor der Welt zu verbergen, um er selbst bleiben zu können“ (S. 87)
„‘Vater‘ ist doch ein seltsames Wort, ich scheine es nicht zu verstehen. Es muß jemand bezeichnen, den man lieben kann und liebt, so recht von Herzen. Wie gern hätte ich eine solche Person!“ (Hessezitat, S. 89). Wir denken an Mohammed Emin ... (der ihn in Band 3 indes ebenfalls 'verrät' im Sinne von heftig enttäuscht (ent-täuscht).) Und wir denken an das „treue Vaterauge“ in einem Gedicht im „Verlornen Sohn“, dort m.E. eher noch schwerpunktmäßig sarkastisch oder auch zynisch „besetzt“, in den „Himmelsgedanken“ dann allerdings ganz und gar nicht mehr ...
„die Zeitbestimmung ist der Logik der Dichtung folgend für Hesse austauschbar“ (S. 92), wir denken an die Snuffles u.a. ...
„der Schrei eines zu Eigenem Aufgebrochenen, der nun nicht mehr zurückkann in den Schutz jener heilen und behüteten Welt, [...] an die er nun nicht mehr glauben kann“ ... (S. 94)
„Wie wird man ein Dichter, wenn man in den Augen seiner Umwelt nicht viel mehr ist als ein schwer verhaltensgestörter entlaufener Zögling ? Indem man sich Schritt für Schritt die Ernsthaftigkeit der eigenen Ambitionen von denen bestätigen lassen muß, denen man schreibend gerade zu entkommen versucht ? Das ist der Zirkel, in dem sich der Sechzehnjährige gefangen sieht.“ (S. 102) Bei May war’s bissel später.
„Er will die immer wieder behauptete Liebe, die er für einen abstrakten Allgemeinplatz hält, an sich spüren, gerade dann, wenn er es allen am schwersten macht, ihn zu lieben.“ (S. 104)
(wird fortgesetzt)
Immer wieder deutlicher May-Bezug, ohne daß das indes beabsichtigt wäre, der Name May fällt insgesamt nur 1 x, in minder wesentlichem Zusammenhang, und gemeint ist er bei den zahlreichen Bezügen auch nicht direkt, dennoch springen sie sozusagen ins Gesicht ...
Schauen wir’s uns diesbezüglich mal an,
Hesse habe mit der Welt „auf seine Weise – und bevorzugt schriftlich“ verkehrt ... (S. 12)
„Mancher, der nicht zum Mörder werden will, wird dabei zum Gärtner“ (S. 13)
„ein notorisch reizbarer Einzelgänger, der andere Menschen – sogar die eigenen Ehefrauen – immer nur in gehöriger Distanz zu ertragen vermag“ (S. 13)
„Immer behält er dabei die janusköpfige Natur, vor allem die eigene, im Blick. Wer diese Natur verleugnet, entfremdet sich von sich selbst“ (S. 13)
„Da demonstriert einer sein Leben lang, dass er nur sich selbst gehört. Das macht einsam, aber auch stark.“ (S. 17)
Die Wertschätzung durch Soft-68er, Hippies u.dgl., „auch das ist am Ende ein Mißverständnis“ (S. 19) Wohl wahr. (Im „Steppenwolf“ [z.B.] geht es darum, die geschilderten Befindlichkeiten zu überwinden, nicht sozusagen zu beweihräuchern.) (So nicht direkt übertragbar, aber auch etliche Anhänger Mays sitzen sozusagen eher einem Mißverständnis auf ...)
„Gebrochene Idyllen“, „bedrohliche Geborgenheiten“, „leidvolle Abbrüche“ (S. 23)
Hesses Aufenthalt in der Nervenheilanstalt (bei May Gefängnis): „Der wäre um ein Haar dauerhaft gewesen, wenn er sich nicht - im letzten Moment – die Maske der Reue und Demut aufgesetzt hätte“ (S. 24) So kann man es nämlich auch sehen ...
„ein Ferment des Gottsuchertums, eine fraglose Gewissheit des Ungenügens an allen weltlichen Erfüllungen“ (S. 24)
„Aber im Nachhinein stellt sich die Nähe zur Mutter nicht her, die Beschwörung misslingt trotz bester Absichten“ (S. 39) !
„Es wächst in dem Kind ein Wissen: Die Dinge haben eine uns verborgene Seite, eine dunkel-drohende, eine dämonische“ (S. 48)
„Hesse ist davon überzeugt [...] daß der Mensch lebenslang von dem zehrt, was er in der Kindheit erfahren hat. Dieser erste Blick auf die Dinge prägt alles spätere Wieder-Sehen“ (S. 53)
„Man muß das Innen gegen den rüden Zugriff des Außen schützen, ist eine der Grunderfahrungen seines Lebens“ (S. 55)
„Kindheit: nie Idylle, immer Auch Abgrund.“ (S. 55) „Es ist jene Phase seines Lebens, da die Außenwelt ihn bis an den Rand des Zerbrechens bringt.“
„das Gute nicht ohne das Böse“, „das Schöne nicht ohne das Hässliche“ (S. 67)
„die Wunde ist vernarbt, jedoch schief“ (S. 69; zwar ein von Decker wiedergegebenes Heiner Müller – Zitat zu Heine, aber sehr schön und passend wiederum zu Hesse wie May.)
„Er erlebt mit Frauen nur, was er bereits gelesen hat, und wenn er dann wiederum schreibend hierauf als einer Erfahrung zurückgreift, schließt sich der Kreise der Fiktionen“ (S. 78)
„H.H. benimmt sich [...] unterschiedlich, duckt sich ein wenig und bläst sich dann wieder schönstens auf“ (Bericht von Hesses Großvater, S. 83)
„Aber wohin nun mit Hermann, einem abgebrochenen Maulbronner Klosterschüler, der, immer wenn er nicht weiterweiß, fortläuft“ ... (S. 83)
„er wird auch lernen, daß man einer gefährlichen Umwelt gegenüber nicht immer offen revoltieren darf“ (S. 87, vgl. Roland Schmid in der Vorbemerkung zu GW 72 „Schacht und Hütte“: "May hat natürlich bald gemerkt, daß er mit der unmittelbaren Anprangerung gesellschaftlicher Mißstände der Öffentlichkeit wenig Nutzen, sich selber aber nur Schaden bringen konnte. So verlegte er bereits seit 1879/80 die Schauplätze seiner Erzählungen fast ausnahmslos ins Exotische. [...] Es war nur ein exotisches Gewand, das nunmehr seine im Innern 'rein deutschen' Erzählungen kleidete." )
„Er wird lernen, was jeder, der zum Außenseiter wird, schnell lernt: sich vor der Welt zu verbergen, um er selbst bleiben zu können“ (S. 87)
„‘Vater‘ ist doch ein seltsames Wort, ich scheine es nicht zu verstehen. Es muß jemand bezeichnen, den man lieben kann und liebt, so recht von Herzen. Wie gern hätte ich eine solche Person!“ (Hessezitat, S. 89). Wir denken an Mohammed Emin ... (der ihn in Band 3 indes ebenfalls 'verrät' im Sinne von heftig enttäuscht (ent-täuscht).) Und wir denken an das „treue Vaterauge“ in einem Gedicht im „Verlornen Sohn“, dort m.E. eher noch schwerpunktmäßig sarkastisch oder auch zynisch „besetzt“, in den „Himmelsgedanken“ dann allerdings ganz und gar nicht mehr ...
„die Zeitbestimmung ist der Logik der Dichtung folgend für Hesse austauschbar“ (S. 92), wir denken an die Snuffles u.a. ...
„der Schrei eines zu Eigenem Aufgebrochenen, der nun nicht mehr zurückkann in den Schutz jener heilen und behüteten Welt, [...] an die er nun nicht mehr glauben kann“ ... (S. 94)
„Wie wird man ein Dichter, wenn man in den Augen seiner Umwelt nicht viel mehr ist als ein schwer verhaltensgestörter entlaufener Zögling ? Indem man sich Schritt für Schritt die Ernsthaftigkeit der eigenen Ambitionen von denen bestätigen lassen muß, denen man schreibend gerade zu entkommen versucht ? Das ist der Zirkel, in dem sich der Sechzehnjährige gefangen sieht.“ (S. 102) Bei May war’s bissel später.
„Er will die immer wieder behauptete Liebe, die er für einen abstrakten Allgemeinplatz hält, an sich spüren, gerade dann, wenn er es allen am schwersten macht, ihn zu lieben.“ (S. 104)
(wird fortgesetzt)