Am Rio de la Plata / In den Cordilleren
Verfasst: 20.1.2011, 23:18
In etwas ausführlicher Weise möchte ich hier mal ein paar Gedanken zu den beiden Südamerikabänden ins Forum setzen. Ob über die beiden Bücher hier schon mal diskutiert wurde, weiß ich nicht ...
Der Text ist nicht neu, hab ihn nur eben wiedergefunden unter meinen vielen Dateien auf dem PC und mir gedacht, der passt hier ins Forum gut rein.
Zunächst möchte ich dazu bemerken, dass ich die beiden Bände alles in allem zu den eher schwächeren Werken Karl May´s zähle (neben den Mahdi-Bänden)
Was nicht heißt, dass sie schlecht wären. Das zu sagen, wäre, glaub ich, falsch.
Sie haben durchaus ihre Stärken und Besonderheiten, die auch sie lesenswert machen.
Vor allem hebt sich dabei der Band „Am Rio de la Plata“ positiv hervor, mit der Militärgeschichte und der Situation, dass der Ich-Erzähler aufgrund seiner Ähnlichkeit mit einem südamerikanischen Politiker sozusagen zwischen die Fronten rivalisierender politischer Gruppen gerät und damit in diesem Band politische Ereignisse seiner Zeit thematisiert, wie er es sonst nirgendwo in seinen Reiseerzählungen vor 1900 gemacht hatte ( in den Münchmeyerromanen, v.a. in Waldröschen und Liebe des Ulanen thematisierte er auch politische Ereignisse seiner Zeit relativ intensiv) .
Auch in der Geschichte „Der Scout“ (bzw. Anfang von „Winnetou II“) wird das politische Geschehen (Juarez) nur nebenbei erwähnt, trotzdem Old Shatterhand ja eigentlich am Ort des Geschehens war.
Damit nimmt meines Erachtens der „Rio de la Plata – Band“ eine gewisse Sonderstellung ein.
Wenn ich aber für mich entscheiden sollte, welcher der beiden Bände mit besser gefällt, dann könnte ich diese Frage so nicht beantworten. Ich halte sie eher für gleichwertig, denn auch der Cordilleren-Band hat seine Besonderheiten, vor allem das immerhin interessante Verhältnis zwischen Charly und dem Sendador. Der Versuch in diesem Band, eine den Nordamerikaerzählungen ähnliche Abenteuergeschichte zu schreiben, ist in meinen Augen nur zum Teil geglückt, dafür aber hat er hier Passagen wie die um den alten Desierto und Unica, die dem Buch eine besondere Note verleihen.
Die Indios im allgemeinen kommen eher schlecht weg, die Sympathie, die May den nordamerikanischen Indianern entgegenbringt, spürt man hier in den Südamerikabänden nicht. Schade. An Quellenmaterial dürfte das nur zum Teil gelegen haben.
Ebenso aber haben beide Bände in meinen Augen erzählerische Längen, die das Lesen etwas erschweren und damit die Geschichte zum Teil regelrecht langweilig erscheinen lassen.
Betrachten wir uns noch ein paar der Personen, speziell zwei:
Frick Turnerstick: Bei ihm glaube ich, dass Karl May hier eines seiner erprobten Originale anderer Reiseerzählungen wiederverwenden wollte, um einerseits in bewährter Weise die Geschichte aufzulockern und um andererseits eine gewisse Verbindung zu seinen anderen Reiseerzählungen aufzubauen. Im Vergleich mit anderen Geschichten, in denen Turnerstick auftritt, konnte er sich hier aber nicht wirklich entfalten und wirkte in meinen Augen etwas fehl am Platze.
Bruder Jaguar: vom Ansatz her eine sehr interessante Figur, wird nach seinem ersten Erscheinen im Rio-de-la-Plata-Band (in dem er die Verfolger Charly´s vertreibt und sagt, sie fürchten sich vor ihm) nicht wirklich klar, was eigentlich so besonders an ihm ist, dass sich die Soldaten vor ihm fürchten. Es erschließt sich für mich absolut nicht, womit diese Angst begründet und gerechtfertigt ist.
Somit erscheint für mich auch der Bruder Jaguar (in keiner Weise vergleichbar mit Vater Jaguar im Inka-Band) in der konkreten Umsetzung eher langweilig.
Hat das vielleicht auch Karl May selber gemerkt, dass der Bruder ihm nicht so recht gelingen will und lässt er ihn deshalb über weite Strecken des Cordilleren-Bandes in der Gefangenschaft verschwinden? Aus der sich übrigens, wenn der Ansatz beibehalten geworden wäre, der Bruder mit Leichtigkeit selbst hätte befreien können müssen? Es wirkt beinah befremdlich, dass der Bruder Jaguar und die anderen Haudegen (hier v.a. Turnerstick und der Steuermann) sich nicht selbst haben herausschlagen können.
Andere Variante als Ursache für das Verschwinden in der Gefangenschaft: im ursprünglichen , im Plata-Band gestalteten Ansatz wäre bei Beibehaltung desselben der Bruder Jaguar zu einer Figur geworden, die alles in allem unseren Charly überragen könnte, zumindest in allen Fragen gleichwertig mit ihm wäre. Was in den Reiseerzählungen allgemein ein Novum geworden wäre, da hier immer Charly/Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi der Held war, dem sich alle anderen gern (?) unterordneten.
Gut ist an Jaguar sein Verhältnis zu den Indios geschildert, hier kommt mir aber der Missionar (und damit weniger der gleichberechtigte Freund) zu sehr durch.
Im großen und ganzen erscheint es schließlich so, dass Karl May seine bisherigen Reisegefährten regelrecht austauscht gegen Pena und ihm gegenüber haben wir endlich ein ähnliches Verhältnis, wie das von Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi oftmals gegenüber anderen Kameraden.
Am sympatischsten erscheinen mir übrigens die Yerbateros in dem Doppelroman.

Der Text ist nicht neu, hab ihn nur eben wiedergefunden unter meinen vielen Dateien auf dem PC und mir gedacht, der passt hier ins Forum gut rein.
Zunächst möchte ich dazu bemerken, dass ich die beiden Bände alles in allem zu den eher schwächeren Werken Karl May´s zähle (neben den Mahdi-Bänden)
Was nicht heißt, dass sie schlecht wären. Das zu sagen, wäre, glaub ich, falsch.
Sie haben durchaus ihre Stärken und Besonderheiten, die auch sie lesenswert machen.
Vor allem hebt sich dabei der Band „Am Rio de la Plata“ positiv hervor, mit der Militärgeschichte und der Situation, dass der Ich-Erzähler aufgrund seiner Ähnlichkeit mit einem südamerikanischen Politiker sozusagen zwischen die Fronten rivalisierender politischer Gruppen gerät und damit in diesem Band politische Ereignisse seiner Zeit thematisiert, wie er es sonst nirgendwo in seinen Reiseerzählungen vor 1900 gemacht hatte ( in den Münchmeyerromanen, v.a. in Waldröschen und Liebe des Ulanen thematisierte er auch politische Ereignisse seiner Zeit relativ intensiv) .
Auch in der Geschichte „Der Scout“ (bzw. Anfang von „Winnetou II“) wird das politische Geschehen (Juarez) nur nebenbei erwähnt, trotzdem Old Shatterhand ja eigentlich am Ort des Geschehens war.
Damit nimmt meines Erachtens der „Rio de la Plata – Band“ eine gewisse Sonderstellung ein.
Wenn ich aber für mich entscheiden sollte, welcher der beiden Bände mit besser gefällt, dann könnte ich diese Frage so nicht beantworten. Ich halte sie eher für gleichwertig, denn auch der Cordilleren-Band hat seine Besonderheiten, vor allem das immerhin interessante Verhältnis zwischen Charly und dem Sendador. Der Versuch in diesem Band, eine den Nordamerikaerzählungen ähnliche Abenteuergeschichte zu schreiben, ist in meinen Augen nur zum Teil geglückt, dafür aber hat er hier Passagen wie die um den alten Desierto und Unica, die dem Buch eine besondere Note verleihen.
Die Indios im allgemeinen kommen eher schlecht weg, die Sympathie, die May den nordamerikanischen Indianern entgegenbringt, spürt man hier in den Südamerikabänden nicht. Schade. An Quellenmaterial dürfte das nur zum Teil gelegen haben.
Ebenso aber haben beide Bände in meinen Augen erzählerische Längen, die das Lesen etwas erschweren und damit die Geschichte zum Teil regelrecht langweilig erscheinen lassen.
Betrachten wir uns noch ein paar der Personen, speziell zwei:
Frick Turnerstick: Bei ihm glaube ich, dass Karl May hier eines seiner erprobten Originale anderer Reiseerzählungen wiederverwenden wollte, um einerseits in bewährter Weise die Geschichte aufzulockern und um andererseits eine gewisse Verbindung zu seinen anderen Reiseerzählungen aufzubauen. Im Vergleich mit anderen Geschichten, in denen Turnerstick auftritt, konnte er sich hier aber nicht wirklich entfalten und wirkte in meinen Augen etwas fehl am Platze.
Bruder Jaguar: vom Ansatz her eine sehr interessante Figur, wird nach seinem ersten Erscheinen im Rio-de-la-Plata-Band (in dem er die Verfolger Charly´s vertreibt und sagt, sie fürchten sich vor ihm) nicht wirklich klar, was eigentlich so besonders an ihm ist, dass sich die Soldaten vor ihm fürchten. Es erschließt sich für mich absolut nicht, womit diese Angst begründet und gerechtfertigt ist.
Somit erscheint für mich auch der Bruder Jaguar (in keiner Weise vergleichbar mit Vater Jaguar im Inka-Band) in der konkreten Umsetzung eher langweilig.
Hat das vielleicht auch Karl May selber gemerkt, dass der Bruder ihm nicht so recht gelingen will und lässt er ihn deshalb über weite Strecken des Cordilleren-Bandes in der Gefangenschaft verschwinden? Aus der sich übrigens, wenn der Ansatz beibehalten geworden wäre, der Bruder mit Leichtigkeit selbst hätte befreien können müssen? Es wirkt beinah befremdlich, dass der Bruder Jaguar und die anderen Haudegen (hier v.a. Turnerstick und der Steuermann) sich nicht selbst haben herausschlagen können.
Andere Variante als Ursache für das Verschwinden in der Gefangenschaft: im ursprünglichen , im Plata-Band gestalteten Ansatz wäre bei Beibehaltung desselben der Bruder Jaguar zu einer Figur geworden, die alles in allem unseren Charly überragen könnte, zumindest in allen Fragen gleichwertig mit ihm wäre. Was in den Reiseerzählungen allgemein ein Novum geworden wäre, da hier immer Charly/Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi der Held war, dem sich alle anderen gern (?) unterordneten.
Gut ist an Jaguar sein Verhältnis zu den Indios geschildert, hier kommt mir aber der Missionar (und damit weniger der gleichberechtigte Freund) zu sehr durch.
Im großen und ganzen erscheint es schließlich so, dass Karl May seine bisherigen Reisegefährten regelrecht austauscht gegen Pena und ihm gegenüber haben wir endlich ein ähnliches Verhältnis, wie das von Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi oftmals gegenüber anderen Kameraden.
Am sympatischsten erscheinen mir übrigens die Yerbateros in dem Doppelroman.