Gott ist tot.

Hermann Wohlgschaft
Beiträge: 1035
Registriert: 20.6.2004, 20:59
Wohnort: Günzburg

Re: Gott ist tot.

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Gott ist tot. Es lebe der Übermensch - der intelligente, elitäre, privilegierte, akademisch-naturwissenschaftlich graduierte, maßlos überhebliche, u. U. rücksichtslose, nur an sich selbst denkende, unverblümt (oder auch unverschämt) materialistische, die dumme Masse verachtende, diese unwichtige Masse u. U. auch zerbombende Obermensch.

(Siehe einige der letzten posts im Thread ›für Abschweifungen aller Art‹. Allerdings bezieht sich - um Missverständnissen möglichst vorzubeugen - nicht jedes der obigen Adjektive uneingeschränkt auf bestimmte Mitdiskutanten. Th.M. z. B. will ich nicht unterstellen, dass er den totalen Bombenkrieg befürworte.)
Thomas Math
Beiträge: 1619
Registriert: 4.7.2006, 18:23
Wohnort: Minnesota USA

Re: Gott ist tot.

Beitrag von Thomas Math »

Gott ist tot. Es lebe der intelligente, elitäre, privilegierte, akademisch-naturwissenschaftlich gebildete an seine Familie und seine Freunde denkende, die Menschheit voranbringende , die dumme Masse ignorierende Mensch.
Jetzt wird ein Schuh draus ansonsten kann ich ihr theologisches Gewaesch nicht mehr ertragen ich habe schon Kopfschmerzen davon

(
Hermann Wohlgschaft
Beiträge: 1035
Registriert: 20.6.2004, 20:59
Wohnort: Günzburg

Re: Gott ist tot.

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Ich bewundere Sie. Sie sind ein toller Mensch. So richtig nach dem Herzen Nietzsches, eines der größten Philosophen in Absurdistan. :wink:
Zwockel

Re: Gott ist tot.

Beitrag von Zwockel »

Hermann Wohlgschaft hat geschrieben:Ich bewundere Sie. Sie sind ein toller Mensch. So richtig nach dem Herzen Nietzsches, eines der größten Philosophen in Absurdistan. :wink:
Darf ich das so verstehen, Herr Wohlgschaft, dass Sie von Nietzsche nicht allzu viel halten, seine Philisophie Ihnen nichts bedeutet? :o
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 7022
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Gott ist tot.

Beitrag von rodger »

Verachtet mir den Nietzsche nicht …

Karl May hat er auch imponiert, th’is clear, vertrat er doch ganz offen und ungeschminkt Positionen, die bei Karl May quer durchs Gesamtwerk auch immer wieder mal mehr oder weniger deutlich auftauchen, von „Ange et diable“ über Sendador, Old Wabble und wie sie alle heißen bis Ahriman Mirza, dem erkennbar durchschimmernden Respekt zu erweisen er keineswegs umhin kann.

Wenn wir uns den Briefwechsel mit dem Radikalinski Sascha Schneider ansehen, stellen wir fest, daß May auf des Gegenübers schwere Geschütze wie „Rindviecher“, „Idioten“, „Affen“ usw. niemals etwa empört, missionarisch bemüht oder sonstwie in der Richtung reagiert, sondern immer recht entspannt mit einem Gestus, den man in etwa mit den Worten ’Sie sehen das so und meinetwegen keineswegs „falsch“, ich für mein Teil habe mich [mittlerweile] für eine mildere Betrachtungsweise entschieden …’ umschreiben könnte …
markus
Beiträge: 3198
Registriert: 19.10.2007, 0:48
Wohnort: Krefeld

Re: Gott ist tot.

Beitrag von markus »

Der Nietzsche und der Hitler wurden im Film "Cocktail für eine Leiche" (Tavernenthread) erwähnt, glaube sogar in einem Atemzug. Es ging dabei auch um die Frage, wer wichtiger ist und wer unwichtiger und wer das entscheidet. Und einer der beiden Studenten meinte "wir, die Elite" und der Vater des Jungen, der am Anfang des Films von den beiden Studenten umgebracht wurde weil sie ihn für minderwertig hielten, meinte daraufhin, das erinnere ihn stark an Hitler oder Nietzsche. Aber der Student hielt dagegen, daß Hitler ein Wahnsinniger war und man ihn nicht mit ihm vergleichen kann (natürlich, wenn einer Orange sagt und der andere Apfelsine, meinen beide noch längst nicht das gleiche :roll: ).

Auf jeden Fall erinnerte mich Herr Math und seine Äußerungen an diese Szene.

8)
Zuletzt geändert von markus am 6.6.2010, 19:03, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 7022
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Gott ist tot.

Beitrag von rodger »

Markus hat geschrieben:Der Nietzsche und der Hitler wurden im Film "Cocktail für eine Leiche" (Tavernenthread) erwähnt, glaube sogar in einem Atemzug.
Das kommt gelegentlich vor, ja ... Es spricht aber nichts dagegen, Angelegenheiten auch differenzierter zu betrachten.

Aber wer tut das schon ... schauen wir in aktuelle Medien, da sind Konservative mit eigenem Kopf gleich Nazis oder anders herum (je nach Couleur des Mediums) Linke potentielle Terroristen ... Schauderhaft, Yes. Well. War aber wohl nie anders.
Hermann Wohlgschaft
Beiträge: 1035
Registriert: 20.6.2004, 20:59
Wohnort: Günzburg

Re: Gott ist tot.

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Zu Zwockel und Rüdiger (15.48 Uhr):

SO eingehend habe ich mich mit Nietzsche nicht befasst. Eine ausgereifte, hieb- und stichfeste Nietzsche-Interpretation zu liefern, würde mich überfordern. Was ich von N. gelesen habe (neben ›Also sprach Zarathustra‹ etliche Aphorismen), fand ich in der sprachlichen Form berauschend, in der Aussage freilich – soweit ich sie verstanden habe – absolut nicht nachvollziehbar, gewissermaßen ver-rückt.

Ein zeitweiliger Aufenthalt in Nietzsches Absurdistan hat aber schon einen gewissen Reiz, :wink: das empfand ich beim Lesen und das dürfte auch Karl May so empfunden haben.

Nietzsches Einfluss ist besonders in Mays Spätwerk erkennbar. Meine Recherchen in Mays Privatbibliothek in der ›Villa Shatterhand‹ haben, unter anderem, bestätigt: Nietzsches Atheismus und Nietzsches ›Herrenmenschentum‹ lehnte May (wie die entsprechenden Markierungen in Mays Buch-Exemplaren belegen) scharf ab.

Auch Sascha Schneiders Atheismus lehnte May ab, teilweise in durchaus heftigen Formulierungen. Schneider sympathisierte – zum Verdruss Karl Mays – auch sehr mit Nietzsches Idee vom ›Herrenmenschen‹.
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 7022
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Gott ist tot.

Beitrag von rodger »

Übermensch, nicht Herrenmensch ... sehr wohl ein Unterschied ... da hat man ihn gerne mißverstanden ... und Übermensch nicht im Sinne von Supermann, vor Kraft kaum laufen können u.dgl., sondern von Überwinden.

Weder absurd noch verrückt (zunächst ...) ... die Sache mit dem Pferd in Turin übrigens sehr nachvollziehbar und darüber hinaus arg sympathisch, nebenbei bemerkt.

Allzuviel gelesen von ihm habe ich bislang auch nicht. Einige wesentliche Sachen, und Sekundär-, Zweig, Safranski.

Heute fiel mir irgendwann ein, der Dialog zwischen Narr und Zarathustra (vor 36 Jahren vorgetragen und seitdem im Hirn recht präsent) könnte von Sascha Schneider und Karl May verkörpert sein, der eine schimpft wie ein Rohrspatz (will trotz der flockigen Formulierung sagen: gerät außer sich, leidet existentiell) und schildert die Gesellschaft halt so, wie sie damals schon war, und der andere sagt Na und ? Wo man nicht mehr lieben kann, da soll man - vorübergehen ...

Er liegt nicht jedem. Besonders wenn einer ('wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Herr Kulenkampff') vielleicht ZU weich und / oder warmherzig ist (nichts gegen Weichheit und Warmherzigkeit, im Gegenteil. Aber immer Maß halten ... Polarität nicht vergessen ... :wink: ) wird er ihn nicht so recht akzeptieren können ...
Hermann Wohlgschaft
Beiträge: 1035
Registriert: 20.6.2004, 20:59
Wohnort: Günzburg

Re: Gott ist tot.

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Die Rede vom ›Herrenmenschen‹ passt m. E. durchaus zu Nietzsche, auch wenn dieses Wort bei ihm, vielleicht, so nicht vorkommt. Was mich bei N. nicht nur stört, sondern empört, ist seine Verachtung für den ganz ›gewöhnlichen‹ Menschen. Auch wenn ich es nun so oft schon gesagt habe, auch wenn es Herr Math als übles »Gewäsch« empfindet, mir ist gerade DAS entscheidend wichtig: Jeder, wirklich jeder Mensch, und sei er noch so ungebildet und ›dumm‹, ist unendlich wichtig vor Gott. Einem Menschen, und sei er noch so minderbegabt, seine Wichtigkeit absprechen, hieße für mein Empfinden – in letzter Konsequenz – ihn frei geben zum Abschuss.

Diese grundsätzlich menschenfreundliche Sichtweise setzt natürlich einen liebenden Schöpfer voraus, der sich für jedes seiner Geschöpfe interessiert und dem jedes seiner Geschöpfe kostbar ist. Die Gott-ist-tot-Ideologie indessen, die die ›Gottebenbildlichkeit‹ jedes Individuums naturgemäß und logischerweise verwirft, wird letztlich in eigener Herrlichkeit entscheiden wollen, welche Menschen wichtig sind und welche nicht. Diese Art von Überheblichkeit ist – sehr milde ausgedrückt – äußerst gefährlich. Dass Nietzsche von den Nazis vereinnahmt wurde, scheint mir nicht nur ein Missverständnis von Seiten der Nazis gewesen zu sein. Es liegt – teilweise, bis zu einem gewissen Grade – schon auch an Nietzsches Schriften selbst.

Eine Bemerkung noch zur ›dummen Masse‹: Ich persönlich bin ein ausgesprochener Individualist, dem Massenveranstaltungen jeglicher Art sehr suspekt sind und der zu solchen Veranstaltungen grundsätzlich nicht hingeht. Das ändert aber nichts daran: Auch wenn der Einzelne in der Masse unterzugehen droht, bleibt er doch – ob er es will oder nicht – eine individuelle Person, der ich Respekt und Wertschätzung schulde.
Thomas Math
Beiträge: 1619
Registriert: 4.7.2006, 18:23
Wohnort: Minnesota USA

Re: Gott ist tot.

Beitrag von Thomas Math »

Man werfe nur mal diese christliche Sozialisation ueber Board und lese Nietsche mit klarem Verstand.
Er hat in keiner Weise die philosophische Grundlage fuer den von Rassismus gepraegten Nationalsozialismus geliefert,Goering z.B war ja wohl kaum ein Uebermensch,oder.
Nein er propagiert eine Elite,die er Uebermensch nennt und was ist daran falsch ? Gesellschaften werden von einer Elite vorangetrieben und bestimmt (wobei dies in one man one vote Gesellschaften nicht unbedingt gilt,da dort ja auch die Dummen und Leistungsunfaehigen waehlen und somit das Geschick bestimmen koennen.)
Man moege nur mal das Immigrationsrecht Australiens oder Kanadas ansehen,nicht gerade Staaten die im Rufe des Faschismus stehen,da wird ganz klar die Einwanderung einer Elite gefoerdert waehrend man Sozialfaelle draussenhaelt.Hierfuer hat vor allem Australien eine Punktsystem eingefuehrt,wobei wir wieder bei Markus waeren (by the way weil es Pseudonym ist ,weiss ich nicht wessen Geschlechtes er/sie ist).
Ich habe bestimmt nichts gegen wie Herr Wohlgschaft schreibt, den gewoehnlichen Menschen,aber die sollten auch gewoehnliche Rechte haben, waehrend eine Elite die mehr leistet also groessere Pflichten hat auch mehr Rechte haben soll wobei wir wieder bei Nietzsche waeren.
Schon klar das diese ganzen unnuetzen Geisteswissenschaftler vehement aufschreien,daenn was braucht man mehr einen Literaturwissenschaftler oder eine Ingenieur ? Einen Theologen oder einen Klempner ?
Menschen die gegen eine Elite sind sind in aller Regel zu Kurz Gekommene die es als ihr gottgegebenes Recht ansehen,dass andere fuer ihr Auskommen arbeiten.
Die Ansicht.das jeder Mensch gleich viel wert ist, ist Unsinn wenn man hier mal ehrlich ist und dieses christliche-moralisierende Getue laesst.
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 7022
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Gott ist tot.

Beitrag von rodger »

Ob Nietzsche oder Karl May oder sonstnochwas, 3 Leute 3 Blickwinkel (10 Leute 10 Blickwinkel), Aneinander vorbei reden, jeder sieht etwas anderes, nimmt etwas anderes wahr, versteht etwas anderes, denkt und empfindet anders, man kommuniziert nicht über das gleiche, so ist das, wußte ich eigentlich schon aber selten sprang es einem so hübsch ins Gesicht ...

8)

(reden wir lieber über Dinge über die man sich gemeinsamennennerhaft besser verständigen kann: Markus ist kein Pseudonym, sondern ein authentischer Vorname. Und bei uns wird das Wetter heute wieder gut. Bei Euch auch ?)

:mrgreen:
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 7022
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Gott ist tot.

Beitrag von rodger »

Hermann Wohlgschaft hat geschrieben:Dass Nietzsche von den Nazis vereinnahmt wurde, scheint mir nicht nur ein Missverständnis von Seiten der Nazis gewesen zu sein. Es liegt – teilweise, bis zu einem gewissen Grade – schon auch an Nietzsches Schriften selbst.
Ganz wie bei Karl May ...

8)

(Wir haben es nämlich nicht mit einem 'bösen' Nietzsche zu tun und einem 'lieben guten' May, sondern beider Werke haben Elemente in sich, die sich entsprechend vereinnahmen lassen.)
Hermann Wohlgschaft
Beiträge: 1035
Registriert: 20.6.2004, 20:59
Wohnort: Günzburg

Re: Gott ist tot.

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Bei Nietzsche ist die faschistoide Ideenwelt aber schon WESENTLICH deutlich ausgeprägter als bei May. Abgesehen von sehr wenigen faschistoiden Ausrutschern in Mays literarischem Werk passen Karl May und der Nationalsozialismus (der, da widerspreche ich Herrn Math, ja nicht nur eine Rassenideologie, sondern auch sonst eine bestialische Weltanschauung ist) wie die Faust aufs Auge. Anders verhält es sich bei Nietzsche. Dessen »Herrenmoral« ist mit der Nazi-Gesinnung - ich betone nochmals: TEILWEISE, BIS ZU EINEM GEWISSEN GRAD - kompatibel.

Ob Nietzsche als Mensch eher böse oder eher gut war, das weiß ich nicht. Bei May indessen bin ich bekanntlich der Meinung, dass die guten Anteile deutlich überwiegen. (Wobei man jetzt natürlich endlos darüber diskutieren könnte, was ›gut‹ und was ›böse‹ ist.)

Doch bleiben wir beim Thema: Um Nietzsche geht es hier im Thread in erster Linie wegen der Gott-ist-tot-Rede, die - nach meiner Auffassung - sehr leicht zur Menschenverachtung führen könnte.
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 7022
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Gott ist tot.

Beitrag von rodger »

In Sachen Mitgefühl brauchen wir uns bei Nietzsche wohl keine Sorgen machen, wenn ich an die Sache mit dem Pferd denke … Das ist halt die Sache mit den Extremen, wo das eine ist, ist auch das andere. Viele sind lauwarm, von gemäßigter Temperatur schrieb Hesse, und würden weder einem Pferd weinend um den Hals fallen noch die Menschen verachten …

Mich empört die Verachtung der Herren Nietzsche und Schneider keineswegs, im Gegenteil, das gefällt mir, ist ehrlich und authentisch. Allzuviel bzw. einseitig ist halt ungesund … Bei May ist die Mischung bekömmlicher, unübersehbare mephistophelesche Verachtung auf der einen, Warm- & Großherzigkeit und Menschlichkeit auf der anderen Seite. Schließt sich halt nicht aus.
Zuletzt geändert von rodger am 7.6.2010, 8:45, insgesamt 1-mal geändert.
Antworten