Liebe Forumsteilnehmer/innen,
wie angekündigt stelle ich in diesem Thread meine – noch vorläufige – Stellungnahme zum ‚Offenen Brief‘ Dieter Sudhoffs (Mitteilungen der KMG 147/2006, S. 53ff.) zur Diskussion:
1. Sudhoff schreibt: „Mit einer Ausnahme (...) enthält die [Wohlgschaft-] Biographie kein einziges uns neues, auf eigener Forschung beruhendes biographisches Faktum.“
Richtig ist: Im Vergleich zu den bisher erschienenen BIOGRAPHIEN enthält die Neufassung der ‚Wohlgschaft-Biographie‘ eine ganze Menge an neuen biographischen Details, darunter auch solchen, die von mir selbst erforscht wurden (z. B. Bd. II, S. 938-942 u. S. 1482-1489 oder Bd. III, S. 1586ff.). Darüber hinaus finden sich in der ‚Wohlgschaft-Biographie‘ sehr wohl biographische Fakten, die auch die Sudhoff/Steinmetz-Chronik NICHT enthält, z. B. die von May stammenden Markierungen in wichtigen, für das bessere Verständnis des Mayschen Erzählwerks relevanten Büchern in Mays Bibliothek in der Villa „Shatterhand“.
Im übrigen: Die Aufgabe des Biographen besteht doch nicht (zumindest nicht vorrangig) darin, bisher unbekannte biographische Daten ans Licht zu bringen. Sache des Biographen (im Unterschied zur Aufgabe des Chronisten) ist es vielmehr, die bekannten Ereignisse in fesselnder Weise zu schildern, die einzelnen Fakten in einen größeren Zusammenhang zu stellen und das Gesamtphänomen möglichst treffend zu interpretieren. Ich hoffe, daß mir dies geglückt ist.
2. Sudhoff schreibt: „Wohlgschafts Biographie ist eine beschreibende Interpretation (...) des Lebens und Schreibens von Karl May aus theologischer Sicht. Damit sind Vorzug und Nachteil der Arbeit benannt; die persönliche Wertung ist abhängig vom religiösen Standpunkt des Lesers.“
Richtig ist: Ein aufgeschlossener, unvoreingenommener Leser, der ‚das Religiöse‘ in Mays Schriften nicht von vorneherein als ‚krankhaft‘, als ‚heuchlerisch‘ oder ‚unwichtig‘ heruntermacht, wird die ‚Wohlgschaft-Biographie‘ vermutlich mit größerem Gewinn zur Kenntnis nehmen als ein eingefleischter Atheist.
Es stimmt aber keineswegs, daß die ‚Wohlgschaft-Biographie‘ (wie Sudhoff suggeriert) NUR „aus theologischer Sicht“ geschrieben sei. In brieflichen Zuschriften, in E-Mails und Internet-Diskussionsforen betont denn auch so mancher Leser: Die christliche Religion und/oder die christlichen Kirchen seien ihm zwar weniger wichtig, die ‚Wohlgschaft-Biographie‘ aber finde er dennoch sehr lesenswert.
Auch wer sich selbst für religionslos oder für unchristlich hält, kann nicht bestreiten, daß sich May zum christlichen Glauben bekannte. Folglich ist es doch legitim, ja geradezu notwendig, daß ich – als Sachkundiger auf diesem Gebiet – theologischen Fragen mich stelle: vor allem (z. B. in Bd. III, S. 1554-1576) der Frage, ob und in welchem Grade Mays ‚Gefühlsreligion‘ (wie sie im Erzählwerk, in den autobiographischen Schriften und in der privaten Korrespondenz zum Ausdruck kommt) einer theologischen Prüfung standhalten könnte.
3. Sudhoff schreibt: „Herr Wohlgschaft hätte seine Biographie dem KMV anbieten können. Wäre [!] sie in Bamberg angenommen worden, hätte er selbstverständlich ebenfalls freien Zugang zum Nachlaß erhalten. Da es ihm aber offenbar lieber war, das Projekt in Bargfeld zu realisieren, mußte er zwangsläufig [!] darauf verzichten.“
Das klingt ja fast zynisch. Richtig ist: Der Karl-May-Verlag hatte sich für die ‚Wohlgschaft-Biographie‘, aus welchen Gründen auch immer, bisher nie interessiert. Der Verleger Hermann Wiedenroth in Bargfeld hingegen hatte schon im Jahr 2001 signalisiert, daß er diese Biographie – aktualisiert – in der Abteilung IX der HKA aufnehmen würde.
Ich frage besonders Dich, lieber Ralf: Hätte ich, um Zugang zum Nachlaß zu erhalten, die May-Biographie dem KMV anbieten und zuvor das Erscheinen der Sudhoff/Steinmetz-Chronik abwarten sollen? Auch frage ich Dich, ob ich meine objektive Darstellung über die Entstehung der Münchmeyer-Romane, daß es mit größter Wahrscheinlichkeit keine Fremdeinschübe in den Erstausgaben gibt, ohne Probleme im KMV hätte veröffentlichen können? Ich denke da beispielsweise an die Münchmeyer-Diskussion auf der KMG-Pinnwand:
http://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg ... rauned.htm
Nochmals weise ich darauf hin: Lothar Schmid, der Bamberger Verleger, hatte mir zugesagt, unter bestimmten Voraussetzungen aus der Korrespondenz May/Fehsenfeld (also einem wichtigen Dokument des Mayschen Nachlasses) wörtlich zitieren zu dürfen. Obwohl die Bedingungen Schmids erfüllt wurden, hat der Bamberger Verleger sein Versprechen nicht eingehalten und mir – unter juristischen Drohungen – untersagt, aus der May/Fehsenfeld-Korrespondenz zu zitieren. Diese Vorgänge kann jeder nachlesen. Sie wurden vor einem Jahr in den KMG-Nachrichten 143, S. 23-24, dokumentiert. Hier noch einmal der vollständige Text:
Über die Schwierigkeit Karl-May-Forschung zu betreiben
Der Verleger Lothar Schmid blockiert das Zitieren aus der Korrespondenz May/Fehsenfeld
Im Februar 2004 konnte ich im Radebeuler Karl-May-Museum, durch die Vermittlung von Direktor René Wagner, Einblick nehmen in die vollständige (bisher unveröffentlichte) Maschinenabschrift der Korrespondenz May/Fehsenfeld. Seit März 2004 nun bemühe ich mich, von Lothar Schmid – der meine Forschungsarbeit in früheren Jahren gelegentlich unterstützt hatte – die Erlaubnis für die wörtliche Wiedergabe einzelner Briefstellen zu erhalten. Schriftlich und telefonisch betonte Schmid, daß ich ohne seine Genehmigung nicht zitieren dürfe. Wie mir Herr Schmid im Frühsommer 2004 allerdings versicherte, würde ich diese Genehmigung bekommen, wenn der Karl-May-Verlag – gleichsam als Gegenleistung – Material aus dem Besitz der Karl-May-Stiftung publizieren darf. In einer späteren Verhandlungsphase stellte Lothar Schmid eine zusätzliche Bedingung: ich solle ihm exakt aufschlüsseln, welche (bisher unpublizierten) Zitate aus der Korrespondenz May/Fehsenfeld ich bringen wolle. In allen Punkten bin ich Herrn Schmid sehr entgegengekommen. Am 8.8.2004 schrieb ich den folgenden Brief:
»Sehr geehrter Herr Schmid,
nun sende ich Ihnen doch noch vor Urlaubsantritt eine Übersicht über sämtliche in meiner neuen May-Biographie verwendeten Zitate aus der May/Fehsenfeld-Korrespondenz (soweit sie nicht schon von E. Bartsch, H. Wollschläger, R. Schmid, U. Schmid u.v.a. publiziert wurden) zu. Ich habe die Zitate am Rand mit Bleistift markiert. Wenn man diese Einzelzitate zusammenfügt, dann ergeben sie gerade mal eine (oder höchstens 1¼) Typoskriptseite! Da meine Biographie in der Neufassung ca. 2000 Typoskriptseiten umfaßt, handelt es sich bei den ›genehmigungspflichtigen‹ Zitaten lediglich um 0, 05 % des Gesamttextes!!! Oder anders gerechnet: Da die May/Fehsenfeld-Korrespondenz in ihrer Gesamtheit ca. 450 Typoskriptseiten umfaßt, ich aber nur 1 ¼ Seiten bisher nicht publizierten Text bringe (aus diversen Briefen, die in anderen Partien schon seit Jahrzehnten in der Sekundärliteratur verbreitet sind!), ist der Gegenstand meiner Bitte – mit Verlaub – eine Bagatelle. Ich bitte Sie ja lediglich um die Erlaubnis, die markierten Stellen in dieser Form bringen zu dürfen. In Fußnoten würde ich dann in jedem Einzelfall noch vermerken: Zit. aus dem Privatarchiv der Familie Schmid, Karl-May-Verlag Bamberg.
Ich bin mir absolut sicher, daß durch meine May-Biographie keines der von Ihnen geplanten Projekte auch nur im geringsten geschädigt wird. So hoffe ich, daß meine Bitte nicht vergeblich ist und grüße Sie freundlichst
Ihr
Dr. Hermann Wohlgschaft«
Mit Datum vom 9.9.2004 gab Lothar Schmid einen strikt ablehnenden Bescheid. Die Zitiererlaubnis verweigert er mit – im wesentlichen – zwei ›Argumenten‹. Erstens: Die Wiedergabe von bisher unbekannten Briefpartien sei geschäftsschädigend für den KMV (der den kompletten Briefwechsel später publizieren wolle); daß meine May-Biographie ausgerechnet in der HKA in Zusammenarbeit mit der Karl-May-Gesellschaft (einem, wie Schmid meint, Konkurrenzunternehmen zum KMV) erscheinen soll, erfüllt Schmid mit großer Sorge. Zweitens: Die May/Fehsenfeld-Korrespondenz sei auf illegale Weise in den Besitz der Karl-May-Stiftung gelangt, was René Wagner entschieden zurückweist.
Nicht genug damit: Mit Verweis auf die Ansicht Prof. Delps (eines auf Fragen des Urheberrechts spezialisierten Anwalts) rät mir Lothar Schmid zur Vorsicht sogar bei der Verwendung von Briefpartien, die schon früher – in der Sekundärliteratur – zitiert wurden!
Auf seine früheren (mittlerweile erfüllten!) Bedingungen für die Zitiererlaubnis geht Schmid im Brief vom 9.9.2004 überhaupt nicht mehr ein. Daraufhin sandte ich, mit Datum vom 29.9.2004, den folgenden Brief an Lothar Schmid:
»Sehr geehrter Herr Schmid,
durch Ihren ablehnenden Brief vom 09.09.2004 sehe ich mich gezwungen, auf wörtliche Zitate aus der Korrespondenz May/Fehsenfeld (soweit sie nicht schon andernorts publiziert wurde) ganz zu verzichten – obwohl Sie mir gegenüber ja durchaus im Wort stehen: Sie sagten mir im Sommer 2004 telefonisch, die Zitiererlaubnis würde ich »selbstverständlich« (sic!) bekommen, wenn Sie im Gegenzug Material aus dem Eigentum der Karl-May-Stiftung verwenden dürften; eine Bedingung, die durch René Wagner bzw. Hans Grunert erfüllt wurde! Wie mir Herr Wagner mitteilte, hat er Ihnen das Material unter der Voraussetzung überlassen, daß Sie mir – als Gegenleistung – die Zitiererlaubnis erteilen würden.
Falls Sie mir die Zitiererlaubnis trotz alledem nicht geben wollen, werde ich dies zwar respektieren. Sie müssen aber damit rechnen, daß Ihr Verhalten publik gemacht wird. Der Leser soll ja wissen, warum aus der May/Fehsenfeld-Korrespondenz nicht wörtlich zitiert werden konnte.
Was Ihre konkrete Anfrage betrifft: Von Herrn Wiedenroth habe ich keinerlei Einsicht in irgendwelche Unterlagen bekommen. Meine Kenntnis der May/Fehsenfeld-Korrespondenz beruht – wie ich Ihnen schon mehrmals sagte – auf der Lektüre im Karl-May-Museum, vermittelt durch René Wagner.
Da es sich bei der ganzen Angelegenheit ja nicht um einen Privatkonflikt zwischen mir und Ihnen handelt, sondern um grundsätzliche Differenzen zwischen Ihnen (bzw. dem KMV) und den Herausgebern der HKA, bitte ich Sie dringend, sich in Sachen May/Fehsenfeld – sofern es noch Klärungsbedarf geben sollte – künftig nicht mehr an mich, sondern an Herrn Wiedenroth oder an Herrn Wagner als den Geschäftsführer der Karl-May-Stiftung zu wenden.
Mit freundlichem Gruß
Hermann Wohlgschaft«
Am 9.11.2004 antwortete Lothar Schmid, daß er das erbetene Archivmaterial (gemeint ist der sogenannte Felber-Nachlaß) nicht erhalten hätte. Von René Wagner erhielt ich erneut die Auskunft, Herr Steinmetz hätte sehr wohl für die KMV-Chronik die Felber-Briefe erhalten, soweit sie im Museum vorhanden sind. Der geneigte Leser mag selbst darüber urteilen, was er davon zu halten hat …
Hermann Wohlgschaft
Kommentar der Karl-May-Stiftung
Die Karl-May-Stiftung gestattete Herrn Steinmetz für seine wissenschaftliche Arbeit zur Erarbeitung der Chronik im Juni 2004 Einblick in das Kopienkonvolut des Fehsenfeld-Briefwechsels und auch in die Teile des sogenannten Felber-Nachlasses, welche sich im Besitz der Karl-May-Stiftung befinden. Die von Herrn Steinmetz benötigten Fotokopien wurden erstellt und können für die wissenschaftliche Publikation der Herren Steinmetz und Dr. Sudhoff, die im Karl-May-Verlag Bamberg erscheinen wird, benutzt werden.
Obwohl Herr Lothar Schmid seine Zusage für die Zitiererlaubnis nicht eingehalten hat und der Karl-May-Biographie von Herrn Dr. Hermann Wohlgschaft Steine in den Weg legt, blockiert die Karl-May-Stiftung nicht die wissenschaftliche Arbeit von Karl-May-Freunden.
Die Leser sollen nicht ein zweites Mal bestraft werden!
René Wagner
4. Sudhoff schreibt: „Daß Herr Wohlgschaft es vorgezogen hat, seine Biographie ohne Kenntnis der Chronik herauszugeben, kann ich nach wie vor nur als fahrlässig bezeichnen. Seine Arbeit ist bereits jetzt in vielen Punkten, gerade auch auf seinem theologischen Interessengebiet, zu dem es ‚hochinteressante‘ erst jetzt veröffentlichte Briefe gibt, überholt.“
Richtig ist: Die ‚Wohlgschaft-Biographie‘ wäre nur dann „in vielen Punkten (...) überholt“, wenn die bisher unbekannten Nachlaß-Texte das bisherige Wissen über Mays ‚Leben und Streben‘ WESENTLICH korrigieren würden. Daß dies wirklich der Fall ist, müßte Herr Sudhoff an konkreten Texten sehr genau belegen und plausibel erläutern.
Sudhoff tut ja so, als ob durch die Nachlaßschriften der bisherige Wissensstand von Grund auf erschüttert sei und die May-Forschung erst jetzt, nach dem Erscheinen der Chronik, eine sichere Basis hätte. Die Sudhoff/Steinmetz-Chronik habe ich bis zu Band IV, S. 130 (Ende 1906), Zeile für Zeile genau gelesen. Und alles, was mir bisher unbekannt war, habe ich sorgfältig notiert. Das Ergebnis: Errata, wirkliche Irrtümer in der ‚Wohlgschaft-Biographie‘ (falsche Datierungen, nicht korrekt geschriebene Namen und dergleichen mehr) hätten auf einem Bierdeckel ohne weiteres Platz. Dieser Errata wegen muß die Biographie nicht umgeschrieben werden! Da genügt es, die Errata-Liste in Bd. III, S. 2331, um ein paar Zeilen zu erweitern.
Allerdings enthält die Sudhoff/Steinmetz-Chronik ‚hochinteressante‘, bisher unbekannte May-Texte, die die ‚Wohlgschaft-Biographie‘ – in ihrer Grundtendenz – noch zusätzlich BESTÄTIGEN und im Falle einer erweiterten Neuauflage der ‚Wohlgschaft-Biographie‘ zitiert und erläutert werden könnten. Außer den von mir kommentierten Briefen gibt es, wie die Chronik sehr eindrucksvoll zeigt, noch viele andere May-Briefe (z. T. an bisher unbekannte Adressaten), die – inhaltlich – freilich in die bekannte Richtung gehen und in biographischer Hinsicht nichts wesentlich Neues beinhalten. Wie gesagt, das gilt bis Chronik IV, S. 130. Ob es später, ab 1907, dann plötzlich ganz andere May-Texte gibt (z. B. Briefe, in denen May sich zum Atheismus oder zum Islam oder zum rechten Flügel der römisch-katholischen Kirche oder zum Buddhismus bekennt), das wird die weitere Lektüre in der Chronik ergeben.
5. Sudhoff schreibt: „Die Bemerkung [von Andreas Graf], die überarbeitete Fassung der Wohlgschaft-Biographie sei mir bei Abfassung meiner angeblichen ‚Invektive‘ nicht bekannt gewesen, ist unzutreffend. Die beiden ersten Bände wurden uns dankenswerterweise von Herrn Wiedenroth in Form von Korrekturexemplaren zur Verfügung gestellt. Lediglich der dritte Band lag uns erst nach Erscheinen der ersten vier Chronik-Bände vor.“
Richtig ist: Dem Bamberger Verleger – und damit den Verfassern der May-Chronik – wurde es ermöglicht, die ‚Wohlgschaft-Biographie‘ noch vor deren Erscheinen zur Kenntnis zu nehmen. Daß sie diese Möglichkeit auch wirklich genützt haben, kann ich mir allerdings schwer vorstellen. Mein Eindruck ist vielmehr: Die Biographie-Bände wurden nur diagonal ‚überflogen‘ und dies unter einem allzu begrenzten Blickwinkel – mit der einengenden Fragestellung, ob in diesen Büchern vielleicht noch zusätzliche, in der Chronik fehlende biographische Mikrodetails enthalten sind.
6. Sudhoff schreibt: „Das nun [in der Chronik] entstandene Bild Karl Mays ist in vieler Hinsicht wesentlich widersprüchlicher und auch dunkler, als es bisherige Biographien zeichneten und als es uns selber lieb gewesen wäre.“
Richtig ist: In Mays Charakter gab es, neben sehr lichtvollen Zügen, auch dunklere und widersprüchliche Seiten. Aber zu dieser Erkenntnis sind nicht erst Sudhoff und Steinmetz gelangt. Gerade auch in der ‚Wohlgschaft-Biographie‘ werden die ‚Schatten‘, die fragwürdigen Seiten in Mays Leben und Werk sehr deutlich herausgestellt. In einer Chronik freilich, die unzählige Daten und Dokumente – fast stets kommentarlos – nur schlicht aneinanderreiht (um nur ja nicht als „subjektiv“ zu gelten), wird das vielschichtige ‚Phänomen Karl May‘ naturgemäß wesentlich „dunkler“ erscheinen als in einer erzählenden Biographie, die – wie Claus Roxin in einer Besprechung der Sudhoff/Steinmetz-Chronik betont – erhellende „Wertungen nicht scheuen“ darf.
7. Zum Schluß: Ich will keinen Streit und schon gar keine Feindschaft. Den Literaturwissenschaftler und May-Forscher Dieter Sudhoff schätze ich sehr; aus Sudhoffs Schriften habe ich in der Biographie ja oft und meist zustimmend zitiert. Aber Sudhoffs Polemik im Vorwort zur Chronik – und die hier zitierten Bemerkungen im ‚Offenen Brief an Andreas Graf‘ – kann ich nicht unwidersprochen so stehen lassen.
Nochmals zur Klarstellung: Den sehr hohen Quellenwert der Sudhoff/Steinmetz-Chronik verkenne ich nicht. Die Chronik ist ein wichtiges Grundlagenwerk, das gegen die ‚Wohlgschaft-Biographie‘ aber nicht ausgespielt werden sollte. „Die ‚Karl-May-Chronik‘ von Sudhoff/Steinmetz und die ‚Karl-May-Biographie von H. Wohlgschaft ergänzen sich vortrefflich. Wer sich umfassend und objektiv über Mays Leben informieren möchte, sollte beide Publikationen besitzen.“ (Ralf Harder)
Andrerseits ist die ‚Wohlgschaft-Biographie‘ – wie auch die Sudhoff/Steinmetz-Chronik – nicht ‚ultimativ‘ und also verbesserungsfähig. Ein Beispiel für konstruktive Kritik hat in jüngster Zeit Werner Kittstein (ein unverdächtiger Kenner, gewiß kein Klerikaler!) geliefert: Nach gründlicher Lektüre aller Biographie-Bände teilte er mir auf ca. 50 Typoskriptseiten mit, was er in meiner Darstellung als besonders geglückt und was er als korrekturbedürftig empfindet. In überarbeiteter, auf 20 Typoskriptseiten verdichteter Form hat Kittstein seine – sehr differenzierte – Rezension zur Veröffentlichung im Mitteilungsblatt der KMG angeboten. Diese sachliche Art der Auseinandersetzung kann der weiteren Forschung nur dienlich sein.
Hermann Wohlgschaft