@Gottesbeweis
Ich habe zuweilen geträumt, ich könne fliegen; der Körper ist vorhanden, hat aber weder Umfang noch Gewicht und scheint sich in eine durchaus rein geistige Potenz verwandelt zu haben, die frei in alle Richtungen streben kann, ohne durch den hindernislosen Raum gestört zu werden. So bin ich geschwebt hoch über der Erde hin, weit über sie hinaus, von Mond zu Mond, von Stern zu Stern, aus einer Unendlichkeit in die andre, von unaussprechlicher Wonne erfüllt. Das war aber nicht eine Wonne des Stolzes darüber, daß ich selbst es war, der den Raum besiegte, sondern die demütige und vertrauensvolle Seligkeit, daß allmächtige Liebe mich trug und immer weiter und weiter führte. Dann lag ich nach dem Erwachen noch lange geschlossenen Auges da, um mich langsam zu besinnen, daß es nur ein Traum gewesen und ich ein ohnmächtiger Knecht der Zeit und des Raumes sei.
Nicht so wie in einem solchen Traume, aber ähnlich ist es, wenn man auf leichtfüßigem Pferde oder Dromedar über die Wüste fliegt. Man kennt nichts Störendes, nichts Hemmendes, denn das einzige Hindernis, welches es giebt, ist der Boden, der hinter einem verschwindet und mehr einen Halt als eine Hemmung bietet. Das Auge haftet nicht auf ihm, sondern auf dem Horizonte, der sich wie eine sichtbare aber nicht zu greifende Ewigkeit immer von neuem gebiert; es richtet sich nach oben, wo zwischen den strahlenden Lichtern des Himmels immer andre und andre, immer mehr und mehr Lichter erscheinen, bis der Blick sie nicht mehr zu fassen vermag. Und wenn der Sehnerv an dieser Anfangs- und Endlosigkeit ermüdet, und die staunend erhobene Wimper sich niedersenkt, so währt die Unendlichkeit im eigenen Innern fort, und es entstehen Gedanken, die nicht auszudenken sind; es steigen Ahnungen auf, die man vergeblich in Worte fassen möchte, und es wallen und wallen Gefühle und Empfindungen empor, die man aber nicht einzeln zu fühlen und zu empfinden vermag, weil sie eine einzige, endlose Woge bilden, auf und mit welcher man weiter und weiter schwebt; immer tiefer und tiefer hinein in ein andächtiges Staunen und ein beglückendes Vertrauen auf die unfaßbare und doch allgegenwärtige Liebe, welche der Mensch trotz des Wörterreichtums aller seiner Sprachen und Zungen nur durch die eine Silbe anzustammeln vermag: - - Gott - - Gott - -Gott - -!
Ob Beweis oder nicht das bleibt sich gleich ...
So wird überzeugt bei Karl May in 'Old Surehand'. Und nur so. Nicht mit irgendwelchen theologischen oder sonstigen Spitzfindigkeiten.
Es trifft aber durchaus zu daß Old Shatterhand / May anschließend im Gespräch mit Old Wabble sozusagen nicht die beste Figur macht, er kommt da mit Religionsunterricht, Beten, Vater und Mutter und dergleichen, damit kann man vielleicht bei der "Hausschatz"-Klientel punkten, aber sonst keinen Hund wirklich hinter dem Ofen hervorlocken ... [In Sachen "Hausschatz" mag man wieder einwenden, der 'Old Surehand' sei direkt für Fehsenfeld geschrieben worden und habe mit dem "Hausschatz" nichts zu tun, dennoch ist aber eine gewisse Form von frömmelndem Schreiben sozusagen für die Galerie unserem Autor mittlerweile (= zu Fehsenfeld-Zeiten) offenbar schon in Fleisch und Blut übergegangen ...]
"Nach dieser in der Tat großartigen, hier und heute nun ganz unkommentierten Szene wird es leider ein bisschen peinlich, die Grenzen zwischen tiefer Gläubigkeit und schwülstiger Frömmelei sind bei Karl May manchmal leider fließend. Nein, man "muß" ganz und gar nicht beten, das wäre ja sozusagen ein sehr kleinlicher Gott, der das einforderte, vom kleinkariert moralinsauren Stil, in den der Erzähler hier leider verfällt, mal ganz abgesehen. Setzen wir einmal voraus, es gibt so etwas wie einen Allwissenden, nun, dann weiß der auch vorher, was so ein Menschlein da beten wird, dann kann der Mensch sich die Plapperei eigentlich sparen. (Demut gegenüber der Schöpfung, ja, klar, aber in Form von Gebetsplapperei muß es nicht sein, es sei denn, man sieht das Gebet als eine Art Meditation, als Ausdruck der Verbundenheit (u.ä.). Aber so beschreibt May es hier nicht.)" habe ich mal geschrieben zu der Angelegenheit ...
Old Wabble will Fakten, und die gibt es halt nicht, die kriegt er halt nicht ... Wie hieß der schöne Spruch, 'Wenn Ihr's nicht fühlt, Ihr werdet's nicht erjagen' ... Und da der Erzähler Fakten nicht bieten [will und] kann und sein Gegenüber nicht einmal zuzuhören bereit ist, sagt er ihm halt sinngemäß, seht zu daß Ihr nicht erst in der Todesstunde euren 'Fact' um die Ohren kriegt ... Daß es auch bei Hartgesottenen auch schon zu Lebzeiten zu besserer Einsicht kommen kann, zeigt z.B. der Fall Abu Kital ... Oder Iwan Karamasoff oder sonstnochwer ... Karl May hat die Thematik keineswegs erfunden ...