Des Kaisers erste Kolonie ... (nach Karl May ...)
Des Kaisers erste Kolonie ... (nach Karl May ...)
Sie erhoben sich mit ihm von ihren mitten im Grün improvisirten Sitzen und folgten ihm auf den Hügel, wo sich der höchste Punkt der Insel befand. Dort stand der Bootsmann mit der deutschen Flagge, neben ihm ein Korb edlen Rheinweines. Die Flaschen wurden entkorkt und die Gläser gefüllt. Dann sagte der Capitän:
»Meine Damen und Herren. Ich habe, bevor wir scheiden, eine ernste und heilige Pflicht zu erfüllen. Diese Insel ist auf keiner Karte verzeichnet und liegt ohne Namen und Gebieter im weiten und einsamen Meere. Deutschland, das Vaterland von vier Personen aus unserer Versammlung, hat nie ein Volk aus seinem Lande verdrängt und um seinen Besitz gebracht. Es hat der Fürsten viele, aber keinen einigen Herrn; es besitzt nur sich allein, aber keine Colonie. Doch wird die Zeit kommen, wo es Beides besitzt, und nur zur Bekräftigung dieser meiner Ueberzeugung nehme ich diese kleine, an sich werthlose Insel im Namen des zu erwartenden deutschen Kaisers für mein Vaterland in Besitz und gebe ihr den Namen Rodriganda. Erheben Sie Ihre Gläser. Hoch Deutschland! Hoch sein Herrscher! Hoch unser Rodriganda!«
»Hoch, dreimal hoch!« erscholl es jubelnd im Kreise.
Die Gläser klangen. Der Capitän schwenkte die Flagge, und während auf dieses Zeichen hin auf dem Schiffe die Kanonen erdonnerten, steckte er den Schaft derselben tief in den Boden.
»So,« sagte er dann; »ich werde den Namen Rodriganda in meine Karte zeichnen und dafür sorgen, daß er verbreitet wird. Jetzt nun kommen Sie zurück, zum Champagner. Ich liebe die Franzosen nicht, aber ich trinke ihren Wein!«
(Karl May, Waldröschen, HKA S. 2078 / 79)
»Meine Damen und Herren. Ich habe, bevor wir scheiden, eine ernste und heilige Pflicht zu erfüllen. Diese Insel ist auf keiner Karte verzeichnet und liegt ohne Namen und Gebieter im weiten und einsamen Meere. Deutschland, das Vaterland von vier Personen aus unserer Versammlung, hat nie ein Volk aus seinem Lande verdrängt und um seinen Besitz gebracht. Es hat der Fürsten viele, aber keinen einigen Herrn; es besitzt nur sich allein, aber keine Colonie. Doch wird die Zeit kommen, wo es Beides besitzt, und nur zur Bekräftigung dieser meiner Ueberzeugung nehme ich diese kleine, an sich werthlose Insel im Namen des zu erwartenden deutschen Kaisers für mein Vaterland in Besitz und gebe ihr den Namen Rodriganda. Erheben Sie Ihre Gläser. Hoch Deutschland! Hoch sein Herrscher! Hoch unser Rodriganda!«
»Hoch, dreimal hoch!« erscholl es jubelnd im Kreise.
Die Gläser klangen. Der Capitän schwenkte die Flagge, und während auf dieses Zeichen hin auf dem Schiffe die Kanonen erdonnerten, steckte er den Schaft derselben tief in den Boden.
»So,« sagte er dann; »ich werde den Namen Rodriganda in meine Karte zeichnen und dafür sorgen, daß er verbreitet wird. Jetzt nun kommen Sie zurück, zum Champagner. Ich liebe die Franzosen nicht, aber ich trinke ihren Wein!«
(Karl May, Waldröschen, HKA S. 2078 / 79)
Der Witz ist, daß es zu der Zeit, als die guten Leute auf der Insel waren, noch gar keinen Kaiser (bzw. "Herrscher") gab. Das dürfte May selbst durchgegangen sein. Immerhin spielt die betreffende Passage vor 1867 (Tod von Kaiser Maximilian von Mexiko), die Reichsgründung erfolgte allerdings erst 1871.
Eigentlich hat Karl May an dieser Stelle gar keinen chronologischen Fehler begangen, immerhin schrieb er ja wörtlich:
MfG
Stefan
Spätestens 1866 (also ein Jahr vor den Geschehnissen auf "Rodriganda") schienen zumindest von Seiten Preußens ernsthafte Überlegungen zur Gründung eines deutschen Kaiserreiches zu bestehen (zum Beispiel beanspruchte Otto von Bismarck schon 1866 den Kaisertitel für den damaligen preußischen König Wilhelm I.).im Namen des zu erwartenden deutschen Kaisers
MfG
Stefan
Die Stelle ist doch ganz eindeutig, "der Fürsten viele, aber keinen einigen Herrn; ... wird die Zeit kommen, wo es Beides besitzt, ... im Namen des zu erwartenden deutschen Kaisers ... Hoch sein Herrscher!", braucht man doch gar nicht drüber zu reden. Nicht "eigentlich" keinen "chronologischen Fehler", darum geht es ja überhaupt nicht, sondern gar nicht, der Erzähler in der Geschichte sieht an der Stelle die Dinge voraus.
Mir ging es um die vorausschauenden kolonialistischen Anwandlungen, die Karl May hier bedient.
Mir ging es um die vorausschauenden kolonialistischen Anwandlungen, die Karl May hier bedient.
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- Registriert: 12.5.2004, 18:21
Die Korrektur stammte bestimmt von den gewitzten Münchmeyer-Redakteuren/Lektoren.
Karl May hatte mit Absicht von einem aktuellen Kaiser geschrieben, um a) später geschickt zu seinen Utopien (Sitara und so...) überzuleiten und b) bewegt er sich ohnehin nicht in den Grenzen konventioneller Geschichtsschreibung und genealogische Tafeln adeliger Häuser & sonstige Herrscherdaten sind reine Erbsenzählerei. In solche Schubladen lässt sich May nicht pressen. Außerdem weiß ich das, weil mir das Manuskript vorllegt. Samt sämtlichen eigenhändigen Münchmeyer- & Walther-Einschüben. Ha!
ta
Karl May hatte mit Absicht von einem aktuellen Kaiser geschrieben, um a) später geschickt zu seinen Utopien (Sitara und so...) überzuleiten und b) bewegt er sich ohnehin nicht in den Grenzen konventioneller Geschichtsschreibung und genealogische Tafeln adeliger Häuser & sonstige Herrscherdaten sind reine Erbsenzählerei. In solche Schubladen lässt sich May nicht pressen. Außerdem weiß ich das, weil mir das Manuskript vorllegt. Samt sämtlichen eigenhändigen Münchmeyer- & Walther-Einschüben. Ha!
ta
(Ja, ich hab' gemerkt, wo jeweils der Witz oder so etwas in der Art sein sollte)
(ich fand's nur nicht witzig)
Korrektur ? Wo wäre irgendwo eine vonnöten gewesen ? Da redet einer von einem Kaiser, den er voraussieht, das ist ja nun nichts Besonderes.
Irgendwelche Tafeln u. dgl. können ja im Sinne von Faktenwissen und Bildung ganz hilfreich sein, und manchmal ist es ganz reizvoll, ein paar Hintergründe zu kennen, nur ist das im Fall Karl May (u.a.) oft halt einfach zweitrangig, eher unwesentlich.
(Herrschaftszeiten, es geht einem um die Farbe oder auch die Ader Kolonialismussympathisiererei beim ollen May, und dann kommen sie Dir den ganzen Nachmittag mit dem Kaiser und sonstnochwas, nur weil du den klaren [sub]textlichen Hinweis bei May fatalerweise in die Überschrift hast einfliessen lassen ...)
(ich fand's nur nicht witzig)
Korrektur ? Wo wäre irgendwo eine vonnöten gewesen ? Da redet einer von einem Kaiser, den er voraussieht, das ist ja nun nichts Besonderes.
Irgendwelche Tafeln u. dgl. können ja im Sinne von Faktenwissen und Bildung ganz hilfreich sein, und manchmal ist es ganz reizvoll, ein paar Hintergründe zu kennen, nur ist das im Fall Karl May (u.a.) oft halt einfach zweitrangig, eher unwesentlich.
(Herrschaftszeiten, es geht einem um die Farbe oder auch die Ader Kolonialismussympathisiererei beim ollen May, und dann kommen sie Dir den ganzen Nachmittag mit dem Kaiser und sonstnochwas, nur weil du den klaren [sub]textlichen Hinweis bei May fatalerweise in die Überschrift hast einfliessen lassen ...)
Hatte ich schon mitgeteilt, daß ich das gemerkt hatte (und dennoch ...)Rolf Dernen hat geschrieben: Sorry, aber Jennys Beitrag dürfte ironisch gewesen sein.
Ist halt mal wieder so ein allgemeiner Aneinander-vorbeired-Tag heute. Bzw. einer, wo es besonders deutlich wird. Sonst ist es auch so, aber man merkt es nicht immer so deutlich.
Ähnliches versuche ich auch schon seit 15.51 h erfolglos mitzuteilen ...Mehr war eigentlich nicht. Alles ist gut.