Nscho-Tschi und ihre Schwestern

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WalterJoergLangbein
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von WalterJoergLangbein »

Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als das Buch zu bestellen, was ich sogleich tun werde...

Edit: "Winnetou in Dresden" habe ich auch gleich mitbestellt...

Walter
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Hermann Wohlgschaft
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Das Nscho-tschi-Kapitel in Katharina Maiers Buch ist das Beste und Klügste, das ich bisher über Winnetous Schwester gelesen habe. Es gehört auch zum Besten und Wahrsten, das ich bisher über 'Winnetou I' und den Autor Karl May gelesen habe.

Katharina Maier erklärt zusammenfassend: "Nscho-tschi, die Schwester Winnetous und Old Shatterhands verhinderte Geliebte, erfüllt eine zentrale Funktion in der Geschichte der Blutsbrüder. Es mag zwar nicht gerade feministisch zufriedenstellend sein, die Frau als reinen Agenten im Entwicklungsprozess des Mannes hin zum ganzen Helden und Menschen zu begreifen; doch andererseits geht die Rolle, die May seiner Nscho-tschi hier zuteilt, weit über konventionelle Funktionen des Weiblichen in der (Männer-)Literatur hinaus, eben WEIL sie nicht zum bloßen Liebesobjekt reduziert wird.
Außerdem ist die Frau Nscho-tschi (...) ein sperriges Element innerhalb eines Textes, der auf die Etablierung männlicher Selbstbestimmung hinschreibt. Old Shatterhand, die Manifestation dieser heroischen Idee, reibt sich an dem, was die Frau repräsentiert, kann sie nicht voll und ganz begreifen und in sein Weltbild einordnen. Seine Haltung ihr gegenüber bleibt ambivalent; er lehnt sie als Partnerin ab, ohne sein unterschwelliges Begehren dieser Frau in ihrer unverstandenen Ganzheit je loszuwerden. Der unaufgelöste Konflikt mit dieser unbewältigten Weiblichkeit verfolgt das Erzähler-Ich bis zum letzten Roman aus der Wildwest-Welt, Winnetou IV." (S. 45f.)

Schöner und treffender kann man das nicht sagen.
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rodger
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von rodger »

kann sie nicht voll und ganz begreifen und in sein Weltbild einordnen
Den Eindruck habe ich nicht ...
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WalterJoergLangbein
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von WalterJoergLangbein »

Nscho-Tschi ist erstaunlich selbständig, ganz und gar kein unterwürfiges Weibchen, sondern schon nahdran an Gleichberechtigung!

Walter
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rodger
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von rodger »

Ich finde diese 'Terminologie' ist gar nicht relevant, weder bei Karl May noch im Leben ... Es gibt starke Frauen und schwache Männer und starke Männer und schwache Frauen ... und unzählige Mischungsverhältnisse dazwischen ... Nscho-Tschi ist stark, ja, teilweise stärker als der Ezähler selber. Er kann von ihr noch lernen ... (Bezieht sich auf ihre Anklagerede in Sachen vermeintlich weicheres Gemüt der Frauen ... da hat sie offensichtlich den klareren Kopf als er ...)
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WalterJoergLangbein
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von WalterJoergLangbein »

Was ich zum Ausdruck bringen wollte: Karl May beschreibt eine moderne Frau, eine "Wilde", die die vermeintlich "Zivilisierten" als eigentlich "Wilde" enttarnt. Karl May verfällt nicht in die Beschreibung der Stereotypen seiner Zeit.

Walter
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rodger
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von rodger »

Da sind wir uns nun einig.

:D
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WalterJoergLangbein
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von WalterJoergLangbein »

rodger hat geschrieben:Da sind wir uns nun einig.

:D
Das freut mich!

Walter
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Hermann Wohlgschaft
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Das Kakho-Oto-Kapitel scheint mir mindestens ebenso gut geglückt wie die Ausführungen zu Nscho-tschi. Kakho-Oto war - in 'Winnetou III' - unglücklich verliebt in Old Shatterhand. Sie ist an dieser nicht erwiderten Liebe aber nicht zerbrochen. Ohne jemals aufzuhören, OS zu lieben, wächst sie über sich selbst hinaus zu einer noch größeren Liebe, die viel wertvoller ist als das romantische Verliebtsein. Sie übernimmt bedeutsame soziale Aufgaben und wird sogar zur "spirituellen Führerin ihres Stammes" (S. 192) im Geiste einer universellen Gottes- und Menschenliebe. Die ursprüngliche Verliebtheit wird also transformiert und sublimiert in eine kreative Kraft, in eine spirituelle Energie. So wird Kakho-Oto - in 'Winnetou IV' - auch fähig zu einer tiefen Seelenfreundschaft mit OS und seiner Ehefrau, dem 'Herzle'.

Diese 'unglückliche Liebe', die in Wahrheit gar nicht unglücklich ist, sondern (auf einer höheren Ebene) zuinnerst glücklich, hat mich schon als 14- oder 15-jährigen May-Leser fasziniert.

Katharina Maier schreibt wunderschön: "In diesem Licht betrachtet, erscheint Kakho-otos Entschluss, nicht zu heiraten, weniger wie das stille Opfer einer verschmähten Frau, die dem geliebten Mann auf immer treu bleiben will. Vielmehr hat sie mit ihrer Entscheidung zum Zölibat einen alternativen Lebensweg gewählt; sie wirkt fast wie eine Priesterin im Geiste des alten Medizinmanns Tatellah-Satah, der Initiator des Clans Winnetou ist (...). Sie ist alles andere als ein passives Mäuschen, das ohne den geliebten Mann keine produktive Existenz führen kann. Kakho-oto hat das Beste aus ihrem Leben gemacht - und dieses Beste ist mehr als beachtlich." (S. 192f.)
Rene Grießbach
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von Rene Grießbach »

Hermann Wohlgschaft hat geschrieben:Diese 'unglückliche Liebe', die in Wahrheit gar nicht unglücklich ist, sondern (auf einer höheren Ebene) zuinnerst glücklich
Dass diese "unglückliche Liebe" ja eigentlich eine glückliche sei, mag man sicher von einer "höheren Ebene" aus so sehen.
Trotzdem darf man eines nicht übersehen: Kakho-Oto war eine junge Frau, die sich in Old Shatterhand verliebte. Der sie nicht haben wollte. Die sich deshalb, wie Katharina Maier richtig schildert, fürs Zölibat entschied.
Sie entschied sich für ihren Alternativen Lebensweg UND wollte Old Shatterhand, ihrer wohl ersten und einzigen Liebe im irdischen Sinne, treu bleiben. Wie wir aus WinnetouVI wissen, bewahrte sie ihm ihre Freundschaft und Liebe über Jahrzehnte und übertrug diese dann auch auf das Herzle. (was übrigens vollkommen realistisch erscheint. Ich kenne manche/n, mich eingeschlossen, den mit einem andern Menschen, den er/sie früher (z.T. unglücklich) geliebt hatte, inzwischen eine richtig gute Freundschaft verbindet, den aktuellen Partner des andern z.T. eingeschlossen)
Das ändert aber nichts daran, dass die Liebe Kakho-Otos auch unglücklich war. Wie oft in den vielen Jahren, in denen sie auch ihren alternativen Lebensweg ging, wird sie sich in manchen Stunden allein, einsam gefühlt haben. Weil auch sie sich, wie jeder andere Mensch auf dieser Welt, auch nach dieser (auch körperlichen) Liebe zwischen zwei Menschen gesehnt hat. Die es für sie nicht gab. Und ich hoffe einfach mal, dass das niemand als "Glück" interpretieren wird.
Kakho-oto hat das Beste aus ihrem Leben gemacht - und dieses Beste ist mehr als beachtlich.
Das ist vollkommen richtig.

Die höhere Sichtweise in Bezug auf Kakho-Oto hatte Karl May in Winnetou IV entwickelt. In Winnetou III war davon m.E. in Bezug auf Kakho-Oto noch keine Rede.
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Helmut
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von Helmut »

auch das macht Freude :wink: :
das Buch später zu lesen und dann hier nachlesen und viel von dem niedergeschrieben zu finden, was einem da so selbst ein- und aufgefallen ist.

Helmut
Hermann Wohlgschaft
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Natürlich will ich nicht bestreiten, dass Kakho-Oto zumindest zeitweilig sehr gelitten hat. Aber sie ist im Schmerz nicht versunken, sie hat ihren Schmerz in Liebe verwandelt: in eine Liebe, die bleibt und die viele Grenzen überwindet.

Der Preis der Liebe ist oftmals der Schmerz. "Niemals sind wir ungeschützter gegen das Leiden, als wenn wir lieben", schrieb Sigmund Freud zu Recht. Denn nur dem Liebenden kann es passieren, das Geliebte nicht zu bekommen oder es zu verlieren. Aber dies ist nur die eine Seite der Wirklichkeit. Die andere Seite hat der Philosoph Josef Pieper so zum Ausdruck gebracht: "Selbst der unglücklich Liebende ist glüchlicher als der Nicht-Liebende, mit dem er niemals tauschen würde." Denn selbst dann, wenn der andere sich abwendet, kann der Liebende (so wie Kakho-Oto!) mit dem Geliebten auf geheimnisvolle Weise verbunden bleiben: weil selbst die unglückliche Liebe (sofern sie tief genug ist) das Prinzip der Geschiedenheit "durchbricht und so einen realen Grund zur Freude sich bewahrt, ein wenn auch nur winziges Stück Paradies" (Josef Pieper).

An anderer Stelle ("Die Sehnsucht des Menschen - eine Liebe, die nicht vergeht", S. 104ff.) bin ich auf das schwierige - aber, wie ich meine, wichtige - Thema "unglückliche Liebe" näher eingegangen.
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Helmut
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von Helmut »

nur mal so nebenbei und am Rande:
in den "Surehand"-Teilen steht immer "Schahko Matto", obwohl der ja beim KMV "Matto Schahko" heißt.
Ob die "Anpassung" an den KMV-Text erst später gemacht wurde (von wem auch immer)?

Helmut
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Je mehr ich mich in "Nscho-tschi und ihre Schwestern" vertiefe, umso besser gefällt mir dieses Buch. Heute las ich das "Merhameh"-Kapitel. Die Beobachtungsgabe der Autorin und ihre Fähigkeit, Mays Figurenwelt zu interpretieren, bewegt mich sehr. In Merhameh (der "Barmherzigkeit") z.B. sieht Katharina Maier eine wahrhaft charismatische Frau, die aus anderen Menschen, hier aus Hadschi Halef, das Beste hervorlockt. Ich muss da spontan an das Wort eines bekannten Dichters (ich glaube, Goethe) denken. Dieses Wort lautet sinngemäß: "Wenn wir die anderen nur so nehmen, wie sie sind, machen wir sie schlechter. Wenn wir sie aber so behandeln als wären sie das, was sie sein könnten, dann helfen wir ihnen, das zu WERDEN, was sie sein können." Einen solchen 'Geburtshelferdienst' leistet Merhameh an Hadschi Halef.
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Helmut
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Re: Nscho-Tschi und ihre Schwestern

Beitrag von Helmut »

Es ist zwar noch einige Zeit hin, und interessiert vielleicht auch nicht jeden:
Am 25. April 2013 um 20 Uhr
wird Katharina Maier in der
Buchhandlung Hübscher
Grüner Markt 16
96047 Bamberg

aus ihrem Buch lesen.

Dies gehört zum Rahmenprogramm zur Ausstellung "Traumwelten", die zum 100-jährigen Bestehen des KMV ab März 2013 in Bamberg stattfindet.

siehe: http://museum.bamberg.de/fileadmin/pdfs ... _klein.pdf

Helmut
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