sciurus hat geschrieben:Von Winnetou 2 ar ich spontan auch ein bisschen enttäuscht, weil der 2. Band aus locker zusammengehaltenen Einzelgeschichten besteht.
Enttäuscht war ich nicht grade seinerzeit. Ein bischen verblüfft, überrascht, erstaunt, irritiert vielleicht. Der Orientzyklus (für Helmut: Band 1 bis 6 der gesammelten Reiseromane/-erzählungen vom Verlag Fehsenfeld, oder die Bände 1 bis 6 der gesammelten Werke des Karl-May-Verlages

) besteht ja im Grunde auch zum größten Teil aus schon früher geschriebenen Einzelgeschichten, jedoch wirken sie zusammenhängender, da sie, mit Unterbrechungen, hintereinander geschrieben wurden, während May die Einzelerzählungen für seine Winnetou-Trilogie hier und da aus seinem Werk herausgepickt hat, wobei er sich nicht immer leicht tat und es für ihn auch nicht leicht war dieses Puzzle zusammenzusetzen. Es ist ihm auch im nachhinein nicht so recht geglückt (darüber kann man streiten), er selber schrieb ja seinerzeit an seinem Verleger als er an der Trilogie arbeitete, am liebsten würde er die ganze Trilogie nochmal neu schreiben, sodaß sie wie aus einem Guß aussieht, aber aus Zeitgründen und ich nehme an wegen des Knebelvertrages mit Speemann (was ihn aber nicht abhielt "Winnetou I" zu schreiben; ursprünglich sollten es nur 2 Bände bestehend aus früheren Erzählungen werden) wurde nichts draus.
Alles in allem ist die Winnetou-Trilogie trotzdem mit das beste was May geschaffen hat. Man merkt natürlich daß die zweite Erzählung in "Winnetou II", "Old Firehand", wesentlich älter ist als die erste "Der Scout" (wobei wir hier "nur" von 12 oder 13 Jahren sprechen). Vor allem wenn Winnetou, der im ersten Band noch als der edle Rote beschrieben wird, in der zweiten Hälfte von "Winnetou II" plötzlich zum wilden Roten wird, der sich nicht scheut seinen Feinden die Haare abzuschneiden und der sich vor dem Feuerroß fürchtet (wobei letzteres gar nicht so ein großer Anachronismus ist, denn die Trilogie kann man auch als großen Eisenbahnroman sehen, im ersten Band wird die Bahnstrecke noch vermessen, der wilde Westen ist wirklich noch einigermaßen wild, da kennt Winnetou die Eisenbahn noch nicht wirklich und braucht sich vor nichts zu fürchten, im zweiten Band taucht die Bahn dann auf, wobei es ganz normal ist daß Winnetou erfürchtig ist und im dritten Band schließlich (ich hoffe ich verrate jetzt sciurus nicht zuviel, weiß ja nicht ob sie ihn noch nie las) fährt Old Shatterhand selber mit dem Zug, die Zivilisation hat gesiegt, der edle Winnetou muß am Ende sterben). Diese Erzählung "Old Firehand" mag ich sehr gerne, innerhalb der Trilogie wirkt sie aber fast wie ein Fremdkörper. Sie ist übrigens die älteste längere Indianergeschichte Mays, 1875, ein Jahr nach seiner Haftentlassung (danach sollten 1879 nur noch 6 Wochen wegen Meineides kommen, dann war er fertig), geschrieben.
Mit dem dritten Band hat er dann weniger Schwierigkeiten gehabt und zwischen den beiden Einzelerzählungen gibt es weniger Brüche. Trotzdem (paradoxerweise oder nicht) würde ich als Einzelerzählung die beiden aus "Winnetou II" vorziehen (vor allem "Der Scout"), gegenüber denen aus "Winnetou III" (letzteren Band habe ich auch erst einmal gelesen, nur um zu schauen wie es ausgeht, Band 1 bestimmt schon 4 oder 5-mal, Band 2 zwei- oder dreimal).
Such dir ein Buch heraus, mir ist es wirklich egal.
Wenn du mit "Surehand" fertig bist, melde dich einfach wieder

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