Blindheit

Thomas Math
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Re: Blindheit

Beitrag von Thomas Math »

Gibt es irgendwelche authentischen Dokumente ueber Mays Erkrankungen.Berichte oder Notizen seiner behandelnden Aerzte etc.
Hermann Wohlgschaft
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Re: Blindheit

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Ich kann mir nicht vorstellen, dass einschlägige Arztberichte, etwa von den Dresdener Ärzten, heute noch erhalten sind. Wären solche Dokumente bekannt, hätte die kontroverse Blindheitsdiskussion ja wohl kaum entstehen können.
Thomas Math
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Re: Blindheit

Beitrag von Thomas Math »

Dass es keine objektiven Berichte von Mays Blindheit (wie gesagt glaube eh nicht daran) gibt ,war mir klar,haette mich interessiert ob man etwas ueber spaetere Erkrankungen weiss.So wurde zum Beispiel in der Chronik erwaehnt,das May an einer monatelangen Nervenkrankheit litt,haette mich interessiert was man darueber weiss.Medizingeschichte ist so eine Art Steckenpferd von mir und manchmal gibt es tatsaechlich noch Berichte ,die recht gut ein Krankheitsbild beschreiben,Schade.

Apropos es scheint das die amerikanische und deutsche Definition von funktioneller Blindheit (functional blindness)identisch sind.
Psychogene Blindheit verursacht bei schwerer psychischer Stoerung.Das trifft kaum auf May zu er mag ja seine Macken gehabt haben aber schwer psychisch krank war er nie,vielleicht ein bischen narzissistisch aber welcher Autor ist das nicht.
Hermann Wohlgschaft
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Re: Blindheit

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Wieso muss eine funktionelle Blindheit psychogen bedingt sein? Wenn jemand über einen längeren Zeitraum die Augenlider nicht öffnen kann, dann sieht er nichts. Das Sehvermögen funktioniert nicht, obwohl die Augen selbst gesund sind. Der Betreffende ist also „funktionell“ erblindet. So jedenfalls habe ich die Ausführungen Harders immer verstanden.
Thomas Math
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Re: Blindheit

Beitrag von Thomas Math »

Ich habe diese Definition nicht erfunden,funktionell heisst in der Medizin psychogen quasi als Gegenteil to organisch.Wenn sie die Agenlider nicht oeffnen koennen kann das funktionell (psychogen) oder organisch sein (sagen wir mal eine Infektion) in jedem Falle ist ein funktionelle Blindheit per Definition psychogen.


Jetzt koennte man natuerlich sagen May hatte eine temporaere Augenerkrankung die als Trauma zur funktionellen (psychogenen) Blindheit fuehrte.Aber auch das waere eine schwere psychische Stoerung,wie die dann ohne Behandlung verschwand bliebe ein Raetsel.Wobei wir wieder dabei sind das May wenn man dem gesunden Menschenverstand folgt nicht blind (zumindest nicht fuer Monate oder Jahre) gewesen sein kann.
Hermann Wohlgschaft
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Re: Blindheit

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Wer sagt denn, dass der blinde Karl nicht behandelt wurde? In Ernstthal wurde sicher gepfuscht, in Dresden aber (Ende 1845 oder Anfang 1846) wurde Karl von tüchtigen Ärzten kuriert.

Im übrigen bleibt es dabei: Im Falle des kleinen Karl May meint "funktionelle Blindheit" keine psychische Erkrankung, sondern einen entzündlichen Augenlidverschluss.
Thomas Math
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Re: Blindheit

Beitrag von Thomas Math »

Also eine Blepharitis oder eine bakterielle Konjunktivitis.Wie die solange angedauert haben kann ohne schwere Schaeden zu verursachen ist nicht zu verstehen.Wenn man beide Augen bei einem Kind lange verschliesst werden auch die vorher gesunde Retina und der Sehnerv geschaedigt .
Ausserdem warum griff die Entzuendung nicht auf weitere Strukturen ueber ?

Was die Behandlung angeht so meinte ich eine psychiatrische Behandlung fuer eine funktionelle Blindheit.Die Psychiatrie duerfte damals noch in ihren Kinderschuhen gesteckt haben.
Ich glaube durchaus,das die Augenheilkunde in D im 19.Jh auf dem Stande ihrer Zeit war oder sogar ihrer Zeit voraus.Trotzdem verstand man die wesentlichen pathophysiologischen Prozesse damals noch kaum und Behandlungen beruhten meist of Erfahrungsberichten .

Habe ich das falsch gelesen,aber May behauptet er waere sehr frueh und dann 4 Jahre blind gewesen.
Jetzt lese ich,dass Herr Harder von einer 6-monatigen Blindheit ausgeht,warum denn nicht gleich annehmen was viel wahrscheinlicher ist,er war nie blind.
Hermann Wohlgschaft
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Re: Blindheit

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Wir drehen uns im Kreise, es wurde alles schon mehrmals gesagt. Trotzdem, noch EINMAL, zur Klarstellung:

In ‚Mein Leben und Streben’, S. 16, heißt es, dass Karl „kurz nach der Geburt sehr schwer erkrankte, das Augenlicht verlor und volle vier Jahre siechte“. Diese Angaben können als Aufzählung gelesen werden. Mays Aussage wäre dann: kurz nach der Geburt wurde er krank; irgendwann später konnte er nichts sehen; insgesamt vier Jahre war er schwächlich und siech. Es gibt m. E. keinen Grund, dies zu bezweifeln.

Dass ein, auch länger anhaltender, entzündlicher Blepharospasmus nicht zur Schädigung des Sehnervs oder des Auges führen muss, steht mit klaren Worten bei Eversbusch. Der Eversbusch-Text ist im Internet nachzulesen.

Ob der Lidverschluss nun 6 Monate dauerte oder 7 oder 5, darauf wird sich niemand festlegen wollen, ich jedenfalls nicht.
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rodger
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Re: Blindheit

Beitrag von rodger »

Hermann Wohlgschaft hat geschrieben:Wir drehen uns im Kreise, es wurde alles schon mehrmals gesagt.
Und das seit Tausenden von Jahren ... "Nur noch nicht von jedem", hat Karl Valentin alias Sonstwie (unser abhanden gekommener Kollege Sandhofer ("Ich bin der [Foren-]Welt abhanden gekommen") pflegte Wert auf die Nennung dessen bürgerlichen Namens zu legen) seinerzeit noch angefügt an einen fast gleichlautenden Satz.

:wink:

Noch ein paar Gedanken / Aspekte, die mir so „bei Durchsicht meiner Bücher“ bzw. des Internets in den Sinn kamen:

„Wenn jemand sprach, hörte ich nicht seinen Körper, sondern seine Seele. Nicht sein Aeußeres, sondern sein Inneres trat mir näher. Es gab für mich nur Seelen, nichts als Seelen. Und so ist es geblieben, auch als ich sehen gelernt hatte, von Jugend an bis auf den heutigen Tag. Das ist der Unterschied zwischen mir und anderen“ schreibt Karl May (alle Zitate: "Mein Leben und Streben"), so sei es also geblieben, geringerer Stellenwert des Äußeren gegenüber dem Inneren, auch nach der Blindheit. Und „Als ich sehen lernte, war mein Seelenleben schon derart entwickelt und in seinen späteren Grundzügen festgelegt, daß selbst die Welt des Lichtes, die sich nun vor meinen Augen öffnete, nicht die Macht besaß, den Schwerpunkt, der in meinem Innern lag, zu sich hinauszuziehen.“

Diese Passagen korrespondieren trefflich mit

„Damals, als ich mich im Gefängnisse befand, da war ich frei. Da lebte ich im Schutze der Mauern. Da meinte es ein Jeder gut und ehrlich, der zu mir in die Zelle trat. Da durfte mich niemand berühren. Da war es keinem erlaubt, den Werdegang meines inneren Menschen zu stören. Kein Schurke hatte Macht über mich. Was ich besaß und was ich erwarb, das war mein sicheres, unantastbares Eigentum, bis ich - - entlassen wurde, länger nicht! Denn mit dieser Entlassung verlor ich meine Freiheit und meine Menschenrechte. Was andere, die nur materiell zu reden wissen, als Freiheit bezeichnen, das ist für mich ein Gefängnis, ein Arbeitshaus, ein Zuchthaus gewesen“,

was am Ende des Buches steht, und das korrespondiert wiederum trefflich mit

„Und der Psychotherapeut Wolfgang Schmidbauer vermutet in der Blindheit ein Symptom eines vernachlässigten Kindes, das in dem Dunkel der Wahrnehmung eine »Verlängerung des intrauterinen Zustandes« sucht, so als habe der neugeborene Karl May sich dann vier Jahre erfolgreich und hartnäckig geweigert, seine Umgebung in Augenschein zu nehmen“, was bei Zeilinger steht.

Nur mal so gebrainstormt. Manchmal fallen einem halt Querverbindungen auf.
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Ralf Harder
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Re: Blindheit

Beitrag von Ralf Harder »

Thomas Math hat geschrieben:Also eine Blepharitis oder eine bakterielle Konjunktivitis.
Noch einmal: "Blepharitis" ist nicht "Blepharospasmus". Prof. Eversbusch kannte bereits beide Begriffe. Wie lange Karl May blind war, weiß ich nicht. Das kann man selbstverständlich nicht exakt auf den Monat genau festlegen. Und es gab keine dauerhafte Schädigung der Augen oder des Sehnervs. Zur Erinnerung:

"Der […] so häufige hartnäckige sog. entzündliche Blepharospasmus ist in der Regel doppelseitig, auch wenn nur ein Auge krank ist; mit vermehrter Tränenabsonderung und Lichtscheu verknüpft, begleitet der Lidkrampf auch die Rezidive des Hornhautekzems, Wochen und Monate dauernd, mitunter auch gleiche Zeit über die Heilung der Hornhautkrankheit fortbestehend. Der Lidkrampf führt zumal bei jüngeren Kindern – ohne irgendwelche Schädigung der percipierenden Teile des Auges – zu einem Verlernen des Sehens, zu einer Schwachsichtigkeit aus Nichtgebrauch, die erst nach Beseitigung des andauernden Lidverschlusses im Laufe mehrerer Wochen durch neues Sehenlernen verschwindet.

Zu Prof. Eversbusch, der gewiss kein Kurpfuscher war:

"Die wissenschaftliche Arbeit von Oscar Eversbusch war gründlich und umfassend."..aber seine Hauptleistung liegt auf dem klinisch-therapeutischen Gebiet. Ein trefflicher Operateur, hat er zahlreiche neue Verfahren angegeben. Hierher gehört die Lid-Bildung mittels Einpflanzung stielloser Lappen, die er aus der Epidermis mit den Papillen-Spitzen herstellte. Ferner die Wiederherstellung gänzlich verloren gegangener Lider, die Hebung des gesunkenen Oberlids mittels der Sehnen-Verlagerung, endlich die Ausrottung der orbitalen Thränen-Drüse. Werthvolle Bereicherung unsrer Kunst hat er uns geschenkt für die Behandlung der Augen-Eiterung bei Neugeborenen, der Körner-Krankheit, der zerstörenden Hornhaut-Processe, der durchbohrenden Augen-Verletzung, der Linsen-Verschiebung. Ferner erwähne ich seine Versuche, die Bier'sche Stauung auf das Auge anzuwenden, die Hornhautflecke durch Bestrahlung mit der elektrischen Glühlampe zu verringern, die albuminurische Netzhaut-Veränderung, sowie das Glaukom durch kleine Aderlässe günstig zubeinflussen."
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Re: Blindheit

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Zu "rodger" bzw. Johannes Zeilinger bzw. Wolfgang Schmidbauer:

Wolfgang Schmidbauer ist ein bekannter Psychoanalytiker. Die Psychoanalyse ist m. E. keine objektive Wissenschaft, sondern eher eine, in der heutigen Psychologie ziemlich umstrittene, Weltanschaung. Alles, was Schmidbauer über Karl May bzw. dessen frühkindliche Blindheit schreibt, ist rein hypothetisch und alles andere als "wissenschaftlich" "erwiesen". Was aber natürlich - andererseits - nicht heißen muss, dass alles, was Schmidbauer schreibt, rundherum "falsch" sein muss. :wink:
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rodger
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Re: Blindheit

Beitrag von rodger »

Ich bin ja kein Leugner der Blindheit, auch kein Bestreiter, allenfalls, und eigentlich noch nicht einmal das, ein Bezweifler ... (diese ganz verschiedenen Begriffe sollte man schon auseinander halten, auch wenn das heutzutage nicht immer üblich ist, je nachdem was gerade so angesagt ist nicht einmal in Medien wie "Spiegel" oder "Süddeutsche Zeitung" ...)

(Eigentlich nicht einmal ein Bezweifler, da ich ja eher das Ausmaß, als die Tatsache als solche bezweifle ..)

Mir ging es darum, daß die Textstellen (die in "Mein Leben und Streben" vorne und die im gleichen Buch hinten und die wiederum mit der Schmidbauerschen) auf einigermaßen verblüffende Weise zueinander passen, korrespondieren.
Thomas Math
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Re: Blindheit

Beitrag von Thomas Math »

Herr Wohlgschaft hat recht die Psychoanalyse ist eher eine pseudowissenschaftliche Weltanschauung ein bischen aehnlich wie die Astrologie.
Trotzdem wurde sie in den 70er Jahren unter anderem auch von Wollschlaeger verwandt um May zu interpretieren.
Es steht mir fern rodger zu interpretieren aber ich vermute mal er hat das ein wenig ironisch gemeint.

Wie gesagt ich habe nicht den geringsten Zweifel was die Qualifikation der genannten Professoren der Augenheilkunde angeht.
Das beide Begriffe damals bekannt waren ist mir nun auch bekannt,nur wie gesagt blepharospasm is HEUTE eine neurologische Krankheit die nicht zur Blindheit fuehrt and was oben beschrieben wird ist eine entzuendliche Erkrankung also heute Blepharitis genannt.
So ist es mit der Wissenschaft Begriffe aendern sich.

Voelliger langandauernde Lidverschluss im fruehkindlichen Stadium fuehrt zur Schaedigung Atrophie der Retina und des Sehnervs.
Und der gute May hat wie man es auch dreht,behauptet er habe jahrelang an Blindheit gelitten

Waere interessant zu erfahren was ein Hornhautekzem ist ?

Man koennte jetzt auch eine damalige Beschreibung der Tuberculose anfuehren und dann mit gleichem Recht behaupten Mays kraenkeln,kaeme davon.
Hier wuerde auch das Argument es waere von Mangelernaehrung verursacht ziehen.

Ich glaube das May in fruehem Kindesalter eine Augeninfektion hatte,solche sind heute in der dritten Welt sehr haeufig und das Ostdeutschland des 19.JH hatte wohl aehnliche soziooekonomische Verhaeltnisse,die Infektion hatte beide Augen erfasst,was sehr haeufig ist und hat das Sehvermoegen beintraechtigt aber er war nicht voellig blind (hat sich so aber erinnert Jahrzehnte spaeter).Einige Woche spaeter wurde er dann besser vielleicht hat man ihn mit Augentropfen behandelt,die bakteriostatisch wirkten.(Ohne das man sowas damals wusste).
Auch eine durch Vitaminmangel verursachte Sehstoerung (Zeilingers Thesen) halte ich fuer denkbar.
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rodger
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Re: Blindheit

Beitrag von rodger »

Thomas Math hat geschrieben: Es steht mir fern rodger zu interpretieren aber ich vermute mal er hat das ein wenig ironisch gemeint.
Ich meine allerhand ironisch und auch sonstnochwie wenn der Tag lang ist, aber die Sache mit Schmidbauer habe ich nun überhaupt nicht ironisch gemeint. Ich habe darüberhinaus übrigens das Schmidbauersche Statement (in Zeilingers Wiedergabe) gar nicht so verstanden, daß er damit nun unbedingt sagen will, daß May nicht blind war. Ein Rückzugsverhalten kann ja sowohl für sich alleine bestehen als auch mit körperlicher Ausprägung, in dem Fall realer Blindheit, gekoppelt sein (und damit wären wir dann doch noch einmal bei Rüdiger Dahlke, der sagt, daß Krankheit generell psychosomatisch zu sehen ist, einschließlich Husten und Schnupfen, man "hustet" den anderen "was", hat "die Nase voll", der Tinnitus-Patient "will nichts mehr hören" usw. Nein, das soll kein Scherz sein, weder von Dahlke noch von mir).
Thomas Math
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Re: Blindheit

Beitrag von Thomas Math »

Sorry,habe nicht geglaubt,dass das ernstgemeint war.

Was den Quacksalber Dahlke angeht,da schweige ich doch lieber
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