Karl Mays frühe Jahre - Bitte um Hilfe

ewo
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Re: Karl Mays frühe Jahre - Bitte um Hilfe

Beitrag von ewo »

Klasse! Danke für das perfekte Zitat.
Stimmt genau: Er hat sich selbst die "Lizenz" zum Schwindeln erteilt. Aus höheren ästhetischen Gründen. Der Mann war "schwindelfrei beim Schwindeln". So lange es gut klingt und die Story spannend macht.
Hermann Wohlgschaft
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Re: Karl Mays frühe Jahre - Bitte um Hilfe

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Eigentlich bin ich im Moment mit etwas ganz anderem beschäftigt: Anlässlich des 65. Geburtstags von Werner Thiede, einem evg. Theologen und May-Kenner, soll eine Festschrift erscheinen, für die ich einen Beitrag zugesagt habe mit dem Titel "Eine Mystik, die die Erde liebt". Heute noch soll ich meinen Beitrag abliefern, bin also unter Zeitdruck.

Trotzdem noch - nur aus dem Bauch heraus, auf die Schnelle - zu L&S und der Pollmer-Studie: "Unvergleichbar" sind sie, was die literarische Gattung betrifft. Das eine ist eine relativ objektive Selbstbiographie, das andere eine reine Streitschrift, eine von May nicht zur Veröffentlichung gedachte Polemik gegen Emma Pollmer. Eine andere Frage ist der Wahrheitsgehalt der Studie. Ich habe da keine feste Meinung. Ich halte es für denkbar, dass es im Wesentlichen wirklich so war, wie May es dargestellt hat. Für ebenso denkbar halte ich aber die Möglichkeit, dass May in seinem Furor sooooooo heftig übertrieb, dass die Wahrheit dabei geopfert wurde. Wie gesagt, ich weiß es nicht. Sollte ich einmal in den Himmel kommen und dort dem Ehepaar Emma und Karl May begegnen, werde ich die beiden zur Rede stellen und die wahrheitsgemäße Auskunft verlangen. :wink:

Zur Grauzone zwischen "Lüge" und "poetischer Fantasie" bei pubertären angehenden Dichtern empfehle ich den Roman "Der grüne Heinrich" von Gottfried Keller. Zwischen diesem autobiographischem Roman und Mays L&S gibt es hoch interessante Parallelen, die m.W. noch gar nicht untersucht worden sind.
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rodger
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Re: Karl Mays frühe Jahre - Bitte um Hilfe

Beitrag von rodger »

Sollte ich einmal in den Himmel kommen und dort dem Ehepaar Emma und Karl May begegnen
Unwahr ist, daß auf Mays Grabstein "Hier ruht in Frieden Karl May" steht und Emma Pollmer "Warte bis ich komme" darunter geschrieben hat. Wahr ist, daß das hätte sein können.

:mrgreen:

(das war jetzt sozusagen unter meinem Niveau. Muß halt auch wieder mal sein.
Nicht Einzelwesen, Drama ist der Mensch. :D )
ewo
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Re: Karl Mays frühe Jahre - Bitte um Hilfe

Beitrag von ewo »

Ne, das war Kasperei auf hohem Niveau - ich musste herzhaft kichern. :lol:
Habe auch kürzlich über eine Passage in Schmiedts May-Biographie sehr gelacht (S. 115f. Es geht um die Genre-Unterschiede zwischen Kolportage und "ernsthaften" Abenteuerromanen): " ... spielen Dutzende von Seiten des Verlornen Sohns in einem Bordell, ... " Einige Sätze weiter: " ... In den Texten, die May für den Hausschatz und den Guten Kameraden schreibt, spielen Bordelle keine Rolle; selbst ihre Bösewichter machen nicht den Eindruck, dass sie auch nur wüssten, um was es sich dabei handelt." Das ist wahrhaftig richtig. Die Bösewichter sind sozusagen kein bisschen unmoralisch, richtige Saubermänner. Ist das schon verlogen, oder bloß clever auf die Zielgruppe abgeschmeckt?
Hermann Wohlgschaft
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Re: Karl Mays frühe Jahre - Bitte um Hilfe

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Einer der bisher stärksten Beiträge des Rüdiger Wick :lol:
Hermann Wohlgschaft
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Re: Karl Mays frühe Jahre - Bitte um Hilfe

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Zu May als Auftragsschreiber: Dass der "Mayster" für Münchmeyer, Pustet und Spemann jeweils ganz anders schrieb, ist bekannt. Er hatte einen guten Spürsinn für die Leseerwartungen seiner jeweils unterschiedlichen Zielgruppen. Andererseits gibt es in nahezu sämtlichen Schriften Karl Mays (unabhängig vom Auftraggeber) wichtige Gemeinsamkeiten, z.B. den Humor, die Fähigkeit, Spannung zu erzeugen, die Kraft der Phantasie und - nicht zuletzt - die sprirituelle Tiefe (die sich auch in den Kolportageromanen und in den Jugendromanen zeigt, also nicht bloß ein Zugeständnis an katholische Verlage ist).
ewo
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Re: Karl Mays frühe Jahre - Bitte um Hilfe

Beitrag von ewo »

Verehrte May-Spezialisten, brauche mal wieder Ihre/Eure Hilfe, und zwar zur „Märchen-Großmutter“. Ihren Webergesellen-Ehemann Christian Friedrich hat sie am 01.05.1803 geheiratet, am 01.10.1803 kam das 5-Monats-Kind Christiane Wilhemine auf die Welt. Der Ehemann ist am 04.02.1818 bekanntlich im und an Suff verblichen. Zuvor hat er noch dankenswerterweise dem am 18.09.1810 geborenen Jungen Heinrich August seinen Nachnamen gegeben, obwohl dieser lt. Kirchenbuch von einem „unbekannten Schwängerer“ abstammt. Jetzt kommt`s: Lt. Chronik Sudhoff/Steinmetz und Heermann war dessen Vater „möglicherweise“ ein Oberförster (Forsthaus Hainholz) aus der Nachbarschaft.
Nach dem Ableben von Christian Friedrich 1818 übersiedelte die Großmutter mit den beiden Kindern in das Oberförster-Haus und arbeitete als Haushälterin (Na ja :wink: ). Leider war damit nach einiger Zeit wieder Schluss, weil der verwitwete Oberförster wieder heiratete …, und die dreiköpfige Kleinfamilie musste wieder ausziehen. Schließlich heiratete die Großmutter 1822 erneut.
Jetzt kommt`s dicker: Wenn der „unbekannte Schwängerer“ tatsächlich der ominöse Oberförster war, und zwischen ihm und der Oma eine Affäre bestand, hätte diese Affäre sage und schreibe mindestens 9 Jahre angedauert (Anfang 1810 Geburt von Karl Mays Papa bis 1819 Einzug ins Oberförsterhaus nach Tod von dessen Ehefrau). Und hätte der Oberförster dann seine Geliebte mitsamt seinem Sohn an die Luft gesetzt? Ist das glaubwürdig? In einem Nest wie Hohenstein, wo jeder jeden kannte?
Jetzt unterstelle ich mal ausnahmsweise nicht Karl May Lügerei, aber konnten seine namhaften Biographen nicht rechnen? Da scheint mir doch der namenlose Rheinbund-Soldat plausibler, oder wie sehen Sie/seht Ihr das? :?: :?:
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Ralf Harder
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Re: Karl Mays frühe Jahre - Bitte um Hilfe

Beitrag von Ralf Harder »

Der Oberförster im Forsthaus Hainholz scheidet aus:
https://www.reisen-zu-karl-may.de/erinn ... uehle.html
ewo
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Re: Karl Mays frühe Jahre - Bitte um Hilfe

Beitrag von ewo »

Danke, Herr Harder, für die fundierte Information.
Okay, wenn zwar der Hainholzer Förster nicht der "ominöse" Oberförster war, konnte Großmutter May natürlich trotzdem immer noch bei einem anderen Förstersmann in der Nachbarschaft untergekommen sein. Lassen wir das mal Karl Mays Geheimnis bleiben.
Ihr Beitrag stützt ja sogar meine Argumentation noch ein bisschen, dass jedweder Oberförster der Gegend eher nicht als Erzeuger von Vater May infrage kommt, oder? Der Zeitablauf bliebe ja der gleiche unwahrscheinliche.
Aber wer könnte der namenlose Rheinbund-Soldat gewesen sein? Gibt es da Hinweise? :confused:
- Übrigens: Vielen Dank für den gastronomischen Tipp im Artikel: Falls ich jemals nach Hohenstein-Ernstthal komme, werde ich dran denken und die Mühle besuchen :)
Grüße von ewo
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Ralf Harder
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Re: Karl Mays frühe Jahre - Bitte um Hilfe

Beitrag von Ralf Harder »

Es muss nicht die unmittelbare ›Nachbarschaft‹ gewesen sein. Das Territorium der Schönburger konnte man nicht an einem Tag erlaufen …
Hermann Wohlgschaft
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Re: Karl Mays frühe Jahre - Bitte um Hilfe

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Zu Mays "Geheimnis": Wusste er denn, wer sein leiblicher Großvater war? Oder blieb dies das Geheimnis der Märchengroßmutter?
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