Aktueller Karl May: "Und Friede auf Erden!"

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Gast

Aktueller Karl May: "Und Friede auf Erden!"

Beitrag von Gast »

Hallo zusammen,

in einer Welt die sich immer unfriedsamer entwickelt, wo die Toleranz unter den Religionsgemeinschaften wieder abnimmt, egoistischer Nationalismus in verschiendenen Ländern groteske Formen annimmt und auch die Bundesrepublik Deutschland meint, wieder Militär auf jeden Abenteuerkriegsschauplatz der Welt zu schicken, empfiehlt es sich mehr denn je Karl May zu lesen. Und es sollte diesbezüglich ein ganz bestimmtes Buch des Autors sein: "UND FRIEDE AUF ERDEN!"

Gewiß, es gehört nicht zu den spannenden Büchern, die wir von May eigentlich gewohnt sind und es gibt durchaus Leser, die das Buch schlichtweg für langweilig halten. Aber das Werk will sorgsam gelesen und verstanden sein. Erst dann wird der Leser erkennen, wie aktuell das Buch noch heute ist - mehr noch, aktueller denn je und keineswegs langweilig.

Und es sei empfohlen, daß Buch im Original-Text zu lesen, denn die Bearbeitung des Werkes durch Paul Rentschka im Jahre 1922 verdirbt den eigentlichen Wert des bedeutsame Werk, zerstört alle Aussagen um die es May eigentlich ging: "UND FRIEDE AUF ERDEN!".

Viele Grüße
Kurt
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rodger
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Beitrag von rodger »

Hallo allerseits, hallo Kurt,

Ich muß gestehen, dass auch ich „Und Friede auf Erden“ beim letzten Lesen stellenweise langweilig fand, wie auch Silberlöwe und A & D manchmal wirklich mühsam zu lesen sind. Es fehlt mir, denke ich, nicht am Verständnis, und Abenteuergeschichten muß ich auch nicht haben, aber ich gebe zu, ich lese Mays Kolportageromane, einige der Reise- und neuerdings sogar die Jugenderzählungen eigentlich lieber. Der Grund ist, da überall ist noch, einfach und treffend ausgedrückt, Saft und Kraft zu spüren, in den Bänden ab 28 nicht mehr. Das schmälert nicht den objektiven Wert der Bücher und nicht die Leistung, im Alter noch einmal etwas ganz neues begonnen zu haben, aber das Lesevergnügen schmälert’s halt doch. Andererseits enthalten die Bände auch atemberaubende Höhepunkte, man muß es wirklich differenziert sehen.

Bei „Und Friede auf Erden“ empfiehlt sich zu allererst der Reprint des Karl May Verlages, in der Historisch-Kritischen Ausgabe liegt der Band (noch) nicht vor. Auch den Band 30 der Gesammelten Werke kann man mit leichter Einschränkung empfehlen, die frühere Bearbeitung wurde ja aus dem Verkehr gezogen, und weitgehend entspricht Band 30 wieder dem Originaltext. Bei Weltbild ist die Frühfassung „Et in terra pax“ erschienen, die Karl May später selber für die Buchausgabe überarbeitete und erweiterte.
Ralf Grosskurth
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Beitrag von Ralf Grosskurth »

An dieser Stelle muß ich Dir doch wieder einmal widersprechen, lieber Kurt!

Obwohl, widersprechen mag der falsche Begriff sein - eher meine etwas abweichende Meinung kundtun.

"Und Friede auf Erden" gehört in meinen Augen eindeutig zu den schwächeren Werken / Passagen des Alterswerks.
Dies ist natürlich eine rein subjektive Wahrnehmung, doch erscheinen mir gerade in diesem Werk die Charaktere als übermäßig flach gezeichnet. Überhaupt, die ganze Geschichte wirkt mir als kraftlos "gepinselt".

Wert gewinnt das Werk bestenfalls durch die eindeutige Intention, zur Völkerverständigung, zur Anerkennung "fremdländischer" Menschen beizutragen, und eine gewisse Bigotterie der scheinbaren "Christenmenschen" zu verdammen.
Wobei man jedoch nicht aus den Augen verlieren sollte, daß diese "anerkannten" Personen innerlich samt und sonders (schon) echte Christen sind und solchermaßen einen Kontrapunkt zu den Kolonisatoren, den nur vorgeblich christlichen Anticharakteren darstellen
Eine wirkliche Auseinandersetzung mit fremdem Glauben und fremden Gebräuchen kann ich nur schwerlich erkennen.
Letztlich erscheint mir "Und Friede auf Erden" eher als eine Auseinandersetzung um das "wahre" Christentum, wie es KM verstand. Das Ganze dann allegorisch verfremdet und - typisch für ihn - in ein fremdes Land versetzt, um mit dem Reiz des Exotischen wirken zu können.

Insgesamt erscheint mir Mays Zugang zu fremdem (="unchristlichem") Gedankengut in A&D als wesentlich ausgeprägter.

Bezüglich deiner Aussage "..., wo die Toleranz unter den Religionsgemeinschaften wieder abnimmt, ....", muß ich feststellen, daß ich auch dieses "Wieder-Abnehmen" nicht feststellen kann. Mir scheint es nämlich so zu sein, daß sie (=die Toleranz) auch früher nicht sehr viel ausgeprägter war.
Nur war unser Blick vielleicht getrübt durch die Tatsache, daß wir als Deutsche uns über lange Jahre aus den Niederungen der gemeinen internationalen Politik heraushalten konnten / durften / mußten. Und wenn sie uns doch betraf, konnten wir uns an unsere Schuld erinnern, Geld bezahlen, und schienen wieder aller Sorgen ledig.
Nun, nachdem wir als Staat wieder wirklich souverän sind, hat uns auch die Wirklichkeit eingeholt, in jeder Hinsicht.
Und nun müssen wir erkennen, daß auch jenseits unserer Grenzen nicht nur Edeltum herrscht, sondern das gleiche Maß an nationalistischer, theologischer und allgemein egoistischer Borniertheit herrscht, wie wir es so gern früher nur auf uns selbst bezogen.

Aber wie gesagt, dies sind nur meine subjektive Wahrnehmungen, und solchermaßen gewiß so richtig und so falsch wie die eines jeden Anderen auch.
Mit freundlichen Grüßen,

Ralf Grosskurth
Gast

Beitrag von Gast »

Hallo Ralf,

Deinen Beitrag habe ich in keiner Weise als Widerspruch empfunden und wir sind diesbzüglich sogar in vielerlei Hinsicht gleicher Meinung.

Dies gilt natürlich in erster Linie der veränderten politischen Situation in der sich Deutschland seit dem 3. Oktober 1990 befindet. Dem muß die Regierung bei ihren Entscheiungen Rechnung tragen und das politische Weltbild unseres Landes verändert.

Wenn ich Band 30 "Und Friede auf Erden" dem heutigen Leser empfehle, dann meine ich das nicht nur in Bezug auf die veränderte Situation Deutschlands, sondern der religösen Umwälzungen - besonders des Islams - in der Welt. Es würde den Rahmen dieses Forums sprengen, in allen Details darauf näher einzugehen.

Was die Qualitäten des Romans "Und Friede auf Erden" im Vergleich zu "Ardistan und Dschinnistan" anbelangt, so wird von mir in keiner Weise bestritten, daß letzterer diesem überlegen ist.

Wenn mir "Und Friede auf Erden" dennoch besonders gut bzw. besser gefällt als "A&D", ist das natürlich eine Sache des persönlichen Lesegeschmacks und den Aussagen Mays, denen ich mich gerade in diesem Werk sehr verbunden fühle.

Viele Grüße
Kurt
Sandhofer
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Wert - und Interesse!

Beitrag von Sandhofer »

Hallo zusammen!

Um noch eine abweichende Meinung kund zu tun: Nicht Wert - aber Interesse gewinnt das Werk dort, wo May seine spiritistisch-spiritualistischen Gedanken entwickelt.

Und, wie immer bei May, literarisch wertvoll sind auch in diesem Werk seine Traumsequenzen. Obwohl er zugegeben im Alterswerk noch Besseres verfasst hat.

Grüsse

Sandhofer

PS.
Kurt Altherr hat geschrieben:Wenn ich Band 30 "Und Friede auf Erden" dem heutigen Leser empfehle, dann meine ich das nicht nur in Bezug auf die veränderte Situation Deutschlands, sondern der religösen Umwälzungen - besonders des Islams - in der Welt. Es würde den Rahmen dieses Forums sprengen, in allen Details darauf näher einzugehen.
Es wäre doch allemal einen Versuch wert, auszuprobieren, wie elastisch der Rahmen dieses Forums ist. :D
Gast

Beitrag von Gast »

Hallo!

Über den literarischen Wert von Mays "Frieden" bzw dem Vorgänger "Pax" möchte ich hier nicht urteilen. Überhaupt ist Karl May für mich nicht ein rein literarisches sondern durch seine relativ große Popularität ab sagen wir mal 1895 auch ein soziologisches Phänomen. Und dieser Mann des öffentlichen Lebens befand sich spätestens nach dem Erscheinen von "Et In Terra Pax" in einem gewissen Gegensatz zur allgemeinen Patriotismusbesoffenheit seiner Zeit. Eine schöne Fundstelle dazu habe ich in einem anderen Forum schonmal zitiert:

"Meine Lebensaufgabe, die auf das Wohl der ganzen Menschheit gerichtet ist, verhindert mich, ein unsinniger Knallpatriot zu sein."

Karl May in einem Brief an Prinzessin Wiltrud von Bayern, 7. März 1908.

"Knallpatriot" finde ich übrigens eine wunderschöne Formulierung.

Grüße

Rolf Dernen
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rodger
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Re: Aktueller Karl May: "Und Friede auf Erden!"

Beitrag von rodger »

Ich bin derzeit bei der erneuten Lektüre des Buches.

Mittlerweile finde ich das Buch eines der interessantesten, ungewöhnlichsten und tiefsinnigsten Karl Mays. Was ich vor fünf Jahren hier im Thread schrieb, gilt zum Teil nicht mehr für mich. Auch das ist nicht uninteressant, wie sich Wahrnehmungen und Einschätzungen verändern können ...

Die Erstfassung "Et in terra pax" entstand bekanntlich als erstes Werk nach der Orientreise. Danach kamen die 'Silberlöwen'-Bände III und IV, und danach dann die Umarbeitung zu "Und Friede auf Erden". Da wurde ja nicht einfach nur ein Kapitel angehängt, sondern das ganze Werk zum Teil kräftig umgestaltet.

Hermann Wohlgschaft widmet diesem Buch in seinem dreibändigem biographischen Werk rund fünfzig Seiten, die ich mir heute ebenfalls erneut zu Gemüte geführt und viele sehr schöne Stellen darin entdeckt habe. Sehr interessant ist auch der Artikel von Ekkehard Bartsch im Jahrbuch der KMG 1972/73, online nachzulesen. Da geht es unter anderem auch um die verschiedenen Bearbeitungen von Band 30 der GW im Laufe der Zeit.

Den "Und Friede auf Erden" behandelnden Band der "Studien" (hrsg. von Sudhoff / Vollmer) habe ich mir heute bestellt, außerdem das Jahrbuch der KMG von 1983, das umfangreiche Korrespondenz aus der Entstehungszeit des Werkes enthält und im Netz leider nicht nachzulesen ist. Auch auf "Hehres Anliegen im Zwielicht" von Walther Ilmer (auch online) sei gern noch einmal aufmerksam gemacht, das enthält einen ganz großartigen Satz (den vom Kupferstecher Hermes), den ich, seit ich ihn vor Jahren gelesen habe, nicht mehr vergesse. Da gehen die Ansichten auseinander, ich weiß, man hat mit ihm geschimpft auf der Rückfahrt vom Vortrag im Bus, habe ich mir sagen lassen, aber das dürfte er nichtsdestotrotz ganz richtig gesehen haben ...

Karl May und sein Werk, ein immer wieder frisches, lebendiges, hochinteressantes, unerschöpfliches Thema.
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rodger
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Re: Aktueller Karl May: "Und Friede auf Erden!"

Beitrag von rodger »

Lesenswert auch die Ausführungen zu Band 30 von Roland Schmid im Anhang von Band 28 der Reprint-Ausgabe.

Dort wird darauf hingewiesen, daß unter den 33 Fehsenfeld-Bänden der 30er der seitens Karl May gegenüber der jeweiligen Erstfassung am stärksten bearbeitete Band ist und daß das mit der beabsichtigten Wandlung Mays zum symbolisch-allegorischen Dichter zu tun habe. Von "voll zum Tragen kommenden spritistischen Elemente"n ist übrigens auch die Rede. Das Gleichnis von der Taucherinsel Ti wurde von Karl May nachträglich eingebaut ins vierte Kapitel.

Was ich nicht verstehe ist der Hinweis Schmids auf S. N17, es sei geplant, den Wortlaut des "Zauberteppich"-Märchens in einem Ergänzungsband "Aus allen Zonen" wiederzugeben, da der "Zauberteppich" ja zum Zeitpunkt des Erscheinens der Fehsenfeld-Reprints schon in Band 48 der GW samt Erläuterungen vorlag.

Der Bund der Shen heißt in "Et in terra pax" noch Pu, auch das soll nicht unerwähnt bleiben.

Ursprünglich sollte "Und Friede auf Erden" mit den Worten "Dort fließt uns die Quelle des Lichtes, das zwar verdunkelt werden, doch nie verlöschen kann!" enden, offenbar unmittelbar vor Druckbeginn fügte May noch 20 Zeilen an, laut Roland Schmid "ein im Grunde überflüssiges Anhängsel". Diese Meinung teile ich nicht, da noch einmal der angekündigte Krieg erwähnt wird und die Schlußworte nun lauten "sie soll uns betend - dankend - hoffend finden!", womit eine HALTUNG (auch mit 'Glaube Liebe Hoffnung' u.ä. umschreibbar ...) innerhalb des von Krieg u.a. beeinträchtigten Zustandes unterschiedlicher Verdunkelung anempfohlen wird.
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rodger
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Re: Aktueller Karl May: "Und Friede auf Erden!"

Beitrag von rodger »

rodger hat geschrieben: "Hehres Anliegen im Zwielicht" von Walther Ilmer (auch online) [...]das enthält einen ganz großartigen Satz (den vom Kupferstecher Hermes) [...] das dürfte er [...] ganz richtig gesehen haben ...
Hierzu vorsichtshalber noch eine erläuternde Anmerkung, damit es nicht wieder so grauenvoll missverstanden wird wie es gelegentlich der Fall zu sein pflegt …

Natürlich ist, weder bei mir noch bei Ilmer, nicht gemeint „Karl May war ein schlechter Kerl“ oder ähnlicher Unfug, Nein, natürlich geht es wieder einmal um ANTEILE.

Hermann Hesse schreibt im „Steppenwolf“:

Der Mensch ist des Denken nicht in hohem Maße fähig, und auch noch der geistige und gebildetste Mensch sieht die Welt und sich selbst beständig durch die Brille sehr naiver, vereinfachender und umlügender Formeln an - am meisten aber sich selbst! Denn es ist ein, wie es scheint, eingeborenes und völlig zwanghaft wirkendes Bedürfnis aller Menschen, daß jeder sein Ich als eine Einheit sich vorstelle. Mag dieser Wahn noch so oft, noch so schwer erschüttert werden, er heilt stets wieder zusammen. Der Richter, der dem Mörder gegenübersitzt und in sein Auge sieht und einen Augenblick lang den Mörder mit seinen Regungen, Fähigkeiten, Möglichkeiten auch in seinem eigenen Inneren vorfindet, er ist schon im nächsten Augenblick wieder Eins, ist Richter, schnellt in die Schale seines eingebildeten Ichs zurück, tut seine Pflicht und verurteilt den Mörder zum Tode.

Und so wie der Richter „einen Augenblick lang“ den Mörder „auch in seinem eigenen Innern vorfindet“, so sieht auch ein Karl May gelegentlich den Kupferstecher Hermes wieder. Denn der ist nun mal, so bedauerlich wir das finden und uns damit vielleicht schwer tun mögen, weder „totzukriegen“ noch „hinauszukicken“.
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rodger
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Re: Aktueller Karl May: "Und Friede auf Erden!"

Beitrag von rodger »

rodger (gestern in einem anderen Thread) hat geschrieben: Für die Rationalisten / -istinnen, Germanisten / -istinnen usw. unter uns: mit läppischen Begriffen wie ‚Realität’, ‚Fiktion’, ‚Kunstfigur’ u.dgl. wollen wir uns hier & heute nicht beschäftigen … Auch die Träume sind wahr, sagen die Indianer usw. weiß schon Thomas Jeier auf S. 7 („Auf Winnetous Spuren“)
Gudrun Keindorf (in 'Karl Mays [i]Und Friede auf Erden![/i]' auf S. 313) hat geschrieben: Beide Welten durchdringen sich gelegentlich, analog zum Grenzgängertum Wallers zwischen Diesseits und Jenseits. Diesseits und Jenseits bezeichnen dabei unterschiedliche Daseinsformen innerhalb der allumfassenden Ewigkeit.
In diesem Sinne sind die virtuellen Landschaften in Und Friede auf Erden! ebenso real wie die Orte, die sich auf der Landkarte wiederfinden lassen.
Sehr schön. - Man erlebt immer wieder Wechselbäder bei der Sekundärliteratur (wie im Leben ...) ... viel Licht, viel Schatten. Solch eine Stelle ist dann recht wohltuend, eingedenk des zahl- und umfangreichen Unsinns, den man vorher seitens anderer Autoren manchmal lesen mußte im gleichen Buch.

(Z.B. über die Frage des Ichs des Ich-Erzählers ... Dutzende von Seiten mit allen möglichen und unmöglichen Betrachtungen und Analysen ... Der Ich-Erzähler ist Karl May, und bei ihm druchdringen sich halt unentwegt "Realität" und "Fiktion", das ist doch ganz einfach ...)
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