Ardistan und Haggardistan / Die Messingstadt

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Thomas Schwettmann

Ardistan und Haggardistan / Die Messingstadt

Beitrag von Thomas Schwettmann »

Vergleiche von Motiven und Sujets bei Karl May, Henry Rider Haggard
und einer Erzählung aus 1001 Nacht.

Der folgende längere Beitrag entstand zu großen Teilen vor einigen Jahren, als ich die Idee hatte, eine Art von Monographie zu „Ardistan und Dschinnistan“ zusammenzustellen. Die Textsammlung war zwar von Anfang an in verschiedene Einzelkapitel gegliedert, doch die Anzahl derselben hat sich ständig erweitert, auch trennte ich die Betrachtung der fiktiven Geographie, Flora und Fauna gänzlich heraus, und stellte die entsprechenden Überlegungen dazu wegen des Erscheinens des Artikels „Eine wilde Mischung: Karl May bepflanzt Ardistan“ in den „Karl-May-Welten“ bereits schon kurzfristig hier im Forum vor.

Da nun im September der erste Band der KMV-Manuskript-Ausgabe ansteht, erscheint es mir nun gleichfalls sinnvoll, jetzt auch noch den anderen Teil meiner Überlegungen vorzustellen, wobei dieser Thread in Form und Länge nochmals die von mir regelmäßig schon recht umfangreich bemessenen Dimensionen meiner üblichen Beiträge sprengt. Es sollte deshalb gar nicht erst versucht werden, den Beitrag ohne das notwendige Interesse an der Thematik und vor allem auch ohne die ausreichende Muße zu lesen. Möglicherweise empfiehlt sich auch ein Ausdruck der Lektüre, zumal diesmal ein nicht unerheblicher Teil der Textauszüge in englischer Sprache zitiert wird.


Einleitung: Das unerforschte Land

I would go again where the wild game was, back to the land whereof none know the history (...)
[Allan Quatermain, Introduction]

Ich habe viel Phantastisches gelesen und viel Phantastisches gehört ...
[Ardistan und Dschinnistan II]

Der im zeitgenössischen deutschsprachigen Raum ziemlich einzigartige Roman Ardistan und Dschinnistan hatte im englischsprachigen Bereich, was den imaginären Landschaftsentwurf betraf, in einigen Werken von Henry Rider Haggard durchaus seine Vorläufer, wobei die philosophisch-religiöse Ebene mit Haggard sicherlich nur bedingt vergleichbar ist, in seinen phantastischen Romanen gibt der Brite sich meist spekulativ esoterisch im Sinne einer exotischen Verfremdung der Handlung, auch wird dabei nicht unbedingt seine eigene Weltsicht wiedergeben.

Wenn auch das Werk von Sir Henry Rider Haggard durchaus einige Parallelen zu Karl May aufweist, gehört er zum Unterschied zu dem sächsischen Schriftsteller zu den Autoren, welche in den fernen Länder, die sie schildern, zumindest teilweise auch gelebt haben. Vor seiner literarischen Laufbahn war Henry Rider Haggard lange Jahre in Südafrika, wo die meisten seiner Romane spielen, später besuchte er u.a. auch Mexiko, Palästina, Ägypten, Italien und Spanien. Diese Schauplätze hat er dann auch in Büchern verarbeitete, Zentralasien hingegen, welches in dem hier noch näher zu besprechenden Buch Ayshea - The Return of She maßgeblich ist, hat aber auch er selber nicht gesehen.

Nach einigen Erstlingswerken gelang dem Briten mit King Solomons Minen (1885, erste dt. Übersetzung 1888 als König Salomons Schatzkammer) einer der Weltklassiker der Abenteuerliteratur. Das Buch war übrigens durch eine Wette entstanden. Nach der Lektüre von Stevenson's Treasure Island (DieSchatzinsel) hatte Henry Rider Haggard mit seinem Bruder gewettet, daß auch er einen solchen Abenteuerroman, natürlich einen noch besseren, schreiben könnte. Diesem Buch folgten dann in kurzen Abständen sein Meisterwerk, der noch berühmtere und mysteriösere Roman She (1887), sowie die etwas schwächere King-Fortsetzung Allan Quatermain (ebenfalls 1887), wobei Haggard wie Doyle mit "Sherlock Holmes" und May mit "Winnetou" seine Titelhelden sterben ließ, um einer Romanserie zu entgehen. Später besann sich der Autor bald wieder seiner Erfolgscharaktere, die er dann in einigen Vorgeschichten oder Fortsetzungen wiederaufleben ließ. Allan Quatermain trat dabei in einer ganzen Reihe von Büchern auf, die ebenso wie bei Mays Winnetou-Figur, Ereignisse aus der Zeit vor dessen Tode schildern, z.B. in Allan's Wife (1890), (Allan and) The Holy Flower (1915), The Ancient Allan (1920), Heu-Heu (1924), sowie in Allan and the Ice-Gods (1927) wo die interressante Variante angewandt wird, daß Allan Quatermain mit Hilfe von Drogen in einen Traum versetzt wird, der ihn in antiken Zeiten handeln läßt. "She-who-must-be-obyed" (Sie, der gehorcht werden muß) hingegen läßt er nach Doylescher "Holmes"-Variante wiederauferstehen, was zwar nach vollständigen Verbrennen nicht ganz so einfach ist wie bei Sherlocks Sturz in den Wasserfall, schließlich aber gibt es in Asien doch die gute alte Sitte der Wiedergeburt, die ein besonderes und dabei durchaus gelungenes literarisches Recycling der besonderen Art ermöglicht: Ayshea - The Return of She (1905). Da jedoch auch hier der Tod das Ende von Ayshea ist und der Autor der Versuchung widerstanden hat, diese Figur gleich dem Dracula der Hammer-Filme immer wieder neu auferstehen zu lassen, sind die beiden letzten "She"-Romane zeitlich vor die beiden ersten Bücher gelegt, in She and Allan (1921), treffen sich die beiden Hauptfiguren von Haggards literarischem Kosmos, Wisdom's Daughter (1923) hingegen spielt in antiken Ägypten.
Der Roman She war zudem das kaum verhüllte Vorbild von L'atlantide (1919) des Franzosen Pierre Benoite, der darin Überreste des alten Atlantis auferstehen ließ; ein anderer Atlantis-Roman – The Maracot-Deep (1929) von Arthur Conan Doyle - folgt ebenfalls der Tradition der "Lost Race"-Romane von Haggard.

Karl May dürfte auf Henry Rider Haggard keinerlei Einfluß gehabt haben, zumal England in Bezug auf Karl May der größte blinde Fleck in Europa war. So sind natürlich auch die Titel der beiden Romane Swallow (1899) und Treasure of the Lake (1926) nicht etwa einer Lektüre von Mays Winnetou oder Der Schatz im Silbersee geschuldet. Umgekehrt jedoch kann ein Einfluß von Haggards Werk auf Karl May nicht ausgeschlossen werden. Für die Erzählung Der Boer van het Roer, welche Haggards Sujet am ähnlichsten ist, hat der Engländer zwar keinerlei Vorbildcharakter, sie entstand auch schon lange vor Haggards ersten Buch Dawn (1884). Es sind aber in einigen Alterswerken, insbesondere in dem hier diskutierten Ardistan und Dschinnistan Sujet- und Textparallelen zu finden, die über das Maß der in phantastischen Romanen notwendigerweise öfter anzutreffenden geheimnisvollen Landschafts-, Städte- und Völkerbeschreibunngen hinausgehen.

Zum Zeitpunkt der Entstehung von Ardistan und Dschinnistan befanden sich in Mays Bibliothek zwei Bücher von Henry Rider Haggard, dabei handelt sich um die bei seinem Verleger Fehsenfeld in der Reihe "Die Welt der Fahrten und Abenteuer" in deutscher Erstübersetzung erschienen Romane als Das unerforschte Land [orig.: Allan Quatermain] (1896) und Der Zauberer im Zululande [orig.: Alans Wife]. Karl May hat diese Bände wie auch die anderen Bände der Reihe von Friedrich Fehsenfeld bekommen, was indes selbstverständlich kein Beweis dafür ist, daß er sie je gelesen hat. Dennoch, Das unerforschte Land aber könnte er durchaus mindestens quergelesen haben, da sich hier erste Parallelen zu Ardistan und Dschinnistan zeigen. Immerhin gab es wegen der Herausgabe dieses Buches eine Forderung Mays, daß die 'Welt'-Reihe nicht im Gewand seiner 'Gesammelten' erscheinen dürfe, was kurioserweise dazu führte, daß das ursprünglich für den Haggard-Band konzipierte Titelbild dann auf dem Buchdeckel von Auf fremden Pfaden übernommen wurde.

Die Quatermain-Bände indessen sind im Zusammenhang mit einem Vergleich mit Sitara aber nicht so ergiebig wie die beiden "She"-Romane She (erst 1911 unter dem Titel Sie übersetzt) und die späte Fortsetzung Ayasha - The Return of She (keine zeitgenössische Übersetzung). Beide Romane sind, jedenfalls zumindest nicht in Buchform, bis 1906 nicht übersetzt worden, einen direkten Einfluß auf Karl May können die Bücher also allerhöchstwahrscheinlich nicht gehabt haben. Allerdings sind beide Werke fast parallel zu ihrem Erscheinen in England auch im englischen Originaltext bei Tauchnitz in Leipzig, einen auf englische Ausgaben spezialisierten Verlag, erschienen, so daß diese Bücher durchaus vom im deutschen Sprachraum gelesen werden konnten. Insofern ist denkbar, daß Bekannte, die etwa die Vorliebe Mays zu Seancen teilten, den Inhalt dieser mit dem Okkulten spielenden phantastischen Romane von Haggard mit Karl May diskutiert haben und ihn so zu ähnlich Motiven angeregt haben. Denn die Parallelen mancher imaginären Orte, Landschaften und Gebäude Dschinnistans zu der Geographie der "She"-Romane ist unübersehbar, weshalb diese Analogien im folgenden Punkt für Punkt vorgestellt werden.

Bei der Bewertung von diesen Parallelen ist indessen Vorsicht geboten. Autoren, die ein ähnliches Sujets behandeln, werden zwangsläufig genreübliche Gemeinsamkeiten aufweisen. Was May zunächst in Der Boer van het Roer und später Haggard in Allan's Wife über Zulus im allgemeinen, Dingaan, Tschaka und Sikukumi im besonderen oder über ein Roer - Allan Quatermain besitzt ein solches - geschrieben haben, ist selbstverständlich unabhängig entstanden. Und daß der Sohn von Quatermain und von Old Firehand jeweils Harry heißt, ist natürlich ein Zufall. Ebenso zweifellos dürfte es sich z.B. bei den Figuren 'Ustane' in She und 'Ustad' in Silberlöwe IV, der Planke über dem Abgrund in She und der 'Todesbrücke' in Am Jenseits, oder der Erwähnung von Dantes 'Inferno' in Allan Quatermain und der 'Jenseits'-Vision in Am Jenseits um jeweils eigenständige Schöpfungen halten, hier zunächst bei Haggard und später bei May.

Allerdings ist die Fülle von auch recht spezifischen Parallelen, wie man sie im Ardistan und Dschinnistan findet, dazu angetan, hier eine direkte Beeinflußung Mays durch Haggards "She"-Romane zu vermuten, ohne daß man jedoch eine endgültige Bewertung darüber abgeben könnte, ob es sich um von Karl May unabhängig von Rider Haggard entwickelte Motive handelt oder nicht. Wenngleich May in frühen Schriften vereinzelt literarische Vorbilder wie Cooper, Ferry, Marryat, Longfellow, Gerstäcker, Möllhausen, Sue und Dumas erwähnt und so deren Einfluß zumindest indirekt zugesteht, so gibt er, zumal später, keine direkten Hinweise darauf, welche Fremdtexte er für welche Eigentexte adaptiert hat, so daß es immer schon Aufgabe der May-Forschung war, solche Quelltexte zu finden und deren Übernahmen nachzuweisen. In der Regel läßt sich dann bei der Gegenüberstellung dieser Textzitate eine so große Übereinstimmung zeigen, daß eine Adaption von May zwingend sein muß. Hier nun ist ein solches Verfahren aber nicht möglich, da die Ursprungstexte in englischer Sprache verfaßt sind und insofern wörtliche Übereinstimmungen auszuschließen sind, zumal die fraglichen „She“-Romane Karl May allenfalls nur in mündlicher Form, dabei selektiv und zusammenfassend verkürzt, bekannt gewesen sein könnten. Insofern kann man sowieso nicht von Text- sondern bestenfalls von Motivübernahmen ausgehen, welche sich zwangsläufig nie sicher nachweisen lassen können, und deren Wahrscheinlichkeit hier nur durch die relativ hohe Anzahl einzelner Parallelen angezeigt ist.

Direkte Textbezüge zu Haggard-Romanen könnte man allenfalls in den beiden in diesem Vergleich ebenfalls zitierten Büchern suchen, welche im der Fehsenfeld-Abenteuer-Reihe erschienen sind. Dies müßte dann eine Untersuchung zeigen, die sich direkt mit den Fehsenfeld-Übersetzungen Das unerforschte Land und Der Zauberer im Zululand auseinandersetzt, was hier jedoch nicht zu leisten ist.

Ein – freilich eher schwaches – Indiz, daß sich May mit Haggard etwas stärker befaßt haben könnte, als daß er nur dessen von Fehsenfeld geschenkten zwei Bände im Regal verstauben ließ, könnte im dritten und vierten Silberlöwen-Band zu finden sein. So läßt sich etwa die Figur des Schahs, welche mit der Karl-May-Spiegelungsfigur „Ustad“ vertraglich verbunden ist, als Spiegelung seines Verlegers interpretieren, entsprechend könnte dessen verstorbenen Koch „Hagad“ - dieser Figurenname kommt von allen Figurennamen Mays dem Name Haggard am nächsten - eine kleine Hommage an den britischen Autor sein, der– wie schon erwähnt – in seinem Roman She eine Figur „Ustane“ tauchte. Zwingend ist dieser konstruierte Zusammenhang allerdings nicht, er könnte auch ganz zufällig sein.
Thomas Schwettmann

Ardistan & Haggardistan

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0. Von Schätzen und Schatzgräbern

Com meus proprios olhos vé os diamantes sem conto guardados nas camaras do thesouro de Salomão a traz da morte branca (With my own eyes have I seen the countless diamonds stored in Solomon's treasure chamber behind the white Death
[Henry Rider Haggard - King Solomon's Mines, aus dem Text zur Schatzkarte]

Es glänzte rechts und links wie pures Gold und Silber. Da standen und lagen auf Unterlagen, welche bankartig aus Steinen hergestellt worden waren, allerlei Gegenstände, deren Metall- und Kunstwert jedes Auge blenden mußte.
[Das Vermächtnis des Inka]

Der Weg von der realen zur imaginären Landschaft führt in der Abenteuerliteratur sehr oft zu kleinen, auf keiner Landkarte verzeichneten Orten oder Inseln, an denen dann irgendwelche Schätze verborgen sind. Schließlich ist es wenig plausibel, einen Schatz an einen bekannten Ort zu verstecken, da eben dort in der Realität kein solcher zu finden ist. Insofern ist die Taktik der Autoren häufig die, daß zwar die Suche aus einer realen Welt heraus gestartet wird, dann jedoch, spätestens in geographischer Nähe zum Zielort, die Beschreibung ungenau wird, so auch bei Mays Der Schatz im Silbersee. Besonders einfach ist dieser Übergang aber natürlich, wenn wie in Stevensens Treasure Island nach einer Insel in der fernen unbestimmten Weite eines Meeres oder Ozeans gesucht wird. Bei Landexpeditionen wird zuweilen jedoch auch schon ein Großteil des Weges hin zum Schatz in einen imaginären Nebel gehüllt, was auch Ende des 19. Jahrhundert noch deshalb so gut funktionierte, weil es noch – zumindest in den Augen der großen Leserschaft – noch genügend weiße Flecken auf der Landkarte gab, in die man als Autor problemlos derartige ausgedachte Wege, ja ganze Landschaften verfrachten konnte, so etwa auch bei Haggards King Solomon‘s Mines

Bei Karl May wird zwar nur relativ selten ein Schatz gefunden, gleichwohl gilt auch bei ihm der Grundsatz, daß der exakte Fundort geographisch stets verschleiert wird: Während Der Schatz im Silbersee, das Goldlager am 'Dunklen Wasser', die angebliche Bonanza im Der Schwarzen Mustang oder der Inka-Schatz in El Sendador bzw. In den Kordilleren gar nicht erst gefunden werden, zeigt sich der Schatz in Das Vermächtnis des Inka auch nur kurzfristig seinen Entdecker, bevor er von den Banditen auf ewig in die Tiefe des Berges versprengt wird. Im Kolportageroman Waldröschen bzw. der Old Surehand II-Bearbeitung 'Der Königschatz' hingegen darf der Schatz genrebedingt behalten werden.

Im Silberlöwen II gibt es nun die Schatzhöhle der Schmuggler, die mit Waren aller Art angefüllt ist: Unser alter Bagdader Gastfreund hatte wirklich nicht zu viel von den hier hoch aufgestapelten Waren erzählt. Es gab da eine so tadellose Ordnung, daß man hätte meinen können, sich in einem wohlgeleiteten kaufmännischen Magazin zu befinden. jeder Pack und jeder Gegenstand hatte eine Etikette, welche sich auf seinen Inhalt bezog. Wir brauchten also nur diese Aufschriften zu lesen, um zu erfahren, was alles hier vorhanden war.
Es gab da Tabak aus Räscht, besten Opium, Haschisch, Tamariskenhonig, Hennah, Krapp aus Täbriz, Safran und Saflor, getrocknete Hallagäh- und Angur-i-Ali-Deresi-Trauben, gedörrte Melletzu- und Gulab-i-Schahi-Birnen, Kischmisch- und Savsa-Rosinen, Gulab (= Rosenwasser) und das herrliche teure Atr-i-gul (= Rosenessenz). Das Gegenteil davon, nämlich Asa foetida, war auch vorhanden. Es waren da verzeichnet wohlriechende Seifen aus der Stadt Kum, Demawendi-Schwefel, Arsenik aus Kaswin, ferner kostbare Lammfelle von Bokhara und Kum, große, schwere Ballen Maroquins, in Persien Tscherme hamadahni genannt, und Saghri-Chagrins, welche aus der Rückenhaut des wilden Esels gefertigt werden. Außerordentlich reich war das Lager an den verschiedensten Kleiderstoffen, als Sammet, Seide, Wolle, Baumwolle u. s. w., ebenso an köstlichen Shawls und Teppichen.


Man darf annehmen, daß Karl May hier – mindestens aus der Erinnerung heraus - durch die Lektüre orientalischer Märchen aus 1001 Nacht inspiriert wurde. So beginnt er ja auch „In Bagdad“, das fünfte Kapitel des ersten „Silberlöwen“-Bandes, mit den Worten: Bagdad! Welche Fülle glänzender Vorstellungen erweckt dieser Name in der Seele jedes Menschen, der, ohne dort gewesen zu sein oder die Verhältnisse zu kennen, die berühmte Stadt nur nach dem Inhalte von »Tausend und eine Nacht« beurteilt!

Das Paradebeispiel einer orientalischen Schatzkammer in dieser Märchensammlung findet sich natürlich in der Erzählung Ali Baba und die vierzig Räuber. Dort heißt es (in der ersten vollständigen Übersetzung von Weil, 1865): ( ...) und die war angefüllt mit den feinsten Gewändern aus allen irdischen Gebieten und Ländern; in ihr fanden sich Stoffe, aus kostbarer feiner Baumwolle hergestellt und Kleider aus Seide und den prächtigsten Brokaten der Welt; ja, es gab keine einzige Art von Stoffen, die sich nicht in diesem Raume gefunden hätte: sie stammten von Syriens Auenund Afrikas fernsten Gauen, aus China und dem Industal, aus Nubien und Hinterindien zumal. (...) Schließlich ging er in die Halle der Spezereien und des Weihrauchs und der Wohlgerüche, und das war die letzte jener Hallen. Dort fanden sich von diesen Dingen Sorten so zart und von jeder feinsten Art. Der Duft von Aloeholz und Moschus wallte dort empor; Ambra und Zibet strahlten in ihrer vollen Schönheit hervor; der Zauber von Rosenwaser und Nadd (Parfüm aus Ambra, Moschus und Aloeholz) erfüllte die Luft; von Weihrauch und safran stieg auf ein köstlicher Duft; wie Scheite zum Brennen lag Sandelholz dort herum; aromatische Wurzeln waren wie Reisig fortgeworfen, als brauche man sie nicht mehr.

Aber auch die Gold- und Edelsteinschätze sind dort einfach nur so auf den Höhlenboden gelagert: Dort lag eine Menge Barren von Gold, echt und rein, und anderer Dinge von Silber fein; gemünzte Dinare und Dirhems, unübersehbar; all das in Haufen wie von Kieseln und Sand, bei denen jede Zahl und Berechnung schwand. (...) Und weiter schritt er in die Halle der edlen Steine, das war die größte und wunderbarste von allen; sie enthielt Perlen und Juwelen, die konnte man weder erfassen noch zählen, Hyazinthe und Smaragde, Türkise und Topase; Berge von Perlen lagen dort, und Achate sah man neben Korallen am selben Ort.

Robert Louis Stevenson, der 1001 Nacht – oder besseer gesagt The Arabian Nights - so gut kannte, daß er sich dadurch zu seinen New Arabian Nights anregen ließ, hat in Treasure Island die gleiche Aufbewahrungsmethode gewählt. Zunächst ist der Schatz zwar in der Truhe, wird dann aber von Ben Gunn gefunden und in eine Höhle verfrachtet, wo er wie in einer der Räuberhöhlen in 1001 Nacht aufgetürmt ist: (...) and in a far corner, only duskily flickered over by the blaze, I beheld great heaps of coin and quadrilaterals built of bars of gold. That was Flint's treasure that we had come so far to seek ... It was a strange collection, like Billy Bones's hoard for the diversity of coinage, but so much larger and so much more varied that I think, I never had more pleasure than in sorting them. English, French, Spanish, Portuguese, Georges, and Louises, doubloons and double guineas and moidores and sequins, the pictures off all the kings of Europe for the last hundret years, strange Oriental pieces stamped with what looked like wisps of string or bits of spider's web, round pieces and square pieces, and pieces bored through the middle, as if to wear them round your neck - nearly every variety of money in the world must, I think, have found a place in that collection.

Vielleicht wurde Karl May zu seinem Schatzinhalt auch durch Stevensons Schatzinsel angeregt, welche ihm Fehsenfeld 1897 als Exemplar der Reihe „Die Welt der Fahrten und Abenteuer“ zukommen ließ. Eine weitere Parallele von Silberlöwe II und Die Schatzinsel ist die Schatzkarte, die bei May ihre Entsprechung in der Zeichnung mit babylonischer Keilschrift hat, welche Kara Ben Nemsi kurzzeitig den Pädär-I-Baharat abnimmt. Allerdings wählte May als Aufbewahrungsort für Gold und Edelsteine eine Truhe: Wie ein kleiner Knabe, dem eine große, ungeahnte Überraschung wird, spreizte er die Finger aus und starrte auf das flimmernde Gold und Silber und auf die funkelnden Edelsteine, welche vor uns lagen. In holzgeschnitzten Schalen sahen wir, offen, nicht in Rollen gepackt, in- und ausländische Gold- und Silberstücke in Haufen, während eingelassene Fächer eine Menge geschliffene oder ungeschliffene Halb- und Ganzedelsteine enthielten. Auch gab es Ringe, Ketten, Hals- und Armbänder, Haar- und andern Schmuck in Menge. Was dieser Kasten enthielt, das war ein Vermögen, wirklich ein Vermögen! Und als ich einige Fächer herausnahm, erblickte ich kostbare Pistolen und Dolche, welche den unteren Teil der Truhe füllten.

Eine Schatzkiste ist natürlich ein allgemeines Genre-Sujet, derartiges gibt es z.B. auch schon in Coopers Deerslayer (Wildtöter) (die Truhe von Old Tom Hutter) oder in Poes Goldbug (Goldkäfer). Auch Henry Rider Haggard hat in seinem Roman King Solomons Mines, welchen er wie bereits erwähnt unter dem Eindruck von Treasure Island verfaßt hatte, die Schätze in ihren - hier steinernen - Kisten belassen: We looked, and for a moment could make nothing out, on account of a silvery sheen that dazzled us. When our eyes got used to it, we saw that the chest was three-parts full of uncut diamonds, most of them of considerable size.Gegenüber jedoch lagert auch er den anderen, größeren Schatzteil ebenfalls ohne Behältnis lediglich auf dem Höhlenboden, was bei Elfenbein freilich verständlich ist: ( ...) there could not have been less than the ends of four or five hunderd tusks of the first quality visible to our eyes.

Der Schatzkammer im Silberlöwen ist eine Todeskammer gegenübergestellt, in denen die Schmuggler die Kaufleute der Karawanen versteckten. Dieses Motiv findet sich zwar nicht bei Ali Baba doch könnte die Beschreibung dennoch aus einer weiteren populären Geschichte aus 1001 Nacht inspiriert sein. Hier zunächst die schaurige Leichengruft bei May: Ich brannte es an und sah nun die elf Perser, denen man nicht ein einziges Kleidungsstück gelassen hatte, neben- und aufeinander vor mir liegen. Ich war an dergleichen Scenen gewöhnt, muß aber doch gestehen, daß es mich schauerte. Die Geschichte dieses Ortes trug wohl auch dazu bei. Da stand ich in einem verschütteten Kanale des babylonischen Turmes vor nackten, blutigen Leichen, die mit ihren starren, gebrochenen Augen und klaffenden Wunden einen grauenhaften Anblick boten, zumal bei der mangelhaften Beleuchtung. Das Flackern des Lichtes täuschte mir gespensterhafte Bewegungen hervor, und der mir unbekannte Teil des Kanals jenseits der Ermordeten schien von tausend schattenhaften, durcheinander huschenden oder tanzenden Wesen belebt zu sein. Dazu der schwere, drückende Modergeruch, welcher, je weiter ich vorgedrungen war, desto mehr Leichenduftartiges angenommen hatte. Dieser Gestank konnte nicht von den Persern stammen, die ja noch vor kurzem gelebt hatten. Ich mußte wissen, welche Ursachen er hatte, stieg also über die Toten hinweg, weil kein Platz war, an ihnen vorüberzukommen, und ging weiter. / Da sah ich denn, daß ich mich in einer wahren Massengruft befand. Es lagen Schädel, Knochen und andere Leichenreste in Menge da; ich stieß bei jedem Schritte an sie, bis ich eine Stelle erreichte, wo die Decke eingestürzt war und ich nicht weiter konnte; ich kehrte also um. Die Ghasai hatten ihre Ermordeten hierher geschafft; sie kannten also diese grausige Totenkammer und waren demnach schon oft hier gewesen, um die Spuren und Beweise ihrer Thaten diesem geheimen Orte anzuvertrauen.

Im Vergleich dazu die lebendige Beerdigung Sindbads des Seefahrers aus dessen vierter Reise: Als die Leute fort waren, sah ich mich in der Zisterne um, welche von einem abscheulichen Gestank angefüllt war (...) Dann ging ich an den Seiten der Zisterne umher und sah, daß es eine große Höhle war, in welcher viele Leichen und Knochen umherlagen..

Bei Sindbad findet sich auch das Schatzkammer-Motiv kurz angedeutet, raubt der Seefahrer doch die Leichen aus: Darauf ging ich in die Höhle zurück (...) und nahm alle Diamanten, Perlen, Rubinen, goldene Armspangen mit den übrigen Goldstoffen, die sich in den Bahren befanden, weg (...) [alle Zitate wiederum nach der Weil-Übersetzung]

Die Verbindung zwischen Schatz und Leichen wird aber auch bei Stevenson und Haggard evident. In Die Schatzinsel hat Kapitän Flint seine Besatzung massakriert und eine ihrer Leichen gar mit dem Kompaß ausgelegt: At the foot of a pretty big pine, and involved in a green creeper, which had even partly lifted some of the smaller bones, a human skeleton lay, with a few shreds of clothing, on the ground (...) the man lay perfectly straight - his feet pointing in one direction, his hands, raised above his head like a diver's, pointing directly in the opposite. Passenderweise liegt der ‚Treasure Island‘ dabei eine kleinere ‚Skeleton Island‘ gegenüber, wobei sich Stevenson bei seinem Roman wohl von Poes Gold Bug anregen ließ, bei dessen Schatzsuche auf Sullivan's Island ein Totenschädel (wie später auch bei Edgar Wallace, der die Insel von King-Kong ‚Skull-Island‘ nannte) eine herausragende Rolle spielt

In Haggards König Salomons Schatzkammer ist es eine Skelett-Statue, die im sogenannten 'Place of Death' über eine Versammlung toter präparierter Könige wacht, direkt neben der eigentlichen Schatzkammer: It was a ghastly sight. There at the end of the long stone table, holding in his skeleton fingers a great white spear, sat Death himself, shaped in the form of a colossal human skeleton, fifteen feet or more in height. High above his head he held the spear, as though in the act to strike; one bony hand rested on the stone table before him, in the position a man assumes on rising from his seat, whilst his frame was bent forward so that the vertebrae of the neck and the grinning, gleaming skull projected towards us and fixed its hollow eyeplaces upon us, the jaws a little open, as though it were about to speak.[7i]

Als Parallele zur Sindbad-Geschichte werden Quatermain und seine Freunde alsbald in der Schatzkammer lebendig begraben: 'Man, don't you see that we are buried alive?' - Until Sir Henry uttered these words, I do not think the full horror of what had happened had come home to us, preoccupied as we were with the sight of pour Foulata's end. But now we understood. The ponderous mass of rock had closed, probably for ever, for the only brain which knew its secrets was crushed to powder beneath it.

Besonders makaber präsentiert sich aber Haggards 'Tal der Totenknochen' in Ayshea, wo der Horror nicht mehr unter der erde verborgen wird: Still we descended the place, that was dark and rugged; pervaded, moreover, by an extraordinary gloom, and as we perceived that its lava floor was sprinkled over with a multitude of white objects. Soon we came to the first of these and found that it was a skeleton of a human being. Here was a veritable Valley of Dead Bones, thousands upon thousands of them; a gigantic graveyard. (...) Close by us lay a pile of bones, the remains evidently of a number of wretched creatures that, dead or living, had been hurled down from the cliff above (...)

Ein derartig bizarrer, dem Tageslicht offener und somit gänzlich unverborgener Ort kann man einem Leser als in der realen Welt gelegen aber nur schwerlich einigermaßen glaubhaft machen, derartige Schauplätze sind daher meist nur in reinen großräumigen Fantasy-Landschaften zu finden, wo eine nach anderen, ganz eigenen Regeln aufgebauten Welt auch Platz für ganze phantastische Naturen, Kulturen und Architekturen schafft.
Thomas Schwettmann

Ardistan & Haggardistan

Beitrag von Thomas Schwettmann »

1. Der Weg nach Dschinnistan

Es gibt nur zwei Wege: entweder vom Balkasch-See aus, und der ist entsetzlich weit; oder man reitet durch das ganze Reich von Ardistan, und der ist wohl ebenso weit, aber jedenfalls bequemer.
[Der Mir von Dschinnistan]

Now we were in country where, so far as I could learn, no European ever set a foot. In a part of the vast land called Turkestan there is a great lake named Balhkash, of which we visited the shores. Two hundred miles or so to the westward is aranged of mighty mountains marked on the maps as Arkarty-Tau, on which we spend a year, and five hundred or so to the eastward are other mountains called Cherga, whither we journeyed at last, having explored the triple ranges of the Tau. Here it was that at last our true adventures began ...
[Henry Rider Haggard - Ayesha]

War ist in der Fantasy-Literatur ab den 20. Jahrhundert nötig, imaginäre Welten ganz von der gegenwärtigen Erde zu verbannen und in andere Zeiten und/oder Welten auszuweichen, so gab es Ende des 19. Jahrhunderts einerseits noch genügend weiße Flecken auf der Landkarte, andererseits auch ein allgemeines Informationsdefizit über manche Gegenden. Die Kleinstaaterei Osteuropas etwa erlaubte es Anthony Hope, seinen bekannten Roman The Prisoner of Zenda in dem fiktiven Land Rurtania zu plazieren, aber auch die Aufteilung Deutschlands in zahlreiche Königreiche und Herzogtümer, die bis zur Gründung des deutschen Reiches 1871 herrschte, machte es Autoren leicht, sich auch für hierzulande fiktive Staatengebilde auszudenken. Karl May selber erfand so beispielsweise für den Doppelroman Scepter und Hammer / Die Juweleninsel die symbolischen Länder Norland und Süderland, während er fast alle exotischen Abenteuer der beiden Romane in realen Weltteilen spielen ließ, lediglich – aber aufgrund der märchenhaften Schätze und Paläste durchaus bezeichnend - die indischen Königreich Augh und Symoore sind wiederum fiktiv, das gleiche gilt dann auch noch für die Juweleninsel.

Normalerweise ist die Lage in der Fantasy-Literatur des 19. und des angehenden 20. Jahrhunderts natürlich so: Der Ausgangspunkt, die Heimat der Protagonisten liegt in der realen Welt, während die exotischen Abenteuer dann in einer fernen Welt erlebt werden, die zwar noch auf reale, aber eben noch weitgehend unbekannte Landschaften projektiert wird.

Der Raum, den der fiktive Landschafsraum in der Fantasy-Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts einnimmt, ist unterschiedlich. Während etwa in Haggards King Solomons Mines oder Allan Quatermain zunächst noch die reale afrikanische Georgraphie einen großen Raum einnimmt, wird erst in der jeweils zweiten Hälfte der beiden Romane eine gänzlich imaginäre Welt geschildert. Der Übergang von zwischen diesen beiden Welten wird anhand von geologisch scharfen und seinerzeit nur schwer zu bewältigen Grenzen bestimmt. In ersten Quatermain-Roman King Salomons Mines wird diese Grenze etwa durch die Doppelkegelberge „Sheba’s Breast“, die aus einen generellen langgezogen Bergkette herausragen und zwischen denen ein enger Durchgang zu finden ist, markiert, während im zweiten Quatermain-Roman ein Fluß die Reisenden zunächst durch einen Strudel und dann in einen unterirdischen Höhlenlauf führt und so den Weg in die imaginäre Welt eines phantastischen Reiches weist, wobei die Beschreibung beider Übergangszonen in Form überdimensionierter weiblicher Körperteile von Haggard natürlich bewußt gewählt wurde, ähnliches findet sich ja auch bei May, z.B. Das große Loch der alten Frau in „Old Surehand III“. Derartige von Arno Schmidt als S-Landschaften bezeichneten imaginären Orte hat der große Analytiker in „Sitara und der Weg dorthin“ ja umfangreich dechiffriert und beschrieben.

So ein unterirdischer Tunnelfluß ist natürlich keineswegs eine eigenständige Erfindung Haggards. Man kann da etwa an den Styx im Hades, der Unterwelt der griechischen Mythologie denken, so etwas findet sich z.B. aber auch in der sechsten Reise von „Sindbad dem Seefahrer“, wie der folgende Ausschnitt aus den Arabian Nights (in der Übersetzung von Richard Burton, 1882-84) zeigt: My boat-raft drifted with the stream, I pondering the issue of my affair; and the drifting ceased not till I came to the place where it disappeared beneath the mountain. I rowed my conveyance into the place which was intensely dark; and the current carried the raft with it down the underground channel. The thin stream bore me on through a narrow tunnel where the raft touched either side and my head rubbed against the roof, return therefrom being impossible. Then I blamed myself for having thus risked my life, and said, "If this passage grow any straiter, the raft will hardly pass, and I cannot turn back; so I shall inevitably perish miserably in this place." And I threw myself down upon my face on the raft, by reason of the narrowness of the channel, whilst the stream ceased not to carry me along, knowing not night from day, for the excess of the gloom which encompassed me about and my terror and concern for myself lest I should perish. And in such condition my course continued down the channel which now grew wide and then straiter till, sore aweary by reason of the darkness which could be felt, I fell asleep, as I lay prone on the raft, and I slept knowing not an the time were long or short.

Im Vergleich dazu die Einfahrt in den unterirdischen Flußtunnel bei Haggard: I Turned my head a little – I dared not lift it – and looked up: By the feeble light that yet reached the canoe, I could make out that a dense arch of rock hung just over our heads, and that was all. In another minute I could not even see as much as that, for the faint light had merged into shadow, and the shawdows had been swallowed up in darkness, utter and complete. (Kapitel: Into the Unknown)

(...) Then I slowly and cautiously raised myself on my knees and streched my hands upwards, but could touch no roof Next I took the paddle and lfted it above my head as high as I could, but with the same result. I also trust it out laterally to the right and the left, but could touch nothing except water. Then I bethought me that there was in the boat, amongst our other remainings possessions, a bull’s eye Lantern and a tin of oil. I groped about and found it, and having a match on me carefully lit it, and as soon as the flame had got a hold of the wick I turned it on down the boat. (Folgekapitel: The Rose of Fire)

Karl May beschreibt die Nahtstelle zwischen realer und fiktiver Geographie in Im Reiche des Silberlöwen III im Kapitel „Ueber der Grenze“ zunächst mit Hilfe einer bereits aus dem Schut bekannten tiefen Spalte, die nur von ganz außergewöhnlich guten Pferden und Reitern überwunden werden kann. danach hält er sich mit der Beschreibung phantastischer Architektur und Landschaft im Silberlöwen noch weitgehend zurück, und versetzt allenfalls eine Alpenlandschaft, wie er sie 1901 in schweizerischen Rigi bewunderte, nach Persien. Allein die Ruinen sind ein wirklich phantastisches Bauwerk, das durch den „großen Traum“ Kara Ben Nemsis zudem auch eine äußerst mystische Bedeutung bekommt. Bezeichnend beginnt die Erforschung dieser Stätte – ähnlich wie in Haggards unterirdischer Flußfahrt – dann auch durch eine Bootsfahrt in eine unterirdische Kanalwelt:

Am Landeplatze fanden wir das Boot. Es war nur angebunden. Die beiden Ruder hingen in den Dollen. Wir stiegen ein und paddelten uns leise nach der Stelle, welche ich untersucht hatte. Es war nicht schwer, die Maueröffnung hinter dem Gestrüpp aufzufinden. Wir stellten das Boot rechtwinkelig dagegen an und gaben hinten einige kräftige Ruderschläge. Es drang mit seiner ganzen vorderen Hälfte ein. Wir nahmen die Ruder in das Boot, bückten uns nieder und krochen unter dem nun auseinandergeteilten Rankengewirr bis an die Spitze des Kahns vor. Nun war der Sternenhimmel über uns verschwunden. Wir befanden uns in dichtester Finsternis. Die Ruder an uns nehmend, tasteten wir mit ihnen rechts und links aus dem Kahn heraus. Wir fühlten harte Wände und stießen uns an diesen so weit hinein, daß auch das Hinterteil des Fahrzeuges durch das Gestrüpp kam. Hierauf zog ich das Schibhata (Zündholz) aus der Tasche, um eine der Fackeln anzubrennen. Bei ihrem Scheine sah ich ein ganz vorn im Schnabel des Bootes befindliches Loch, in welches ich sie steckte.

In dieser wassergefüllten Unterwelt finden Kara Ben Nemsi und Kara Ben Halef dann nebst einer Alabasterblock mit einem Skelett auch eine Ansammlung von mit Kalk überzogenen Toten – Die unterirdische Ansammlung von Leichen ist eines der wenigen Motive, die May aus den ersten beiden Silberlöwen-Bänden in den beiden letzten Bänden wieder aufnimmt –und die dann im nachfolgenden Traum lebendig werden: Indem wir wenden wollten und darum die Ruder tief in das Wasser tauchten, brachten wir dieses in lebhaftere Bewegung als bisher. Dieser Wellenschlag vervielfältigte in der Tiefe die Bilder unserer Fackelflammen. Die Brechung des Lichtes bewirkte ein scheinbares Emporsteigen alles Dessen, was sich da unten befand, und so erhob sich vor unsern Augen eine Menge menschlicher Gestalten, welche sich zu bewegen und drohend auf uns zuzuschwimmen schienen. Kara stieß einen gellenden Ruf des Schreckens aus, und auch auf mich wirkte dieser Anblick so, daß mir fast das Ruder entfallen wäre. »Leichen, nichts als Leichen, über denen wir uns befinden!«

Obgleich Karl May mit der Formulierung des nachfolgenden Traumes der Höhepunkt in seinem Alterswerk gelingt, bleibt dies innerhalb des Silberlöwen nur eine relativ kleine, isolierte Passage aus dem Bereich der phantastischen Literatur. Das ändert sich erst, als er in seinem nächsten Reiseroman die komplette Handlung in eine gänzlich imaginäre Welt versetzt.

Boten vor der Jahrhundertwende noch Afrikas letzte weiße Flecken noch Projektionsräume für phantastische Welten, so wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts derartig geeignete Gebiete doch arg knapp. Letzte derartige Gegenden befanden sich aber noch in einigen Hochebenen: Auf kleineren isolierten Bergplateaus in Südamerika etwa, auf denen Artur Conan Doyle seine von Urwelttieren bevölkerte Lost World ansiedeln konnte, vor allem aber die relativ weiträumigen Hochebenen Zentralasiens, die damals gerade erstmals durch Reisende wie etwa Sven Hedin erforscht wurden. Was also lag näher, daß sich nach der Jahrhundertwende Autoren wie Haggard aber eben auch May diesen Gegenden zuwandten, um dort ihre utopischen Welten eine letzte Heimat zu geben. Die diesem Teil des Threads vorangestellten Zitate der beiden Autoren verdeutlichen dies ja entsprechend. Was sich in Haggards She schon andeutete, wird in Ayesha noch stärker vollzogen: der Umfang des Romanes, der noch in der realen Welt spielt, schrumpft auf eine bloße Einleitung der Erzählung zusammen, die wirklichen Abenteuer werden gänzlich nicht mehr in der bekannten Welt erlebt. Bei May minimiert sich diese reale Welt in der Hausschatz-Fassung Der Mir von Dschinnistan noch radikaler gänzlich auf die bloße Erwähnung des Balkaschsees – in Haggards Ayesha der letzte realgeographische Ort der Expedition – zusammen, in der Buchfassung Ardistan und Dschinnistan hat May diesen Ankerpunkt dann auch noch getilgt, so daß dieser Roman nun gänzlich in einer rein imaginären Welt angesiedelt ist.
Thomas Schwettmann

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2. Der Zauberer im Ussulland

»Emir, wir haben dir eine ruhige Nacht zu verdanken. Du bist ein großer Zauberer. Wird der Esel wieder schreien, wenn der Stein entfernt ist?«
[Durch die Wüste]

»Ja,« antwortete sogar auch der Zauberer, den der Gedanke, daß ich mich von den Hunden zerreißen lassen werde, für den Augenblick alle Schmerzen vergessen ließ.
[Ardistan und Dschinnistan I]

Wer kennt nicht Tarzan, den Affenmenschen aus dem dunklen Afrika, den der amerikanische Autor Edgar Rice Burroughs in der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts erschuf? Wenig bekannt indes ist, daß nicht nur Mowgli, der Junge aus Rudyard Kiplings Dschungelbuch – ein Buch, das Fehsenfeld übrigens auch verlegte - bereits früher das Licht der literarischen Welt erblickte, sondern auch Kiplings Freund Henry Rider Haggard schon 1890 in seinem Roman Allan's Wife – den Fehsenfeld 1897 in deutscher Übersetzung als Zauberer im Zululand herausgebrachte, von beiden Bänden aus der Reihe „Fahrten und Abenteuer“ besaß May bei der Niederschrift von Der Mir von Dschinnistan ein Exemplar - ein Mädchen namens Hendrika beschreibt, welches seine Kindheit komplett in der Obhut von Menschenaffen verbringt: The woman was young, of white blood, very short, with bowed legs and enormous shoulders. In face she was not badlooking, but the brow receded, the chin and ears were prominent - in short, she reminded me of nothing so much as a very handsome monkey. She might have been the missing link.

Wie Tarzan kann sie sich zudem mit den Affen verständigen: From the mouth of Hendrrika came a succession of grunts, groans, sequelss, clicks and every other abominable noise that can conceived, conveying zto my mind a general idea of expostulation. At any rate baboons listened. One of them grunted back some answere, and then the whole mob drew off the rocks.

In Der Mir von Dschinnistan, der ursprünglichen „Hausschatz“-Fassung von Ardistan und Dschinnistan beschreibt May die Bewohner Uissulistans noch als über und über behaarte, den Menschenaffen äußerlich ähnliche Urmenschen: Diese gigantischen Menschengestalten! Tierisch behaart und massig gegliedert wie neu erstandene Wesen, die soeben erst den Übergang aus dem Tierreich in das Menschengeschlecht bewerkstelligt haben.

Selbst Halef wundert sich da: "... Aber ihre Behaarung! Allah 'l Allah! Was sind das für Menschen! Schon die Männer! Diese Köpfe und diese Bärte! Ich mußte mir Mühe geben nicht laut aufzulachen. Aber dann die Frauen, die Mädchen, die Weiber (...). Besonders die Frau des Scheiks, der jetzt nicht anwesend ist. Sie heißt Taldscha und ist im ganzen Gesicht behaart, auch an den Wangen und an der Stirn. Man sieht nur die Nasenspitze und die beiden kleinen Augen. Und diese Haare sind blond, ganz hellblond, und reichen bis auf die Lenden herab ..."

Und noch einmal: Es war unter ihnen nicht eine einzige gewöhnliche Gestalt; sie alle waren Riesen. Und sie alle waren ungewöhnlich behaart, doch nicht in gleicher Weise. Am wenigsten bebartet war der Zauberer. Sonst aber sah man alle möglichen Abstufungen von Haaresfülle, entweder wellig, wollig oder schlicht, doch konnte man nur fünf von ihnen als eigentliche, wirkliche "Haarmenschen" bezeichnen, bei denen vom Gesicht nur die Nasenspitze und die Augen zu sehen waren.

Haarmenschen haben freilich auch eine Tradition in den Erzählungen aus 1001 Nacht. Man findet sie in der dritten Reise von „Sindbad dem Seefahrer“. In der Standard-Übersetzung des 19. Jahrhunderts von Gustav Weil ist zwar stets nur von Affen die Rede: (...) und unser Mißgeschick hat uns an die Affeninsel gebracht, auf welcher Affen wie Heuschrecken umherspringen. Noch ist kein Mensch auf diese Insel gekommen, der nicht seinen Tod gefunden hätte. Der Kapitän warf die Anker aus und ließ die Segel einziehen, aber alsbald kamen die Affen von der Insel her auf uns zu, stiegen von allen Seiten her auf das Schiff in so großer Zahl, daß wir sie weder töten noch fortjagen konnten. Bald bissen sie auch mit ihren Zähnen das Ankertau und die Segelstricke durch, zogen das Schiff ans Land, ließen uns aussteigen und verschwanden mit dem Schiffe samt allem, was darauf war. Diese Affen hatten gelbe Augen, schwarze Gesichter und klebrige Haare.

Die Übersetzung von Felix Paul Greve, die 1907/08, also kurz vor bzw. parallel zur Niederschrift von Der Mir von Dschinnistan erschien und aus der hier weiter unten im Zusamenhang mit der „Geschichte von der Messingstadt“ noch ausfürlich zitiert werden wird, bezeichnet die menschenähnlichen Lebewesen jedoch als „behaarte Menschen“: 'Wisset, o meine Brüder (Allah behüte euch!), der Wind ist unser Herr geworden und hat uns aus dem Kurs geworfen, mitten in den Ozean, und das Schicksal hat uns zu unserem Unheil an den Berg der Zughb getrieben, das sind behaarte Menschen, Affen gleich, unter die ist noch niemand geraten und lebend davongekommen; und mein Herz weissagt mir, daß wir alle des Todes sind.' Kaum noch hatte der Schiffsführer seine Worte beendet, so waren die Affen auch schon über uns. Sie umringten, wimmelnd wie Heuschrecken, das Schiff von allen Seiten und drängten sich auf dem Ufer. Es waren die abscheulichsten aller wilden Tiere, bedeckt mit schwarzem, filzartigem Haar, ekelhaft anzuschauen, klein von Statur (denn sie maßen nur vier Spannen der Länge nach), mit gelben Augen und schwarzen Gesichtern. Niemand kennt ihre Sprache, und keiner weiß, was sie sind, denn sie meiden die Gesellschaft der Menschen.

Etwas auffällig ist ferner, daß nach dem Erscheinen des Haggard-Bandes Zauberer im Zululand (1897) auch in Mays Werk wieder gehäuft ‚Zauberer‘-Figuren auftreten. und zwar insgesamt dreimal: Zunächst in Scheba et Thar (1897, übernommen in die Buchausgabe Im Reiche des silbernen Löwen I, 1898), sowie in Im Reiche des silbernen Löwen IV (1903), und eben in Der Mir von Dschinnistan / Ardistan und Dschinnistan. Es gibt bezüglich solcher orientalischer ‚Zauberer‘ bei May jedoch durchaus eine eigene Tradition, wie sich etwa auch im Kapitel „Der Zauberer“ aus dem Waldröschen zeigt. Unter den Einwohnern Ussulistans nimmt diese Figur dabei eine Sonderstellung unter den „Haarmenschen“ einnimmt: Er war ein Hühne, doch bei Jahren, mit weißem Haar und Bart. Auch seine nackte Brust war dicht und weiß behaart. Das gab ihm etwas Eisbärartiges, zumal seine Bewegungen zwar nicht plump, aber ziemlich ungelenk zu nennen waren. (...)Er tat so außerordentlich martialisch und hatte dabei doch das gutmütigste Gesicht, das man sich denken kann! So, wie er aussah, pflegt man sich den heiligen Nikolaus, den »Weihnachtsmann«, den Knecht Ruprecht vorzustellen (...)

Allerdings vermag man hinsichtlich der körperlichen Merkmalen keinerlei Übereinstimmung zu Haggards Figur erkennen, beiden kann man allenfalls eine komische Erscheinung attestieren: He was a curious wizened man, appearently over fifty years of age, with thin hands that looked as tough as wire. His Nose was much sharper than is usual among these races, and he had a queer habit of holding his head sideways like a bird when he spoke, which, in addition to the humour that lurked in his eye, gave him a most comical appearance. Another strange thing about him was that single white lock of hair among his black wool.

Zum Zauberer der Ussul gehören einige Blut- bzw. Bärenhunde: Wir waren dem Orte jetzt so nahe gekommen, daß wir die Hunde sahen. Es waren ihrer drei, so hoch, so groß und riesenstark gebaut, wie ich noch niemals einen Hund gesehen hatte, selbst meinen starken, furchtlosen Dojan nicht, den meine Leser kennen. Ihr dickes, zottiges Fell und der Bau ihres breiten, mächtigen Schädels rechtfertigten den Namen Bärenhund, doch waren sie bedeutend höher als Bären zu sein pflegen. Auch ihre kurze, weit sich spaltende Schnauze und das kleine tückische Auge erinnerten an den Bären; aber ganz unbärmäßig waren die großen, weit herabhängenden und immer triefenden Lefzen. Die Tiere hatten eine mächtig breite Brust und außerordentlich kräftige Schenkel, deren breite Füße mit scharfen Klauen und sehr ausgebildeten Schwimmhäuten versehen waren, doch war dieser Brust und diesen Schenkeln mehr Kraft und Ausdauer als Sprungfertigkeit und Schnelligkeit zuzutrauen. Man brauchte diese mächtigen Geschöpfe nur anzusehen, so war man hinlänglich gewarnt. Sie hinterließen außer dem Eindruck der überaus rohen, physischen Kraft auch den der Arglist und Verschlagenheit, und nie ist mir bei dem Anblick eines Tieres der Ausdruck 'Bestie' so klar geworden, als in dem Augenblicke, da ich diese Blut- und Bärenhunde sah.

Bei der Beschreibung dieser Tiere konnte May auf die seine Erzählung Mater Dolorosa (1892) zurückgreifen, in der er derartige „Hunde des Todes“, riesige gefärbte kurdische Windhunde von der Rasse, welche von den Kurden Tazi genannt wird, beschreibt: So ein Tier hat die Höhe eines großen Kalbes, besitzt zwar eine schlechte Nase, läßt aber, einmal auf die Spur gehetzt, dieselbe nicht wieder fallen und ist darauf dressiert, demjenigen, auf dem er gehetzt wird, die Gurgel zu zerreißen. In beiden Fällen kommt es natürlich zum Kämpfen mit den Hunden.

In ähnlicher Weise beschreibt auch Haggard in Asheya derartige Todeshunde, die den Protagonisten ins 'Tal der Totenknochen' folgen: First she led us to the kennels where the death-hounds were kept, great flagged courts surrounded by iron bars, in which were narrow, locked gates. Never have I seen brutes so large and fierce; the mastiffs of Thibet were but as lap-dogs compared to them. They were red and black, smooth-coated and with a blood-hound head, and the moment they saw us they came raving and leaping at the bars as an angry wave leaps against a rock. / These hounds were in the charge of men of certain families, who had tended them for generations. They obeyed their keepers and the Khan readily enough, but no stranger might venture near them. Also these brutes were the executioners of the land, for them all murderes and other criminals were thrown, and with them, as we had seen, the Khan hunted any who had incurred his displeasure.
Thomas Schwettmann

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3. Die herrliche Stadt

(...) we perceived a great golden dome, not unlike that of St. Paul's (...)
[Allan Quatermain]

"Nicht wahr, eine herrliche Stadt?"
(Ardistan und Dschinnistan II)

Bei der Schilderung realer Städte kann ein Autor auf einschlägige geographische Literatur zurückgreifen. Imaginäre Städte hingegen verlangen jedoch ihren Schöpfern eher selbständige Ideen ab, obwohl es auch hier durchaus Vorbilder in der Literatur geben kann. Im folgenden werden die jeweils ersten Anblicke auf solche lebendigen Städte wiedergegeben. Man beachte, daß Haggard wie May nach kurzem Überblick ihr Hauptaugenmerk auf zentrale Architekturen richten, die sie jeweils als Mittelpunkte der jeweiligen Städte konstruiert haben. Zunächst die „Frowning City“ Milosis des „unerforschten Land“ aus Allan Quatermain:

On this brow of this precipice stood a great building of the same granite that formed the cliff, build on three siodes of a asquare, the fourth side being open, save for a kind of battlement pierced at its base by a little door. The imposing place we afterwards discovered was the palace of the queen, or rather of the queens. At the back of the palace the town sloped gently upwards to a flashing building of white marble, crowned by the golden days which we had already observed. The city was, with the exception of this one building, entirely built of red granite, and laid out in regular blocks with splendid roadways between. So far as we could see also the houses were all one-storied and detached, with gardens round them, which gave some relief to the eye wearied with the vista of red granite. At the back of the palace a road of extraordinary width streched awy up the hill. But right in front of us was the wonder and glory of Milosis - the great staircase of the palace, the magnificience of which fairly took our breath away. Let the reader imagine, if he can, a splendid stairway, sixty-five feet from balustrade to balustrade, consisting of two vast flights, each one hundred twenty-five steps of eight inches in height by three feet broad, connected by a flat resting-place sixty feet in length, and running from palace wall on the edge of the precipice down to meet a waterway or canal cut to its foot from the river. Thisnmarvellous staircase was supposed upon a single enourmous granite arch, of which the resting-place between the two flights formed the crown; that is, the connecting open space lay upon it. From this archway sprang a subsidiary flying arch, or rather something that resembled a flying arch in shape, such as none of us had seen in any other country, and of which the beauty and wonder surpassed all that we had ever imagined. Three hundred feet from point to point, and no less than five hundred and fifty round the curve, that half-arc soared touching the bridge it supported for a space of fifty feet only, one end resting on and built into the parent archway, and the other embedded in the solid granite of the side of the precipice.

Zum Vergleich dazu die Weltstadt Ard bei Karl May [A+D II]: Vor uns lag ein weiter, weiter, rundum von Bergen eingeschlossener Talkessel, den vier Flüsse durchzogen, die sich grad unter uns vereinigten. An den Ufern dieser Flüsse lag Haus an Haus und Garten an Garten, so weit unsere Blicke reichten. In den Gärten herrschte die Palme vor. Es war fast so, wie wenn man von den Baradafelsen aus auf Damaskus herunter schaut, nur noch viel schöner. Die Häuser zeigten alle möglichen Baustile. Auch Gotteswohnungen gab es in großer Zahl und, wie es schien, von jeder geschichtlichen Art. Wir sahen geschlossene und offene Säulentempel; links drüben ein Bau, der einem indianischen Teokalli glich, und rechts, auf der andern Seite, eine hoch und massig gebaute Chinesenpagode. Dazwischen ragten schlanke, mohammedanische Minarets in die Lüfte. Hier und da stand auch ein kleineres, bescheideneres Haus, mit einem christlichen Kreuze auf dem Dache. Sollten das etwa Kirchen sein?

Vor allen Dingen stieg grad im Mittelpunkte der Stadt ein wunderbar komponierter und gegliederter Bau aus Stein zum Himmel auf, der unsere Blicke auf sich zog und gar nicht wieder von sich lassen wollte. Das Mittelstück desselben, ein großes, kühnes Kuppelwerk, wurde nach Nord, Süd, Ost und West von vier gewaltigen Türmen flankiert, welche ganz gewiß die Höhe des Kölner Domes hatten, einander auf das genaueste glichen und, unten massig geschlossen, sich nach oben hin immer feiner und feiner filigranisierten, so daß ihre Spitzen sich in Äther zu verwandeln und ganz in ihm zu verschwinden schienen. An diese vier Haupttürme schlossen sich nach den vier Himmelsrichtungen wieder Kuppeln an, aber kleinere, die eine Interpunktion von gleichmäßig kleineren Türmen bekamen und in eine weitere Folge von immer tiefer herabsteigenden Kuppeln, Türmen und Türmchen verliefen, bis der hoch aufgeschwungene Grundgedanke die Erde wieder erreichte, aus der er gestiegen war. War das christlicher Dom? Etwa die Kathedrale?

"Nicht wahr, eine herrliche Stadt?" fragte der Oberst, der es uns ansah, welchen Eindruck das alles auf uns machte. "Hier stand zur Zeit der ersten Menschen das Paradies. Siehst Du die vier Flüsse? Sie heißen Phison, Dschihon, Tigris und Phrat. Diese Namen stehen schon in Euerm Koran oder in Eurer Bibel oder in Euern Vedabüchern.


Die Beschreibung des Kuppelbaues erinnert dabei ein wenig an die Haiga Sophia, die May 1900 bei seinem Istambul-Aufenthalt besuchte. Die Symbolik der vier Flüsse ist, wie May schreibt, auch im hinduistischen und tibetischen Glauben zu finden, allerdings sind es dort vier andere reale Gewässer, die allesamt in der Trans-Himalaya-Region um den heiligen Berg Kailas entspringen, sinnigerweise auch noch in die vier Himmelsrichtungen. Darüber berichtet auch Sven Hedin, so schreibt er in seinem Buch Transhimalaya über den See Manasarovar, der am Fuße des heiligen Berges gelegen ist: Wunderbarer See! Mittelpunkt der Sage und Legende, Tummelplatz der Stürme und der Farben, Ziel der Sehnsucht müder Pilger, Mittelpunkt der Protuberanz des alten Asiens, zwischen deren Bergriesen vier der berühmtesten Flüsse der Erde, der Brahmaputra (bzw. Tsangpo), der Indus, der Satledsch (= Sutlej) und der Ganges (bzw. Karnali), ihre Quellen haben (...) Schon zu uralten Zeiten, als die Vedabücher geschrieben wurden, sind zahlreiche gläubige Hindus und Tibeter an seine Ufer gekommen, um dort zu trinken, zu baden und Ruhe für ihre Seelen zu finden.

Möglicherweise könnten May und Haggard auch durch die Schilderung der „goldenen Stadt“ aus den Erzählungen aus Tausend und eine Nacht zu ihren phantastischen Stadtbeschreibungen angeregt worden sein. So heißt es in der im 19. Jahrhundert maßgeblichen Ausgabe von Gustav Weil in der „Geschichte Schaddads und der Stadt Irem, die pfeilerreiche“: Schaddad gab hundert seiner stärksten Emire den Befehl, ein weites, ebenes Land aufzusuchen, mit viel Wasser und gesunder Luft, um dort eine goldene Stadt zu bauen. (...) er (...) ließ eine viereckige Stadt bauen, die vierzig Pharasangen im Umfange hatte; man legte sehr tiefe Grundpfeiler, auf denen die Stadt sich bis zum Himmel erheben konnte, man nahm Steine von Jenem bis zur Oberfläche der Erde, dann gebrauchte man rote Backsteine zu den Mauern, die fünfhundert Ellen hoch und zwanzig Ellen breit waren. Schaddad schickte dann auch nach allen Fundgruben und baute in der Stadt dreihunderttausend Schlösser, jedes ruhte auf tausend Pfeilern von verschiedenem Smaragd und Rubinen mit Gold belegt und die Pfeiler, auf denen die Schlösser mit ihren reichgeschmückten Gemächern ruhten, waren hundert Ellen hoch. er ließ dann Kanäle graben und die Ufer mit Datteln und anderen Bäumen bepflanzen; hernach wurden vier Tore an die Stadt gesetzt, jedes hundert Ellen hoch und zwanzig breit, alles aufs feinste ausgeschmückt.

Die Geschichte ist bei Weil freilich um eine Rahmenhandlung gekürzt, vollständig liest man sie hingegen unter dem Titel „The City Of Many-Columned Iram And Abdullah Son Of Abi Kilabah“ - in der Abrabian Nights-Ausgabe (1882-84) von Richard Burton: Go ye forth therefore to the goodliest tract on earth and the most spacious, and build me there a city of gold and silver, whose gravel shall be chrysolite and rubies and pearls, and for support of its vaults make pillars of jasper. Fill it with palaces, whereon ye shall set galleries and balconies, and plant its lanes and thoroughfares with all manner trees bearing yellow-ripe fruits, and make rivers to run through it in channels of gold and silver. (...) Depart and make thereon an impregnable castle, rising and towering high in air, and build around it a thousand pavilions, each upon a thousand columns of chrysolite and ruby and vaulted with gold, that in each pavilion a wazir may dwell.

Felix Paul Greve übersetzte dann anfangs des 20. Jahrhunderts Burtons Fassung von der „Geschichte der Säulenstadt Iram“ getreulich: 'Zieht also aus in die Welt, in den herrlichsten Strich auf der Erde, wo sie am geräumigsten ist, und baut mir dort eine Stadt aus Gold und Silber, deren Kies aus Chrysolithen und Rubinen und Perlen besteht; und ihre Gewölbe zu stützen, macht Pfeiler aus Jaspis. Füllt sie mit Palästen und bepflanzt ihre Gassen und Straßen mit allerlei Bäumen, die gelbreife Früchte tragen, und in Kanälen aus Gold und Silber sollen Bäche sie durchströmen. (...) Brecht auf und erbaut darüber eine uneinnehmbare Burg, die sich hoch in die Luft erhebt und emportürmt, und ringsherum errichtet tausend Pavillons, einen jeden auf tausend Säulen aus Chrysolith und Rubin, überwölbt mit Gold, so daß in jedem Pavillon ein Vezier wohnen kann.
Thomas Schwettmann

Ardistan & Haggardistan

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4. Engelsstatuen

»Figur? Was für eine Figur?« fragte er schnell. - »Wahrscheinlich ein Engel, denn ich sehe Flügel!«
[Ardistan und Dschinnistan II]

The coquetry went out of it, and in its place there shone a great light of love which seemed to glorify it, and make it like that of the marble angel overhead.
[Allan Quatermain]

Engelsstatuen kommen bei Henry Rider Haggard bereits recht früh im Roman "Allan Quatermain" vor, wo sie aber nur in aller Kürze beschrieben werden. Sie stehen im Blumen-Tempel der frowning city, der „finsteren Stadt“: (...) Standing in semicircles at equal distances from each other on the north and south of the sacred place are ten golden angels, or female winged forms, exquisitely shaped and draped. These figures, which are slightly larger than life-size, stand with bent heads in an attitude of adoration, their faces shadowed by their wings, and are most imposing and of exceeding beauty
.
Eine weitere Engelsfigur, diesmal aus Mamor, findet sich zusammen mit dem Abbild eines verstorbenen Herrschers im Thronsaal und wird beschrieben, wie sie effektvoll in das Licht des Vollmondes getaucht ist: One of these silver arrows fell üpon the statue of the sleeping Rademas, and of the angel form bent over him, illumining it, and a small circle round it, with a soft clear light (...)

Falls Karl May überhaupt durch literarische Vorbilder zu seinen Wasserengeln angeregt wurde - schließlich gab es schon seinerzeit genügend Freiluft-Engelsstatuen als öffentlichen Denkmäler oder Friedhofsskulpturen, die ihn inspiriert haben könnten - dann wäre es also durchaus möglich, daß er sich durch die Lektüre von Haggards Unerforschten Land beeinflussen ließ. Denn wie bei den Tempelfiguren wird das genaue Ausehen der Statuen in Ardistan und Dschinnistan ebenfalls nicht beschrieben. Die erste Erwähnung einer solchen Engelsfigur bei May findet sich im ersten Band, mitten in der Wüste ...:

"Ein Melek, ein Melek! Wahrhaftig, ein Melek!" rief Halef aus. "Mit einem Friedenszweige in der Hand! Er hat zwei Flügel und steht auf einem Postament von mehreren Felsentrümmern!" (...) Der Engel stand nicht, wie der Hadschi von Weitem gemeint hatte, auf einem Postament von mehreren Felstrümmern, sondern auf einen einzigen, kompakten, riesigen Block. (...) Die Figur des Engels war nicht etwa nach ihrer Anfertigung auf den Felsen gestellt worden, sondern sie gehörte zu ihm; sie war sein oberster Teil; sie bildete mit ihm ein Ganzes. Der untere Teil, das Postament, war breiter als der obere. Als ich dann selbst hinaufstieg, sah ich, daß hier künstlich nachgeholfen und mittels Werkzeugen eine ebene Fläche gebildet worden war, auf die sich das breite, faltige Gewand des Engels stützte, ohne daß die Füße aus demselben hervortraten.

... die zweite Engelsstatue folgt dann im zweiten Band, sie steht in der Stadt der Toden....: Dagegen wurde der Engel um so deutlicher, je näher wir ihm kamen. Er stieg zusehends höher und schärfer vor uns auf. Er war gewiß doppelt so hoch wie der Engel, den wir kurz vor dem Engpasse Chatar entdeckt hatten, doch war seine Figur ganz und genau dieselbe. Es schien, als ob der hiesige das Original des dortigen und dieser nur eine Verkleinerung von ihm sei.

... und schließlich gibt es am Schluß des zweiten Bandes noch den großen „Engel der Wasserscheide“ in El Hadd: Hoch oben aber, uns gerade gegenüber, ragte ein Engel himmelan, der ganz genau die Gestalt der Wasserengel in der 'Stadt der Toten' und an der Landenge von Chatar hatte, aber viel, viel größer als sie beide war. Er bildete den höchsten und zugleich auch den Höhepunkt des herrlichen Panoramas, welches vor uns lag.

Ob die Engelsfiguren ihre Flügel ausgebreitet haben, wie auf der schönen Illustration von Josef Ulrich (in der tschechischen Ausgabe von 1923) zu sehen ist, oder ob sie ihre Schwingen angelegt tragen, erfährt man leider nicht, allerdings verrät uns Karl May bei diesem letzten Engel wenigstens etwas über dessen Hand: Und hier, auf der Südseite des Sees, die fast übernatürlich hohe Gestalt des Engels, der, die Hand wie zum Segnen erhebend, von dem Hochland hinunter über die Grenze schaute (...) Ist die segnende Hand die gleiche Hand, die auch den Friedenszweig hält? Ansonsten erfährt man nur noch, daß die Engel jeweils ein faltiges Gewand tragen.

Im Gegensatz dazu sind die Schilderungen der allegorisch-symbolischen geflügelten Statuen in den "She"-Romanen ausführlich, detailliert und anschaulich. Da ist zunächst die Wahrheitsstatue 'Truth standing on the World' aus She: And there, in the centre of the inmost court, that might have been some fifty yardssquare, or a little more, we stood face to face with what is perhaps the grandest allegorical work of Art that the genius of her children has ever givento the world. For in the exact centre of the court, placed upon a thick square slab of rock, was a huge round ball of dark stone, some forty feet in diameter, and standing on the ball was a colossal winged figure of a beauty so entrancing and divine that when I first gazed upon it, illuminated and shadowed as it was by the soft light of the moon, my breath stood still, and for an instant my heart ceased its beating.

The statue washewn from marble so pure and white that even now, after all those ages, it shone as the moonbeams danced upon it, and its height was, I should say, a trifle under twenty feet. It was the winged figure of a woman of such marvellous loveliness and delicacy of form that the size seemed rather to add to than to detract from its so human and yet more spirituel beauty. She was bending forward and poising herself upon her half-spread wings as though to preserve her balance as she leant. Her arms were outstreched like those of some woman about to embrace one she dearly loved, while her whole attitude gave an impression of the tenderest beseching. her perfect and most gracious form was naked, save - and here came the extraordinary thing - the face, which was thinly veiled, so that we could only trace the marking of her features. A gauzy veil was thrown round and about the head, and of its two ends one fell down across her left breast, which was outlined beneath it, and one, now broken, streamed away upon the air behind her


Des weiteren gibt es n der Fortsetzung Ayesha[/i eine „Mutterliebe“-Statue: On this altar was placed a large statue of silver, that backed as it was by the black rock, seemed to concentrate and reflect from its burnished surface the intense light of the two blazing pillars. It was a lovely thing, but to describe it is hard indeed. The figure, which was winged, represented a draped woman of mature years, and pure but gracious form, half hidden by the forward-bending wings. Sheltered by these, yet shown betwen them, appeared the image of a male child, clapsed to its bearer's breast with her left arm, while the right was raised towards the sky. A study of motherhood evidently, but how shall I write off all that as conveyed by those graven faces?

To begin with the child. It was that of a sturdy boy, full of health and joy of life. Yet he has been sleeping, ans in his sleep some terror had overshadowed him with the dark shades of death and evil. There was fear in the lines of his sweet mouth and on the lips and cheeks, that seemed to quiver. He had thrown his little arm about his mother's neck, and, pressing close against her breast, looked up to her for safety, his right hand and outstreched finger pointing downwards and behind him, as though to indicate whence the danger came. Yet it was passing, already half-forgotten, for the upturned eyes expressed confidence renewed, peace of soul attained.

And the mother. She did not seem to mock or chide his fears, for her lovely face was anxious and alert. Yet upon it breathed a very athmosphere of unchanging tenderness and power invincible; care for the helpless, strength to shelter it from every harm. The great, calm eyes told their story, the parted lips were whispering some tale of sure, hope and immortal; the raised hand revealed whence that hope arose. All love seemed to be concentrated in the broading figure, so human, yet so celestial; all heaven seemed to lie an open path before those quivering wings. And see, the arching instep, the upward-springing foot, suggested that thither those wings were bound, bearing their Gog-given burden far from the horror of the earth, into the bosom of a changeless rest above. The statue was only that of an affrighted child in its mother's arms; its interpretation made clear even to the dullest by the simple symbolism of some genius - Humanity saved by the Divine.


Bereits im Silberlöwen IV hat Karl May eine Statue, das 'Steinerne Gebet' zu einem zentralen Symbol gemacht, und auch Haggard benutzt Skulpturen bereits in King Solomones Mines, die sogenannten „Silent Ones“: There upon huge pedestrals of dark rock, sculptred in unknown characters, twenty paces between each, and looking down the road which crossegdsome sixty miles of plain to Loo, were three colossal seated forms - two males and one female - each measuring about twenty feet from the crown of the head to the pedestal. The female form, which was nude, was of great though severe beauty, but unfortunately the features were injured by centuries of exposure to the weather. Rising from each side of the head were the points of a cresent. The two male colossi were, on the contrary, draped, and presented a terrififying cast of features, especially the one to our right, which had the face of a devil. That to our left was serene in countenance, but the calm upon it was dreadful. (...) The three formed a most awe-inspiring trinity, as they sat there in their solitude and gazed out across the plain for ever.

In dem späten Roman She and Allan hingegen haben Skulpturen keinen symbolischen Character mehr, hier wird lediglich eine typische griechische Statue beschrieben: It was that of a nude young woman in the attitude of diving, a very beautiful bit of work, I thought, though of course I am no judge of sculpture. Even the smile mingled with trepidation upon the girl's face was most beautiful portrayed.
Thomas Schwettmann

Totenstadt & Messingstadt

Beitrag von Thomas Schwettmann »

5. Die Messingstadt

Die fantstische Schilderung der >Totenstadt< (...) ist überdem ein wirkliches Meisterstück, das eine wirre Kette unvergeßlicher Bilder vorführt; (obschon die 1001-nächtige Legende von der >MESSINGSTADT<, 566.-578. Nacht, ihn angeregt haben dürfte).
[Arno Schmidt, Sitara und der Weg dorthin]

In diesem unserm Falle handelte es sich selbstverständlich nur um billiges Blattmetall aus Messing und Tombakblech.
[Ardistan und Dschinnistan II]

Christoph F. Lorenz griff in seinem Essay 'Von der Messingstadt zur Stadt der Toten' (in: Text+Kritik, Sonderband - Karl May) eine Anregung Arno Schmidts auf und untersuchte, ob die Geschichte von der Messingstadt aus 1001 Nacht May zu seiner Schilderung der Totenstadt beeinflußt haben könnte. Dabei orientierte er sich an seinerzeit populären Fassung von Gustav Weil, die er freilich in einer leicht bearbeiteten Fassung zitierte, die in Friedrich Wilhelm Maders gleichnamiger Erzählung (1912) abgedruckt ist und Karl May gar nicht vorgelegen haben kann. Inhaltlich weicht die Mader-Fassung freilich nicht von Weils Originaltext ab, so daß die Aussagen und Schlußfolgerungen von Lorenz in Bezug auf die Weil-Fassung sicherlich richtig sind. Diese Ausgabe wird auch heute immer noch noch nachgedruckt, z.B. in zwei dicken, zeitgenössisch illustrierten Bänden des Dörfler-Verlages, der Text ist aber auch online bei www.Gutenberg.de zu finden.

Es ist aber zu bezweifeln ob sich Karl May überhaupt an der Übersetzung von Weil orientierte, erschien doch - wie oben beim Zitat der 'Geschichte der Säulenstadt Iram' schon erwähnt - gerade in den Jahren 1907/08, also etwas vor der Niederschrift von Ardistan und Dschinnistan, eine ausführlichere Fassung der 'Messingstadt' innerhalb der Übersetzung von Felix Paul Greve nach Burtons englischer Version. Diese Übersetzung ist dankenswerterweise als Band 87 der 'Digitalen Bibliothek' erschienen, in der als Band 77 ja auch schon das Werk von Karl May auf eine CD-Rom gepreßt wurde. Das Original von Burton wie auch andere englische Übersetzungen sind gleichfalls On-Line vertreten, Infos dazu unter: ....
Arno Schmidt jedenfalls hat seinen Hinweis sicher nicht aufgrund der Lektüre der Weilschen Fassung gegeben, da in dieser die Zählung der Nächte fehlen, hingegen stimmt die Angabe der Nächte (566-578) sowohl mit Greves Version wie auch der mittlerweile klassischen und ebenfalls ausführlichen Gesamtübersetzung von Enno Littmann aus dem Jahre 1938 überein. Letztere, die immer noch als Gesamtpaket von acht Insel-TBs erhältlich ist, bietet den heutigen Leser jedenfalls eine sehr gute 'erwachsene' und ungekürzte Übersetzung und auch eine vollständige 'Geschichte der Messingstadt', wenngleich der genaue Wortlaut für Vergleiche mit Ardistan und Dschinnistan natürlich untauglich ist. Gleiches gilt natürlich auch für die erst kürzlich von Claudia Ott übersetzte, nach der 282. Nacht abbrechende 'Urfassung' der Märchen aus 1001 Nacht - in der Tat gibt es da verschiedene Handschriften unterschiedlichsten Inhaltes, die zudem früher auch noch von den europäischen Erstübersetzern nicht immer sehr getreulich übertragen und z.T. durch Geschichten aus anderen Quellen angereichert wurden.

Wie dem auch sein mag, wie Lorenz anhand der Weil-Übersetzung zeigt - was aber gleichfalls für die Greve-Version gilt - ergibt der Vergleich zwischen der 'Geschichte der Messingstadt' und Ardistan und Dschinnistan keinen spezifischen sondern allenfalls nur allgemeine Gemeinsamkeiten. Natürlich war May im Gegensatz zu exakten Beschreibungen etwa von Pflanzen und Tieren nicht auf wortwörtliche Textübernahmen angewiesen, sondern konnte - lediglich 'atmosphärisch' angeregt - frei fabulieren. Insofern läßt sich ein konkreter Einfluß der Geschichte aus 1001 Nacht auf May wohl nicht beweisen und bleibt also Vermutung.

Dies zeigt sich z.B., wenn man - wie es auch Lorenz in seinem Essay getan hat, die Statuen in der Geschichte von der Messingstadt und Mays Brunnenengel gegenüberstellt. Zwar ist der obige Vergleich mit den Statuen Haggards wohl fruchtbarer, andererseits ist aber erst recht bei dem englischen Autor zu vermuten, daß dieser von den 'Arabian Nights' beeinflußt wurde. Zunächst also Weil (hier im originalen Wortlaut): Nach drei Tagen kamen sie auf einen hohen Berg, auf dem sie eine große lange Säule sahen; als sie darauf zugingen, fanden sie eine Statue von schwarzem Stein, die einen Menschen darstellte, der bis zu den Achseln in der Säule steckte; er hatte zwei große Flügel, zwei Hände wie die Tatzen eines Löwen, mit eisernen Krallen, einen Haarschopf mitten auf dem Kopfe wie ein Roßschweif, zwei Augen, die in die Länge gespalten waren und Feuer sprühten, und aus der Stirne stach noch ein drittes häßliches dunkelrotes Auge hervor wie das eines Luchses.

Greve ist an dieser Stelle nicht wesentlich ausführlicher, unterscheidet sich allerdings in der Anzahl der Arme: Dann kamen sie zu einem Pfeiler aus schwarzem Stein, der einem Ofenschornstein glich, und in den ein Mensch bis zu den Armhöhlen versenkt war. Er hatte zwei große Flügel und vier Arme, von denen zwei den Armen der Söhne Adams glichen, zwei aber Löwentatzen, und diese hatten eherne Krallen; er war schwarz und groß und furchtbar anzuschauen, sein Haar glich den Schweifen der Rosse, seine Augen waren wie glühende Kohlen, und sie waren von oben nach unten geschlitzt. Ferner trug er mitten in der Stirn ein drittes Auge, dem eines Luchses gleich, und diesem entsprühten Feuerfunken (...)

Den Weg zu diesem Dämon wurde übrigens bereits durch eine weitere Statue gewiesen, die ebenfalls magische Kräfte besitzt: (...) und nach drei Tagen kamen sie an einen hohen Hügel, auf dem ein kupferner Reiter auf einem kupfernen Pferd saß; er hatte eine lange blendende Lanze in der Hand, auf deren Spitze folgendes mit römischen Buchstaben geschrieben war: »O Wanderer, der du hierherkommst, wenn du den Weg nach der messingnen Stadt nicht weißt, so reibe den Reiter, er wird sich herumdrehen. und wende dich dann nach der Seite, nach welcher er die Spitze der Lanze dreht.« Musa rieb den Reiter, er drehte sich herum, und sie schlugen den Weg ein, nach welchem er die Lanze hob und fanden sich bald auf geebnetem Wege. Soweit die Version von Weil. Die Fassung von Greve unterscheidet sich davon kaum, so daß auf ein Zitat verzichtet werden kann, erwähnenswert ist lediglich die Beschreibung der Lanze als einem blendenden Bitz.

Weitere - gleichfalls magische - Statuen befinden sich im Thronsaal innerhalb der Messingstadt, zunächst sei wieder Weil zitiert: Musas Auge fiel dann auf zwei Statuen, welche vor dem Mädchen standen; die eine war weiß, die andere schwarz, die eine hatte ein Schwert in der Hand, die andere eine Lanze. Beide entpuppen sich nicht nur als ewige sondern auch verzauberte Wächter ihrer Königin, da sie aus ihrer Starre erwachen können: (...) als er aber zwischen den beiden Statuen stand, schlug ihm die mit dem Schwerte den Kopf ab und die mit der Lanze spaltete ihm den Rücken.

Greve ist hier etwas genauer: (...) auf ihnen standen zwei Statuen aus andalusischem Kupfer, die Sklaven darstellten, die eine einen schwarzen und die andere einen weißen. Der erste hielt eine stählerne Keule, und der zweite ein Schwert aus gewässertem Stahl, der das Auge blendete (...). Auch in dieser Version erwachen die beiden kupfernen Wächter zu Leben und bestrafen den Frevler: (...) doch kaum war er im Armbereich der beiden Sklaven, als, siehe, der Keulenträger ihn auf den Rücken traf, während der andere mit dem Schwert in seiner Hand ausholte, also, daß sein Kopf davonsprang und er tot zu Boden fiel.

Es ist anzunehmen, daß auch Haggard die 'City of Brass' aus den 'Arabian Nights' kannte. So wie etwa Haggards Abenteurer nach 'König Salomons Diamanten' suchen, so sind die Reisenden in der 'Geschichte von Messingstadt' auf der Suche nach den kupfernen Flaschen des Königs Salomon. Interessanterweise gibt es nun Unterschiede zwischen den englischen Versionen von Burton und Lane, letzterer, der nach der Kalkutter Ausgabe übersetzte, schildert weder den Dämon noch die Sklaven als Statuen, sondern als lebende Wesen. So wird etwa der Dämon als a pillar of black stone, wherein was a person sunk to his arm-pits bezeichnet, also als ein Wesen, das in die Säule eingeklemmt, aber keineswegs damit zusammengewachsen ist. Die umfassende '1001'-Übersetzung von Littmann - mittlerweile die Standard-Ausgabe schlechthin - folgt dieser Beschreibung: ( ...) gewahrten sie plötzlich eine Säule aus schwarzen Stein, in die eine menschliche Gestalt bis zu den Armhöhlen versenkt war. Bei den späteren Übersetzungen von Lane und Littmann werden zudem die Diener der Königin lediglich als Slaves bzw. Sklaven bezeichnet. Der Leser dieser beiden Übersetzungen bekommt also nicht den unheimlichen Eindruck von lebenden Steinstatuen vermittelt.

Die Reise zur Messingstadt wie auch zur Stadt der Toten ist nicht von heute auf morgen zu bewältigen, doch ist der jeweilige Weg durch die Wüste wohl nicht nur langwierig sondern auch relativ ereignislos, weshalb er nur in kurzen Worten geschildert wird: Wisse, mein Vater hat mir einmal von seinem Großvater erzählt, er sei in diesem Lande gewesen und nach langen Irrwegen an dieses Schloß gekommen, und von da in eine messingne Stadt. Wir haben von hier nach dem Orte unserer Bestimmung nur noch zwei Monate zu reisen; wir müssen immer dem Rande der Wüste folgen, finden aber viele Wohnungen, Brunnen und Bäche, die Alexander der Zweihörnige eroberte, als er sich nach Westen wandte; die meisten Brunnen auf unserem Wege hat er graben lassen. [Weil]

Dabei ist aber schon auffällig, das der Weg zur Messingstadt wie die Durchquerung Ardistans nur mit Hilfe alter Brunnen zu bewältigen ist: Wir reisten einst in diesem Lande, und als wir vom Weg abkamen, gelangten wir zu dieser Burg, und von ihr zu der Messingstadt; zwischen ihr und dem Ort, den du suchst, aber liegt eine Reise von zwei vollen Monden; doch mußt du dich an die Meeresküste halten und sie nicht verlassen, denn dort gibt es Wasserplätze und Brunnen und Lagerstätten, die der König Zu al-Karnain Iskandar angelegt hat; denn als er auszog, um Mauritanien zu erobern, fand er unterwegs durstige Wüsten und Steppen und Wildnisse, und er grub dort nach Wasser und legte Zisternen an. [Greve]

Auffällig ist auch, daß bei May die Reise quer durch die Wüste vom Engpass El Chatar hin zur 'Herrlichen Stadt' ebenfalls zwei Monate dauert, dies ist möglicherweise aber nur ein zufall. Es war etwas über zwei Monate später. (...) Wir hatten Gharbistan quer durchritten und uns dann bei dem Mir von Ardistan als Abgesandte des Dschirbani melden lassen.

Schließlich aber gelangen die Reisenden an ihr Ziel, die Messingstadt: Nach einer kurzen Strecke sahen sie etwas Schwarzes in der Ferne, von zwei einander gegenüber lodernden Flammen umgeben. Als Musa fragte, was das wäre? Antwortete der Alte: »Freue dich, Fürst, das ist die messingne Stadt, so ist sie mir in meinem Schatzbuche beschrieben; denn sie ist aus schwarzen Steinen gebaut und hat zwei Schlösser aus spanischem Messing, welche wie zwei Feuer einander gegenüber aussehen, und daher hat sie auch ihren Namen. Sie gingen nun auf die Stadt zu, welche mächtige Gebäude enthielt und schön angelegt war, von sehr festen, achtzig Ellen hohen Mauern mit fünfundzwanzig Toren umgeben. Aber diese Tore konnten nur von innen geöffnet werden; Musa war daher in der größten Verlegenheit und wußte keinen Rat, um in die Stadt zu dringen und ihre Wunder zu sehen und der Alte sagte ihm: so ist sie in dem Schatzbuch beschrieben. [Weil]

Die Wegweiser-Funktion von aus der Ferne sichtbaren - und bei May und Haggard freilich echten - Feuern wird noch weiter unter ausführlich beleuchtet: Da verließen sie ihn und ritten weiter, bis sie vor sich in der Ferne eine große Schwärze erblickten, und darin einander gegenüber zwei Feuer; und der Emir Musa fragte den Schaykh: 'Was ist jene Schwärze mit den beiden Feuern?' Und der Führer erwiderte: 'Freue dich, o Emir, denn dies ist die Messingstadt, wie sie beschrieben wird im Buche der Verborgenen Schätze, das ich bei mir habe. Ihre Mauern sind aus schwarzem Stein, und sie hat zwei Türme aus andalusischem Messing, die dem Beschauer aus der Ferne erscheinen, als wären es zwei Feuer, und deshalb heißt sie die Messingstadt.' Und unablässig ritten sie dahin, bis sie sich der Stadt näherten, und siehe, sie war wie ein Bergesstück oder wie eine gegossene Eisenmasse, undurchdringlich ob der Höhe ihrer Mauern und Wälle; nichts aber konnte schöner sein als ihre Bauten und deren Ordnung. Sie also saßen ab und suchten nach einem Eingang, doch sahen sie keinen und fanden auch keine Bresche in der Mauer, wiewohl die Stadt fünfundzwanzig Tore besaß, deren keines freilich von außen sichtbar war. [Greve]

Hier sei zum Vergleich nur der Anblick der gleichfalls mit einer starken Mauer befestigten 'Totenstadt' bei May zitiert: Indem ich während des Bergabwärtsreitens meinen Blick auf die Zyklopenmauern der jenseitigen Festungsstadt gleiten ließ, wollte es mir um den Ausgang des gegenwärtigen Abenteuers doch ein wenig bange werden. Diese Mauern und Türme waren so stark und so hoch, daß für einen Jeden, der sich einmal hinter ihnen befand, das Entkommen unmöglich zu sein schien. [A+D II]

Das folgende Zitat aus Weils '1001 Nacht' setzt Lorenz in seinem Vergleich Mays nachstehend zitierter Schilderung der toten Stadt gegenüber und betont dabei zurecht wieder einmal die Unterschiedlichkeit, der beiden Schilderungen. Man kann sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, daß die Schilderung diese Messingstadt auch nicht nur allein mit der 'toten Stadt' sondern auch mit der schon diskutierten 'herrlichen Stadt' verglichen werden sollte: Musa stieg dann mit dem Alten auf den höchsten Berg, der vor der Stadt lag, und von hier aus sahen sie die schönste Stadt vor sich liegen, die man finden konnte; hohe Häuser, feste Schlösser, fließende Bäche, schön angelegte Straßen. Ihr Auge entdeckte aber keinen Menschen, noch ein Haustier; Nachteulen hausten darin mit anderen Vögeln, aber sie war sicher vor jedem Wechsel der Zeit. Die Wohnungen beklagten die Bevölkerung, die sie einst umschlossen, und die Schlösser beweinten die, welche sie gebaut. Musa wunderte sich über den traurigen Zustand dieser Stadt (...)

Der Vergleich mit Ard drängt sich um so mehr auf, wenn man den ersten Teil der Übersetzung von Greve liest: Da nahm Musa Talib und Abd al-Samad und stieg mit ihnen auf den höchsten Hügel, der die Stadt überschaute. Und als sie den Gipfel erreichten, erblickten sie unter sich eine Stadt, wie sie größer und herrlicher nie ein Auge erblickte; Wohnstätten und Häuser ragten in türmender Wacht; Paläste und Kuppeln und Pavillons glitzerten in glorreicher Pracht, und Schanzen und Wälle starrten in gebietender Macht; und wo die Bäche sprangen, sahen sie der Blumen Prangen und der Früchte Hangen.

Auch der zweite Teil von Greves Textfassung läßt eine Assoziation mit der 'toten Stadt' bis in das Vokabular vom 'Verlassensein' stärker als in der Weil-Version erscheinen: Es war eine Stadt mit neinnehmbaren Toren, aber sie war leer und still, und keine Stimme ertönte, und kein Bewohner brachte Leben in das Bild. In ihren Winkeln schrie die Eule; über den Plätzen schwebte der Vogel dahin, und der Rabe krächzte in den großen Straßen und klagte und weinte um die Bewohner, die einst diese Stadt zu ihrer Stätte machten. Staunend und traurig ob der Verlassenheit der Stadt stand der Emir eine Weile da (...)

Sollte sich Karl May also tatsächlich an der Geschichte von der Messingstadt aus 1001 orientiert haben, so dürfte er dann wohl eher die Übersetzung von Greve als die von Weil gelesen haben: Wir erblickten Häuserleichen, die entweder einzeln oder auch in kleineren Gruppen, zuweilen aber auch in ganzen, ausgestorbenen Dörfern an unserem Wege lagen. Da, wo sie in größerer Menge zu sehen waren, zeigte es sich immer, daß es früher hier einen Bach, ein Flüßchen oder sonst ein fließendes oder auch nur stehendes Wasser gegeben hatte. Diese Leichen waren entweder nur teilweise oder auch ganz erhalten. Wir sahen zahlreiche Steinbrüche liegen, die ein äußerst dauerhaftes, widerstandsfähiges Material geliefert hatten. Die Ortschaften mit ihren steinernen Häusermauern und aus unzerstörbarem Lehm geschlagenen, platten Dächern besaßen oft ein Aussehen, als ob sie nicht schon vor Jahrhunderten, sondern erst vor kurzer Zeit von ihren Bewohnern verlassen worden seien. Die lange Dauer ihres Verlassenseins wurde dem Beschauer erst dann klar, wenn er stunden- und immer wieder stundenlang sich vergeblich bemühte, einen Baum, einen Strauch, ein Kraut oder auch nur einen einzigen Grashalm zu entdecken. Freilich, Bäume gab es gar wohl, in den einstigen Gärten, an den früheren Wegen, die man jetzt nur noch vermuten, nicht aber mehr sehen konnte; aber sie waren eben auch nur Leichen. [A+D II]

Und weiter: Wir sahen Hunderte von Straßen, Gassen und Gäßchen mit Tausenden und aber Tausenden von Tempeln, Kirchen, Moscheen, Palästen, Häusern und Hütten. Und das Alles machte einen ganz unbeschreiblichen Eindruck des Verlassenseins, der Leblosigkeit, des Todes. Es gab keine Spur von Pflanzengrün, von Tier- und Menschenleben. Und doch war der Ausdruck 'Leblosigkeit' und 'Tod' nicht ganz richtig. Das Wort 'Schlaf' wäre vielleicht richtiger gewesen, aber auch wieder nicht. Es gibt überhaupt keine vollpassende, sprachliche Bezeichnung für das Gefühl, welches mich wie mit mächtigen, unwiderstehlichen Fäusten packte, als mein erstaunter Blick auf dieses ungewöhnliche, starre, öde, leere Häusermeer fiel. Diese Gebäude standen genau noch so da, wie sie vor Jahrhunderten gestanden hatten. Fast nichts war zerstört. Nur die weit draußen liegenden Hütten der Armut hatten sich in Trümmer, in formlose Haufen verwandelt, die aber nicht etwa Staub und Erde bildeten, sondern hart wie Eisen waren. [A+D II]

Der Eintritt in die Messingstadt erweist sich als nicht gerade einfach, die Tore sind von innen verschlossen, beim Versuch, die Mauer zu überqueren verlieren drei Männer nacheinander das Leben. Hierauf rief der Alte noch einmal: »Im Namen Gottes, des Barmherzigen!« und ging bis zu zwei kupfernen, nach den Regeln der Kunst angelegten Türmen mit zwei goldenen Toren, an denen aber weder Schloß noch Riegel zu sehen war. Mitten am Tore war ein kupferner Reiter ausgehauen, welcher seine Hand ausstreckte, in deren Mitte war geschrieben: »O Wanderer, der du hierher kommst, willst du dieses Tor öffnen, so reibe zwölfmal den Nagel an meiner Brust, und sogleich wird sich dir das Tor mit der Erlaubnis des erhabenen Gottes öffnen.« Als der Alte dies tat, drehte sich der Reiter wie der Blitz herum, und das Tor öffnete sich; er stieg dann hinunter und kam in einen unterirdischen Gang, der zum Stadttore führte; aber auch dieses war mit Ketten und Schlössern verriegelt, viele Leichen lagen umher und allerlei Fahnen und Kriegsgeräte. Da dachte der Alte: Gewiß hat einer dieser Männer die Schlüssel zum Tore: er näherte sich ihnen daher und suchte, bis er den steinalten Torwächter fand, dem die Schlüssel zu Häupten lagen. Der Alte nahm die Schlüssel, räumte das Kriegsgerät weg und öffnete das Tor ganz allein, trotz seiner Höhe und Größe. Beim Öffnen des Tores vernahmen die Leute, die außen standen, ein Geräusch wie ein Donnern; freudig priesen die Leute Allah, sprangen dem Alten entgegen und wollten mit ihm in die Stadt gehen. [Weil]

Auch bei May läßt sich eine Tür nur schwer öffnen, hier muß Kara Ben Nemsi dazu chinesische Schriftzeichen entziffern. Die Szene, die Lorenz dazu vergleichsweise zitiert, ist freilich auch wenig geeignet, besondere Gemeinsamkeiten zwischen beiden Texten erkennen zu lassen: Der Raum, in dem wir uns nun befanden, war ziemlich groß. Als wir uns da umschauten, sahen wir, daß ich Recht gehabt hatte, als ich vorhin annahm, wenn es hier eine Stube oder so etwas Aehnliches gebe, werde sie wohl mit einer Portierloge oder Hausmannsstube zu vergleichen sein. Es gab da wirklich Alles, was wir brauchten, nämlich alle möglichen Werkzeuge und, Gott sei Dank, auch die Schlüssel, die wir suchten. Es waren fünfzehn Stück. Sie hingen an der Wand, mit chinesischen Ziffern numeriert. [A+D II]

Dabei dürfte es wohl etwas weit hergeholt sein, die chinesischen Eisentore des Kuppelbaus als Inspiration für die chinesischen Schriftzeichen zu werten, ebensowenig dürften die beiden kupfernen Türme Vorbild für die beiden Säulen gewesen sein, deren Beschreibung Lorenz vergleichsweise anführt: (...) das Ergebnis war, daß es nur zwei Säulen gab, die nicht numeriert waren, und die lagen einander gerade gegenüber, die eine genau in der Mitte der Süd- und die andere genau in der Mitte der Nordseite der Gebäuderundung. Mit diesen beiden Säulen mußte es also eine besondere Bewandtnis haben. [A+D II]

Immerhin aber gibt es in der Konstruktion der Tore in der Messingstadt wie der Stadt der Toten eine Gemeinsamkeit. Beides sind Doppeltore, in deren Zwischenbereich sich jeweils ein Raum befindet: Er trat selbst an das Tor, ergriff den daranhängenden Klöppel und klopfte. Es wurde sofort geöffnet. Man schien auf dieses Klopfen gewartet zu haben. Jedenfalls hatte man uns kommen sehen. Das Tor war, wie ich nun sah, nicht ein einfaches, sondern ein doppeltes. Es gab zwei äußere und zwei innere Türflügel. Die einen schlugen auf den freien Platz heraus, die anderen nach dem Hof hinein. Zwischen beiden lag der Raum, in dem die Gefangenen in Empfang genommen und die hierbei gebräuchlichen Formalitäten erledigt wurde. [A+D II]

In der Messingstadt ist der Weg zwischen dem äußeren und dem inneren Torflügeln freilich etwas weiter, wie es diese zweite ausführlichere Version besonders gut verdeutlicht: Dann schritt er auf der Mauer hin, bis er zu den vorerwähnten zwei Messingtürmen kam, an denen er zwei goldene Tore entdeckte, die weder Schlösser noch sichtbare Eingänge hatten. Und er blieb dort stehen, solange es Allah gefiel, bis er inmitten des einen der Tore einen Reiter aus Messing erspähte, der die Hand ausgestreckt hielt, als zeige er, und in der Fläche seiner Hand war etwas aufgezeichnet. Er ging darauf zu und las diese Worte: 'O du, der du hierher gelangst, wenn du eindringen möchtest, so drehe den Wirbel auf meinem Nabel zwölfmal, und das Tor wird sich auftun.' Er untersuchte also den Reiter, und da er auf seinem Nabel einen goldenen Wirbel fand, der fest eingesetzt und gut befestigt war, so drehte er ihn zwölfmal, worauf sich der Reiter dem blendenden Blitz gleich wandte; und mit einem donnergleichen Getöse flog das Tor weit auf. Er trat ein und sah sich in einem langen Gang, darin ein paar Stufen zu einem Wachtraum niederführten, der mit schönen hölzernen Bänken versehen war; auf diesen Bänken aber saßen Tote, und über ihren Häuptern hingen schöne Schilde und scharfe Klingen und gebogene Bögen und fertig geschnittene Pfeile. Von dort aus kam er zum Haupttor der Stadt; und da er fand, daß es verriegelt war mit eisernen Riegeln und wunderlich geformten Schlössern und Ketten und Stangen und sonstigen Sicherungen aus Holz und Metall, so sprach er bei sich selber: 'Vielleicht sind die Schlüssel bei jenen Toten.' Und er kehrte zurück in den Wachtraum, und da er unter den Toten einen Alten sah, der auf einer hohen hölzernen Bank saß und ihm den Eindruck ihres Obersten machte, so sprach er in seiner Seele: 'Wer weiß, vielleicht sind sie bei diesem Schaykh? Zweifelsohne war er der Wachthauptmann der Stadt, und diese anderen standen unter seiner Hand.' Er trat also auf ihn zu, hob sein Gewand auf, und siehe, die Schlüssel hingen an seinem Gürtel; des freute er sich in höchster Freude, und ihm war, als müsse er fliegen vor Fröhlichkeit. Dann griff er nach ihnen, ging zu dem Tor, öffnete die Schlösser und zog die Riegel und Stangen zurück; und mit einem Krachen, dem schmetternden Donner gleich, flogen die beiden Flügel auf, so groß und gewaltig waren sie. [Greve]

Hinter den Toren jedoch sieht es ganz unterschiedlich aus. Während die Oberwelt von Mays Stadt der Toten von dem kleinen Gefängnis und Militärposten abgesehen, gänzlich verlassen ist, wimmelt es in der Messingstadt von Leichen in verschiedenen Verwesungszuständen, die insgesamt dennoch eher ein zeitloses, quasi eingefrorenes Bild des Todes bilden: Als der Alte hierauf an der Spitze der Hälfte seiner Leute die Straßen und die Märkte der Stadt durchzog, bewunderten sie die schönen Häuser, Schlösser und Bäche, die in der Stadt waren, und erstaunten über die vielen Leichen, die in den Straßen umherlagen. Auf dem Markte der Geldwechsler fanden sie alle Gerätschaften geordnet, aufgehängte Waagen, Gold und Juwelen, die niemand bewachte und niemand wegnahm, nur Leichen lagen dabei, die zum Teil schon in Verwesung übergegangen waren und nur noch die Knochen übrig hatten, als Warnung für Verständige. Sie kamen dann auf den Markt der Spezereihändler und sahen die Läden voll von dem feinsten Moschus, Ambra, Aloe und Kampfer, in Gefäßen von Elfenbein, Ebenholz, spanischem Messing und anderen Metallen, die so kostbar wie Gold waren und deren Eigentümer tot umherlagen. Hierauf gelangten sie an das königliche Schloß, das ganz unbewacht war; hier hingen Schwerter mit Gold verziert und daneben lagen tote Männer und Jünglinge, Schloßhüter und Adjutanten, deren Haut schon wie gedörrtes Fleisch aussah, und die man für Schlafende hielt. [Weil - das entsprechende ausführlichere Greve-Zitat wird im Vergleich mit der Beschreibung der 'Toten in der Stadt der Toten' weiter unten zitiert]

Schließlich betreten die Reisenden dann den großen Palast: Dann ging er weiter in das Innere des Palastes und kam in eine ungeheure Halle, wo in jedem der vier Winkel ein hoher und geräumiger Pavillon stand, belegt mit Gold und Silber und bemalt mit vielerlei Farben. Im Herzen der Halle aber stand ein großer Speibrunnen aus Alabaster, über dem ein brokatener Baldachin hing, und in jedem Pavillon befand sich ein Zimmer, und jedes Zimmer enthielt seinen reich geschmückten Brunnen und sein Becken aus Marmor, und am Boden hin liefen in Rinnen Wasserkanäle, die sich in einer weiten und großen Zisterne aus vielfarbigem Marmor trafen. [Greve - die Szene fehlt bei Weil]
Thomas Schwettmann

Ardistan & Haggardistan

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6. Die Stadt der Toten

Diese Stadt lag vor uns wie der ohnmächtig zur Erde gesunkene Körper eines schönen Weibes, aus deren Angesicht jeder Tropfen Blut gewichen ist. Bleich, starr, bewegungslos! Aber sobald das Blut aus dem Herzen zurückkehrt, wird die Ohnmächtige aufspringen; ihre Augen werden leuchten, ihre Wangen glühen, und durch die überstandene Ohnmacht wird sie uns nur noch lieber und teurer werden, als sie uns vorher gewesen ist.
[Ardistan und Dschinnistan II]

Ich nahm sie in die Arme, strich ihr das lange, reiche, aufgelöste Haar aus der Stirn, rieb ihr die zarten Schläfe, legte, um der regungslosen Brust Athem zu geben, meinen Mund auf ihre Lippen, rief sie bei den zärtlichsten Namen, die ich jemals gehört, und - da ging ein Zittern über ihren Körper, erst leise, dann immer bemerkbarer; ich fühlte das Klopfen ihres Herzens, trank den Hauch ihres Athems, sah die langen, seidenen Wimpern sich öffnen - sie lebte, sie erwachte, sie war dem Tode entgangen!
[Old Firehand]

In der 'Geschichte der Messingstadt' gibt es wie bei May zwei unterschiedliche Szenarien. Während bei May die 'Stadt der Toten' einen gänzlich verlassenen Eindruck macht und die Leichen lediglich in der unterirdischen 'Dschemma der Toten' zu finden sind, so gibt es in der Erzählung aus 1001 Nacht nicht nur die Messingstadt, in der im Gegensatz zu May auch die Straßen und Plätze mit Leichnamen übersät sind, sondern auch eine Art Vorposten der Stadt, zu dem die Reisenden noch vor dem Reiterstandbild und dem schwarzen Dämon gelangen. Dieser Vorposten ist ein riesiger Kuppelbau, der im Gegensatz zur Messingstadt völlig menschenleer ist bzw. in dem die Toten nicht frei herumliegen sondern in 400 Gräbern bestattet sind.

Bald sahen sie in der Ferne etwas Hohes und Schwarzes, sie gingen etwas näher und fanden ein Gebäude, so hoch und so fest wie ein Berg, ganz von schwarzen Steinen gebaut, mit furchtbar großen Altanen und einem chinesischen eisernen Tore, das einen blendenden Glanz von sich warf. Niemand wußte, wofür er dieses Riesengebäude halten sollte, das tausend Schritte im Umfang hatte und dessen hundert Ellen hohe bleierne Kuppel in der Ferne sich wie eine Rauchsäule ausnahm. (...) Er ging dann ins Schloß und bewunderte ungestört dessen schöne Bauart mit ungeheuren Räumen, in denen kein Mensch zu sehen war. Als er in den Hof kam, wo eine Kuppel sich erhob, fand er vierhundert Gräber. [Weil]

(...) und plötzlich erblickten sie am Weltrand, hoch und schwarz, einen großen Bau, aus dessen Mitte sich etwas wie Rauch bis zu den Grenzen des Himmels erhob. Sie ritten darauf zu, und sie ließen zu reiten nicht ab, bis sie sich ihm näherten, und siehe, es war eine hohe Burg auf festem Unterbau, groß und schauerlich wie ein ragender Berg, ganz aus schwarzen Steinen erbaut, mit drohenden Zinnen und einem Tor aus blankem, chinesischem Stahl, der die Augen blendete und den Verstand betäubte. Rings darum aber waren tausend Stufen, und was aus der Ferne wie Rauch erschienen war, das war eine bleierne Kuppel in der Mitte, hundert Ellen hoch. (...) Dann trat er ein in die Burg, und ihre Schönheit und die Herrlichkeit des Baus verwirrten ihn. (...) Dann gingen sie weiter, um den Palast zu erkunden, und sie fanden ihn verlassen und jedes lebenden Wesens bar; und seine Höfe waren öde und seine Wohnräume lagen wüst. In der Mitte aber erhob sich ein ragender Pavillon mit einer Kuppel, die sich hoch in die Luft emportürmte, und rings darum lagen vierhundert Gräber, die alle aus gelbem Marmor erbaut waren. [Greve]

Im Gegensatz zu dem Kuppelbau in Ard wird der Tempel in der Stadt der Toten zwar nicht wortwörtlich als Kuppel, aber doch als Kreiskegel bezeichnet: Den Beschluß des heutigen Tages bildete gegen Abend die Besichtigung des Tempels, der einen sehr großen Eindruck auf uns machte, und zwar infolge seiner absoluten, nachhilfelosen Einfachheit. Er bildete das Innere des höchsten und kompaktesten Berges der ganzen Runde und war in Form eines Kreiskegels, also eines Zuckerhutes, ganz aus dem Fels gehauen. Auf seiner Grundfläche, also auf dem eigentlichen Fußboden, befand sich kein einziger Sitz; er war überhaupt nicht zur Aufnahme des Publikums, oder sagen wir, der Gemeinde, der Gläubigen bestimmt. Hierzu war vielmehr eine Einrichtung vorhanden, die sich in Form einer ununterbrochenen, immerwährend rundum laufenden Spirallinie von unten bis hinauf zur höchsten Spitze zog. Diese Spirallinie war aus lauter Spitzen zusammengesetzt, die eine nicht wagerecht liegende, sondern nach und nach ansteigende Empore bildeten und zum Schutz mit einer starken Balustrade versehen waren. Vor jedem Sitze war in dieser Balustrade ein rundes Loch angebracht, welches die Bestimmung hatte, ein Licht aufzunehmen. Diese Löcher zählten nach vielen Hunderten, und in jedem steckte ein ganzes Licht, welches noch niemals angebrannt worden war. Das gab den Anschein, als ob in ungemessener, alter Zeit einmal ein Gottesdienst vorbereitet worden sei, der aber nicht abgehalten werden konnte, worauf der Tempel für immer verlassen werden mußte. Ganz unten auf der Grundfläche, da, wo die Spirale begann, stand eine kleine, sehr einfache Kanzel, jedenfalls für den Priester bestimmt. Als ich sie sah, kam mir die Frage, welche akustische Wirkung es wohl gehabt habe, wenn er seine Stimme zu der leuchtenden Spirale über sich erhob. Hierbei nehme ich die Gelegenheit, einige Worte über die Beleuchtung aller dieser am Maha-Lama-See vorhandenen Räumlichkeiten zu sagen.

Ich habe die Fensteröffnungen, die sich über jeder Türe befanden, schon einmal erwähnt. Sie verliefen nicht wagerecht, sondern sie senkten sich von außen nach innen. Hierdurch wurde dem Tageslichte der Eintritt in das Innere erleichtert, aber auch dem Staube und etwaigen Insekten und anderen Tieren, welche den hier aufgehäuften Vorräten gefährlich werden konnten. Darum waren diese Fensteröffnungen von innen luftdicht verschlossen, doch so, daß das Licht trotz dieses Verschlusses vollen Eingang fand. Aber womit? Man hätte meinen sollen, es sei Glas, und zwar sehr reines, gutes Glas; aber das war ja ausgeschlossen. Den vollständig durchsichtigen, außerordentlich glasähnlichen Stoff näher zu untersuchen, war bisher unmöglich gewesen, weil die Fenster zu hoch lagen, als daß sie von uns erreicht werden konnten. Nun aber, hier im Tempel, ging ich die Spiralempore hinauf, bis ich das erste Fenster erreichte, und da sah ich denn, daß es eine Art von Kaliglimmer, vielleicht Muskovit war, der, wahrscheinlich auf eine mir unbekannte Weise noch extra zubereitet, vollständig die Stelle des lichtdurchlässigsten Glases vertrat. Das reichte aber selbst am Tage nicht aus, den gewaltigen und außerordentlich hohen Raum des Tempels zu erhellen. Daher die vielen Lichter.

Es war wohl selbstverständlich, daß in uns der Wunsch entstand, auf der rundum gewundenen Empore bis zur Spitze hinaufzusteigen. Wir taten es. Das heißt, zunächst taten es nur die andern, denn ich blieb noch unten, um einige akustische Proben zu machen. Nachdem ich sie instruiert hatte, wann und wie sie mir zu antworten hatten, begannen sie ihren langsamen Kreiselweg. Ich nenne ihn langsam, weil sie im Hinaufsteigen sämtliche Lichter anbrannten, eines immer am andern. Das hielt sie auf. Ich sprach mit ihnen. Sie antworteten. Aber je höher sie kamen, desto leiser wurden ihre Antworten. Endlich hörte ich sie gar nicht mehr. Nun rief ich ihnen mit verdoppelter Stärke meiner Stimme Fragen zu, deren Antworten ich ihnen eingeprägt hatte. Vergebens. Sie gaben diese Antworten, aber ich hörte sie nicht. Das machte einen ganz eigenartigen, unbeschreiblichen Eindruck auf mich. Ich sah, wie die Zahl der brennenden Lichter wuchs. Ihre Linie wurde immer länger und länger und stieg immer höher und höher, bis sie die Spitze des Tempels erreichte. Wie ich später erfuhr, drang meine Stimme mit größter, reinster Deutlichkeit bis dort hinauf; das aber, was sie erwiderten, mußte oben bleiben; es konnte nicht herunter zu mir. Um mich gab es nur tiefes, lautloses Schweigen. War das vielleicht eine gewollte Symbolik derer, die einst diesen Tempel aus dem toten Felsen schlugen? Ich glaubte, dies bejahen zu müssen, denn man unternimmt kein so schwieriges, zeitraubendes Werk, ohne über die Wirkung desselben nachgedacht zu haben. Ich aber beeilte mich, der mich beklemmenden Lautlosigkeit zu entgehen und stieg meinen vorangegangenen Gefährten nach.

Es war inzwischen draußen Abend geworden. Darum befand ich mich hier unten im Innern des Tempels nicht nur in vollständiger Stille, sondern auch in ebenso vollständiger Dunkelheit. Aus dieser Finsternis stieg grad von da aus, wo ich stand, die Lichterlinie empor, einen immer weiter aufwärts dringenden, sich scheinbar unendlich oft wiederholenden und doch niemals zu sich selbst zurückkehrenden Kreis beschreibend. Daß dieser Kreis immer kleiner und enger wurde, kam mir nicht als Wirklichkeit, sondern wie eine optische Täuschung vor und verdoppelte, verzehnfachte, ja, verhundertfachte die wirkliche Höhe des Tempels. Es war, als sei er mitten in den Himmel hineingebaut und als könne man von Licht zu Licht bis direkt vor Gottes Thron gelangen. Und diesen Weg stieg ich jetzt hinauf!

Je höher ich stieg, desto mehr wurden die Lichter unter mir; aber ich schaute absichtlich nicht hinab; ich schaute nur nach oben, um mir die spätere, bessere Wirkung nicht schon im voraus zu verderben. Oben angekommen, sah ich, daß es eine Öffnung nach außen gab, und als ich hinaustrat, befand ich mich mit meinen Gefährten auf einer Felsenplatte, die, wie ich selbst jetzt, des Abends, bemerken konnte, eine außerordentlich weite Fernsicht bot. Die Türe, welche aus der Spitze des Innentempels heraus auf diese Platte führte, war unverschließbar. Sie bestand einfach aus einem Steine, der auf- und zugeschoben werden konnte.


Bei Haggard gibt es analog zu den geflügelten Statuen in den drei oben zitierten Romanen drei parallele Tempelanlagen, von denen der runde sonnenblumenartige Tempel in "Alan Quatermain" allerdings die geringsten Ähnlichkeiten zu dem Tempel der toten Stadt aufweist, nicht ohne Grund, da die 'Frowning City' keine tote, sondren eine höchst lebendige Stadt ist. Deren Blumen-Tempel ist oberirdisch, von polierten weißen Mamor mit goldenen Dächern, auf denen goldene, in Trompeten blasende Figuren mit weitgespreizten Flügeln stehen. Im Inneren stehen die Altäre mit den oben beschriebenen Figuren:

(...) and you stand in the circular hall under the great dome. Advancing to the central altar you look upon as beautiful a sight as the imagination of man can conceive. You are in the middle of the holy place, and above you the great white marble dome (for the inner skin, like the outer, is opf polished marble throughout) arches away in graceful curves something like that of St Paul's inb London, onlyx at a slighter angle, and from the funnel-like opening at the apex a bright beam of light pours down upon the golden altar. At the east and the west are other altars, and other beams of light stab the sacred twilight to the heart. In every direction, 'white, mystic, wonderful', open out the ray-like courts, each pierced through by a single arrow of light that serves to illuminate its lofty silence and dimly to reveal the monuments of the dead.

In She hingegen ist der Wahrheitstempel, vor dem die oben zitierte Wahrheitsstatue steht, in den Fels gehauen, verlassen und sehr alten Ursprungs: And here again my pen fails me. To give a string of the measurements and details of the various courts of the temple would only be wearisome, supposing that I had them, and yet I know not how I am describe what we saw, magnificent as it was even in its ruin, almost beyond the power of realisation. Court upon dim court, row upon row of mighty pillars - some of them (especially at the gateways) sculptured from pedestal to capital - space upon space of empty chambers that spoke more eloquently to the imagination than any croweded streets. And over all, the dead silence of the dead, the sense of utter loneliness, and the brooding spirit of the Past! How beautiful it was, and yet how drear! We did not dare to speak aloud. Ayesha herself was awed in the presence of an antiquity compared to which even her length of days was but a little thing; we only whisperedm and our whispers seemed to run from column to column, till they were lost in the quiet air. Bright fall the moonlight on pillar and court and shattered garment, and clothing their hoar majesty with the peculiar glory of the night. It was a wonderful sight to see the full moon looking down on the ruined fane of Kôr. It was a wonderful thing to think for how many thousands of years the dead orb above and the dead city below had gazed thus upon each other, and in the utter solitude of space poured forth each to each the tale of their lost life and long departed glory. The white light fell, and minute by minute the quiet shadows crept across the grass-grown courts like the spirits of old priests haunting the habitations of their worship - the white light fell, and the long shadows grew till the beaty and grandeur of the scene and the untamed majesty of its present Death seemed top sink into our very souls, and speak more loudly than the the shouts of armies concerning the pomp and splendour that the grave had swallowed, and even memory had forgotten.

Im Vergleich dazu der Orakel-Tempel aus Ayesha, indem wiederum die oben beschriebene geflügelte Mutter-Statue steht: Imagine, you who read, the nave of the vastesat cathedral with which you are acquainted. Then double or treble its size, and you wil have some conception of that temple in which we found ourselves. Perhaps in the beginning it have been a cave, who can say? but not its sheer walls, its multitudinous colums springing to the arched roof far above us, had been worked on and fashioned by the labour of men long dead; doubtless the old fire-workshippers of thousands of years ago.

You will wonder how so great a place was lighted, but I think that never would you guess. Thus - by twisted columns of living flame! I counted eighteen of them, but there may have been others. They sprang from the floor at regular intervals along the lines of what in a cathedral could be aisles. Right to the roof they sprang, of even height and girth, so fierce was the force of the natural gas that drove them, and there were lost, I suppose, through chimnexs bored in the thickness of the rock. nor did they give of smell or smoke, or in that great cold place, any heat which could be noticed, only an intense white light like that of molten iron, and a sharp hissing noise as of a million angry snakes. The huge temple was utterly deserted, and, save for this sibilant, pervading sound, utterly silent; an awesome, an overpowering place.
Thomas Schwettmann

Ardistan & Haggardistan

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7. Die Toten in der Stadt der Toten

»Glaubst du, die Ausdünstung dieser Leichen sei ein Geruch des Paradieses?«
[Von Bagdad nach Stambul]

»Glaubst du denn wirklich, daß die Ausdünstung dieser Leichen ein Geruch des Paradieses sei?«
[Im Reiche des silbernen Löwen II]

Der Höhepunkt der Totenstadt ist zweifellos das Panoptikum der lebenden Toten, aber auch hier gibt es entsprechende Parallelen bei Haggard. Die erste, noch nicht ganz perfekte Methode der Präparierung von Toten findet sich bereits inmitten einer Stalagmitenhöhle - dem sogenannten Platz des Todes - im ersten Quatermain-Roman King Solomon's Mines:

Sir Henry looked, and started back with an exclamation; and no wonder, for there seated, quite naked, on the table, the haed which Sir Henry 's battle-axe had shorn from the body resting on his knees, was the gaunt corpse of Twala, last king of the Kukuanas. Yes there, the head perched upon his knees, it sat in all its ugliness, the vertebrae projecting a full inch above the level of the shrunken flesh of the neck, for all the world like a black double of Hamilton Tighe. Over the whole surface of the corpse there was gathered a thin, glassy film, which made its appearance yet more appaling, and for which wee, at the moment, quite unable to account, till we presently observed that from the roof of the chamber the water fell staedily, drip! drop! drip! on to the neck of the corpse, from whence it ran down over the entire surface, and finally escaped into the rock through a tiny hole in the table. Then I guessed what it was - Twala's body was being transformed into a stalactide
A look at the white forms seated on the stone bench that ran around that ghastly board confirmed the view. They were human forms indeed, or rather had been human forms; now they were stalactites. This was the way in which the Kukuana people had from time immemorial preserved heir Royal dead. They petrified them. What the exact system was, if there was any, beypond placing them for a long period of years under the drip, I never discovered, but there they sat, iced over and preserved for ever by the silicious fluid. Anything more awe-inspiring than the spectrale of this long line of departed royalties, wrapped in a shroud of ice-like spar, through which the features could be dimly made out (...) and seated round the inhospitable board, with Death himself for a host, it is impossible to imagine (...)


Im Vergleich dazu die Toten bei Karl May, am Beispiel des Vorsitzenden: Am höchsten saß der Vorsitzende, fast wie auf einem Throne. Vor ihm stand ein Tisch, welcher die Form von zwei, die Platte tragenden Amdschaspands hatte. Auf diesem Tische lag ein Buch, wahrscheinlich das im Traume erwähnte Hauptschuldbuch der sämtlichen Emire von Ardistan. Abu Schalem war in ein sehr bescheidenes, ungebleichtes Hanfgewebe gekleidet, hatte Strohsandalen an den Füßen und trug auf dem Kopfe nicht die wohlbekannte, häßliche Lamamütze, sondern ein ebenso einfaches, weißes Tuch, unter dem das silberglänzende Stirnhaar nicht etwa mongolisch schlicht, sondern in krausen Wellen hervorgebrochen und dann im Tode weitergewachsen war. Es hatte sich in der Mitte geteilt und hing in zwei geflochtenen Strähnen bis auf den Gürtel nieder. Auch der Bart war stark und besaß denselben silbernen Glanz. Er wallte über Brust und Leib herab, bis er unter dem Tisch verschwand. Auch die Gesichtszüge waren nicht mongolisch, sondern so, wie man sich die alten Perser denkt. Ich habe einmal ein Gemälde gesehen, welches Kyros, den Großen, darstellte, in der Vollkraft des ersten Mannesalters und auf der Höhe seines Ruhmes. Als ich nun jetzt vor dem berühmtesten, gerechtesten und gütigsten der Maha-Lamas stand und seinen herrlichen Kopf auf mich wirken ließ, hätte ich in die Worte ausbrechen mögen: "Das sind die Züge des großen Perserkönigs! So, genau so würde er ausgesehen haben, wenn er das Alter erreicht hätte, in dem dieser Maha-Lama gestorben ist!"

Ich stieg zu ihm hinauf und betastete seine Hände, seine Wangen. Sie waren kühl und weich. Ich erstreckte diese Untersuchung auch auf die Arme, auf die Beine, auf den Leib. Fast kam mir das wie eine Entweihung, wie eine Beleidigung vor. Es war mir, als ob ich das eigentlich gar nicht wagen dürfe, und es wallte in mir wie eine Bitte um Verzeihung auf, daß ich, das kleine Menschlein, mich für berechtigt hielt, den Gedanken nachzuspüren, die einst von diesem Körper ausgegangen waren. Die Augen bestanden aus drei verschiedenen Steinen, welche die bläulich weiße Hornhaut, die blauschwarze Iris und die kohlschwarze und doch durchsichtige Pupille bildete. Die Zusammensetzung und der Schliff dieser Steine waren so vorzüglich gelungen, daß man glauben konnte, wirkliche Augen zu sehen, wenn man nicht gewußt hätte, daß man vor dem präparierten Körper eines längst Verstorbenen stand. Der Blick dieser Augen war hinunter auf die Angeklagten gerichtet, also nicht auf mich, dennoch aber hatte ich den Eindruck, als ob hinter ihnen ein volles, seelisches Leben tätig sei. Das verstärkte die rücksichtsvolle Scheu, mit der ich den Körper des Vorsitzenden der Dschemmah untersuchte

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In der 'Geschichte von der Messingstadt' gibt es in dem bereits erwähnten einsamen Kuppelbau in der Wüste übrigens auch einen Tisch, der an die Vergänglichkeit mahnt und an die Blindheit manchen Herrscher erinnert: (...) da kamen sie zu einem Tisch aus gelbem Onyx auf vier Füßen aus Wacholderholz, und darauf standen diese Worte eingegraben: 'An diesem Tische haben tausend Könige gespeist, die blind waren auf dem rechten Auge, und tausend, die blind waren auf dem linken Auge, und nochmals tausend, die sehend waren auf beiden Augen, und alle sind dahingegangen aus der Welt und haben ihren Wohnsitz in den Gräbern und Katakomben aufgeschlagen. [Greve]

Während diese Könige jedoch in 400 Gräbern bestattet wurden, sind die Toten der Messingstadt für die Reisenden zu sehen: Und er zog ein mit der Hälfte seiner Leute, die alle Kriegswaffen trugen; und als sie ihre Gefährten fanden, die da umgekommen waren, begruben sie sie; und sie sahen auch die Türhüter und Eunuchen und Kämmerlinge und Hauptleute, die auf seidenen Lagern lagen, und alle waren Leichen. Dann gingen sie weiter, bis sie zu dem Hauptmarkt kamen, der voll war von hohen Gebäuden; und ihrer keines überragte die anderen; und all die Läden waren geöffnet, und in ihnen hingen die Wagen und standen die Messinggefäße gereiht, und die Khans waren angefüllt mit allerlei Waren. Die Kaufleute aber sahen sie sitzen auf ihren Tischen, mit verschrumpfter Haut und verwesten Gebeinen, eine Warnung für alle, die sich warnen ließen; und hier erblickten sie vier getrennte Märkte, alle angefüllt mit Reichtum. Dann verließen sie den großen Basar und gingen weiter, bis sie den Seidenmarkt erreichten, wo sie Seidenballen und Brokate fanden, durchwirkt mit rotem Golde und bestickt mit weißem Silber auf vielfarbigem Grunde; und all die Besitzer lagen tot auf den Matten aus duftendem Ziegenleder und sahen aus, als wollten sie reden. Dann kamen sie durch die Marktstraße der Perlen und Rubinen und der anderen Juwelen, und weiter durch die der Geldwechsler und Mäkler, die sie tot auf den Teppichen aus roher Seide und bunten Stoffen sitzen sahen, in Läden voller Gold und Silber. Von dort aus gingen sie weiter in den Basar der Räucherwarenhändler, und sie sahen Läden voll vielerlei Spezereien: Moschusblasen, Amber, Nadd, Kampfer und anderen in Gefäßen aus Elfenbein und Ebenholz, aus Kalandsch und andalusischem Kupfer, das da im Werte dem Golde gleichkommt; und vielerlei Rotan und indisches Rohr; die Händler aber lagen alle tot da, noch war irgendwelche Zehrung bei ihnen zu sehen. Und dicht hinter diesem Basar gelangten sie zu einem Palast von ragendem Bau, versehen mit prunkvollem Zierat. In den drangen sie ein, und sie fanden darin entrollte Banner und gezückte Schwertesklingen und gespannte Bögen und Schilde, die an goldenen und silbernen Ketten hingen, und Helme, mit rotem Gold überzogen. In den Hallen aber standen Bänke aus Elfenbein, belegt mit glitzerndem Golde und bedeckt mit seidenen Stoffen; auf denen lagen Menschen, deren Haut an den Knochen festgetrocknet war; ein Narr hätte sie für schlafend gehalten, aber sie waren umgekommen aus Mangel an Zehrung und hatten den Becher des Todes getrunken. [Greve]

Mays Tote sind hingegen unversehrt, als ob nur eine Uhr stehengeblieben sei, die man jederzeit wieder in Gang setzen könnte: Ich bin in manchem Panoptikum gewesen und habe da viele hundert Nachbildungen von verstorbenen Menschen gesehen. Stets fühlte ich mich da abgestoßen, hier aber nicht, obgleich es sich in dieser Dschemmah nicht um künstlich hergestellte Figuren, sondern um wirkliche Leichen handelte. Der Ekel, der mich bei jenen Schaustellungen stets und unausbleiblich überkam, blieb hier vollständig aus. Was war der Grund hiervon? War die Ursache eine körperlich sinnliche oder eine psychologische? Wie jede Lüge abstoßender wirkt als selbst eine häßliche Wahrheit, so erscheint ganz besonders auch ein vorgelogenes oder vorgetäuschtes Leben widerlicher als die zwar grausame, aber natürliche Wahrheit des Todes. Und der Tod, den wir hier vor uns sahen, schien gar kein Tod zu sein, sondern vielmehr eine plötzliche, augenblickliche Stockung des Lebens, die wohl schnell vorübergehen werde.

Auch hier gibt es eine vergleichbare Szenerie aus der 'Messingstadt', wobei hier ebenso die Augen ersetzt wurden, zunächst wieder die Übersetzung von Weil: Im vordersten Saale war ein Thron von Elfenbein und Rubinen, mit dem reinsten Golde belegt, daneben erhob sich eine goldene Säule, auf deren Spitze ein Vogel stand mit einer Perle im Schnabel, welche wie ein Stern leuchtete. Auf dem Throne saß ein Mädchen, so schön wie die leuchtende Sonne, sie war in ein Kleid gehüllt, das ganz aus Edelsteinen war, und hatte eine Perlenschur am Hals, mit Moschus und Ambra ausgestopft, die das Reich eines Kaisers wert war. Dieses Mädchen sah Musa mit Gazellenaugen an, und sowohl ihr Blick, als der Glanz ihres Angesichts und die Schwärze der Haare machten den tiefsten Eindruck auf ihn. Als er sie aber grüßte und sie seinen Gruß nicht erwiderte, sagte der Alte: »Dieses Mädchen ist tot; ihre Augen sind herausgenommen und Quecksilber an ihre Stelle gegossen worden, so daß, so oft sie eine Luft anweht, man glaubt, sie bewegen sich.

Die Übersetzung von Greve ist da freilich etwas ausführlicher, doch sei stattdessen auch einmal Burtons Original zitiert, da diese Stelle zu einem Vergleich mit einer Szene bei Haggard herausfordert:(...) and on the couch lay a damsel, as she were the lucident sun, eyes never saw a fairer. She wore a tight-fitting body-robe of fine pearls, with a crown of red gold on her head, filleted with gems, and on her forehead were two great jewels, whose light was as the light of the sun. On her breast she wore a jewelled amulet, filled with musk and ambergris and worth the empire of the Caesars; and around her neck hung a collar of rubies and great pearls, hollowed and filled with odoriferous musk And it seemed as if she gazed on them to the right and to the left. (...) the damsel seemed to be gazing at the folk to the right and to the left. The Emir Musa marvelled at her exceeding beauty and was confounded at the blackness of her hair and the redness of her cheeks, which made the beholder deem her alive and not dead, and said to her, ”Peace be with thee, O damsel!” But Talib ibn Sahl said to him, ”Allah preserve thee, O Emir, verily this damsel is dead and there is no life in her; so how shall she return thy salam?” adding, ‘ Indeed, she is but a corpse embalmed with exceeding art; her eyes were taken out after her death and quicksilver set under them, after which they were restored to their sockets. Wherefore they glisten and when the air moveth the lashes, she seemeth to wink and it appeareth to the beholder as though she looked at him, for all she is dead.”

In She beschreibt Haggard in den Grabstätten von Kôr eine makabere Ansammlung ähnlich perfekt erhaltener Leichen: (...) and then for the first time for thousands upon thousands of years did living eyes look upon the face of that chilly dead. It was a woman; she might have been thirty-five years of age, or perhaps a little less, and had certainly been beautiful. Even now her calm clear-cut features, marked out with delicate eyebrows and long eyelashes which threw little lines of the shadow of the lamplight upon the ivory face, were wonderfully beautiful. There, robed in white, down which her blue-black hair was streaming, she slept her last long sleep, and on her arm, its face pressed against her breast, there lay a little babe. So sweet was the sight, although so awful, that - I confess it without shame - I could scarcely withhold my tears. It took me back across the dim gulf of the ages to some happy home in dead Imperial Kôr, where this winsome lady girt about with beauty had lived and died, and dying taken her lastborn with her tothe tomb. There they were before us, mother and babe, the white memories of a forgotten human history speaking more eloquently to the heart than could any written record of their lives. Reverently I replaced the grave-cloths, and, with a sigh that flowers so fair ahould, in the purpose of the Everlasting, have only bloomed to be gathered to the grave, I turnd to the body on the opposite shelf, and gently unveiled it. It was that of a man in advanced life, with a long grizzled beard, and also robed in white, probably the husband of the lady who, after surviving her her many years, came at last to sleep oncemore for good and all beside her.

We left the place and entered others. It would be too long to describe the many things I saw in them. Each one had its occupants, for the five hundret and odd years that had elapsed between the completion of the cave and the destruction of the race had evidently sufficed to fill these catacombs, numberless as they were, and all appeared to have been undisturbed since the day when they were placed there. I could fill a book with the description of them, but to do so would only to repeat what I have said, with variations. Nearly all the bodies, so masterly was the art with which they had been treated, were as perfect as on the day of death thousands of years before. Nothing came to injure them in the deep silence of the living rock: they were beyond the reach of heat and cold and damp; and the aromatic drugs with which they had been saturated were evidently practically everlasting in their effect.


In Haggards Romanen finden sich zwar keine 'lebendigen' Leichen, aber in Ayesha - The Return of She hat der englische Fantasy-Autor auch eine der 'Dschemma der Toten' vergleichbare Gerichtsverhandlung, den sogenannten 'Court of Death', geschildert. Hier wird über die Schuld eines Toten gerichtet; der Leichnam des Toten, des Khanes von Kaloon, ist dabei während der Gerichtsverhandlung aufgebahrt, es treten zwei schwarz maskierte Gestalten auf, der Ankläger und der Verteiliger, die aus Büchern vorlesen, in denen die Sünden und die guten Taten des angeklagten Toten verzeichnet sind:

"Let the books be opened." Thereon the marked Accuser to the right broke the seal of the book And began to read its pages. It was a tale of the sins of this dead man entered as fully as though that officer were his own conscience given life and voice. In cold and horrible detail it told of the evil doings of his childhood, of his youth, and of his riper years, and thus massed together the record was black indeed. I listened amazed, wondring what spy had been set upon the deeds of yonder man throughtout his days; thinking also with a shudder of how heavy would be the tale against any of us, if such a spy should companion him from the cradle to the grave; remembering too that full surely this count is kept by scribes even more watchful than the ministers of Hes. At length the long story drew to its close. Lastly it told of the murder of that noble upon the banks of the river; it told of the plot against our lives for no just cause; It told of our cruel hunting with the death-hounds, and of its end. Then the Accuser shut his book and cas it on the round, saying - "Such is the record, O Mother. Sum it up as thou hast been given wisdom."

Without speaking, the Hesea pointed with her sistrum to the Defender, who thereon broke the seal of his book and began to read. Its tale spoke of all the good that the dead man had done; of every noble word that he had said, of every kind action; of plans which he had made for the welfare of his vassels; of temptations to ill that he had resisted; of the true love that he has borne to the woman who became his wife; of the prayers which he had made and of the offerings which he had sent to the temple of Hes. Making no mention of her name, it told of how this wife of his had hated him, of how she and the magician, who had forstered and educated her, and was her relative ang guide, had set other woman to lead him astray that she migt be free of him. Of how too they had driven him mad with a poisonous drink which tok away his judgement, unchained all the evil in his heart, and caused him by its baneful influence to shrink unnaturally from her whose love he still desired. Also it set out that the heaviest of his crimes were inspired by this wife of his, who sought to befoul his name in the ears of the people whom she led him oppress, and how bitter jealousy drove him to cruel acts, the last and worst of which caused him foully to violate the law of hospitality, and in attempting to bring about the death of blame less guests, at their hands to find his own. Thus the defender read, and having read, closed the book and threw it on the ground, saying - "Such is the record, O Mother, sum it up as thou hast been given wisdom."


Man vergleiche damit die Gerichtsverhandlung in der Totenstadt, hier gibt es nur das Schuldbuch, welches der angeklagte Mir bereits in der Nacht vor der Verhandlung gelesen hat:
Die Dschemmah der Lebenden ist eröffnet! Sie übt Gerechtigkeit; die Gnade sendet uns Gott!"
Hier machte er eine Pause und fuhr dann fort:
"Angeklagt ist Schedid el Ghalabi, der jetzige 'Mir von Ardistan. Mitangeklagt sind seine beiden Vorväter, mit ihm die drei letzten Herrscher des Reiches Ardistan. Verteidiger ist Abd el Fadl, Fürst von Halihm. Verteidigerin ist Merhameh, Prinzessin von Halihm. So oft ein 'Mir von Ardistan in diesem Raume Angeklagter war, hat stets ein Abd el Fadl von Halihm und eine Merhameh von Halihm sich seiner angenommen. So auch heut!"
Und wieder machte er eine Pause, sah uns der Reihe nach, so wie wir saßen, prüfend an und sprach dann weiter:
"Und so oft über einen 'Mir von Ardistan hier ein Gericht versammelt war, hatte sich einer der Richter zu melden, um sich bereit zu erklären, die Anklage zu übernehmen. So frage ich auch heut: Wer von euch will Ankläger sein?"
Es erfolgte keine Antwort. Wir schwiegen alle.
"Ich frage zum zweiten Male," erklang es aus dem Munde Abu Schalems.
Da stand der Dschirbani auf und sagte:
"Es wird sich keiner von uns bereit erklären, die Anklage zu erheben. Auch wir sind Sünder, Nur wer ohne Sünde ist, der klage an!"
Hierauf setzte er sich wieder nieder. Da ging es über das Gesicht des Vorsitzenden wie ein lieber, klarer, warmer Sonnenschein, doch war der Ton seiner Stimme sehr ernst, indem er sagte:
"Wenn sich kein Ankläger findet, löst sich die Dschemmah auf, und unser Schicksal bleibt auch ferner unentschieden. Nur dreimal darf ich fragen. So frage ich also zum dritten und letzten Male: Wer von euch will Ankläger sein?"
Da stand einer auf, aber keiner von uns, sondern es war der 'Mir, er selbst. Er sprach:
"Ich kann nicht dulden, daß mein und Euer Schicksal unentschieden bleibe. Es ist ein Ankläger da, der strengste, den es gibt!"
"Wer?" fragte Abu Schalem.
"Ich, Schedid el Ghalabi, 'Mir von Ardistan! Ich hoffe, nicht zurückgewiesen zu werden, obgleich ich keiner der geladenen Richter bin. Niemand kennt meine Sünden so gut und so genau wie ich selbst!"
Ein zweiter, fast noch wärmerer Sonnenstrahl ging über das Gesicht des Vorsitzenden. Er antwortete:
"Die Selbstanklage ist Menschheitsideal. Noch keiner von allen, die hier an Deiner Stelle saßen, hat das begreifen können. Du bist der Erste. Ich weise Dich nicht zurück, sondern ich danke Dir. Wessen klagst Du Dich und Deine Vorfahren an?"
"Aller Sünden, die dort in Deinem Buche stehen! Aller! Keine ausgenommen!"
"Und forderst Strafe?"
"Ja."
"Welche?"
"Genau die, welche von dieser unserer Dschemmah hier ausgesprochen wird."
Er setzte sich. Da sprach Abu Schalem:
"Die Anklage ist erhoben. So hört, was hier im Buche steht, vom Anfang bis zum Ende! Ich lese vor."
Er schlug das Schuldbuch auf. Da erhob der 'Mir sich schnell wieder von seinem Sitze und protestierte:
"Das ist nicht nötig! Ich spreche jetzt nicht mehr als Ankläger, sondern als Angeklagter. Ich gestehe alles ein, jede Seite, jede Zeile, jedes Wort!"
Thomas Schwettmann

Ardistan & Haggardistan

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8. Der große Traum

Ich träumte, und zwar mit einer Lebhaftigkeit und Deutlichkeit, als ob ich nicht schlafe, sondern wache. Und ich träumte sonderbarer Weise, daß ich nicht ich, sondern der Ustad sei. Ich war völlig identisch mit ihm und kannte jede verfossene Minute seines Lebens und jedes Wort, welches er geschrieben hatte. Und das verwischte sich nicht; das blieb auch nach dem Traume.
[Silberlöwe IV: Unter den Ruinen]

All that we see or seem / Is but a dream within a dream
[Edgar Allan Poe, A Dream within a Dream]

In Im Reiche des Silbernen Löwen IV hat Karl May ein herausragenden literarischen Traum geschaffen, den er dazu ist auch noch präzise mit Anfang und Ende definiert hat. Angesichts der unheimlichen Szenen in der ‚Dschemma der Toten‘ stellt sich nun die Frage, ob diese innerhalb der phantastischen Welt Ardistans Realitätscharakter haben oder diese selbst in dem Fantasy-Rahmen so abnorm sind, daß sie von Kara Ben Nemsi in Träumen erlebt werden. Dies läßt sich nicht eindeutlig beantworten, da May hier wohl absichtlich beide Interpretationsmöglichkeiten offen gelassen hat.

Dabei beläßt er es nicht etwa nur bei einem möglichen Traum, nein, dem Leser bieten sich zwei potentielle Traumebenen an. Auf der unteren Ebene lassen sich zunächst einmal drei traumhafte Ereignisse ausmachen, die jeweils durch Einschlaf- und Aufwachen des Erzählers eingerahmt sind. Der erste dieser Sequenzen ist allerdings eine eindringliche Botschaft vorausgesetzt: »Dieser Traum wird aber kein Traum sein, sondern Wirklichkeit!«

An der entscheidenden Stelle läßt May aber völlig offen, ob das Kommende nun Traum oder tatsächlich Wirklichkeit ist. Denn zunächst schläft Kara Ben Nemsi erst einmal ein, und das folgende Erwachen ließt sich ebenso als Teil eines Traumes interpretieren. Ich wendete mich also auf die andere Seite, legte mich nieder und schloß die Augen. Ich glaube, daß ich dann auch sofort eingeschlafen bin, wenigstens bin ich mir nicht bewußt, auch nur noch eine Minute wach geblieben zu sein. Auch wie lange ich geschlafen habe, ehe ich aufgeweckt wurde, weiß ich nicht. Ich kann nur sagen, daß ich nicht von selbst erwachte, sondern von einer lauten Stimme aus dem Schlafe gerufen wurde. Das gleiche gilt für ein mögliches Erwachen: Ich schlich mich also so leise wie möglich nach meinem Lager zurück und legte mich nieder. Nach einiger Zeit hörte ich seine Schritte. Er kam und tastete nach mir. Ich bewegte mich nicht sofort. Mochte er immerhin denken, daß ich schlafe! Er rüttelte mich. Da tat ich, als ob ich erwache. Träumt Kara Ben Nemsi, daß er nur so tut, als ob schlafe und sich scheinbar wecken läßt und erwacht wirklich oder war er wach und tut wirklich nur so, als ob er erwacht?

Bei der zweiten Stelle ist das mögliche Einschlafen nur sehr indirekt geschildert: Es war der Befehl erteilt worden, daß genau eine Stunde vor Mitternacht sich Jedermann zur Ruhe gelegt haben müsse. (...) Als nach europäischer Zeiteinteilung elf Uhr geschlagen wurde, herrschte rundumher die tiefste Ruhe. Eine halbe Stunde später ging ich mit dem Mir nach der Türe des Vorzimmers, aus dem man in die 'Dschemma der Toten' kam. Eindeutiger ist da das Erwachen, daß dem Einschlafen nach den Ereignissen folgt: Ich legte mich nieder, ohne ihm zu antworten. Auch in mir erklangen Stimmen. Ich hörte sie noch lange, lange, und lauschte ihnen, bis der Schlaf sie mir oder, vielleicht richtiger, mich ihnen entzog.

Dieses Erwachen jedoch, daß sich in der geräumige[n] und wohlausgestattete[n] Stube vollzieht, in der Kara Ben Nemsi mit Halef wohnte, läßt sich auf einer übergeordneten Ebene allerdings auch als Aufwachen aus einen wesentlich längeren Traum ansehen, der noch weit vor der ersten Erkundung der Dschemma, bei der die Toten noch nicht lebendig waren, beginnen würde. Die Einschlaf-Szene findet sich dann anfangs des Kapitels „Wieder frei“, welches dann zusammen mit den mitternächtlichen Szenen, In dieser Interpretation dann sozusagen Träume im Traum wären, im nachfolgenden Kapitel „Gegenzüge“ vollständig zum Basistraum gehörte: Ich sah und sprach ihn heute abend nicht mehr, denn als er sich endlich einstellte, war ich schon längst eingeschlafen.

Ein weiterer möglicher Traum ist die Begegnung Kara Ben Nemsis mit der ‚Untoten‘. Auch dieses nächtliche Rendezvous wird von Einschlafen und Erwachen eingerahmt: Ich legte mich zeitig zur Ruhe. Halef auch. Wir schliefen schnell ein, denn die Ereignisse waren heut ja förmlich auf uns eingestürmt und hatten uns ermüdet. Grad als der Muezzin die Mitternachtstunde abrief, wachte ich wieder auf. Mir war, als ob ich völlig ausgeschlafen habe.. Sowie nach der Begegnung: Dann kehrte ich in mein Zimmer zurück, legte mich nieder und schlief sofort ein. Es war, als ob ich nur aufgewacht sei, um diese vermeintlich Tote zu sehen und zu sprechen.

Natürlich ist es so, daß in der Handlung, die sich den Szenen in der toten Stadt anschließen, mitunter auf diese traumhaften Ereignisse angespielt wird, was etwa ausschließt, daß der Mir keine Kenntnis von diesen hätte. Dies führt zu logischen Konsequenzen und ließe sich deshalb nur dadurch erklären, daß eben auch der Mir diese oder ähnliche Träume gehabt hätte. Man müßte die Aussagen im Roman nach dem Aufenthalt in der Stadt der Toten einmal genau analysieren, was in der Hinsicht an Traumerleben möglich ist. Dennoch, betrachtet man nur den jeweiligen Einzelfall, so lassen die geisterhaften mitternächtlichen Szenen, bei denen die Toten lebendig werden, stets auch die Möglichkeit offen, daß es sich nur um Träume handelt, da sie stets vom vorherigen wie nachträglichen Einschlafen und Aufwachen begleitet sind.

Andererseits ist die mitternächtliche Gerichtsverhandlung aber auch so beschrieben, daß es sich im Kontext des Phantastischen um eine wirkliche Erweckung Toter zur Geisterstunde handeln könnte. Alternativ wäre auch denkbar, daß die Versammlung in der Dschemma zwar zunächst real, die Ereignisse zwischen Mitternacht und ein Uhr jedoch beispielsweise durch eine halluzinogene Droge, wie sie etwa von den Kerzen abgegeben werden könnte, verursacht worden sein könnte. Schließlich ließe sich noch eine ganz banale Erklärung finden: Karl May hat die Abläufe so gestaltet, daß der Übergang der Leichen zu Lebenden buchstäblich im Dunkeln liegt. Am Anfang der Zeremonie begeben sich die lebenden Richter zunächst in die Dschemma der Lebenden, um dort Licht zu machen. Während diese Zeitraumes lassen sie die Toten allein. Und nach dem Ende der Gerichtsverhandlung, wenn sie zum Totensaal zurückkehren, ist dieser in Dunkelheit gehüllt, und es dauert eine gute Minute, bevor sie die Toten erneut untersuchen können. Insofern erscheint es möglich, daß die drei Toten, welche an der Gerichtsverhandlung teilnehmen, gar keine Toten sondern perfekte, lebende Doppelgänger sind, die in unbeaufsichtigten Momenten ausgetauscht werden und daß hinter der Inszenierung, zu der ja beispielsweise auch die beschriebenen Zettel gehören, in Wahrheit ein höchst lebendiger Mensch steckt, etwa der Mir von Dschinnistan selbst. Eine solche Interpretation findet aber keinerlei konkreten, positiv bestätigenden Anhaltspunkt im Text, sondern läßt sich nur deduktiv aus dem Geschehen entwickeln.

Der Traum als Klartraum oder Vision wird auch bei Haggard thematisiert, so etwa in Ayesha - The Return of She eingesetzt: (...) I went to sleep, and I dreamed the most vivid dream that ever came to me. I seemed to stand under the vault of heaven, it was black, black, not a star shone in it, and a great loneliness possesed me. Then suddenly high up in the vault, miles and miles away, I saw a little light and thought that a planet had appeared to keep me company. The light began to descend slowly, like a floating flake of fire. Down it sank, and down and down, till it was but above me, and I perceived that it was shaped like a tongue or fan or flame. At the height of my head from the ground it stopped and stood steady, and by its ghostly radiance I saw that beneath was the shape of a woman and that the flame burned upon her forehead. The radiance gathered strenght and now I saw the woman. / Horave, it was Ayesha herself (...)

Und in dem späten Roman She and Allan (1921) liest man bei Haggard wiederholt Visionen: They vanished and musing thus I think I must have dozed. At any rate it seemed to me that of a sudden the city was as it had been in the days of its glory. I saw its brilliant with a hundred colours; everywhere was colour, on the painted walls and roofs, the flowering trees that lined the strets and the bright dresses of the men and women who by thousands crowed them and the marts and squares. Even the chariots that moved to and fro were coloured as were the countless banners which floated from palace walls and temple tops.
The enormous place teemed with every activity of life: brides being borne to marriage and dead men to burial; squadrons marching, clad in glittering armour; merchants chaffering; white-robed priestesses passing in procession (who or what did they workship? I wondered) children breaking out of school; grave philosophers debating in the shadow of a cool arcade; a royal peson making a progress preceded by runners and surrounded by slaves, and lastly the multitutes of citizens going about the daily business of life.
Even details were visible, such as those of officers of the law chasing an escaped prisoner who had a broken rope tied to his arm, and a collision between two chariots in a narrow street, about the wrecks of which an idle mob gatheres as it does to-day if two vehicles collide, while the owners argued, gesticulating angily, and the police and grooms tried to lift a fallen horse on to its feet. Only no sound of the argument of or anything else reached me. I saw, and that was all. The silence remained intense, as well it might do, since those chariots must have come to grief thousands upon thousands of years ago.
A cloud seemed to pass before my eyes, a thin, gauzy cloud which somehow reminded me of the veil that Ayesha wore. Indeed at the moment, although I could not see her, I would have sworn that she was present at my side, and what is more, that she was mocking me who had set her down as so impotent atrickstress, which doubtless was part of the dram.
At any rate I returned to my normal state, and there about me were the miles of desolate streets and the thousands of broken walls, and the black blots of roofless houses and the wide, untenanted plain bounded by battlemented line of encircling mountain crest, and above all, the great moon shininmg softly in a tender sky.


Im gleichen Roman läßt Haggard seine Heldin Ayesha auch noch über die Beziehung zwischen dem Leben und dem Traum frei nach dem Motto eines Gedichtes von Edgar Allan Poe philosophieren: Is not everything a dream, even life itself, Allan? If so, what can this be that thou hast seen, but a dream within a dream, and itself containing other dreams, as in the old days the ball fashioned by the eastern workers of ivory would oft be found to contain another ball, and this yet another and another and another, till the inmost might be found a bead of gold, or perchance a jewel, which was the prize of him who could draw out ball from ball and leave them all unbroken. That search was dificult and rarely was the jewel come by, if at all, so that some said there was none, save in the maker's mind.

Obwohl Allan and the Ice-Gods erst 1927, also posthum zwei Jahre nach dem Tod von Henry Rider Haggard erschien, wurde es im wesentlichen bereits 1922 in Zusammenarbeit mit Rudyard Kipling geschrieben. Die Idee, Allan Quatermain dabei mit Hilfe einer Droge, die ihn in einem der Trance ähnlichen Zustand versetzte, in eine Person aus der Vergangenheit schlüpfen zu lassen, ist dabei schon in Jack Londons Before Adam (1907) zu finden: Now there happend to me, or seemed to happen, that which I had experienced before in the museum at Ragnall castle, namely, that I, Allan, the living man of to-day, beheld myself another man, and yet the same. Whilst remaining myself I could enter into live the life of that other man, knowing this thoughts, appreciating his motives and his endeavour, his hopes and his fears, his loves and his hates; reading him like a book and weighing everything in the scales of my modern judgement.

Den Einfall, die Identität einer Person über lange Zeiträume hinweg aufrecht zu erhalten, hat Haggard aber bereits in She verwendet: For there, streched upon the stone bier before us, robed in white and perfectly preserved, was what appeared to be the body of leo Vincey. I started from Leo, standing there alive, to Leo lying there dead, and could see no difference; exep, perhaps, that the body on the bier looked older. Feature for feature they were the same, even down to the the crop of little golden curls, which was Leo's most uncommon beauty. It even seemed to me, as I looked, that the expression on the dead man's face resembled that which I had sometimes seen upon Leo's when he was plunged into profound sleep. I can only sum up the closeness of the resemblance by saying that I never saw twins so exactly similar as that dead and living pair.

Derartige „literarische“ Träume, wie sie Haggard und May formulieren, brauchen nicht wirklich entschlüsselt zu werden, da ihr Sinn klar auf der Hand liegt. Von echten Träumen haben sie nur die Aufhebung gewisser physikalischer Gesetzmäßigkeiten gemein, wie die Aufhebung von Zeit, Raum und Masse, die erzählerische Struktur hingegen ist analog zu Märchen oder Legenden völlig intakt und ohne logische Defekte. Insofern ist eine tiefgreifende Interpretation zum Verständnis dieser Träume – jedenfalls zum Verständnis dessen, was der Autor bewußt sagen wollte - nicht nötig.

Reale Träume sind hingegen auch in ihrer Struktur oftmals vielfach gebrochen, ferner dürfte nicht alles, was man träumt, per se einen Sinn haben. Trotzdem führt die nächtliche Verarbeitung von Erlebten mitunter natürlich auch zu solchen Träumen, die durchaus einen tieferen Sinn ergeben. Ein solcher Traum, welcher der Thematik des Threads entsprechend den Roman „She“ betrifft und so zeigt, daß dieser Roman durchaus seinerzeit in bürgerlich gebildeten Kreisen gelesen wurde, ist sogar in Sigmund Freuds grundlegendes Werk Traumdeutung (1900) wiedergegeben:

Der Boden war sumpfig, wir gingen am Rand hin; Leute saßen am Boden, ein Mädchen unter ihnen, wie Indianer oder Zigeuner. Vorher hatte ich auf dem schlüpfrigen Boden mich selbst weiter bewegt unter steter Verwunderung, daß ich es nach der Präparation so gut kann. Endlich kamen wir zu einem kleinen Holzhaus, das in ein offenes Fenster ausging. Dort setzte mich der Führer ab und legte zwei bereitstehende Holzbretter auf das Fensterbrett, um so den Abgrund zu überbrücken, der vom Fenster aus zu überschreiten war.. Ich bekam jetzt wirklich Angst für meine Beine. Anstatt des erwarteten Übergangs sah ich aber zwei erwachsene Männer auf Holzbänken liegen, die an den Wänden der Hütte waren, und wie zwei Kinder schlafend neben ihnen. Als ob nicht die Bretter, sondern die Kinder den Übergang ermöglichen sollten. Ich erwache mit Gedankenschreck.

Der Anlaß für den hier nur verkürzt wiedergegebenen Traum entsteht bei einem Besuch einer Louise N. genannten Frau. Dabei kommt das Gespräch auf das Buch von Haggard: “Leih mir etwas zum Lesen.“ Ich biete ihr „She“ von Rider Haggard an. „Ein sonderbares Buch, aber voll von verstecktem Sinn“, will ich ihr auseinandersetzen; „das ewig Weibliche, die Unsterblichkeit unser Affekte --.“ Freud liefert natürlich auch noch eine Interpretation:

Auf dieses Buch und auf ein zweites desselben Autors, „Heeart of the world“, geht das Urteil „sonderbar genug“, und zahlreiche Elemente des Traumes sind den beiden phantastischen Romanen entnommen. Der sumpfige Boden, über dem man getragen wird, der Abgrund, der mittels der mitgebrachten Bretter zu überschreiten ist, stammen aus der ‚She‘; die Indianer, das Mädchen, das Holzhaus aus 'Heart of the World'. In beiden Romanen ist eine Frau die Führerin, in beiden handelt es sich um gefährliche Wanderungen, in 'She' um einen abenteuerlichen Weg ins Unentdeckte, kaum je Betretene. (...) In der 'She' endete das Abenteuer damit, daß die Führerin, anstatt sich und den anderen die Unsterblichkeit zu holen, im geheimnisvollen Zentralfeuer den Tod findet. (...) So wache ich denn mit 'Gedankenschreck' auf, nachdem sich noch die Idee Darstellung erzwungen, daß vielleicht die Kinder erreichen werden, was dem Vater versagt geblieben, eine neuerliche Anspielung an den sonderbaren Roman, in dem die Identität einer Person durch eine Generationsreihe von zweitausend Jahren festgehalten wird.
Zuletzt geändert von Thomas Schwettmann am 27.7.2005, 13:11, insgesamt 1-mal geändert.
Thomas Schwettmann

Ardistan & Haggardistan

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9. Im Gebiete der Vulkane

Wir befanden uns, wie schon einmal gesagt, nun im Gebiete der Vulkane.
[Ardistan und Dschinnistan II]

Across the sea again, across the sandy deserts, across more sea, and the shores of India lay beneath us. Then northward, ever northward, above the plains, til we reached a place of mountains capped with eternal snow. (...)
(Haggard: Ayesha]

"The Beacon Light", der Vulkanberg in Haggards Ayesha, wird von seiner ersten Sichtung bis zur Ankunft ständig beschrieben, erstmals noch aus weiterFerne, nach dem obigen Zitat: (...) I looked, and there high in the sky was the same curious glow which we had seen upon the previous night. There was more than this indeed, for beneath it, almost on a line with us and just above the crests of the intervening peaks, appeared a faint sheet of fire and revealed against it something black. Whilst we watched, the fire widened, spread upwards and grew in power and intensity. Now against its flaming background the black object became clearly visible, and lo! it was the top of a soaring pillar surmounted by a loop. Yes we could see its every outline. It was the crux ansanta, the Symbol of Life itself.

The symbol vanished, the fire sank. Again it blazed up more fiercely than before and the loop appeared afresh, then once more disappeared. A third time the fire shone, and with such intensity, that no lightning could surpass its brilliance. All around the heavens were lit up, and through the black needle-shaped eye of the symbol, as from the flare of a beacon, or the searchlight of a ship, one fierce ray shot across the sea of mountain tops and the spaces of the desert, straight as an arrow to the lofty peak on wbich we lay. Yes, it lit upon the snow, staining it red, and upon the wild, white faces of us who watched, though to the right and left of us spread thick darkness. My compass lay before me on the snow, and I could even see its needle; and beyond us the shape of a white fox that had crept near, scenting food. Then it was gone as swi£tly as it came. Gone too were the symbol and the veil of flame behind it, only the glow lingered a little on the distant sky.


... dann auf den Weg dorthin, hier ein Beispiel unter vielen ...: Now as the light faded the wreaths of smokewhich hang over the distant Fire-mountain began to glow luridly. Redder and more angry did they becomewhile the darkness gathered, till at length they seemed to be charged with pulsing sheets of flame propeled from the womb of the volcano, which grew piercing beams of light through theeye of the giant loop that crowend its brow. Far, far fled those beams, making a bright path across the land and striking the white crests of the bordering wall of mountains. High in the air ran that path, over the dim roofs of the city of Kaloon, over the river, yes, straight above us, over the mountains, and doubless - though there we could not follow them - across the desert to that high eminence on its farther side where we had lain bathed in their radiance. It was a wonderous and most impressive sight, one too that filled our companions with fear, for that steersmen in our boats and the drivers on the towing-path groaned aloud and began to utter prayers.

... und letztlich aus der Nähe: There, right under us as it seemed, for the pillar bent inwards, lay the vast crater of a volcano, and in the centre of it a wide lake of fire that broke into bubbles and flowers of sudden flame, or spouted, writhed and twisted like an angry sea.
From the surface of this lake rose smoke and gases that took fire as they floated upwards, and, mingling together, formed a gigantic sheet of living light. Right opposite to us burned this sheet and, the flare of it passing through the needle-eye of the pillar under us, sped away in one dazzeling beam across the country of Kaloon, across the mountains beyond, till it was lost on the horizon.

The wind blew from south to north, being sucked in towards the hot crater of the volcano, and its fierce breath, that screamed through the eye of the pillar and against its rugged surface, bent the long crest of the sheet of flame, as an ocean roler is bent over by the gale, and tore from its fragments of fire, that floated away to leeward like the blowen-out sails of a burning ship.


Während der ‚Pillar of Fire‘ also ständig aktiv ist, sind die Vulkane Dschinistans zeitlich höchst unterschiedlich aktiv. Die Vulkanberge des Dschebel Allah werden dabei ebenfalls mehrmals beschrieben, zunächst aus der Ferne in Ussula ... : Es kam von der Erde. Es wurde emporgeworfen, mit mächtiger Gewalt. Es war vielleicht - - - doch halt, da kam es wieder! Doch nicht so, wie vorher. Zuerst wieder in der Mitte. Da stieg es empor, nicht blitzartig, sondern langsam, aber mit Macht! Zunächst violett, aber doch leuchtend feurig, dann blau, dann dunkelrot, blutrot, glühend rot, orange, gelb und endlich als klares reines Licht zum Himmel strahlend. Es bildete eine gigantische Säule, die von unten nach oben in allen diesen Farben glänzte, unten violett, nach oben in der angegebenen Regenbogenskala immer heller werdend und oben in einer Art von lebendiger, flockenreiner Flammenkrone zum Himmel zuckend, als ob es gelte, ihn zu umarmen und herabzuziehen. Und so langsam diese Säule entstanden war, so langsam kehrte sie wieder in sich selbst zurück. Kaum aber war sie verschwunden und wir, die wir von diesem überwältigenden Schauspiele tief ergriffen waren, holten tief Atem, so wiederholte sich dasselbe Phänomen in der gleichen Weise, erst rechts und dann links von der ersten Stelle. Diese Feuersäulen bestanden aus strahlengefärbter, nach aufwärts immer reiner werdender Flammenglut. Sobald sie sich entwickelt hatte, standen sie wie Leuchttürme, die von ihrer Basis bis zu ihrer Spitze brennen, oder wie glühende Gebete hilfsbedürftiger Menschen, die sich zum himmelstürmenden Fanal vereinigen, um, sich im Steigen läuternd, in voller Reinheit Gott erreichen zu können. Sie wechselten im Aufstrahlen und Niedersinken miteinander ab. Bald wuchs und fackelte es hier, bald dort zum Himmel auf, erst in längeren, dann in immer kürzer werdenden Zwischenräumen, bis sich zuletzt feste, unbewegliche Mauern bildeten, die aus brennenden Regenbogenfarben bestanden und auf ihren Zinnen tausend weithin strahlende Fackeln trugen.

Ich war auf das Tiefste ergriffen. So etwas hatte ich noch nicht gesehen, noch nie geahnt! Das stand in keiner Physik, überhaupt in keinem Buche! Die beiden Frauen schmiegten sich eng zusammen, wie man tut, wenn man sich fürchtet oder wenn irgend etwas wirklich Heiliges naht. Sie beteten. Das sah und hörte ich zwar nicht, aber ich fühlte es. Der Mensch wird schon noch begreifen lernen, daß man Gebete fühlt! Das Leuchten und Glühen, das Flackern und Flammen, das da oben im Norden aus der Tiefe zur Höhe stieg, war ein Gebet der Erde, und wenn die Mutter betet, so durchzuckt es alle ihre Kinder, mitzubeten! Wir standen auf dem Dache eines Tempels, eines ungeheueren Bauwerkes, in dem sich Riesen versammelten, um Gott zu dienen. Was aber war dieses scheinbar große und doch so armselige Haus gegen den heiligen Dom des Firmaments, in dessen unergründlicher Tiefe soeben das Herz der Erde brach, um in glühenden Atemzügen in alle Welt hinauszurufen, daß auch der scheinbar tote Stoff, die vielverkannte Materie noch Kraft, noch Leben und Seele hat!
[A+D 1]

... dann beim Durchritt des Passes Chatar ... " (...) Und was ist das da draußen, ganz im Norden? Es sieht aus wie ein Baum von so riesiger Höhe, daß er bis zum Himmel ragt. Man sieht den Stamm, und man sieht auch die Krone, die er trägt. Es scheint, als ob Bewegung in ihr sei!" / "Das ist die Rauchsäule der Vulkane von Dschinnistan," antwortete ich. / "Welche des Nachts zur Feuersäule wird, ganz so, wie es im heiligen Buche und von dem Volke Gottes geschrieben steht! Der Herr ging ihm voran, des Tages in einer Rauch- und des Nachts in einer Feuersäule. (...)" []A+D 1]

... oder von der Totenstadt her ...: Sein Gesicht war nach Norden gerichtet, wo den rastlos arbeitenden Vulkanen gerade jetzt zahlreiche Feuersäulen entstiegen, die infolge der Perspektive eine einzige zu sein schienen und so hoch emporstrebten, als ob sie bestimmt seien, den ganzen Himmel zu erobern und den Glanz aller Sterne in sich aufzunehmen. [A+D 2]

... sowie letztlich aus der Nähe: Wir befanden uns, wie schon einmal gesagt, nun im Gebiete der Vulkane, deren Ausbrüche wir früher aus der Ferne beobachtet hatten. Während unsers ganzen Rittes vom Lande der Ussul bis hierher war allabendlich ihr Leuchten und Glühen zu sehen gewesen, bald mehr, bald weniger deutlich und infolgedessen eindrucksvoll.
(...)
Auch heut sahen wir die Glut der Berge steigen, besonders der ferneren, im höchsten Dschinnistan. Die näheren schienen zu ruhen. Ganz ungewöhnlich verhielt sich der, welcher uns am nächsten lag, also der Dschebel Allah. Seine mittlere Kuppe, also der 'Sohn', ragte still, stumm und schwarz zum Himmel auf, als ob er tot sei, starr und erstorben, von den Gluten des Erdinnern nicht mehr zu erreichen und zu beleben. Die beiden andern Kegel aber, der 'Vater' und die 'Mutter', atmeten, doch nicht voll und kräftig, sondern wie in einem Krankheitsanfalle, wie im Ersticken. Das begann mit leisem Rollen. Wenn man sich lang ausstreckte und das Ohr auf die Erde legte, konnte man es deutlicher hören. Ich hatte es erst für das Rollen der Kanonenräder gehalten, dann aber bald bemerkt, daß es mit der Bewegung der Geschütze nicht im Zusammenhange stand. Auf dieses Rollen folgte von seiten eines der beiden Kegel eine Ausatmung, welche durch die Lüfte strich wie der Angsthauch, der sich pfeifend durch die Stimmritze eines Sterbenden preßt. Das war von einem Dämmerschein begleitet, der mit diesem Pfiff dem betreffenden Krater entstieg. Das Rollen vorher wurde von Stunde zu Stunde lauter und vernehmlicher, sogar auch fühlbarer. Es war, als ob sich im Innern der Erde Kräfte gesammelt hatten, die sich befreien wollten und doch nicht konnten. Dieser Ansicht waren alle, bei denen ich mich befand. Mir speziell aber wollte es scheinen, als ob diese Kräfte nicht auf die Befreiung durch den 'Vater' oder die 'Mutter', also durch den rechten oder linken Kegel, sondern durch den 'Sohn', also den mittleren Kegel, gerichtet seien. Beweisen konnte ich das freilich nicht; ich fühlte es.
[A+D 2]

Schließlich kommt es zum Ausbruch ...: Er hob den Arm und deutete zu den Höhen hinauf, von denen er sprach. In der Erde klirrte und rollte es, als ob eherne Sichelwagen, unter uns hinratternd, ihre metallenen Waffen aneinander wetzten; ein scharfer Wind pfiff plötzlich um uns her, und im nächsten Augenblick stieg aus dem Krater sowohl des 'Vaters' als auch der 'Mutter' eine glühende Garbe auf, und dabei erklangen Töne, wie wenn Milliarden von Feilen über Stahl und Eisen strichen [A+D 2]
.
... der endlich in einem gigantischen Wasserausbruch endet: Dieser Schuß war aus dem Krater des 'Sohnes' gekommen; er hatte das Innere desselben geöffnet. Aber die Trümmer, die es da gab, flogen nicht nach außen, sondern stürzten und rollten nach innen. Man fühlte das. Hierauf war es, als ob jene Riesenschildkröte sich umgewendet habe und zurückkehre. Sie näherte sich uns wieder und kroch abermals unter uns hindurch, nur in entgegengesetzter Richtung, nämlich nach dem Berge zu. Was sie vorhin nicht zermahlen und zermalmt hatte, daß mußte nun jetzt verloren sein; das war gewiß. Es folgte ein Schlag, als ob eine Gigantenfaust gegen das Innere der Erdrinde schmettere, so daß alles, was sich auf ihr befand, haltlos in sich zusammensinken müsse, und im nächsten Augenblicke stieg etwas - - nicht etwa Furchtbares und Entsetzliches, o nein, sondern etwas so unbeschreiblich Schönes aus dem Krater des 'Sohnes' empor, daß keine Sprache der Menschen die Worte besitzt, welche nötig wären, es zu schildern.

Das kam so schnell und so plötzlich, daß es vor unseren Augen stand, ohne daß wir es hatten erscheinen und sich entwickeln sehen. Es glich einem hellen, tadellos geschliffenen Kelchglase, mit perlendem Champagner gefüllt, der oben überläuft. Dieses Glas hatte unten einen Durchmesser von vielleicht nur zwanzig, oben aber einen solchen von gewiß hundert Metern und zeigte eine Höhe, die gar nicht abzuschätzen war. Der Champagner, der in diesem kristallenen Gefäße nach oben schäumte, war unten hell goldig, sodann hell silbern, hierauf sehr hellgrün und ganz oben unendlich fein blau gefärbt. Diese verschiedenen Farben hatten einen metallischen Glanz. Sie waren nicht scharf voneinander geschieden, sondern sie gingen allmählich ineinander über und schienen einander so verwandt, daß das Gold zuweilen bis ganz nach oben und das Blau zuweilen bis ganz nach unten zuckte. Der überfließende Schaum hatte die Farbe der Pfirsichblüte, durch eilt von goldsilbernen Blitzen und Funken. Man denke sich die auf uns liegende Nacht, deren absolute Dunkelheit ich als 'Schwärze' bezeichnet habe, und mitten in dieser Finsternis die, fast möchte ich sagen überirdische Erscheinung dieser Kelchfontäne, die alle Eigenschaften und Effekte des Wunderbaren in sich vereinigte! Der Schaum, der sie krönte, lief nicht über. Er floß nicht an ihr herab. Man sah, daß er sich verflüchtigte. Die Blitze und Funken trugen ihn nach allen Seiten in die Nacht hinaus, sogar auch her zu uns. Wir fühlten ihn. Er war warm. Er senkte sich wie ein unendlich feiner und unendlich leiser Regen auf uns nieder. Er hüllte uns in einen Schleier, der sich nach und nach verdichtete, bis er uns den Anblick seines Ursprunges mehr und mehr verhüllte und schließlich ganz entzog. Die Erscheinung, die irdisch herrlichste, die ich je gesehen habe, verschwand, ohne vor unsern Augen zerstört worden zu sein und aufgehört zu haben. / "Wasser, Wasser spendet er, der 'Sohn', das kostbare, lang ersehnte Wasser!" rief der Schech el Beled. "Und was er uns gibt, das nimmt er uns nicht wieder. Wir dürfen es behalten!"
[A+D 2]

Der Vulkanausbruch vernichtet zugleich die Kanonen des 'Panthers' und beendet 'Die Schlacht am Dschedel Allah'. Dabei ist dies schon das zweite Ereignis des schon im Kapitel "Mit der Natur im Bunde" überschriebenen Phänomens, daß die Naturgewalten sich mit den Helfern Dschinnistans verbündet. So wird bereits die Landenge Chatar zur Falle für den Gegner: Als wir vom Schlafe erwachten, hörten wir ein Brausen wie von den allertiefsten Orgelstimmen, durch welches von Zeit zu Zeit das hohe, spitze, schrille Pfeifen einer Klarinette fährt. Und dieses Pfeifen und Brausen hörte nicht auf; es dauerte fort. Wenn es ja einmal für einige Augenblicke schwächer wurde, so stieg es dann um so höher zur vollsten Stärke auf. Für uns wurde es durch die Felsen gemildert, die uns wie mächtige Wände beschützten und das Toben des Sturmes nicht direkt an unser Ohr gelangen ließen. Der Himmel hing, wie man sich auszudrücken pflegt, fast bis zur Erde herab. Er bestand nur aus dunklen, schweren Wolken, die aber keine kompakte Masse bildeten, sondern wie zerfetzte und zerrissene Teppiche, Tücher und Schleier quer über die Landenge dahingejagt wurden. Ich sage quer; denn der Sturm kam aus Ost und traf den Engpaß also in seiner ganzen Länge. Er wühlte die Wasser des Meeres auf, hob sie hoch empor und zwang sie, an den Felsen hinaufzuklettern und jene Risse, Rinnen und Rillen zu finden. die bereits erwähnt worden sind. Aus diesen ergoß sich die Flut dann zu uns herein in das alte Flußbett. Sie stürzte, so weit wir sehen konnten, wie in zahlreichen Sturzbächen nieder, die nicht kontinuierlich, sondern stoßweise arbeiteten, ganz den Stößen des Orkans gemäß, die von Pause zu Pause erfolgten. Die Menge des Seewassers, die in dieser Weise draußen empor-, und dann zu uns hereingetrieben wurde, war sehr bedeutend. Sie hatte bis jetzt schon den ganzen Grund des Flusses ausgefüllt und stieg immer höher und höher. Hierzu kam, daß die Nordwinde den Sand der Wüste jahrhundertelang wie durch ein Blasrohr über die ganze Länge des Engpasses gepustet hatten. Auf der anderen Seite, also im Süden, hatte er sich angesetzt. Hierdurch war das Gefäll des Flußbettes so verringert worden, daß es fast gar keines mehr gab. Das Wasser stand; es floß nicht ab, wenigstens jetzt noch nicht. Vielleicht konnte es später, wenn es höher gestiegen war, ins Fließen kommen. Es stand jetzt schon mehrere Fuß hoch. Wenn der Seegang in der bisherigen Weise arbeitete, handelte es sich nur um einige Stunden, so war das Flußbett vollständig unwegsam gemacht und wir konnten die beiden einzigen passierbaren Stellen, um mich des Ausdruckes zu bedienen, den der Dschirbani angewendet hatte, 'mit Feuer verstopfen'. [A+D 2]

Haggard schildert die Verbindung zwischen Naturgewalt und 'Ayesha' noch direkter: Ayesha let fall her rein. She tossed her arms, waving the torn, white veil as though it were a signal castto heaven. Instantly from the churning jaws of the unholy night above belched a blaze of answering flame, that also wavered like a rent and shaken veil in the grasp of a black head of cloud. / Then did Ayesha roll the thunder of her might upon the Children of Kaloon. Then she called, and the terror came, such as men never seen and perhaps never more will see. Awful bursts of wind tore past us, lifting the very stones and soil before them, and with the wind went hail and level, hissing rain, made visible by the arrows of perpetual lightnings that leapt downwards from the sky and upwards from the earth./ It was as she had warned me. It was as though hell had broken loose upon the world, yet though that hell we rushed on unharmed. For always these furies passed before us. No arrows flew, no javelin was stained. The jagged hail was a hearald of our coming; the levens that smote and stabbed were our sword and spear, while ever the hurricane roared and screamed with a million seperate voices which blended to one yell of sound, hideous and indescribable.

... und abends glühen die Berge: Und nun ereignete sich, was mir vorher nur ein einzigesmal, aber fast in derselben Weise begegnet war, nämlich im Lauterbrunnertal, beim Alpenglühen, wo ich den Gipfel der Jungfrau zuerst nicht fand und nicht sah, weil er nicht da, wo ich ihn suchte, sondern scheinbar grad über meinem Kopf erglänzte. So auch hier im Schlosse von El Hadd. Nämlich wenn auch nicht ganz, aber doch so ziemlich, natürlich nur scheinbar, zu unsern Häuptern, erschien eine erst dämmernd und dann fast hell strahlende Bergeskuppe, deren goldenen Konturen langsam abwärts liefen und sich wie niederfallende Feuerwerksfäden verzweigten, um die ganze plastische Gestalt dieses Berges zu zeichnen und aus dem nächtlichen Hintergrund hervorzuheben. Die lichtlosen Felder, die zwischen diesen goldenen Umrissen lagen, wurden nach und nach ausgefüllt, und zwar auch von oben herab, von Farben, die nicht der Erde, sondern einer ganz andern Welt zu entstammen schienen, so daß ich, ohne es zu wollen, ausrief: "Wie ein Alpenglühen im Himmelreich!" / "Fast richtig, fast!" antwortete Marah Durimeh. "Das ist er; ja, das ist er, der herrliche Dschebel Muchallis ..." [A+D 2]
Thomas Schwettmann

Ardistan & Haggardistan

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10. Nach der Grenze empor

Wir aber wendeten unsern weiteren Aufstieg nun den Bergen, über deren Pässe der Weg nach Dschinnistan führte, und unserem hohen, weiteren Ziele zu
[Karl May, Ardistan und Dschinnistan II, Schlußsatz]

„I mean that Hes never dies. She changes, that is all. As the wind blows now hence, now hither, so ahe comes and goes, and who can tell at what spot upon the earth, or beyond it, for a while that wind lies sleeping? But at sunset or at dawn, at noon or midnight, it will begin to blow again, and then woe to those who stand across ist path.“
[Henry Rider Haggard, Ayesha – The Return of She]


So wie Haggard seine ursprünglich zwar durchaus faszinierende, aber doch eher dunkle, negative Ayesha-Figur in seinem späteren Return-Roman ummodelierte und sie in eine - zwar immer noch machtbesessene - aber nun doch positive Gestalt veränderte und sich dabei nicht scheute, auch den ersten Roman in späteren Auflagen entsprechend abzumildern, so hat Karl May bekanntlich auch die Rolle Marah Durimehs von einer zwar in der Kurdistan-Handlung vorübergehend wichtigen, auf den gesamten Orientzyklus gesehen aber nur als eine unter vielen agierende Figur aufgewertet und modifiziert.

Dabei schreckte auch er nicht vor mehrfachen Bearbeitungen im Text des Kurdistan-Romanes zurück: Ist Marah Durimeh zunächst nur eine totenkopfgesichtige uralte Priesterin, die ihre Weisheit in einem fast heidnisch anmutenden Geisterorakel von sich gibt, so verändert er dann in späteren Auflagen ihr Äußeres in ein faltenfreies Anglitz - eine Thematik, die er in der Erzählung von den Umm ed Dschamahl vertieft, in welcher er eine Creme beschreibt, die immerwährende Jugend und Schönheit verleiht. Schließlich deutet May in der illustrierten Ausgabe seiner Werke (1907, also gleichzeitig zum Mir-Text) ein wahrhaftes Methusalem-Alter an, welches nicht mehr bestimmt werden kann. Der Schluß ver Hausschatz-Fassung Der Mir von Dschinnistan läßt anklingen, daß May noch weitere Erzählungen mit Marah Durimeh im Sinn gehabt haben könnte: Einige Monate hierauf ging das erste Schiff den Fluß hinab. Es hieß, wie bereits gesagt, „Marah Durimeh“ und trug Marah Durimeh, Schakara, Halef, mich und einige neue, gute Bekannte aus El Hadd. Als wir an der oberen Brücke der „Stadt der Toten“ anlegten, wurden wir von dem 'Mir von Ardistan, seiner Frau, dem Fürsten von Halihm und Merhameh empfangen. Das Weitere liest man später. - - -

Tatsächlich gibt es mit Merameh (1909), noch eine einzige weiter kurze Erzählung, die noch in Ardistan angesiedelt ist,. In diesem kurzen Ableger wird Marah Durimeh freilich nicht einmal erwähnt wird, auch wird die „Dschinnistan“-Saga nicht wirklich fortgeschrieben sondern nur das Motiv des „ewigen Friedens“ nochmals aufgegriffen und variiert.In der Buchfassung Ardistan und Dschinnistan hingegen läßt May die Gefährten nicht wieder den Fluß hinabfahren sondern betont explizit, daß man sich nun endlich Dschinnistan zuwenden werde. Doch der Ritt über diese Grenze bleibt ebenso unerzählt wie schon ein Jahrzehnt zuvor der Schritt von Am Jenseits zu Im Jenseits.

Eine weitere Ausformung der Marah-Durimeh-Figur gibt es allerdings dann noch in Winnetou IV, dort setzt May die zeitlose Kurdin mit der sagenhaften Urkönigin Marimeh gleich, die noch aus der Zeit der Einwanderung der ehemals asiatischen Urbevölkerung Amerikas stammt. Insofern macht er Marah Durimeh so der 'She'-Figur, die dank ihres Feuergangs Jahrhunderte in ebenfalls ewiger Jugendlichkeit und Schönheit lebt, ohne äußerlich zu altern, immer ähnlicher. Zudem interpretiert er die Figur nun als Menschheitsseele mit eindeutig mutterarchetypischen Zügen. In ähnlicher Weise verwandelt Haggard auch Ayshea, sowohl in der symbolischer Deutung, wo sie von einem dämonisch interpretierten, ewig verführerischen Weib zu einer übermütterlichen Heilsfigur umgewandelt wird, aber auch auf der physischen Seite, da Ayesha zunächst einen verdorrten ausgemergelten mumienartigen Körper hat, den sie unter einer Unzahl von Schleiern und Bändern verhüllt und erst ein weiterer Durchgang durchs Feuer verwandelt sie wieder in die jugendliche Schönheit welche sie einst war.

Des weiteren ist bei Haggard wie bei May jeweils einem der vier Ur-Elemente "Erde, Wasser, Feuer, Luft" eine besondere Rolle zugedacht. In den "She"-Romanen ist es das Feuer, welches als Flamme des Lebens (und des Todes) das Schicksal der Titelperson bestimmt. Karl May hingegen hat das viel unmittelbarere Lebenselixier Wasser zum Schicksalselement erhoben, die Suche nach Wasser bestimmt im Grunde die Handlung, wobei das Wasser, welches natürlich von oben nach unten fließt, auf der symbolischen Ebene auch die höheren Wahrheiten repräsentiert, ohne die der Mensch psychisch verdursten würde.

Die Vielzahl der hier aufgezeigten paralleler Motive und Handlungen lassen es nun als wahrscheinlich erscheinen, daß Karl May Kenntnis nicht nur von ‚Quatermain‘-Erzählungen Haggards sondern auch von dessen 'She'-Romanen gehabt haben könnte, auch wenn er über den Inhalt möglicherweise nur durch Gespräche, also aus zweiter Hand informiert war. Das ist aber natürlich nur eine Hypothese. Zumindest aber ist anzunehmen, daß er Haggards „Unbekanntes Land“ nicht nur als Staubfänger in seinem Regal stehen hatte, dies sollte sic aber mit einer vergleichenden Studie klären lassen. Die typischen phantastischen Elemente bei Haggard, also unbekannte Länder, Tempel mit geflügelten Statuen, wohlpräparierte unversehrte Leichen, eine unbändige Natur in Form von Vulkanen und Unwetter die von höheren Mächten geleitet wird, ja selbst die menschenartigen Affen, könnten dabei von Karl May für dessen eigenen Ardistan-Kosmos adaptiert worden sein; jedenfalls aber ist gerade diese imaginbäre Romanwelt, die auf dem ersten Blick im Schaffen Mays wie auch der damals zeitgenössischen deutschen Literatur so einzigartig und isoliert erscheint, ganz im Gegenteil als Teil in einer zeitgenössischen Strömung, die ganz wesentlich von Haggard geprägt wurde.
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