Immer weiter nach Westen

 

Die Hauptsorge der Siedler in den neuen Staaten wie Kentucky oder Tennessee war, wie sie ihre Güter auf den Markt bringen konnten. Im Osten behinderten die Appalachen den Verkehr, und den Wasserweg über Ohio und Mississippi sperrten bis 1795 die Spanier in New Orleans. Als sie schließlich gezwungen waren, nachzugeben, bedeutete das die endgültige Ausdehnung des amerikanischen Machtbereichs bis zu diesem Strom. Hier war schon 1764 der Handelsposten St. Louis entstanden, der sich nun eine Vormachtstellung im Handel mit den dort ansässigen Indianerstämmen errang und zum bedeutendsten Fort am Mississippi auswuchs. Zahlreiche Expeditionen und Trapperzüge nahmen von hier ihren Ausgang.
     Schließlich, im Jahre 1803, kauften die Vereinigten Staaten Napoleon das riesige Gebiet von Louisiana ab, das dieser kurz vorher von den Spaniern erhalten hatte. Louisiana umfasste das gesamte Territorium westlich des Mississippi von der Mündung des Stromes bis hinauf nach Montana. Dass es in Wirklichkeit den Indianern gehörte, störte die Vertragspartner nicht. Wie kein anderer hat Thomas Jefferson (1743–1826), in dessen Präsidentschaft (1801–1809) der Louisiana-Kauf fiel, damit den Weg nach Westen geebnet – die von ihm ausgesandte Lewis-Clark-Expedition, die in den Jahren 1804 bis 1806 den gesamten Kontinent durchquerte und den Pazifik erreichte, war wohl die bedeutendste in Amerika im 19. Jahrhundert. Und wie kein zweiter hat es einer von Jeffersons Freunden verstanden, aus den veränderten Verhältnissen Kapital zu schlagen: Der Deutsche Johann Jakob Astor, der Mann Nummer eins im amerikanischen Pelzhandel. Astor, in dem Dorf Walldorf bei Heidelberg geboren, war der Prototyp des amerikanischen Selfmademan. Er kam 1783 im Alter von 20 Jahren nach New York, erkannte im Pelzhandel seine Bestimmung und besaß bereits im Jahre 1800 eine Viertelmillion Dollar. Schon damals stand er an erster Stelle im amerikanischen Pelzhandel.
Astors Freundschaft mit Präsident Jefferson erwies sich als sehr einträglich, er konnte stets mit Sonderrechten rechnen, und so gelang es ihm auch, 1808 die Amerikanische Pelzgesellschaft mit einer Monopolstellung an den Großen Seen zu gründen. Außerdem erhielt er die Erlaubnis, einen legalen Handel zum Pazifik auszudehnen. Astor arbeitete einen Plan aus, der eine Kette von Forts entlang der Flüsse Missouri und Columbia vorsah. Die zentrale Niederlassung sollte an der Mündung des Columbia in Oregon entstehen. Dort sollten alle Pelze aus dem Landesinneren zusammengetragen und von hier nach China geschafft werden. Eine Schiffsflotte sollte Pelze nach Kanton bringen, mit chinesischen Gütern nach Europa segeln und schließlich von dort nach Amerika zurückkehren. 1810 gründete Astor die Pazifik-Pelzgesellschaft, die sofort in heftige Konkurrenzstreitigkeiten mit den englischen Handelskompanien wie Hudson Bay Company und North-West-Company geriet. Dennoch gelang es, in Oregon den Stützpunkt Astoria zu bauen. Doch ging die Ansiedlung im Krieg von 1812 an die Briten verloren.
     Nach dem Krieg war Astor nicht mehr an dem Projekt interessiert, sondern er vereinigte alle seine Pläne in der Amerikanischen Pelzgesellschaft. Schon 1817 besaß er alle Handelsposten im Mississippi-Tal. Gegen den scharfen Protest der Händler von St. Louis dehnte er 1822 seinen Einfluss bis in dieses Handelszentrum aus. In den folgenden Jahren bootete er eine Handelsgesellschaft nach der anderen aus und beherrschte bald den gesamten Pelzhandel bis zum Felsengebirge.
     Bis 1834 war Astor führend im Pelzhandel, dann wandte er sich anderen Geschäften zu. Astor, der 1848 starb, war ein Finanzgenie – eine »Geldmaschine«, wie er von seinen Kritikern genannt wurde –, einer der fähigsten und erfolgreichsten Unternehmer, die je in den Staaten gelebt haben. Mit seiner Amerikanischen Pelzgesellschaft hat er Entscheidendes für die Ausdehnung der Vereinigten Staaten nach Westen geleistet; er gehört zu den großen Pionieren der amerikanischen Geschichte; kaum ein anderer hat die Erforschung und Erschließung des Westens so energisch betrieben wie er.
     Die Kehrseite des Pelzgeschäftes zeigte sich allerdings darin, dass im Westen der Wildbestand rapide zurückging. Gleichzeitig wurden die Moral der Indianer durch Alkohol, den die Händler in reichlichem Maße einsetzten, und ihre soziale Ordnung durch den Umstand unterhöhlt, dass die Händler den Wert eines Indianers nach dem Wert der von ihm abgelieferten Felle beurteilten und so das Ansehen der Häuptlinge untergruben. Die Dezimierung des Wildes und das Unterhöhlen der indianischen Lebensweise läuteten neben dem Einzug der Zivilisation das Ende der indianischen Kultur ein.
     Die Trapperzeit gehörte zu den malerischsten und farbenprächtigsten Epochen der amerikanischen Pioniergeschichte. Aber sie dauerte nur bis etwa 1840; sie ging unter in furchtbaren Blattern-Epidemien, die unter den Indianern wüteten, und in grausamen Indianerkriegen, die auf die Zeit des friedlichen Handels folgten. Dass wir aber über diese Zeit so gut unterrichtet sind und noch vieles über die Kultur der Indianer des Pelzhandelsgebietes wissen, verdanken wir zum Großteil deutschen Forschern.

 
Aus der Trapperzeit sind viele legendäre Namen überliefert. Unter den bekanntesten »Männern der Berge« waren auch einige deutschamerikanische. Mike Fink z. B., der aus Pennsylvanien stammte, übertraf als Meisterschütze den berühmten Texas-Helden und amerikanischen Pionier David Crockett (1786-1836). Er machte sich einen Namen erst als Pfadfinder, dann als Schiffsmann auf den großen Strömen wie Ohio und Mississippi und schließlich, als er sich der Rocky Mountain Fur Company des bedeutenden Pelzhändlers William H. Ashley (ca. 1778–1838) bei einem Unternehmen am Missouri anschloss. Als Geschichtenerzähler stand er ebenfalls hinter Crockett kaum zurück, schon zu Lebzeiten war er legendär, und sein unrühmlicher Tod trug noch zu seinem großen Ruf bei. Fink hatte nämlich mit seinem Zögling Carpenter einen Trick einstudiert, bei dem sich beide gegenseitig Zinnbecher mit Whisky aus 70 Schritt Entfernung vom Kopf schossen. Als es einmal zum Streit wegen eines Mädchens kam, schoss Fink dem jungen Mann kaltblütig bei der nächsten Vorführung des Tricks in den Kopf – wenig später wurde er von einem Freund Carpenters aus Rache getötet (1823).

Für viele galt Fink als der »typische Mann der Berge«. Deutsche Vorfahren hatte auch der Pelzjäger Henry Fraeb, der für Astor arbeitete und den das Schicksal so manchen Trappers traf – er fiel 1841 in einem Kampf gegen Dakota-Indianer. Heute wenig bekannt ist der – möglicherweise – deutschstämmige Trapper Jacob Berger, vielleicht auch Schweizer Herkunft, aber nur er ermöglichte Astors Erfolge im Land der grimmigen Schwarzfuß-Indianer. Berger kannte die Schwarzfüße und ihre Sprache sehr gut, hatte sich lange bei ihnen aufgehalten und mit ihnen für die Engländer Handel geführt. Die Schwarzfüße waren gefürchtete, kriegerische, unberechenbare, stolze Indianer und hatten es Jahrzehnte lang fertiggebracht, die Amerikaner aus ihren Jagdgründen herauszuhalten. Allein im Winter 1809/10 hatten sie fünfundzwanzig Trapper getötet. Nur den Agenten der kanadischen Hudson Bay Gesellschaft hatten sie stets eine gewisse Freundschaft entgegengebracht, und der alte Trapper Berger vermochte sie nun allmählich für den Handel mit den Yankees zu gewinnen. Er wird mehrfach im Reisewerk des Prinzen Maximilian zu Wied-Neuwied erwähnt, aber ohne seine Herkunft zu beleuchten.

Berger arbeitete eng mit Astors Generalagenten am oberen Missouri zusammen, Kenneth Mackenzie (1797-1861), der sich furchtlos mitten im Indianergebiet niedergelassen und 1829 an der Mündung des Yellowstone Fort Union, das bestausgestattete Fort des Westens, erbaut hatte. Durch seine Tätigkeit verschaffte er Astors Gesellschaft eine Monopolstellung am oberen Missouri. Nachdem er 1831 noch zwischen Schwarzfüßen und Assiniboin einen zweifelhaften Frieden gestiftet hatte, konnte einer seiner Mitarbeiter, der raue Pelzjäger David Mitchell (1806–1861), an der Mündung des Marias in den Missouri Fort Mackenzie errichten und der bedeutende kanadische Trapper James Kipp (1788–1880) in seinem Auftrag eine Biberfangexpedition ins Land der Blackfeet unternehmen, die ein glänzender Erfolg wurde. Mitchell und Kipp waren »typische Männer der Berge«, ihr Lebenslauf charakteristisch für diese rauen Westläufer und Pioniere im Fernen Westen.

Einen seiner wichtigsten Beiträge zur Erschließung des Westens leistete Astor, als die American Fur Company ein Dampfschiff baute. Die »Yellowstone«, wie es hieß, war, das erste Dampfschiff, das den oberen Missouri erreichte – 1831 gelangte es bei der ersten Fahrt bis nach Fort Pierre. Das Schiff beschleunigte den Handel mit den Indianern und stellte eine erste ständige Verbindung zwischen den einzelnen Handelsposten und zwischen der Zivilisation und den unberührten Gegenden des Fernen Westens her.
 

Johann Jakob Astor

Johann Jakob Astor, Detail eines Ölgemäldes von Gilbert Stuart, 1794.

 
Mit den Trappern kamen die ersten Forscher in den Westen. Für sie war die Benutzung des Dampfschiffes eine der Voraussetzungen für ihre Expeditionen. Eine Reihe von Deutschen fuhr damit ins Indianergebiet.

Wenig bekannt sind die Reisen des Herzogs Friedrich Wilhelm Paul von Württemberg. Als er 1822 mit 25 Jahren seine erste große Forschungsfahrt antrat, kannte er bereits den Nahen Osten, Russland und Algerien. Er gehörte zu jener Generation deutscher Forscher, die von Alexander von Humboldt (1769–1859) angeregt wurde, sich der Neuen Welt zuzuwenden. Im Oktober 1822 schiffte er sich nach New Orleans ein und unternahm dann zahlreiche und ausgedehnte Reisen entlang des Mississippi, Ohio, Red River und Yazoo. Vor allem aber das Pelzhandelsgebiet zog ihn an. In St. Louis traf er mit William Clark (1770–1838) zusammen, dem berühmten Offizier und Forscher, der fast 20 Jahre vorher mit Meriwether Lewis (1774–1809) den ganzen Kontinent durchquert hatte. Paul benötigte für seine Reise von Clark eine Art Pass, um sich in den Forts auszuweisen. Zunächst zögerte Clark, weil er befürchtete, der Herzog wolle eine deutsche Kolonie anlegen, stellte ihm dann aber doch die gewünschte Bescheinigung aus. Damit reiste Paul in die Gegend der Ströme Platte und Kansas und den Missouri aufwärts bis zu den Council Bluffs. Eine zweite Fahrt führte ihn bis Fort Pierre. Während der Expedition sammelte er Pflanzen- und Tierexemplare und indianische Gebrauchsgegenstände, die er alle auch identifizierte und klassifizierte.

Der Erfolg der Lewis-Clark-Expedition war zum Gutteil der jungen Schoschonen-Indianerin Sacajawea (ca. 1784–ca.1812 oder 1884) zu verdanken gewesen, die als Führerin gedient hatte. Sacajawea, mit dem französischen Halbblut Toussaint Charbonneau (ca. 1759–ca. 1840) verheiratet, weigerte sich nach der Expedition, ihren Mann in den Osten zu begleiten. Ihre beiden Kinder, von denen das eine – Jean Baptiste – während der Forschungsfahrt 1805 geboren wurde, hatte Clark zu sich genommen, und Herzog Paul kam während seines Aufenthaltes in St. Louis in näheren Kontakt mit dem jungen Jean Baptiste Charbonneau. Er nahm ihn 1823 mit nach Deutschland und ließ ihn dort Kunst und Sprachen studieren. Über fünf Jahre lebte »Pomp«, wie sein Spitzname lautete – in Montana heißt ein Berg zu seinen Ehren Pomp’s Peak –, in Deutschland, dann kehrte er 1829 mit Herzog Paul nach Amerika zurück und brachte es noch zu einem angesehenen Pelzhändler, Führer und Jäger. So erforschte er 1843 die Region des heutigen Yellowstone Parks oder geleitete Militär entlang des Santa Fe-Trails. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg begab er sich zu den kalifornischen Goldfeldern. Von dort aus machte er sich auf den Weg zu den Goldfeldern in Montana und starb dabei 1866 irgendwo an der Grenze zu Oregon oder Idaho.

Herzog Paul reiste 1829 wieder den Mississippi aufwärts und erreichte die Mandan-Dörfer und Fort Clarke. Dann trieb er sich eine Zeitlang in den Rocky Mountains herum und kam sogar in die gefährliche Gegend, in der 20 Jahre vorher die 25 Trapper ihr Leben verloren hatten. Paul studierte die Schwarzfüße und Assiniboin. Während seiner Rückkehr nach St. Louis geriet er in Lebensgefahr, aber ein Sioux-Indianer rettete ihn, und Paul verbrachte eine Zeitlang in den Dörfern dieser Indianer.

1831 begab sich der reiselustige Herzog in die Südstaaten der USA und nach Mexiko. Über New Orleans, Cincinnati, Buffalo, den Erie-See und die Niagara-Fälle reiste er an die Ostküste und fuhr von dort nach Deutschland. Als 1832 Prinz Maximilian seine Reise antrat, konnte ihm der Herzog manche wertvollen Ratschläge geben.
 

Maximilian Alexander Philipp Prinz zu Wied-Neuwied

Maximilian zu Wied-Neuwied um 1820.

  
Die Expedition des Prinzen Maximilian zu Wied-Neuwied (1782–1867) zählt zu den bedeutendsten in diesem Gebiet. Wied war einer der begabtesten und bekanntesten deutschen Forschungsreisenden seiner Zeit. Seine Vorliebe gehörte den Völkern, ihren Lebensgewohnheiten und Vorstellungen, sie bildete den vornehmlichen Grund für seine Reisen.

Wied hatte gegen Napoleon gekämpft, in der Schlacht von Jena und Auerstedt und anderswo, er hatte das Eiserne Kreuz erhalten, war im Brandenburgischen Husaren-Regiment Major geworden und nach Napoleons Niederlage mit den Siegern in Paris eingezogen. Danach widmete er sich ganz seinen völkerkundlichen und zoologischen Studien. Von 1815 bis 1817 unternahm er eine Forschungsreise nach Brasilien, die seit langem sein Traum war und bei der er z.B. den Volksstamm der Botokuden erforschte, und fünfzehn Jahre später brach er in den Indianerwesten auf. Neben seinem langjährigen Jäger und Diener David Dreidoppel begleitete ihn der Züricher Maler Karl Bodmer (1809–1893), der in Paris studiert hatte und dessen Landschaftsbilder den Prinzen so begeisterten, dass er den damals erst Dreiundzwanzigjährigen sofort einlud, an seiner Reise teilzunehmen.

Im Juli 1832 langte die Forschungsgesellschaft in Boston an. Über New York und Philadelphia reiste sie zu den Niederlassungen der Mährischen Brüder in den Alleghanies, und Wied verbrachte den Herbst mit Jagen und Botanisieren um die Stadt Bethlehem herum. Winterquartier bezog er in Neu Harmony am Wabash, wo ihn eine leichte Cholera zu einem längeren Aufenthalt zwang, als er beabsichtigt hatte. Doch gab es in Neu Harmony, der Ansiedlung einer kommunistischen und zölibatären Sekte, gegründet durch den Württemberger Georg Rapp (1757–1847), eine der hervorragendsten Sammlungen wissenschaftlicher Werke in den Staaten, die der Prinz studierte und mit denen er den Grundstock für sein hervorragendes Wissen über die nordamerikanische Fauna und die Indianer legte.

Im März 1833 erreichten die Forscher St. Louis, wo sie von William Clark empfangen wurden und an einer Verhandlung mit dem gefangen gesetzten Häuptling der Sauk und Fox Black Hawk (1767–1838), der 1832 eine rasch niedergeschlagene Erhebung angeführt hatte, teilnehmen konnten. Hier begann für sie der indianische Westen. Sie bestiegen die »Yellowstone« und fuhren mit ihr bis Fort Pierre. Dort stiegen sie in die »Assiniboin«, das zweite Dampfschiff der Amerikanischen Pelzgesellschaft, um und gelangten damit nach Fort Union. In diesem Fort vertrauten sie sich einer Trappergesellschaft an, die mit einem keelboat nach Fort Mackenzie aufbrach. Am 19. August waren die Forscher in Fort Mackenzie.

Es war eine abenteuerliche Fahrt, voller gewaltiger Eindrücke und gefährlicher Erlebnisse. Der Prinz begann seine Studien im heutigen Nebraska unter den Stämmen der Pawnee, Omaha und Oto. Später trafen die Forscher auf die Dakota-Indianer und im Gebiet von Fort Clarke, das 60 Meilen vom heutigen Bismarck entfernt stromaufwärts gelegen war, die stolzen Mandan. Hier lernte Maximilian den alten Charbonneau kennen, Sacajaweas ehemaligen Mann, der fast schon eine lebendige Legende war und wohl selbst nicht einmal wusste, wie alt er wirklich war. Das schönste Ereignis in Fort Clarke war das Erscheinen von Crow-Indianern, die Maximilian mit vielen Worten pries. Während die deutsche Expedition hier Station machte, befand sich der berühmte Häuptling der Crow, A-ra-poo-ash (Rotten Belly), im Fort, einer der großen Anführer der westlichen Stämme in dieser Zeit; er war ein weit über seinen eigenen Stamm hinaus bekannter Krieger und Zaubermann – 1834 wurde er von Gros Ventre-Indianern erschlagen.

Als die Fahrt weiterging, waren zwei Schwarzfüße an Bord gestiegen, die mit nach Fort Union fahren wollten. Bodmer malte den einen, der andere hätte den jungen Schweizer am liebsten erschlagen. Stürme schüttelten die »Assiniboin« durch und durch, ein Feuer brach aus, das beinahe die Munition in die Luft gesprengt hätte – endlich wurde dann Fort Union erreicht und damit das Land der Cree und Assiniboin, die von dem Prinzen genau studiert wurden.

Der »Kaiser vom Missouri«, wie Mackenzie genannt wurde, war während der Reise ebenfalls an Bord gewesen und hatte Maximilian in jeder Hinsicht unterstützt. Er blieb in Fort Union, Mitchell übernahm die Führung nach Fort Mackenzie, dem gefährlichsten Posten im Indianerland. Hier wohnten nur 35 Menschen. Mitchells Job war der schwierigste im Nordwesten. Die misstrauischen Schwarzfüße konnten sich durch jede Unachtsamkeit oder Ungeschicklichkeit Mitchells provoziert fühlen. Zum Glück befand sich immer noch Berger in dem Fort, in dem sich die deutsche Expedition nun einen Monat aufhielt. Wieds Beschreibung der Schwarzfüße zählt zu den wichtigsten Quellen über diese Indianer.

Um diese Zeit war es im Schwarzfuß-Land nicht geheuer. Ein Jahr vorher war es bei einem der großen »Rendezvous«, der jährlichen Treffen der Trapper, im Pierre’s Hole zu einer schweren Schlacht mit den Schwarzfüßen gekommen; bald danach war Henry Vanderburghs Trappergesellschaft am Jefferson überfallen und er selbst getötet worden; und im vergangenen Winter, Anfang 1833, hatten die Schwarzfüße (oder waren es Arikara?) den legendären Mountain-Man Hugh Glass (geb. ca. 1785) erschossen. Und auch die deutsche Expedition kam in den seltenen, wenn auch zweifelhaften Genuss einer Indianerschlacht am Fort. Am 28. August überfielen etwa 600 Cree und Assiniboin ein Lager der Schwarzfüße, das diese neben dem Fort aufgeschlagen hatten. Mitchell organisierte die Verteidigung, weil er irrtümlich an einen Überfall auf das Fort glaubte, und nahm die fliehenden Schwarzfüße auf. Andere Schwarzfüße griffen in den Kampf ein, schließlich waren sechs Assiniboin und 40 Schwarzfüße tot. Wenig später gelang es Mitchell und Berger erst nach Stunden, einige wildgewordene Schwarzfüße davon abzubringen, das Fort zu belagern oder gar zu stürmen. Aus dem Traum des Prinzen, den Winter zu einem Zug durch die Rockies zu benutzen, konnte also nichts werden. Auf einem in Eile gebauten Boot trat Maximilian am 14. September die Rückreise nach Fort Union an.

Hier hielten sich die Deutschen noch einige Zeit auf und genossen die Gastfreundschaft Mackenzies. Den Winter verbrachten sie in Fort Clarke, wo Wied seine Studien der Mandan und verwandten Stämme wieder aufnahm, die zu den wertvollsten Erkenntnissen über diese interessanten Völker führten. Mit dem Häuptling der Mandan, Mato-tope (Vier Bären, 18001837), der wie Rotten Belly eine der bemerkenswertesten indianischen Persönlichkeiten dieser Zeit war, schlossen Wied und Bodmer nähere Bekanntschaft, Bodmer sogar etwas wie Freundschaft. Karl May hat übrigens Mah-to-toh-pah, wie er bei Catlin heißt und May ihn auch so nennt eine seiner Quelle war das Werk von Catlin als einzigen historischen nordamerikanischen Indianerhäuptling überhaupt in seinem Werk, im ›Sohn des Bärenjägers‹ von 1887, erwähnt.
  

Mato-tope

Mato-tope hält eine Lanze und trägt ein bemaltes und geflochtenes Hemd. Aquatinta von Karl Bodmer.

  
Am Ende des entbehrungsreichen Winteraufenthaltes erkrankte der Prinz, der damals immerhin schon 52 Jahre alt war, schwer an einer Skorbut-artigen Krankheit. Nach seiner Genesung kehrte die Expedition über die Ost-Staaten der USA nach Deutschland zurück. Im August 1834 waren die Forscher zu Hause.

Die Forschungsfahrt zeitigte viele bedeutende Ergebnisse, auch wenn 1835 die »Assiniboin« mit den meisten von Wieds zusammengetragenen Schätzen verbrannte. Wied hatte das Pelzhandelsgebiet kennengelernt, kurz bevor das Interesse an Pelzen erlahmte, vor allem hatte er die Kultur der Indianer dieser Gebiete erforscht, kurz bevor sie unterging. In den Jahren 1837/38 wurden diese Stämme durch Blatternseuchen dezimiert, die Mandan z.B. schmolzen von 1600 Menschen auf 150 zusammen. Mato-Tope, der angeblich seine Freundschaft mit den Weißen verfluchte, starb darüber den freiwilligen Hungertod. Fast alles, was wir über die Kultur der Mandan, Hidatsa, Cree, Assiniboin und Schwarzfüße wissen, verdanken wir dem Prinzen zu Wied. Er hinterließ, als er 1867 starb, große Sammlungen: 400 Arten Säugetiere, 1600 Arten Vögel, 400 Reptilien und Amphibien sowie 500 Fische und dazu bedeutende Reisewerke, die ihm begeistertes Lob aus dem In- und Ausland eintrugen. Nach ihm wurden etwa 50 Pflanzenarten benannt; auch der nordamerikanische Nacktschnabelhäher, im Englischen der Maximilian’s Jay (Gymnorhinus wiedi), oder der brasilianische Baumozelot, die Wiedische Katze (Felis wiedi), tragen seinen Namen.
  

Karl Bodmer

Karl Bodmer, 1877.

  
Ein drittes wichtiges Ergebnis der Expedition waren die Bilder Bodmers, die die ethnographisch und künstlerisch wertvollsten Bilder indianischen Lebens darstellen. Bodmers Bilder erreichten eine hohe Präzision, sie leben durch ihre Farben und übertreffen auch die Bilder des anderen berühmten Indianermalers, nämlich George Catlins (1796–1872), der ein Jahr vorher an den oberen Missouri gekommen war, bei weitem. So sind auch Catlins Landschaftsbilder nicht sehr gut, während Bodmer dem herrlichen Land des oberen Missouri gerecht wurde. Bodmers Gemälde vom Kampf der Indianer bei Fort Mackenzie, das einzige, das ein Augenzeuge von einer Indianerschlacht malte, ist niemals übertroffen worden. Obwohl Bodmer heute vor allem durch seine Indianerbilder bekannt ist, so machte er sich doch auch mit anderen Gemälden einen Namen. Er gehörte der Barbizon-Schule an und wurde Lehrer von bekannten Landschaftsmalern wie Jean-François Millet (1814–1875). Er starb 1893 bei Paris.

Die farbenprächtige Zeit des Handels zwischen weißem und rotem Mann und die romantische Erschließung des Fernen Westens durch rauborstige Einzelgänger gehörten bald der Vergangenheit an. Der Pelzhandel von etwa 1840 bis zum Ausbruch der großen Indianerkriege auf den nördlichen Prärien lebte noch von den Erinnerungen an die großen Tage, aber die Zeiten hatten sich gewandelt. Schon das letzte große Rendezvous der Trapper – 1839 am Green River – war beinahe eine Parodie auf die früheren Treffen. An diesem Rendezvous nahm ein deutsches Greenhorn teil, dessen späteren Darstellungen die Forschung einige wertvolle Erkenntnisse über die ausklingende Trapper-Epoche verdankt. Friedrich Adolph Wislizenus (1810–1889) war Arzt und 1835 mit 25 Jahren aus politischen Gründen aus Deutschland nach Illinois ausgewandert. Im April 1839 schloss er sich am Missouri einer Trappergesellschaft an, die aus lauter ängstlichen und streitsüchtigen Neulingen bestand und unter Führung von Black Harris, einem jener »Männer der Berge« vom alten Kaliber, in die Berge wollte. So kam Wislizenus zum Green River, wo er Gelegenheit hatte, einen der fähigsten »Männer der Berge« kennenzulernen, Francis Ermatinger (1798–1858), einen Agenten der Hudson Bay Company, dessen Großvater um 1770 aus der Schweiz nach Kanada emigriert war. Ermatinger nahm sich der Greenhorns an und brachte sie nach Fort Hall in Idaho. Von hier ritt Wislizenus mit ein paar Kameraden durchs Bärenfluss-Tal zum Brown’s Hole. Unterwegs trafen sie auf eine Trappergesellschaft, die in den Bergen dem Glück vergangener Tage nachjagte. Einer aus der Gesellschaft bot Wislizenus seine Frau, eine Ute-Indianerin, an, deren er überdrüssig geworden war. Vom Brown’s Hole ging es über die Prärien von Laramie nach Süden und auf dem Santa Fe Trail nach St. Louis. In dieser Stadt ließ sich Wislizenus als Arzt nieder und veröffentlichte dort im folgenden Jahr das Buch »Ein Ausflug nach den Felsen-Gebirgen im Jahre 1839«, ein »klassisches Werk der späten Trapperzeit«, wie es trotz mancher Fehler später genannt wurde.

Über ein Jahrzehnt danach, 1851, unternahm noch einmal Herzog Paul von Württemberg eine Expedition in die Hohen Ebenen. Der reiselustige Herzog hatte 1835 ein Buch über seine erste Amerikareise veröffentlicht und vier Jahre danach eine neue Reise angetreten, die ihn zwei Jahre lang durch die Nil-Länder führte. 1840 war er daheim, gönnte sich einige Jahre Ruhe; dann trieb es ihn erneut hinaus in die Ferne. Die Kunde von seinem Vorhaben, eine Expedition in die Rocky Mountains zu führen, kam einem Deutschen zu Ohren, der sich seit kurzer Zeit im Westen aufhielt: Heinrich Balduin Möllhausen. Möllhausen war 1825 auf einem kleinen Gut bei Bonn geboren worden. Sein rastloser Geist hatte ihn nach verschiedenen beruflichen Fehlschlägen 1849 nach Amerika getrieben, wo er in Illinois als Jäger und Gerichtsschreiber lebte. Am Missouri schloss er sich Paul als Reisebegleiter an. Die beiden Männer zogen nach Fort Laramie, einem Posten der Amerikanischen Pelzgesellschaft, der 1834 entstanden und 1849 an die Vereinigten Staaten verkauft worden war und einen wichtigen Punkt am Oregon Trail bildete.

Die Forschungsfahrt der beiden endete bald hinter dem Fort. Es gab Schwierigkeiten mit Indianern, mit Oglala, Kiowa und Pawnee, von denen ihnen die einen ihre Pferde, die anderen ihre Habe raubten; der Wagen des Herzogs blieb im Platte River stecken, und schließlich brach der Winter herein, der zwei Mulis und das letzte Pferd das Leben kostete. Am Zusammenfluss von Sandy Hill Creek und Big Blue River schlugen die Männer krank und erschöpft ihr Lager auf. Zum Glück kam noch eine Postkutsche angerumpelt, mit der Paul mitfuhr; um von der nächsten Missionsstation Hilfe zu senden. Aber der Rettungstrupp kam bei den einsetzenden heftigen Schneefällen nicht durch, Möllhausen wartete vergeblich. Herumstreifende Wölfe musste er aus Hunger töten, und zu guter Letzt hatten es noch zwei Pawnee auf ihn abgesehen. Trotz seiner Schwäche besiegte er die Indianer, es waren die einzigen Indianer, die er tötete. Dennoch wäre er umgekommen, wenn nicht zufällig vorbeigekommene Oto-Indianer ihn gerettet hätten. Die sechs Krieger nahmen Möllhausen im Januar 1852 mit in ihre Dörfer an den Council Bluffs, wo er bald der Liebling des Stammes war und eine glückliche Zeit verlebte. An Paul sandte er eine Botschaft. Die Zeit bis zum Eintreffen der Antwort verbrachte er meist bei den Omaha bei Bellevue. Er teilte das Leben der Indianer, trug ihre Kleidung, ging mit ihnen auf die Jagd, nahm an ihren Spielen teil, lernte Bogenschießen, Anschleichen, Spurenlesen – kurzum, wurde ein richtiger Westmann. Ja, es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte das hübsche Halbblutmädchen Amalie Papin geheiratet und wäre für immer bei den Omaha geblieben. Die Erlebnisse bei den Indianern legten den Grundstock für seine Bedeutung als Forscher wie als Schriftsteller.

Im Frühjahr 1852 aber riss ihn ein Brief des Herzogs aus seinem glücklichen Dasein, und er traf in New Orleans mit Paul zusammen. Während Möllhausen nach Deutschland heimkehrte, begab sich Paul nach Südamerika und wieder nach Nordamerika, wo der rastlose Forscher fast vier weitere Jahre verbrachte. Aber schon 1857 zog es ihn wieder in die Ferne, diesmal nach Australien. 1859 kehrte der Weltenbummler heim. Ein Jahr später beendete er sein unruhiges Wanderleben. Kein anderer Ausländer hat im Wilden Westen Nordamerikas so ausgedehnte Reisen unternommen wie dieser heitere, wohlbeleibte Mann. Allerdings wissen wir nicht viel darüber, da er nur wenig über seine Erfahrungen schrieb. Vor allem aber hatte er keinen Maler in seiner Begleitung, und die besten Erkenntnisse vermittelten über das Land nur solche Forscher, die auch Bilder vorweisen konnten.

Für die Maler, besonders, wenn sie Europäer waren, war es oft schwer, in einer Welt, die durch ihre Landschaft und Bewohner romantisch wirkte, die Augen für die Wirklichkeit noch offen zu halten. Viele Bilder waren stilisiert oder übertrieben romantisch. Daneben lieferten dieselben Maler dann allerdings auch wirklichkeitsgetreue Abbildungen. So stellen die Zeichnungen und Skizzen, die der Berner Rudolph Friedrich Kurz (1818–1871) vom Leben der Trapper verfertigte – er lebte von 1851 bis 1852 in Fort Union – einzigartige Quellen für die Geschichtsforschung dar, die ein Bild der Trapperzeit um 1850 entwerfen will.

Ein ähnlich realistischer Maler wie Bodmer war der Deutsche Carl Wimar, dessen Familie 1839 von Siegburg bei Bonn nach St. Louis zog, als der Junge elf Jahre alt war. Carl war ein scheuer Junge, den das Leben an der Grenze zum Westen faszinierte. Besonders zu den Indianern fühlte er sich hingezogen und beobachtete sie mit stiller Bewunderung, wenn sie den Handelsplatz besuchten. Als er zu einem Dekorateur in die Lehre gegeben wurde, umfasste sein künstlerisches Schaffen phantasievoll alle Themen des Wilden Westens. In seinem Werk holperte er auf unbeholfenen Planwagen über die Prärien, keuchte mit Dampfschiffen den Mississippi empor und teilte das Leben der berittenen Ärzte der Front. Die Erfüllung seiner Träume und Wünsche rückte näher, als ein Freund der Familie dem inzwischen erwachsenen Carl ein fünfjähriges Studium in Düsseldorf ermöglichte. Während seines Deutschlandaufenthalts entstanden viele Bilder Wimars, darunter einige seiner besten wie »Capture of Daniel Boone’s Daughter«, »The Captive Charger« und »Buffalo Hunt by Indians«. Einige Gemälde wurden preisgekrönt, das letztgenannte erhielt ein Lob des Büffelschießers, Scouts und Zirkusmannes »Buffalo Bill« William F. Cody (1846–1917).

Als Wimar 1857 nach Amerika zurückkehrte, hatte sich vieles verändert. Die Indianer kamen nicht mehr zum Handel nach St. Louis. So entschloss sich Wimar, seine Freunde selber aufzusuchen. Auf Dampfschiffen der Amerikanischen Pelzgesellschaft unternahm er drei Reisen zu den Handelsposten am Yellowstone und Missouri. Dabei besuchte er die Crow, Yankton, Brulé, Ponca und den unglücklichen Rest der Mandan. Er machte Skizzen und Zeichnungen und vollendete sie im Winter zu Gemälden. Seine Freundlichkeit gewann ihm das Vertrauen und die Freundschaft der Indianer, die ihn beinahe als einen der ihren betrachteten. Sie überhäuften ihn mit Kostümen, Waffen, Gerätschaften und Schmuck; und Wimar studierte all dies genau, um es exakt malen zu können.

Viele Grenzer und selbst Indianer hielten Wimar für einen Indianer, wenn er sich in ihrem Lager aufhielt. Seine Backenknochen traten merklich hervor, seine Haut war straff, straff war auch sein langes, schwarzes Haar. Er hatte sich den wiegenden Gang der Indianer angewöhnt, und wie bei Zeisberger kam auch bei ihm der Zeitpunkt, da er schließlich mehr als Indianer fühlte und dachte denn als Weißer.

Der »deutsche Indianer« starb 1862. Seine Bilder zählen ebenfalls zu den wichtigsten ethnologischen Quellen von der Kultur der Prärie-Indianer. Er hatte noch einmal eine Zeit beschworen – versucht, sie noch einmal lebendig zu machen –, die schon der Vergangenheit angehörte. Die Kultur der Prärie-Indianer hatte ihren Höhepunkt bereits überschritten, längst war auf den Hohen Ebenen der Kampf zwischen Weiß und Rot entbrannt.

   


    

Der Zug der Tränen

Karl Mays Väter – Die Geschichte der Deutschen im Wilden Westen