Kulturkritik im "Oelprinz"

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rodger
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Kulturkritik im "Oelprinz"

Beitrag von rodger »

In der "Jugenderzählung" DER OELPRINZ finden sich erstaunlich aktuell anmutende Zeilen, die sich, ebenso erstaunlich, selbst in der Bamberger Ausgabe wiederfinden (von den üblichen geringfügigen stilistischen Verschlechterungen abgesehen), da war der Bearbeiter wohl mal unaufmerksam, bei den sogenannten Jugenderzählungen hat man ja sonst schon mal seitenweise mit der ganz großen Schere gekürzt, und gesellschaftskritische Stellen standen mit ganz vorn auf der Streichliste. -

Die Westmänner vom alten Schrote und Korne - leider ist diese Sorte bis auf wenige, die man zählen kann, jetzt ausgestorben - waren ganz andre Menschen als das Gesindel, welches nach ihnen kam. Unter dem Ausdrucke Gesindel sind hier nicht etwa nur moralisch verkommene Menschen gemeint; dieses Wort hat hier eine andre als die gewöhnliche Bedeutung. Wenn ein Millionär, ein Bankier, ein Offizier, ein Advokat, meinetwegen auch der Präsident der Vereinigten Staaten selbst, nach dem Westen geht, ausgerüstet mit den jetzigen massenmörderischen Waffen, ängstlich behütet und bewacht von einer zahlreichen Begleitung, damit ihm ja keine Mücke in die Hühneraugen beißt, und von einem sicheren Standorte aus das Wild zu hundert Exemplaren niederknallt, ohne dessen Fleisch gegen den Hunger zu gebrauchen, so wird dieser hohe und vornehme Herr von dem wirklichen Westmann eben zum »Rabble«, zum Gesindel gerechnet. […]

Im Nationalparke droben »hegt« oder »schont« man jetzt einige Büffel; hier oder da kann man in irgend einem zoologischen Garten noch einen einzelnen sehen; aber in der Prairie, welche sie früher zu Millionen bevölkerten, sind sie ausgestorben; der Indianer verhungert körperlich und moralisch, und einen wirklichen, echten Westmann sieht man nur noch in Bilderbüchern. Daran ist das schuld, was der Trapper, der Squatter »Gesindel« nennt.
[Karl Mays Werke: Der Oelprinz, S. 27/28. Digitale Bibliothek Band 77: Karl Mays Werke, S. 39859 (vgl. KMW-III.6-247:2, S. 18/19)]
Thomas Schwettmann

Der Ich-Erzähler im "Oil Prince"

Beitrag von Thomas Schwettmann »

Hallo zusammen!

Zur Zeit lese ich ausnahmsweise nicht nur ein paar Textzauszüge sondern auch mal wieder einen ganzen Roman Mays. Allerdings ist meine 'Ölprinz'-Lektüre kein unbearbeitetes Original, sondern die englische Ausgabe 'The Oil Prince'. Und obwohl das Lesen dieses May-Romans 'a lot of fun' ist, fragt man sich doch kopfschüttelnd, warum Übersetzer Herbert Windolf nach der Ausgabe des KMV gearbeitet hat und - was noch idiotischer ist - dazu noch nach der alten Version, in welcher der Ölprinz am Ende skalpiert wird.

Und so muß der 'Oil Prince'-Leser dann etwa auch anfangs auf Butlers "Perückenprobe" verzichten, da der Schurke bei May im Gegensatz zu der Bamberger Bearbeitung durchaus das 'Kleeblatt' zunächst im Verdacht hat, das zu sein, welche es wirklich ist, nämlich das 'Kleeblatt'. Allerdings glaubt der Anführer der Finders dabei, daß Will Parker einst skalpiert worden sei, und testet deshalb nicht Sam Hawkens Haarschopf, sondern nur den von Stone und Parker.

Was mich bei der Lektüre aber wirklich frappierte, war, daß ich im 'Oil Prince' an einer Stelle seltsamerweise einem Ich-Erzähler begegnete: for all I care, even the President of the United States himself. An ein 'Ich' im "Oelprinz" konnte ich mich wirklich nicht erinnern, und hätte es erst recht nicht in einer KMV-Fassung für möglich befunden, hat man doch z.B. aus den 'Schwarzen Mustang' die analoge 'Ich'-Stelle Ich selbst habe wie oft mit weißen Jägern und roten Männern beisammengessen, welche behaupteten (...) und in der 'Halbblut'-Ausgabe durch die neutrale Formulierung Zahlreiche weiße Jäger und rote Männern haben behauptet (...) ersetzt (was so auch noch für die neue, revidierte Version gilt).

Des Rätsels Lösung ist oben in Rüdigers Textzitat zu finden, bei Mays Originaltext wie auch in der Bearbeitung heißt es dort nämlich etwas weniger auffällig: meinetwegen auch der Präsident der Vereinigten Staaten selbst. Karl May erlaubte sich demnach also nicht nur beim 'Mustang' sondern auch schon beim 'Ölprinz' eine kleine Abweichung vom ansonsten streng unpersöhnlichen Erzähler.

By the way, in der 'WSU Press' ist ja außerdem eine 'Winnetou'-Ausgabe (translated and abridged [!] by David Koblick) erschienen. Ein kleiner Ritt durchs Internet führt zu der Erkenntnis, daß es sich um eine gekürzte Übersetzung des ersten Bandes handelt, ob sich Koblick dabei ebenfalls an der KMV-Bearbeitung oder an der Fehsenfeld-Ausgabe orientierte, konnte ich aber nicht herausbringen. Weiß da jemand etwas näherers? So wie sich die Sachlage bislang für mich darstellt, gibt es eigentlich kein Grund, weshalb ich mir die Kolbick-Übersetzung zulegen sollte, da das Niveau der Ausgabe keinerlei Verbesserung gegenüber dem nach dem KMV-Text übersetzten "Winnetou" von Michael Shaw zu sein scheint und es ja zudem noch die reizvolle Textfassung von Marion Ames Taggart gibt.

Viele Grüße,
Thomas
Grafenberg
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Beitrag von Grafenberg »

Koblick hat aus dem Winnetou nur die Stellen übersetzt und so in einen neuen Zusammenhang gebracht, dass es als eine Art 'Western' für US-Bürger annehmbar sein könnte. Dadurch ist auch nicht feststellbar, welche Ausgabe er zum Übersetzen benutzt hat.
Der einzige Vorteil des Buches könnte sein, er hat den Namen Winnetou und Karl May in den USA ein klein wenig verbreitet.

viele Grüße
Thomas Grafenberg
AFKM

Koblick Uebersetzung

Beitrag von AFKM »

Koblick Uebersetzung von Winnetou [1] ist von einer 1892 original Buchausgabe.
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