Eine Entgegnung zu Hainer Plaul

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H. Mischnick
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Eine Entgegnung zu Hainer Plaul

Beitrag von H. Mischnick »

In seinem jüngsten Artikel zu Karl Mays möglichem Großvater stellt Hainer Plaul in den Karl-May-Haus-Informationen 38, S. 10–14, erschienen Februar 2023, einige Thesen auf, die einer Entgegnung und Korrektur bedürfen. Eine Darstellung ist sogar sachlich falsch und hätte eigentlich der Redaktion schon vor der Drucklegung auffallen müssen.

Die von Plaul angegebene Lebensspanne des Gottlob Vogel, 1743 bis 1788, ist zwar korrekt, sachlich falsch ist aber der auf dessen Sohn Christian Traugott bezogene Satzteil „Wahrscheinlich hat er schon im Schüleralter wie damals üblich als Spulkind mithelfen müssen und ist vom Vater Schritt für Schritt mit der Weberei vertraut gemacht worden.“ Das konnte definitiv nicht geschehen. Der Vater, am 25. 4. 1743 zur Welt gekommen, starb exakt am 14. 12. 1788. Christian Traugott, sein zweiter Sohn, wurde bekanntlich am 14. 3. 1783 geboren, und somit ist der Vater gestorben, bevor der Sohn, wenn überhaupt, da Schulbesuch seinerzeit zwar erwünscht, aber noch nicht Pflicht war, eingeschult werden konnte.

In der Abhandlung nicht vorhanden ist das zweite sehr traurige Erlebnis des Halbwaisen und seiner beiden Brüder, denn am 2. 4. 1795, als Christian Traugott gerade einmal 12 Jahre alt war, ist seine Mutter Johanna Rosina geborene Schäfer gestorben, und die Brüder waren nun Vollwaisen. Am 12. 5. 1796 verkauften die drei unmündigen Brüder Friedrich Gottlob, der Textorgeselle war, Christian Traugott und Christian Lebrecht, vertreten durch ihre Vormunde, ihr Elternhaus in Mülsen St. Jacob, das der Vater am 4. 7. 1775 von den Lippoldischen Erben erworben hatte, an den Fleischhauer Christoph Friedrich Austel um 145 Gulden. Der Kaufvertrag besagt, dass die Brüder nur im Falle der Dienstlosigkeit oder Krankheit, sofern noch nicht verheiratet, für zwei bis vier Wochen Obdach im einstigen Elternhaus erhoffen durften. Ihnen blieb also nur übrig, bei Vormund, Onkel oder Lehrmeister Quartier zu haben und dafür zu bezahlen. Die 145 Gulden wurden benötigt, um dem Ältesten die weitere Lehre, den beiden Jüngeren die gesamte, zu finanzieren, für Kleidung, Nahrung und Logis und später bei der nicht kostenlosen Erlangung der Meisterwürde einen finanziellen Grundstock zu haben. Bei wem und wo Christian Traugott lernte, wohl beim Vormund oder dem Onkel, liegt im Dunkeln. Rein rechnerisch dürfte seine Lehre von 1797 bis 1800 gewährt haben, wonach er drei Jahre bis 1803 wandern musste, immer im Wissen, bei der Rückkehr die Eltern nicht mehr vorzufinden und dass das Elternhaus in fremden Händen war. Zudem war er bis zum 14. 3. 1804 noch nicht volljährig, konnte seinen Aufenthaltsort bis dahin nicht frei wählen.

Plaul postuliert, dass Christian Traugott Anfang zwanzig war, als er Johanne Christiane, „der einstigen Besucherin, ... die ihrem verwitweten Großvater zur Hand ging, wiederbegegnete.“ Auch das ist nicht korrekt. Hainer Plaul scheint über keinen Internetzugang zu verfügen, nichtsdestotrotz hätte man ihm im Wissen, dass er genealogisch zu Familien in Mülsen St. Jacob forscht, nach einer Internetrecherche darauf aufmerksam machen können, dass man wegen Daten zu diesem Ort im betreffenden Zeitraum nicht mehr mühsame Anfragen an Pfarrämter und Archive starten muss, sondern das gedruckt vorliegende Ortsfamilienbuch für Mülsen St. Jacob und Mülsen St. Niclas, erarbeitet von Jörg Tauscher, konsultieren kann. Dadurch wäre dann klar geworden, dass der voreheliche Carl Friedrich Kretzschmar nicht das einzige Kind seiner Eltern war, sondern beim Tode der Mutter am 22. 4. 1784 mindestens fünf Töchter vorhanden waren, geboren 1768, 1771, 1774, 1776, 1780, die der im Berufsleben stehende Vater nicht auf die Dauer allein erziehen konnte. Für eine 1782 getaufte Tochter scheinen weitere Daten zu fehlen. Und so heiratete er am 15. 1. 1786 Maria Christina Schwalbe, geboren 18. 2. 1750, die seinerzeit knapp 36 Jahre zählende Tochter seines Berufskollegen Gottfried Schwalbe, also nur 10 Jahre älter als ihr Stiefsohn. Sie überlebte die meisten ihrer Stiefkinder und starb am 5. 7. 1829. Carl Friedrich Kretzschmar brauchte also seine Tochter in den 1790er Jahren nicht zur Hilfeleistung in sein Elternhaus zu schicken, da sein Vater seinerzeit nicht mehr Witwer war.

Plaul bezeichnet Mülsen St. Jacob als einen „kleinen, überschaubaren Ort“. Dieser ist jedoch ein langgezogenes Straßendorf, während für Ernstthal eher der Fachterminus Haufendorf verwendbar wäre. Im Ort waren schon 1750 über 150 Haushaltungen vorhanden – da kannte man einander nicht automatisch, sah einander am ehesten beim Kirchgang, bei dem aber wohl traditionell Männlein und Weiblein getrennt saßen, und die Kretzschmar zählten nicht zu den Vogelschen Nachbarn, die 1796 Gräser, Schäfer, was auch der Mädchenname der Mutter war, und Brunner hießen.

Ob Christian Traugott wirklich auf die Erlangung des nicht kostenlos erlangbaren Bürgerrechts in Ernstthal verzichtete, ist fraglich. Das als Bürgerbuch bekannte Dokument ist in Tabellenform geführt und erstreckt sich in immer gleichem Aussehen über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren. Das Buch erweckt den Eindruck, dass frühere Einträge irgendwann in feste Form gepresst wurden, hat meist bis auf die letzte Spalte über sehr viele Jahre hinweg den gleichen Schreiber, der Duktus unterscheidet sich nur durch unterstrichene oder nicht unterstrichene Familiennamen, und viele Jahre sind unvollständig oder fehlen wie 1814 komplett. Diesen Wissenstand, hier nehme ich Plaul in Schutz, kann man aber nur bei ausführlichem Studium der im Internet einsehbaren Quelle erlangen.

Bezüglich des Taufeintrags weise ich darauf hin, dass dieser, in Heft 37 der Karl-May-Haus-Informationen wiedergegeben, direkt Heinrich August als „1stes unehel. Kind“ benennt. Dem Knaben konnte somit nicht automatisch der Familienname May beigelegt werden. Und dass Christian Friedrich May überhaupt zur Taufe erschien, darf bezweifelt werden. Was geschehen war, hat mit gewisser Wahrscheinlichkeit schon vorher Frau Fama, wie sich Karl May ausgedrückt hätte, dem Herrn Pfarrer zugetragen. Und warum hätte Johanne Christiane auch nach dem Tod des Christian Traugott seine Vaterschaft leugnen sollen? Warum ist keinem der Söhne von Heinrich August der Vornamensteil Christian beigelegt worden? Dass Vogel eben nicht mit größter Wahrscheinlichkeit als Vater in Frage kommt, wie von Plaul als Tatsache postuliert, habe ich bereits detailliert dargelegt in:

https://www.reisen-zu-karl-may.de/forschung/ahnen2.html
Roger
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Re: Eine Entgegnung zu Hainer Plaul

Beitrag von Roger »

Ja, es wurde ja "immer" schon spekuliert über Vogel als möglicher Vater Heinrich August Mays, habe mich aber gleich gewundert, dass die Vaterschaft jetzt auf einmal als Tatsache vorgesetellt wurde. Ich dachte schon, ich hätte etwas verpasst. :roll:
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