Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Hermann Wohlgschaft
Beiträge: 1028
Registriert: 20.6.2004, 20:59
Wohnort: Günzburg

Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von Hermann Wohlgschaft »

Die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin hat soeben einen Sammelband über "Karl May und die Religion" herausgebracht. Margot Käßmann hat das Geleitwort verfasst. Die Beiträge stammen von evangelischen und katholischen Theologen, auch KMG-Mitglieder gehören zu den Autoren, z.B. Johannes Zeilinger, Diethard Sawicki, Ralf Harder und ich.
Rene Grießbach
Beiträge: 505
Registriert: 2.9.2007, 12:21
Wohnort: Dresden

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von Rene Grießbach »

Zunächst mal Danke für den Hinweis, ohne den zumindest an mir das Wissen um die Existenz der Broschüre vorbeigegangen wäre. Und wieder, nach dem Nscho-Tschi-Band, ein Büchlein, das ein interessantes Thema behandelt (zugegebenermaßen nicht zum ersten mal, dass das Thema dran ist, ich denke da an den KMV-Band "Zwischen Himmel und Hölle").

Ich habe noch nicht allzu viel darin gelesen, aber zu ein paar der Dinge, die da drin stehen, will ich mich hier im Forum äußern (auch wenn ich derzeit aus persönlichen Gründen nicht den Fleiß von Rodger im Nscho-Tschi-Thread entwickeln kann).

Wirklich gut geschrieben ist das Geleitwort von Margot Käßmann, schön beschrieben ihre (und nicht nur ihre) Erfahrungen mit der Illusion, die die Werke Kal Mays erweckten - und die Filme nach Karl May: ""Der Schatz im Silbersee" war 1964 wohl der erste Film, den ich (...) im Kino gesehen habe" (S.3) - und die spätere Desillusionierung, als sie die USA bereiste. Sie beschreibt, wie sie dachte
"... jeder dort kennt Winnetou und Old Shatterhand. Aber nein, die hatten keine Ahnung, welch wunderbare Abenteuer sich in ihrem Land abgespielt hatten! Die Indianer, die ich dann kennenlernte, waren eher trauige Gestalten und sahen nicht aus wie Nscho-Tschi und Winnetou ..." (S. 4)


Ebenso schhön geschrieben die Einleitung, die mit den Worten: "Der Mann ist ein Phänomen in der deutschsprachigen Literatur ..." (S.5) beginnt.

Beim Lesen dieser Einleitung dachte ich wieder mal an die nicht unberechtigten Kritiken vieler an den Verfilmungen, an Freilichtaufführungen, an die Karl-May-Festtage in Radebeul, an die bearbeiteten KMV-Texte usw., als ich hier auf Seite 5 las:
"Und auch da, wo seine Romane nicht mehr gelesen werden, haben sich Bilder, Namen und Begriffe in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. (...) Die Welt des Karl May (...) prägt unsere Vorstellung bis heute."
Das zeigt in Kurzform auf, dass Karl May lebt --- und bestätigt eigentlich nur all jene unter uns in ihrem bemühen, weiter dafür zu kämpfen, dass Karl May (wieder) mehr gelesen gelesen wird - und das möglichst in der originalen Textfassung.

In der Einleitung der Herausgeber Heiko Ehrhardt und Friedmann Eißler steht dann weiter:
"Karl May hat mit seinen Büchern, wie auch immer sie "literarisch" zu bewerten sind, Meinung gebildet und Anschauung geprägt. Dies gilt neben der Welt der Indianer und des "Wilden Westens" in besonderem Maße mit Blick auf den Islam." (S. 7)
Ich kann hier nur für mich sprechen, aber ich gebe den Autoren hierin recht. Insofern, dass da Anschauungen geprägt wurden, die aber zumindest mich dazu bewegten, mich mit der realen Welt des Islam sehr eingehend zu beschäftigen - und das nun seit sehr vielen Jahren bis heute.

Weiter gehts mit einem kurzen Abriss der Biografie Karl Mays von Ralf Harder und es verdient Anerkennung, wie es ihm gelungen ist, auf zehn Seiten diese Biografie umfassend darzustellen.

Zum nächsten Beitrag äußere ich mich gleich im Anschluß an diese Zeilen gesondert, sonst wird der Eintrag zu lang. ;-)
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 6992
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von rodger »

Rene Grießbach hat geschrieben:""Der Schatz im Silbersee" war 1964 wohl der erste Film, den ich (...) im Kino gesehen habe" (S.3) - und die spätere Desillusionierung, als sie die USA bereiste. Sie beschreibt, wie sie dachte
"... jeder dort kennt Winnetou und Old Shatterhand. Aber nein, die hatten keine Ahnung, welch wunderbare Abenteuer sich in ihrem Land abgespielt hatten! Die Indianer, die ich dann kennenlernte, waren eher trauige Gestalten und sahen nicht aus wie Nscho-Tschi und Winnetou ..." (S. 4)
Welch eine stolze, schöne Erscheinung war er früher, als er, von der Mähne seines Mustangs umweht, über die weite Savanne flog, und wie elend und verkommen sieht er jetzt aus in den Fetzen, welche nicht seine Blöße decken können! Er, der in überstrotzender Kraft einst dem schrecklichen grauen Bären mit den Fäusten zu Leibe ging, schleicht jetzt wie ein räudiger Hund in den Winkeln umher
steht schon bei May (in der Einleitung zu Winnetou I).

Wenn Frau Käßmann den Film "Der Schatz im Silbersee" bzw. die fatale Hochglanzästhetik dieser Filme überhaupt mit Karl May gleichsetzt und die Bücher vielleicht nur oberflächlich gelesen hat, muß sie sich bzw. müssen wir uns nicht wundern ...
Benutzeravatar
Helmut
Beiträge: 888
Registriert: 13.11.2004, 12:50
Wohnort: Nürnberg

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von Helmut »

Ich bin auch gerade beim Lesen dieser Broschüre, und bin da z.T. zu anderen Ansichten gelangt.

Bei den ersten 3 Absätzen gebe ich Dir Rene voll recht.
Die Einleitung scheint mir allerdings doch etwas zu einfach schwarz/weiß gestrickt. Ich meine die Autoren sind da einfach zu sehr an der Oberfläche hängen geblieben.
Auch ist einfach falsch bei May einfach durchgehend nur zwei unterschiedliche Charaktere (Gut und Böse) zu konstatieren; nein May war da häufig auch wohltuend differenzierter.
(Und dann auch noch die "Tosa-Ausgabe" zu zitieren, das ist wohl für eine Abhandlung mit dem Anspruch völlig ungeeignet.)

Auch der erste Artikel von Heiko Erhardt scheint mir doch einfach zu sehr bei Oberflächlichem hängen geblieben zu sein. Auch sind die unterschiedlichen Entstehungszeiten der einzelnen Geschichten nicht genügend berücksichtigt.

Beim nächsten Beitrag über "Surehand" und "Friede", den sich ja wohl zwei Autoren teilten, und so ist auch mein Eindruck. Auch das über "Surehand" bleibt meiner Meinung nach zu sehr an der Oberfläche. Man muss da wohl, um dem gerecht zu werden, in die Betrachtung mit einbeziehen, was während der Entstehungszeit alles bei May geschehen ist, z.B. der Tod seiner Mutter, der Schlaganfall seines Vaters, und all dies hat ja Niederschlag in diesem Buch gefunden. So kann man ja beim Lesen den Bruch zwischen dem ersten und den dritten Band direkt spüren (auch schon deshalb sollte man beim Lesen keinesfalls den zweiten Band auslassen).
Der Teil allerdings über "Und Friede auf Erden!" ist - meiner Meinung nach - einfach großartig gelungen.

Helmut
Benutzeravatar
Helmut
Beiträge: 888
Registriert: 13.11.2004, 12:50
Wohnort: Nürnberg

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von Helmut »

Und, lieber Rüdiger, für ein "Geleitwort" sollte man nun wirklich keine hohen Ansprüche stellen.
(Es gibt da (wesentlich) Schlimmeres!)

Helmut
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 6992
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von rodger »

Helmut hat geschrieben:Ich meine die Autoren sind da einfach zu sehr an der Oberfläche hängen geblieben.
Nach schlechtem Brauch und alter Sitt' ... Man mag solches manchmal wirklich nicht mehr lesen. Das May-Jahr 2012 hat bei mir dazu geführt, tatsächlich nicht mehr alles zu lesen was über ihn so verzapft wird ...
Auch ist einfach falsch bei May einfach durchgehend nur zwei unterschiedliche Charaktere (Gut und Böse) zu konstatieren; nein May war da häufig auch wohltuend differenzierter.
Ich las heute bei Thomas Mann (im "Zauberberg") einen Satz, sinngemäß in etwa: die wirkliche Menschlichkeit fängt da erst an, wo sie in den Augen der Begriffsstutzigen aufhört ... Dabei mußte ich umgehend an Karl May denken und jetzt an dieser Stelle wieder an den Satz von heute vormittag ...
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 6992
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von rodger »

Helmut hat geschrieben:Und, lieber Rüdiger, für ein "Geleitwort" sollte man nun wirklich keine hohen Ansprüche stellen.
(Es gibt da (wesentlich) Schlimmeres!)
Es gibt Schlimmeres, in der Tat ...

Aber Geleitwort oder nicht das bleibt sich gleich, wenn Käs' geschrieben wird, geb' ich Laut ...

:D

(Nicht immer. Und auch nicht mehr immer öfter ...)
Benutzeravatar
Helmut
Beiträge: 888
Registriert: 13.11.2004, 12:50
Wohnort: Nürnberg

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von Helmut »

Solche Sammelbände haben zum Glück die Eigenschaft öfters auch wohltuend gute Beiträge zu umfassen; so auch hier. (Näheres sicher später)

Helmut
Rene Grießbach
Beiträge: 505
Registriert: 2.9.2007, 12:21
Wohnort: Dresden

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von Rene Grießbach »

Zum Beitrag von Heiko Ehrhardt

„ „Winnetou ist ein Christ“ Überlegungen zum Christlichen im Werk Karl Mays“

Selten ging es mir, vor allem in solchen relativ kurzen Texten wie in diesem Büchlein, so, dass ich in einem Text so viel Dinge, denen meine Zustimmung gehört und gleichzeitig einige Dinge, die bei mir auf gründlichen Widerspruch stoßen, gefunden habe.

Ehrhardt möchte in seinem Text „... die Frage (…) klären, ob das Christliche im Werk Karl Mays den Erwartungen seiner Leser geschuldet ist oder ob dahinter ernster, persönlicher Glaube steht“ (S.22)
Er tut das anhand mehrerer Figuren in Mays Werk.

Anhand der Geschichte um den „Ruh 'ikulyan“ in „Durchs wilde Kurdistan“ kommt er zu der zutreffenden Einschätzung:
„Entscheidend ist die gelebte Tat – nicht das gepredigte Wort. Mission also geschieht in diesem Fall durch Güte, Toleranz und das Vorbild gelebten Glaubens. Ein Verständnis von Mission, das durchaus quer zu vielen zeitgenössischen Verständnissen steht, dem wir aber gleichwohl bei May immer wieder begegnen. (S. 25)

In dem Winnetou gewidmeten Unterkapitel kommt Ehrhardt bei der Klekih-petra Geschichte und dessen Vergangenheit in Deutschland (Revolution 1848) zu dem Schluß:
„In diesem pauschalen Negativurteil über die Revolution von 1848 äußert sich ein konservativer politischer Zug bei Karl May, der sein ganzes Leben prägte.“ (S.27.
Das sehe ich persönlich nicht ganz so. Im Großteil der Werke Mays mag das zum Ausdruck kommen, in Romanen wie „Und Friede auf Erden!“ oder „Ardistan und Dschinnistan“ m.E. nicht. Da macht er sich schon Gedanken um alternative (wenn auch utopische) Gesellschaftsformen.

Überhaupt nicht mitgehen kann ich bei der Sichtweise des Autors, wenn er auf Seite 27 in einer Fußnote festhält:
„Karl Mays Ausführungen zur roten Rasse als „sterbender Rasse“ (…) sind unverhohlen rassistisch.“ Und auch wenn er in der Fußnote weiterschreibt: „Mays Rassismus ist daher nicht dazu angetan, gewalttätiger Vernichtung Argumente zu liefern. Und das „Recht zu existieren, nicht weniger als der Weiße“, gesteht Karl May der roten Rasse ausdrücklich zu.“ - bin ich weiterhin der Meinung, dass Karl Mays Ausführungen NICHT rassistisch sind.


Besonders mein Interesse erregt hat das Unterkapitel, das sich mit Old Wabble beschäftigt.
Der Autor beginnt mit der Szene, in der Wabble, als „spöttischer Atheist“ (S. 32) beim nächtlichen Ritt durch die Wüste, im Gespräch mit Old Shatterhand mit „Facts“ argumentiert.
„Dass Old Wabble dann im Folgenden die christlichen Grundlehren ablehnt, ist an sich nur konsequent. Dass aber Old Shatterhand im Gegenzug zur Verteidigung des Glaubens nicht viel mehr aufzubieten hat, als die Drohung mit dem Tag des Todes, dem Tag des Gerichts, führt Old Wabble dann dazu, mit einem „Old Wabble wird niemals ein frommes Lämmchen sein; it´s clear“ zu schließen.“ (S. 33)

Ich sehe das ähnlich. Old Wabble erweist sich mit seinen Facts als Materialist, auch wenn seine Facts in der Mehrzahl kritikwürdig bis falsch sind. Und interessant ist, dass Old Shatterhand dieser materialistischen Sichtweise tatsächlich keine Argumente entgegenzusetzen hat als die Drohung mit dem Tag des Todes.

Ehrhardt kommt dann zur Szene der Bekehrung Wabbles, die er passenderweise als „ebenso ergreifend, wie sie holzschnittartig roh ist“ (S. 34) charakterisiert.
Die Szene, in der „... Old Wabble noch an den Ort transportiert (wird), an dem bereits seine getöteten Kumpane liegen und an dem auch er sein Grab finden wird.“ (S. 34) bezeichnet Ehrhardt passenderweise als „... wirklich abstoßend brachiale Methode“ (ebd.)

Schließlich endet das Kapitel mit den Worten: „Trotzdem ist hier die Kombination von perverser Brutalität, seelischer Nötigung, Gebet und fast rituell gestalteter Bekehrung auf eine bizarre Weise herausragend. Bekehrt werden mag man so nicht. (…)“ (ebd.)
Bis auf die wohl etwas überspitze Formulierung „ perverser Brutalität“ findet das meine Zustimmung und wenn ich in vergleichbarer Weise vor wenigen Monaten in dem damals diskutierten „Old Surehand“-Thread davon abgesehen hatte, mich genau dazu zu äußern, dann deshalb, weil es mir zu dem Zeitpunkt zu provokatorisch erschien. ;-)

Nachdem Heiko Ehrhardt in den ersten Unterkapiteln von der „... brachiale(n) Bekehrung des reuigen Sünders Old Wabble, der fast an Ikonografie grenzende Tod Winnetous und die eher beiläufig (…) geschilderte Bekehrung Halef Omars ...“ (S.35) berichtete, kommt er zu der Einschätzung, dass es sich hier um Personen handelt, „... mit denen sich der Leser im Grunde nicht identifizieren kann. Denn die Leser Karl Mays sind keine Apachenhäuptlinge, keine gläubigen Muslime und auch keine reuigen Erzschurken.“ (ebd.)
Abgesehen davon, dass es dem Autor wohl schwer wäre zu beweisen, dass unter den Lesern Mays keine gläubigen Muslime sind, sehe ich das auch mit der Identifikationsmöglichkeit anders.
Winnetou ist eigentlich der einzige, mit dem ich mich nie identifizieren konnte. Sowohl Halef als auch Wabble haben jedoch sehr wohl Identifikationspotential, natürlich niemals 100%iges.

In den zwei weiteren Unterkapiteln setzt sich Ehrhardt mit Carpio und Hiller sowie einigen Schurkengestalten auseinander. Eine Besprechung dieser zwei Kapitel unterlasse ich hier um zum Schlußkapitel zu kommen:

Interessant ist hier schon die Überschrift, interessant und provokatorisch (im positiven Sinne):
„ „Winnetou ist ein Christ“ - und Karl May?“ (S.38)
Der Autor will hier die Frage nach „... dem „Christlichen“ im Werke Karl Mays und nach seiner persönlichen Gläubigkeit von seinen Werken her (…) klären.“ (ebd.)
Er kommt zum Schluß, „... dass der christliche Glaube für Karl May zentral wichtig war.“ (S.40)
Um dann in Bezug auf das Glaubensbekenntnis Karl Mays von 1906 festzustellen, dass „... man einzelne Aussagen des Bekenntnisses hinterfragen kann ...“ (ebd.)

Mays Glaubensbekenntnis war für mich immer eine Widerspiegelung seines persönlichen Glaubens.
Inwieweit dieser 100 %ig mit irgendwelchen konfessionsgebundenen Dogmen übereinstimmt, weiß ich nicht und ist für mich auch nicht wichtig. Mich weiter dazu zu äußern, verbietet mir allerdings meine Eigenschaft als Atheist.
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 6992
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von rodger »

Rene Grießbach hat geschrieben: Ehrhardt möchte in seinem Text „... die Frage (…) klären, ob das Christliche im Werk Karl Mays den Erwartungen seiner Leser geschuldet ist oder ob dahinter ernster, persönlicher Glaube steht“ (S.22)
Teis teils. Es gibt Konzessionen an "Hausschatz" und Marienkalender, und es gibt Authentisches ... Das immer auseinanderzuhalten ist nicht leicht und in wissenschaftlicher Form nicht möglich ...
„In diesem pauschalen Negativurteil über die Revolution von 1848 äußert sich ein konservativer politischer Zug bei Karl May, der sein ganzes Leben prägte.“ (S.27.
Das sehe ich persönlich nicht ganz so. Im Großteil der Werke Mays mag das zum Ausdruck kommen, in Romanen wie „Und Friede auf Erden!“ oder „Ardistan und Dschinnistan“ m.E. nicht. Da macht er sich schon Gedanken um alternative (wenn auch utopische) Gesellschaftsformen.
Ein Zug, hieß es ... (da fällt mir natürlich der "altfränkische" solche wieder ein, über den wir vor Jahren in ich glaube einem anderen Forum kommunizierten ... [Und die singulären Ausführungen von Herrn Klages.] Paßt sogar.) Ein Anteil. Was eben nicht heißt daß er nicht auch andere, gegenläufige, in sich hatte ...
Überhaupt nicht mitgehen kann ich bei der Sichtweise des Autors, wenn er auf Seite 27 in einer Fußnote festhält:
„Karl Mays Ausführungen zur roten Rasse als „sterbender Rasse“ (…) sind unverhohlen rassistisch.“
Naja ... Sie sind nicht ausschließlich rassistisch und sonst nichts, aber Elemente, die man "rassistisch" nennen mag, spielen schon hinein ...
interessant ist, dass Old Shatterhand dieser materialistischen Sichtweise tatsächlich keine Argumente entgegenzusetzen hat als die Drohung mit dem Tag des Todes.
"Es wird Euch, wie die heilige Schrift sagt, schwer werden, gegen den Stachel zu lecken, und ich sehe es kommen, daß der Herrgott Euch einen Fact entgegenschleudern wird, an welchem Ihr zerschellen müßt wie ein dünnes Kanoe am Felsenrande", sagt Old Shatterhand, damit muß nicht der Tag des Todes gemeint sein. Schon vorher im Leben kann sich zeigen daß Hybris schlicht und ergreifend sozusagen einfach nicht mehr funktioniert ...
„... wirklich abstoßend brachiale Methode“
Bequem ist es nicht, in der Tat ... aber ein Versuch durch Konfrontation den Mann vielleicht doch noch zu "knacken" ... ihm zuliebe ...
die eher beiläufig (…) geschilderte Bekehrung Halef Omars
Manche haben sie gar nicht mitbekommen ...

8)

Dabei ist es gar nicht so beiläufig. Vor allem wird es recht oft erwähnt. Seit ich im Fernsehen mal gehört habe, er sei gar nicht bekehrt worden, habe ich schätzungsweise so ein knappes Dutzend Mal Stellen gelesen (bei May !), die etwas anderes aussagen ... (und vorher wußt' ich's auch schon, da so auch in Erinnerung ...)
Winnetou ist eigentlich der einzige, mit dem ich mich nie identifizieren konnte. Sowohl Halef als auch Wabble haben jedoch sehr wohl Identifikationspotential, natürlich niemals 100%iges.
Es geht mir ganz ähnlich ...

:D
Rene Grießbach
Beiträge: 505
Registriert: 2.9.2007, 12:21
Wohnort: Dresden

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von Rene Grießbach »

rodger hat geschrieben:
interessant ist, dass Old Shatterhand dieser materialistischen Sichtweise tatsächlich keine Argumente entgegenzusetzen hat als die Drohung mit dem Tag des Todes.
"Es wird Euch, wie die heilige Schrift sagt, schwer werden, gegen den Stachel zu lecken, und ich sehe es kommen, daß der Herrgott Euch einen Fact entgegenschleudern wird, an welchem Ihr zerschellen müßt wie ein dünnes Kanoe am Felsenrande", sagt Old Shatterhand, damit muß nicht der Tag des Todes gemeint sein. Schon vorher im Leben kann sich zeigen daß Hybris schlicht und ergreifend sozusagen einfach nicht mehr funktioniert ...
Nun ja, es mag Ansichtssache sein aber die Metapher
an welchem Ihr zerschellen müßt wie ein dünnes Kanoe am Felsenrande
ist für mich nur mit dem Ende, dem Tod vereinbar.
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 6992
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von rodger »

Mit dem "Ihr" muß ja nicht die physische Existenz gemeint sein, sie kann gemeint sein, freilich, genauso gemeint sein kann aber auch das Ego, das Weltbild ...
Rene Grießbach
Beiträge: 505
Registriert: 2.9.2007, 12:21
Wohnort: Dresden

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von Rene Grießbach »

Zu
"Vom Laienmissionar zum christlichen Philosophen
Eine kurze Lektüre zweier Romane von Karl May: "Old Surehand" - "Und Friede auf Erden!""
von Peter Thaddäus Lang und Bernhard Lang


Weiter oben hatte sich Helmut schon zu dem Text geäußert und ich stimme ihm, soweit mir das bis jetzt möglich ist, zu. Damit meine ich den Sachverhalt, dass ich jetzt nur den ersten Abschnitt, den zu "Old Surehand" von Peter Thaddäus Lang gelesen habe. Wegen vorgerückter Stunde werde ich mir den zweiten Teil, den zu "Und Friede auf Erden!" für morgen oder die nächsten Tage aufheben.
Insgesamt empfinde ich den Text zu "Old Surehand" als eher schwach und ich will meine Bemerkungen dazu nun auch in Grenzen halten.

Auch in diesem Text wird sich eingehend mit Old Wabble auseinandergesetzt. Auch hier zunächst mit der "fact"-Szene (dem nächtlichen Gespräch in der Wüste):
"Dieser Dialog über die Existenz Gottes bewegt sich auf keinem sehr hohen intellektuellen Niveau. Vor allem enttäuscht die Argumentationsweise Old Shatterhands, der die Existenz Gottes zu verteidigen versucht. Es fällt auf, dass er keinen einzigen der geläufigen Gottesbeweise heranzieht." (S.46)
Dem stimme ich sogar zu und zur Ehrenrettung Old Wabbles sei festgehalten, dass mich die Argumentationsweise Old Shatterhands auch nicht überzeugt hätte.

S.48:
"Auch biografisch gesehen kommt Old Surehand von ziemlich weit unten, wenn man so will. Seine Eltern waren Zuchthäusler."
Hier enttäuscht v.a. die Argumentation des Autors. Mit diesem " von ziemlich weit unten" bedient er ein Vorurteil, das schon Karl May in "Old Surehand III" vollkommen berechtigt abgelehnt hatte.
»... Ich bin so verschwiegen gewesen, weil ich glaubte, Ihr würdet Euch von mir wenden,
wenn Ihr hörtet, wer ich bin.«
»Unsinn! Seid, wer Ihr wollt! Old Surehand ist ein braver Kerl!«
»Aber - - aber - - aber der Sohn eines - - - Zuchthäuslers!«
»Pshaw!«
»Wie? Ihr erschreckt da nicht?«
»Fällt mir nicht ein!«
»Bedenkt doch, Sir - - - Zuchthäusler!«
»Ich weiß, daß es in den Zuchthäusern und Gefängnissen auch schon brave Leute gegeben
hat!«
»Aber, mein Vater ist sogar im Zuchthause gestorben!«
»Traurig genug! Aber das geht doch meine Freundschaft für Euch nichts an!«
»Wirklich nicht?«
»Wirklich nicht!«
»Meine Mutter war auch Zuchthäuslerin!«
»Das ist ja ganz entsetzlich!«
»Und mein Oheim auch!«
»Armer, armer Teufel, der Ihr seid!«
»Beide sind ausgebrochen und entflohen!«
»Das gönne ich ihnen!«
»Aber, Sir, Ihr fragt doch gar nicht, weshalb sie bestraft wurden!«
»Was bringt es für Nutzen, wenn ich es erfahre?«
»Wegen Falschmünzerei nämlich!«
»Das ist schlimm! Falschmünzerei wird sehr schwer bestraft.«
»Nun - - -? Ihr redet immer noch mit mir?«
»Warum nicht?«
»Mit dem Sohne und Neffen von Falschmünzern, von Zuchthäuslern?«
»Hört 'mal, Mr. Surehand, was gehen mich die Münzen und die Gefängnisse der Vereinigten
Staaten an? Selbst angenommen, daß Eure Verwandten dieses Verbrechen begangen und
die Strafe wirklich verdient hatten, was habt denn Ihr dafür gekonnt?«
»Ihr wendet Euch also nicht von mir ab?«
»Hört, Sir, beleidigt mich nicht! Ich bin ein Mensch, ein Christ, aber kein Barbar! Wer Strafe
verdient, der mag sie tragen; ist sie vorüber, so steht er wieder da wie zuvor, wenigstens in
meinen Augen...«
[Karl Mays Werke: Old Surehand III, S. 644/645. Digitale Bibliothek Band 77: Karl Mays Werke, S. 57220 (vgl. KMW-IV.20, S. 504-505)]
Wirklich geärgert habe ich mich in dem Text über folgende Schilderung:
"Der alte Westmann (Old Wabble, RG) hatte vor Jahren einen Indianerstamm um die ganze Jahresausbeute an Pelzen betrogen und dazu noch einige Mitglieder des Stammes ermordet." (S.49)
Das, wovon hier die Rede ist, berichtete der Häuptling der Osagen, Schahko Matto und der, der das zu verantworten hatte, war Thibaut bzw. Tibo taka.
Wie kommt der Autor dazu, das Old Wabble anzudichten? Hat er das Buch gelesen?
Die andere Variante, die mir aber unglaulich erscheinen mag, ist folgende: Der Autor nutzte die KMV-Bände als Quelle. Sagt mal, sind die tatsächlich in solch unsinnigerweise "bearbeitet"? (Ich kenne die KMV-Fassung nicht und die Frage ist daher nicht rethorisch sondern ernst gemeint.)

Etwas sehr gewagt und zu weit hergeholt finde ich die These am Ende des Beitrags:
"Bekehrt werden jedoch nicht nur die beiden Westmänner (Old Surehand und Old Wabble; RG), sondern auch die Leser, sollten diese solches nötig haben." (S.54)
Hier war wohl bei der Niederschrift des Textes bei Herrn Lang der Wunsch der Vater des Gedankens, nämlich dass jede/r nach der Lektüre der Bücher Christ werden MÜSSE. (So verstehe ich seine Formulierung) Und mit seiner Formulierung bezieht er sich auch nicht darauf, zumindest nicht nur, dass ihm (Karl May) selbst Leser geschrieben haben (sollen), durch seine Bücher Christen geworden zu sein sondern er bezieht sich auch auf die Gegenwart. Ich kann ihm versichern, die drei Surehand-Bände ebenso wie alle andern Reiseerzählungen mehrfach gelesen zu haben. Bekehrt hat mich kein einziges der Bücher. Und ich bin da kein Einzelfall.
Zuletzt geändert von Rene Grießbach am 5.11.2012, 23:01, insgesamt 1-mal geändert.
Benutzeravatar
rodger
Beiträge: 6992
Registriert: 12.5.2004, 18:10
Wohnort: Oberhausen

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von rodger »

"Dieser Dialog über die Existenz Gottes bewegt sich auf keinem sehr hohen intellektuellen Niveau. Vor allem enttäuscht die Argumentationsweise Old Shatterhands, der die Existenz Gottes zu verteidigen versucht. Es fällt auf, dass er keinen einzigen der geläufigen Gottesbeweise heranzieht."
Das ist ja geradezu lächerlich ...

Mit dem bißchen Verstand den wir Menschen so drauf haben kommt man der Angelegenheit eben nicht bei ...

Gottesbeweis, pshaw ... ich mußte googeln was das überhaupt sein soll ...

Es läßt sich eben nicht beweisen [und auch nicht das Gegenteil]. So einfach wird's uns nicht gemacht ...
Die andere Variante, die mir aber unglaulich erscheinen mag, ist folgende: Der Autor nutzte die KMV-Bände als Quelle. Sagt mal, sind die tatsächlich in solch unsinnigerweise "bearbeitet"? (Ich kenne die KMV-Fassung nicht und die Frage ist daher nicht rethorisch sondern ernst gemeint.)
Ich weiß es nicht auswendig und es ist mir im Moment zu aufwendig das zu prüfen, ich glaube es aber in dem Fall nicht. Das wird (vermutlich) der Autor des Artikels durcheinandergeworfen haben. (Es gibt in den Bänden 14 + 15 des KMV Kürzungen und stilistische Änderungen, aber das betrifft soweit ich mich erinnere nicht die Handlung.)
Etwas sehr gewagt und zu weit hergeholt finde ich die These am Ende des Beitrags:
"Bekehrt werden jedoch nicht nur die beiden Westmänner (Old Surehand und Old Wabble; RG), sondern auch die Leser, sollten diese solches nötig haben." (S.54)
Ich habe den Artikel nicht gelesen, aber diese Stelle klingt eher nach Ironie ...
Rene Grießbach
Beiträge: 505
Registriert: 2.9.2007, 12:21
Wohnort: Dresden

Re: Neuer Sammelband über "Karl May und die Religion"

Beitrag von Rene Grießbach »

rodger hat geschrieben:
Etwas sehr gewagt und zu weit hergeholt finde ich die These am Ende des Beitrags:
"Bekehrt werden jedoch nicht nur die beiden Westmänner (Old Surehand und Old Wabble; RG), sondern auch die Leser, sollten diese solches nötig haben." (S.54)
Ich habe den Artikel nicht gelesen, aber diese Stelle klingt eher nach Ironie ...
Kannst mirs glauben, das hat der Autor mit Sicherheit NICHT ironisch gemeint.
Antworten