Thomas Kramer, Karl May

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rodger
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Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von rodger »

Mit diesem Buch liegt eine nach ersten Eindrücken zu urteilen weitere lesenswerte Biografie vor.

Erste Notizen:

"Die Karl-May-Filmwelle der Sechzigerjahre bescherte einem Franzosen und einem Amerikaner unsterblichen Ruhm als populärstes Liebespaar der deutschen Leinwand." (S. 7) Launig ... (und vielleicht denn doch "einer zuviel". :roll: )

"Seitdem verabschiedet sich der eigentliche Karl May aus dem öffentlichen Bewußtsein." (S.8, "Seitdem" bezogen auf Ende der Sechzigerjahre.)

"Dass 'Die Sklavenkarawane', "Der Schatz im Silbersee" oder "Old Surehand" nicht von Leinwanddesignern wie David Lean, John Ford oder George Lucas, sondern Produzenten von Stangenware wie Georg Marischka, Harald Reinl oder Alfred Vohrer verfilmt wurden, kann man dem Autor der literarischen Vorlagen nicht anlasten." (S. 11)

"Karl May kann einem Leser in Zeiten der Globalisierung, fundamentalistischen Terrors und dramatischer Finanzkrisen viel Wissens- und Nachdenkenswertes bieten." (S. 11)

Das Buch erzählt Mays Leben rückschauend aus Wien 1912. Dabei wird das Wiener Erlebnis angemessenerweise nicht verklärt, sondern auch eher sehr nüchterne Aspekte desselben betrachtet.

"Vorbehalte gegenüber 'Mischlingen' kultivierte der Autor bis zum Lebensende." (S. 19) Je nun. Ja auch, möglich, aber vergessen wir [z.B.] nicht die durch und durch wohlwollend gesehenen "Mischehen" in "Der Boer van het Roer" und "Und Friede auf Erden" ... Und "kultiviert" erscheint mir hier als unangemessen eindeutig ...

(wird fortgesetzt)
markus
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von markus »

Klingt interessant. Wie heißt das Buch?
Rene Grießbach
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von Rene Grießbach »

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rodger
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von rodger »

In Sachen frühkindliche Blindheit [oder auch nicht] ein interessantes [längeres] Thomas Mann – Zitat aus „Joseph und seine Brüder“. (S. 31)

Mays „Heimkehr“ (wie auch die zitierte Fassung „Ich will zurück“) ist, mit Verlaub, [weit] mehr als „rückwärtsgewandte Kindheitsidyllisierung“ (S. 34). Indes ist die Sache mit dem „Schlüssel“ (ab S. 34 mitte) gut bzw. interessant gesehen.

Gelegentlich hemdsärmelige Formulierungen auch bei solches nicht gerade nahelegender Thematik, „die klöppelnde Oma [...] den Helden auf eine letzte Reise in sein Inneres [...] schickt“. (S. 36)

„Die industrielle Revolution fegt auch in Sachsen jegliche Butzenscheibenidylle aus den Handwerkerstuben“. (S. 36) Ja und Nein.

In Sachen Kindheit, Elternhaus, Alkohol („Im damals etwa 3000 Einwohner umfassenden Ernstthal kommt in Mays Geburtsjahr eine Kneipe auf 120 Einwohner“) wird nichts beschönigt. (S. 36 ff)

„für einen garantierten Publikumserfolg braucht er das Salbungsvolle der Traktate, die geographischen und ethnographischen Fakten der Rektoratsbücherei mit der actionreichen Handlung der Heftromane nur noch zu verquirlen.“ (S. 40) Das ist eindeutig zu einseitig kritisch gesehen.

(wird fortgesetzt)
Rene Grießbach
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von Rene Grießbach »

Ich erlaube mir einfach mal, mich an der von rodger begonnenen, wie gewohnt sehr gründlichen Analyse zu beteiligen:

Für durchaus interessant in dem Buch halte ich die mehrfach gezogenen Vergleiche zwischen den Werken Karl May´s einerseits und Publikumsmagneten wie "Star Wars" oder "Herr der Ringe" andererseits. Das betrifft weniger den Inhalt an sich sondern die jeweilige Massenwirkung. Und verrät uns - glaube ich - Thomas Kramers Vorliebe für die neben May genannten Filme bzw. Bücher.
Ebenso bemerkenswert ist, dass im letzten Kapitel des Buches explizit das Spätwerk und seine viel zu oft unterschätzte Bedeutung hervorgehoben wird.
Kramer kommt auf Seite 188 zu dem Schluss:
Solange allerdings Karl Mays Aktualität unberücksichtigt bleibt und sein Spätwerk als schwer lesbar gilt, wird sein Stern weiter verblassen.
Allerdings teile ich nicht Thomas Kramers Ansicht, wenn er auf Seite 187 feststellt,
... dass gerade May heute längst nicht mehr so beliebt ist wie einst ...
Das kann man, finde ich, so nicht sagen. Natürlich, May wird nicht mehr so viel gelesen wie früher. Aber ist er deswegen gleich weniger beliebt wie einst? Ich denke nicht. Denn man muss doch - finde ich - da auch noch ein paar weitere Faktoren mit hinzuziehen. Vor allem den, dass das Angebot an Lesefutter heute viel viel umfangreicher ist als zu Mays Zeiten.

Insgesamt habe ich neben den interessanten Ausführungen und Vergleichen, die der Autor anstellt, des öfteren Stellen in dem Büchlein gefunden, wo ich ins Stocken kam. Zum einen sind da Fehler in der Wiedergabe von Namen Mayscher Figuren und andere kleinere Schreibfehler und Ungenauigkeiten zu registrieren, zum anderen gibt es Dinge, bei denen schon interessant wäre, woher der Autor das weiß. Z.B. die Angabe auf Seite 77,
Nach schwerer Kindheit wird Emma wahrscheinlich mit sechzehn (...) unehelich geschwängert.
Dass manche Inhaltsangaben auf den bearbeiteten Bänden des KMV beruhen (anders ist es nicht erklärbar, dass geschrieben wird, Old Shatterhand habe am Anfang von "WINNETOU II" den Henrystutzen bekommen (S. 144) ) sei nur am Rande erwähnt.
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rodger
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von rodger »

Rene Grießbach hat geschrieben:Ich erlaube mir einfach mal, mich an der [...] Analyse zu beteiligen
Herzlich willkommen.

:D

(dann bin ich nicht so allein hier. Im Leben stört mich das wenn's so ist nicht, im Gegenteil, im Forum aber manchmal schon ...)

:wink:
Das betrifft weniger den Inhalt an sich sondern die jeweilige Massenwirkung.
Das ist aber unmittelbar verbunden. Es betrifft insofern beides in m.E. [etwa] gleichem Ausmaß.
Und verrät uns - glaube ich - Thomas Kramers Vorliebe für die neben May genannten Filme bzw. Bücher.
Muß nicht. Kann. (Er bringt an einer Stelle auch einen nicht unpassenden Vergleich mit Dieter Bohlen, und ich würde Herrn Kramer nach bisherigen optischen, [Fernseh-]Talk- und Leseeindrücken nicht unbedingt als Bohlen-Fan einschätzen ...) :wink:
Das kann man, finde ich, so nicht sagen. Natürlich, May wird nicht mehr so viel gelesen wie früher. Aber ist er deswegen gleich weniger beliebt wie einst? Ich denke nicht.
Um es noch deutlicher zu formulieren, May ist out. Punkt. (Mich persönlich stört das nicht ... Wie schrieb Wollschläger, "daß richtiger, gewichtig wichtiger eine Sache nicht dadurch wird, daß ihr die Volksmillionen applaudieren: dem Wichtigen an Karl May im Wege ist immer wieder auch sein so wüster Erfolg".)
Zum einen sind da Fehler in der Wiedergabe von Namen Mayscher Figuren
Wo ? Bis jetzt habe ich keine bemerkt (bin bis S. 96) (ich kann mich irren, freilich, ich frag' nur)
andere kleinere Schreibfehler und Ungenauigkeiten zu registrieren
Stimmt. Vgl. dazu nachfolgende Beiträge.
Dass manche Inhaltsangaben auf den bearbeiteten Bänden des KMV beruhen (anders ist es nicht erklärbar, dass geschrieben wird, Old Shatterhand habe am Anfang von "WINNETOU II" den Henrystutzen bekommen (S. 144) ) sei nur am Rande erwähnt.
Die Sache mit dem Henrystutzen ist freilich ein Unding ... Aber offenbar wirklich eine Zeiterscheinung, daß man es nicht mehr so genau nimmt. Bzw., es war früher auch so, da wußte man von der Angelegenheit mit der Bearbeiterei ja auch nicht, dann gab es einige Jahrzehnte eine Art Aufklärungsphase und jetzt schwingt das Pendel seit einiger Zeit wieder kräftig zurück ... einige merken es offenbar noch nicht aber es ist so. :D
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rodger
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von rodger »

Fortsetzung Lesenotizen

"Die ersten beiden Seiten des bereits erwähnten Romans "Weihnacht" von 1897 lobpreisen im Traktätchenton das Fest so übertrieben süßlich [...]" (S. 50). Nein. Mays aufrichtig liebevolles Verhältnis zur "Weihnacht" eben auch in übertragenem Sinne ist zu spüren. Und das ist schön. Und ist eben auch der 'Witz', daß er sich seinen Glauben, seine Zuversicht, das Gefühl der Geborgenheit usw. eben auch durch mehrere 'Keulenschläge' auch [aber nicht nur] zur Weihnachtszeit unerschütterlicherweise nie hat zerstören lassen.

Heinz Erhardt schreibt sich im Gegensatz zu Ludwig Erhardt mit t am Ende. (S. 52) (Ich vertu' mich zwar auch gern mal mit solchen Sachen aber wenn ich ein Buch schriebe würde ich vorher nachgucken 8) )

Die Bezeichnung von Mithäftlingen als "Dornröschen" seitens May gäbe "Anlass zu Spekulationen über Mays sexuelle Präferenzen jener Zeit" (S. 58), naja, mag sein.

"Für den ichzentrierten May hat sie natürlich der Gram um sein Schicksal dahingerafft" (S. 58, über die Großmutter), hübsch.

(wird fortgesetzt)
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rodger
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von rodger »

Interessante Zusammenhänge in Sachen Geschichte, Politik und Gesellschaft auf den Seiten 62 / 63.

Achtzehnhundertfünfundsiebzig Strousberg, Zweitausendsonstwann Chodorkovskij (S. 65), ick säch jo, et kütt all weer oder auch es war immer, immer so. (Das mag man als dumme Stammtischphilosophie abtun, bitt'schön, aber manchmal sieht's der Stammtisch halt schon richtig ...)

"May konnte sich darauf verlassen, dass sein Lesepublikum den Urtext aus einer längst vergessenen Zeitschrift [...] nicht kannte" (S. 66). Auch das ist noch heute weitgehend so ... :D

"Mit ihren Auftritten weht ein eisiger Hauch von glamouröser Dekadenz und Sadismus durch mondäne Salons und über blutige Kauffahrerdecks" (S. 69, über Miß Admiral), hübsch.

Die Formulierung "als ihm sieben Jahre später für den ursprünglich auf drei Bände angelegten Mittelteil von 'Old Surehand' die Ideen ausgingen" (S. 69) ist natürlich falsch, die Ideen mögen ihm zwar ausgegangen sein (indes: auch das ist fraglich ...), aber bitt'schön für den Mittelteil des ursprünglich usw., der 'Surehand' war auf drei Bände angelegt, nicht der Mittelteil.

"Seitenfüller im Wirtshaus - nicht im Spessart, sondern stilgerecht in St. Louis" (S. 69), sehr hübsch.

"Von Bagdad nach Stambul" ist als Erzählung nicht den Neunzigerjahren (S. 70) zuzuordnen, auch wenn der Text unter diesem Namen erst zu der Zeit erschien, geschrieben wurde er bereits in den frühen Achtzigern, und später für die Buchausgabe weitgehend unverändert gelassen.

Der Vergleich mit Brecht in Sachen rücksichtsloses Ausnutzen von Partnerinnen (S. 71) erscheint mir etwas schief, bei May geschah das wenn auf die indirekte 'Tour', den Beteiligten einschließlich May selber vielleicht gar nicht allzusehr bewußt, bei Brecht indes ganz unverblümt ...

Schön ist die eindeutige Zuordnung Albanis (Durch die Wüste / In den Schluchten des Balkan) zu dem Albani in Mays Leben bzw. darüberhinaus auch zu May selber (S. 71) ... (die Freunde der reinen & ausschließlichen Fakten geben sich bei so etwas eher zögerlich ... (wenn überhaupt ... auch schon mal vehement ablehnend ... an den Daten und Zahlen kann man sich ja so schön festhalten, hingegen ist Spüren, Empfinden, Erkennen ihnen nicht ganz geheuer, mindestens suspekt ...))

"Was sie von Mays anderen Geliebten unterscheidet ist, dass sie wahrscheinlich eine größere Erfahrung im Umgang mit narzisstisch geprägten Persönlichkeiten mit Hang zu Höherem hat" (S. 71), hübsch.

"Dass sie sich, wie er später verrät, zudem auf "die Geheimnisse des Frauenkörpers und die Macht der weiblichen Reize" versteht, ist zunächst, solange diese Mysterien nicht von anderen ergründet werden, ein gern in Kauf genommener Nebeneffekt" (S. 73), mir gefällt diese mehr augenzwinkernd & eher wohlgesonnen als abschätzig wirkende Kramersche Schnoddrigkeit ... davon gibt's noch reichlich mehr ...

["Nscho-tschi II" (tatsächlich so ?) (S. 74) muß ich nachschauen, habe aber das Buch, in dem das vermutlich steht, im Moment nicht zur Hand.]

May schreibt "Was ich ihr [...] bot, genügt nicht: stille, ruhige Spaziergänge des Tages oder des Abends eine Unterhaltung bei ihrem Großvater", Kramer kommentiert lakonisch "Nun gehören ruhige Spaziergänge und Gespräche mit Opa bis heute nicht zu den favorisierten Freizeitbeschäftigungen Zweiundzwanzigjähriger" (S. 75), herrlich. (Der Berichterstatter erinnert sich unvermeidlicherweise soeben an einen stillen, ruhigen Spaziergang um den Durlacher Turmberg anno 1976 mit längeren Ausführungen [seinerseits] unter anderem zu Thomas Mann, Richard Wagner und noch ein paar zerquetschten ... :lol: )

Apropos Richard Wagner, da haben wir ihn ja schon wieder, bzw. Cosima (S. 76 f.), diese Art Parallelität (Klara - Cosima) ist schön gesehen.

"Im Unterschied zu Karl May vergisst Wagner allerdings nie, welche Opfer Minna ihm gebracht hatte" (S. 77), naja, zu so etwas gehören immer zwei, ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, ein Kuhhandel, wenn man [es denn mal bewußt etwas kritischer] so [ausdrücken] will. (Das soll nicht heißen daß man es ausschließlich so kritisch sehen muß, aber man kann ... eine Angelegenheit von verschiedenen Seiten beleuchten ... und "arme Opfer" pflegen halt [unter anderem ...] auch handfeste Eigeninteressen zu verfolgen ...)
Zuletzt geändert von rodger am 5.11.2011, 12:51, insgesamt 1-mal geändert.
Rene Grießbach
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von Rene Grießbach »

rodger hat geschrieben:
Zum einen sind da Fehler in der Wiedergabe von Namen Mayscher Figuren
Wo ? Bis jetzt habe ich keine bemerkt (bin bis S. 96) (ich kann mich irren, freilich, ich frag' nur)
S. 96 "Max Brand" --- richtig heißt der Gustav Brandt

S. 101 "Wurzl-Sepp" --- richtig heißt er Wurz´nsepp oder auch Wurzelsepp

S. 113 " Nou-pay-klama" --- richtig heißt es Nonpay-klama

S. 158 "Sajd Hassan" bzw. "Sajd Omar" --- "Sejd Hassan" bzw. Sejjid Omar"

Der/die eine oder andere mag mir hier Haarspalterei vorwerfen, aber bei sowas nehm ich´s genau.

PS: Da Du ja erst auf Seite 96 bist, kannst du die Stellen ja noch nicht gefunden haben :D
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rodger
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von rodger »

Aufgefallen wäre mir wenn überhaupt vermutlich nur der Wurzel-Sepp, wegen des als unauthentischen Fremdkörper empfundenen Bindestrichs ... bei Nou-pay-klama oder auch Nonpay-klama weiß ich gar nicht wer das ist, da muß ich nachschauen ...

:D
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von rodger »

In Sachen unserer Spaziergänger bzw. in Sachen abstruse Kommunikation zweier halt nicht zueinander passender Menschen ist mir noch diese sehr hübsche Stelle wieder eingefallen:

„konnten sie grammatikalisch einander das nicht sagen, was sie sagen wollten; aber sie verstanden einander doch, wenn es auch hier und da ein Missverständnis gab, über welches man hätte aufschreien mögen.“

(in "Satan und Ischariot" (II))

(In der Bamberger Fassung wird aus dem durchaus angemessenen „aufschreien“ ein „auflachen“, das ist ein bisschen harmloser und gefälliger, aber auch banaler, und eben nicht das, was, ein Dimensiönchen tiefer, gemeint war.)

Mittlerweile finde ich Kramers Bemerkung an der Stelle in Sachen Spazierengehen gar nicht mehr so passend ... sie ist witzig, ok, in der Tat, aber sie vernachlässigt den Aspekt, daß Emma halt nicht die "richtige" für May war ... und es gibt durchaus auch Zweiundzwanzigjährige, die Spazierengehen und geistige Gespräche irgendwelchem oberflächlichen Ringelpietz mit Anfassen durchaus vorziehen würden ... sie sind wahrlich nicht in der Mehrheit, aber es gibt sie ... (wie hieß es noch immer im "Briefkasten", [wie eine Widmung klingend,] "Frau D.W. in Wien". Oder so in der Art.)

Die Komik bei der besagten Angelegenheit liegt in bzw. resultiert aus Mays Nichterkennen der Unpassendheit der auserkorenen Partnerin. Nicht in seinen persönlichen Vorlieben als solchen. [Howgh.]
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von Rene Grießbach »

rodger hat geschrieben:Aufgefallen wäre mir wenn überhaupt vermutlich nur der Wurzel-Sepp, wegen des als unauthentischen Fremdkörper empfundenen Bindestrichs ... bei Nou-pay-klama oder auch Nonpay-klama weiß ich gar nicht wer das ist, da muß ich nachschauen ...

:D

Siehe hier:
»Uff!« rief er aus. »Der Häuptling ist geraubt worden!«
Keiner antwortete. Das, was der Alte sagte, war zu unglaublich, und doch durften sie einem so erfahrenen Krieger nicht widersprechen.
»Meine Brüder glauben es nicht?« sagte er. »Sie mögen herblicken. Hier ist die Leinwand des Zeltes gelockert, und hier stecken die Zweige in der Erde. Ich kenne dieses Zeichen. Es ist das Zeichen von Nonpay-klama, den die Bleichgesichter Old Shatterhand nennen. Er ist hier gewesen und hat uns den schwarzen Hirsch geraubt.«
[Karl Mays Werke: Der Sohn des Bärenjägers. Erzählungen, S. 193/194. Digitale Bibliothek Band 77: Karl Mays Werke, S. 35419 (vgl. KMW-III.1-184:14, S. 203)]
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von rodger »

Nonpay-klama
Klingt ein bissel nach "Django zahlt nicht" ...

:D

(trau' ich Karl May durchaus zu, sich manchmal bei diesen schrägen Namen einfach irgendwelchen Blödsinn gedacht zu haben, der alte Scheik, Schwede oder auch Schelm ...)
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von rodger »

Und weitere Leseeindrücke bzw. -notizen ...

Doppelter Flüchtigkeitsfehler auf S. 78, "Bildet 'Im fernen Westen' wie bereits erwähnt später die Textgrundlage der abschließenden Kapitel von 'Winnetou II' [...]", "Im fernen Westen" wurde indes zuvor nicht erwähnt, nur von "Old Firehand" war in dem Zusammenhang die Rede. Außerdem kommt es mit den "abschließenden Kapiteln" nicht hin, da das Schlußkapitel in Winnetou II weder mit "Old Firehand" noch "Im fernen Westen" zu tun hat.

Und gleich noch eine inkorrekte Angabe, S. 80, "Unter Würgern" ist zwar "die umgearbeitete Fassung des zwei Jahre früher [...] erschienenen Wüstenabenteuers 'Die Gum'", aber dann darf nicht folgen "das sich heute im Band "Orangen und Datteln" befindet, "die" statt "das" müßte es dann heißen, die umgearbeitete Fassung befindet sich dort, indes wiederum unter dem ursprünglichen Titel, es ist in der Tat verwirrend mit dem Sachverhalt ...

Und in "Unter Würgern" lesen wir zwar vom Namen Old Shatterhand und auch von Emery Bothwell, aber wenn ich mich nicht irre nicht davon daß Bothwell ihm diesen Namen verliehen habe ... (oder stand das in der 'Hausschatz'-Fassung ? In F 10 steht es nicht.) (S. 80)

Die Stollberg-Affäre fließt in "Auf der See gefangen" ein, würde ich sagen, nicht umgekehrt (S. 81, da liest es sich so als habe ein Handlungselement im Roman May zu seinem Treiben animiert.)

"Untertaneneifrig verschreckt", S. 82, hübsch. - Die "Rückblicke eines Veteranen" sind zwar in der Tat, sagen wir, grenzwertig, aber "schwanzwedelnd" (S. 82) erscheint mir denn doch vielleicht "einer zuviel" ... "die Obrigkeit erkennt schnell, mit wem man es da zu tun hat". Nun gut.

"Genie" steht da, S. 86, immerhin. (Das "monomanisches" davor stört nicht ...)

Die "Klatschbasen" und "Karnickel" sind mir erinnerlich, hat er auch von "Puten" (S. 86) geschrieben ? Werde nachschauen ...

"Doch damals wie heute wachsen die Publikumsansprüche, immer neue, extremere Nervenkitzel müssen her. Und dafür ist ein besessener Routinier wie May, ein Dieter Bohlen für triviale Textmassen, genau der Richtige." (S. 87)

"Allerdings waren historische Darstellungen oder die Anprangerung sozialer Mißstände für den Autor selbst nur dramaturgisches Mittel und ein gern in Kauf genommener positiver Nebeneffekt." (S. 89) Da dürfte was dran sein.

Das "Waldröschen" erweise sich in der Originalfassung "als durchaus geeignete Lektüre für das Publikum des globalen Internet- und Google-Zeitalters." (S. 89) Richtig.

Hübsche Formulierung (S. 91), "Der Roman zeigt eine globale Notaufnahme [...], in der Doktor Sternau mit einer Horde skurriler Assistenzärzte wie Trapper Geierschnabel die Leiden der Welt bekämpft."

Auf S. 92 widerlegt sich Kramer nach meinem Dafürhalten hübsch selbst, er schreibt von "schablonenhaften Figuren", "mit jedem denkbaren Klischee üppig ausgestatteten Kostümpuppen", um dann unmittelbar anschließend - als Beispiel ! - eine Stelle Mays zu zitieren, in der eben gerade deutlich wird, daß seine Figuren manchmal die unterschiedlichsten Anteile in sich vereinen ... eben weder schablonen- noch klischeehaft ... "ausgeprägtester Kitsch", nein, keineswegs, manchmal ja, ok, manchmal auch nur im entsprechend fehlwahrnehmenden Auge des Betrachters ...

"Die beliebten Abstrafungen mittels Alligatoren haben RTL-Schungel-Camp-Qualitäten" (S. 93), originell, ok, aber ganz so weit ist nun RTL noch nicht ...

Bei der ebenfalls originellen Formulierung in Sachen Beisetzung Cherrys (S. 95) müßte es statt "trotzdem" doch eigentlich "ebenfalls" o.ä. heißen, oder verstehe ich da was falsch ?

(wird fortgesetzt; Unterbrechung diesmal innerhalb eines Kapitels, es wird mir gerade zu lang)
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Re: Thomas Kramer, Karl May

Beitrag von rodger »

"Die Erlebnisse und Leiden sind in dem überdimensionierten Vexierbild auf verschiedene Personen verteilt." (S. 97) Das bezieht sich zwar auf den "Verlronen Sohn", gilt indes fürs Gesamtwerk ...

In Sachen Hobble-Frank und Bildung (S. 104 f), das habe ich so in der Art kürzlich schon einmal irgendwo gelesen, May wolle "demonstrieren, wie wichtig eine gute Bildung ist", beim besser wissenden Leser stelle sich "Stolz" ein, jenun, ich empfinde das ganz anders, aber das mag wirklich individuell verschieden sein ... Meiner Empfindung nach karikiert May die Bildung als Selbstzweck (will sagen: wenn sie sozusagen als Selbstzweck daherkommt), jongliert, spielt damit ...

Und in Sachen Bärenjäger ... (S. 105) vor entsprechenden im Hirn sich einstellenden Albernheiten ist auch der Vortragende nicht gefeit, aber sich diesbezüglich ernsthaft mit Nebenbedeutungen zu beschäftigen, erscheint mir denn doch [vielleicht] "einer zuviel" ...

Daß der Hobble-Frank in späteren Werken nicht mehr erscheint, hat m.E. mehr mit Mays Lust und Laune oder auch Befindlichkeit zu tun als mit pädagogischen Erwägungen ... (S. 108 / 109)

"Nur durch eigene Hände harter Arbeit erworbener Besitz frommt" sei eine Botschaft Mays (S. 111), ich würde eher sagen [zum einen das klingt spießig und paßt nicht zu ihm, zum anderen] er wußte wohl, daß Geld und Gut letzten Endes nichts bringt (auch wenn er es, sozusagen temporär, durchaus schätzte ...), egal wie erworben ...

Bei Fehsenfeld nur den zweiten Vornamen zu bringen und den ersten wegzulassen (S. 118), das geht nun gar nicht, pardon. Dieser Mann hat nach wie vor so viele "Steine im Brett" ...

"Superheld Kara Ben Nemsi ist der Autor, wie er gern wäre - sein Diener ist der Karl May in der schnöden Realität." (S. 121) Stimmt ansatzweise, aber so nicht ganz ... wenn man gedanklich "Übertreiben veranschaulicht" hinzusetzt, dann ja (nicht Kramer übertreibt; May übertreibt bei seiner Selbstdarstellung in Halef.)

Die Perspektive dessen, der "voller Hochachtung für die vergangenen Kulturen angewidert auf das elende Dasein der Nachfahren ihrer Schöpfer blickt" sei "allgemein einsetzbar" (S. 127), das ist sehr richtig, aber eben keineswegs nur für den Orient, sondern z.B. auch für das Abendland ... Aber die Formulierung von allgemein einsetzbarer Perspektive können wir uns merken, sie ist ein Schlüsselwort zu Karl May (wie zu guter Literatur überhaupt).

Was May uns heute noch über den Nahen Osten zu sagen habe, fragt Kramer (S. 129) (und beantwortet das anschließend durchaus wohlwollend gegenüber May). Vergessen wir nicht, daß es nicht nur um den Orient ging, wenn May über den Orient schrieb ... ("Verlegen Sie das alles mal nach Deutschland" ...)

"Das Wörtchen "Ich" ist der zentrale Begriff in der Welt des Karl May". (S. 138) Yes.

Durchaus nicht allzu abwegig ist der Vergleich mit Michael Jackson (S. 138 f), "Beide erlebten kurz vor ihrem Tod ein erstaunliches, ihrem übersteigerten Ego einen letzten rauschhaften Auftrieb bescherendes Comeback, dem ihre zerstörten Körper nicht mehr gewachsen waren."

Daß Mays Angst vor dem Bekanntwerden seiner Haftstrafen weniger Scham war als dem zeithistorischen Kontext geschuldet, ist gut gesehen. (S. 139)

"Dieses 'Ich' fühlt sich im Llano Estacado oder in der Sahara heimischer als in Radebeul, Bonn oder Castrop-Rauxel." (S. 139, bezieht sich sowohl auf May als auch auf seine Leser !) Hübsch. Aber gehen wir noch einen Schritt weiter: ein geneigter Leser weiß ja daß dieser Llano oder diese Sahara Radebeul, Bonn und Castrop-Rauxel durchaus spiegeln ... und diese Form der Auseinandersetzung damit ist ihm vielleicht mit Recht lieber als realiter z.B. in den Fußgängerzonen, Zitat Hölderlin, vom welkenden Lande die Seele ermatten zu lassen ...

"illo tempore", "ein zeitloses Universum" (S. 143), das ist es. "Theatrum mundi" schrieb Hermann Wohlgschaft.

Bürgerkrieg, Eisenbahnbau u.v.a. sind "Anknüpfungspunkte" (S. 143), so ist es. Eben keine konkreten historischen Hinweise als zeitliche Zuordnungsrichtlinien.

"Ein dem Ehrenkodex nach Gralsrittervorbild verpflichteter weißer Jäger wäre in der schmutzigen Realität der Ausrottungsfeldzüge gegen die letzten freien Indianer ebenso wenig überlebensfähig gewesen wie ein als Sioux verkleideter Apatschenhäuptling mit Vorlieben für Longfellows Gedichte und deutsches Bier." (S. 143) Hart auf den Punkt.

Heldenreise oder auch Initiationsweg, gut gesehener Aspekt (S. 144). (Die Sache mit dem Henrystutzen unter Angabe des falschen Buches ist insbesondere in dem Zusammenhang wirklich ein ärgerliches Unding.)

Interessant die wiederholt erwähnte Parallele zur Nibelungengeschichte (S. 145, auch irgendwo zu Beginn schon.)

Und der Satz mit dem Oberlehrer, Pfarrer usw. (S. 146, ich bin müde vom vielen Tippen und bitte nachzulesen) ist auch nicht übel.
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